Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 10.01.2008

Untertitel: Ein bedeutender Teil des Tourismus ist der Kulturtourismus. Kulturstaatsminister Bernd Neumann wies in seiner Rede auf dem Tourismusgipfel in Hamburg am 10. Januar 2008 auf die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur hin.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/01/2008-01-10-rede-neumann-tourismusgipfel,layoutVariant=Druckansicht.html


es lässt sich kaum ein besserer Ort als der Kaisersaal des Hamburger Rathauses denken, um über das Thema "Kultur und Wirtschaft als Partner" zu sprechen. Schon der erste festliche Akt in diesem Saal hatte einen wirtschaftlichen Hintergrund mit kultureller Strahlkraft. Das Rathaus war noch eine Baustelle, als Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1895 hier die Feierlichkeiten zur Einweihung des Nord-Ostsee-Kanals eröffnete.

Die allegorischen Gemälde dieses Saals zeigen folgerichtig keine militärischen oder historischen Ereignisse, sondern Deutschlands Triumph als Seehandelsmacht. Noch heute ist der Nord-Ostsee-Kanal die meist befahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Und dies mittlerweile zu Wasser wie zu Lande, denn die "Straße der Traumschiffe" gehört zu den attraktivsten Radwanderwegen Deutschlands - ein wichtiger Tourismusfaktor, gerade in ländlichen Gebieten.

Die Verbindung von Kultur, Tourismus und Wirtschaft ist ein Entwicklungsmotor, aber beileibe kein Perpetuum Mobile. Es bedarf der Menschen die diesen Motor anwerfen. Zu diesen gehört Jürgen Klimke, der die Initiative zu dieser Tagung ergriffen hat. Auch Klaus Brähmig danke ich für seine jahrelange intensive Arbeit in der AG Tourismus der CDU / CSU-Bundestagsfraktion zum Thema Kulturtourismus.

Meine Damen und Herren,

Hamburg ist eine Stadt, in der Wirtschaft und Kultur traditionell eng beieinander liegen. Das Gewicht verschiebt sich allerdings weg vom Stückgut hin zum Kulturgut: Die Stadt entwickelt sich zum Spitzenreiter unter den deutschen kreativen Städten.

Hamburg investiert in die Kultur und schafft so ein Klima der Kreativität und der Innovation. Immer mehr Künstler und Kreative siedeln sich hier an, immer mehr Gäste kommen der Kultur wegen nach Hamburg. Unter dem Motto "Kultur im Aufbruch" hat sich die Hansestadt 2007 auf der Internationalen Tourismus-Börse präsentiert.

Das Leitbild "Metropole Hamburg - Wachsende Stadt" setzt auf den Kulturstandort, setzt auf kulturelle Highlights wie Musicaltheater und

Auswanderermuseum. Es wird sogar in diesem Zusammenhang geprüft, so verrät die Homepage der Freien und Hansestadt,"mit welchem Aufwand es in Hamburg möglich wäre, große Ausstellungen nach dem Vorbild MoMa in Berlin oder van Gogh in Bremen stattfinden zu lassen." Als Bremer fühle ich denn nun doch ein gewisses Gefühl von Stolz darüber aufsteigen, dass wir anscheinend auf manchen Gebieten eine unbestrittene Vorreiterrolle haben!

Hamburg, meine Damen und Herren, setzt mit der Entwicklung der Hafencity auch auf Kulturwirtschaft. Hier wird auf dem Kaispeicher A die Elbphilharmonie entstehen, hier sollen sich aber auch junge Kreative ansiedeln. In solch einem dynamischen Klima wird unmittelbar greifbar, wie wichtig Kultur als Motor für die Entwicklung europäischer Metropolen ist.

Deshalb war es mir ein besonderes Anliegen, dassder europäische Kongress "Creative Europe" im Mai des vergangenen Jahres in Hamburg stattgefunden hat. Ich habe unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erfolgreichdas Thema Kulturwirtschaft zu einem Schwerpunkt gemacht, entsprechende Beschlüsse sind gefasst worden; dies wird wichtige Impulse für die Entwicklung auch in Deutschland geben.

Bei neuen oder besser: anscheinend neuen Bereichen wie der Kulturwirtschaft drängt sich zuerst einmal die Frage auf, ob sich die ganze Aufregung eigentlich lohnt. Dazu ein paar Zahlen: Im Jahr 2006 erwirtschafteten rund 200.000 Firmen im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft rund 58 Mrd. Euro. Das entspricht 2,6 % des Brutto-Inlands-Produktes. Deutschlands Wirtschaftsmotor

Nr. 1, die Automobilindustrie, bringt es mit 64 Mrd. Euro auf 2,9 % , die chemische Industrie auf 2,1 % . Die Kulturwirtschaft ist also bereits heute schon keine "quantité négligable" mehr, sondern eine volkswirtschaftliche Größe ersten Ranges.

Das Feld, das der Begriff Kulturwirtschaft beschreibt, ist allerdings höchst vielfältig. Es umfasst zahlreiche neue Bereiche der Kreativwirtschaft, wie zum Beispiel Design oder Computerspiele, aber auch viele traditionelle Wirtschaftsbereiche wie das Verlagswesen, die Musikbranche und die Filmindustrie.

Immer mehr Menschen in den hoch entwickelten alten Industriegesellschaften verdienen ihr Geld mit neuen Ideen, mit Patenten und geistigem Eigentum, immer weniger hingegen in der industriellen Produktion. In der Wirtschaft insgesamt spielen kreative und kulturelle Leistungen eine zunehmende Rolle. Die Kulturwirtschaft ist die Schlüsselbranche der Wissensgesellschaft. Um der Bedeutung der Kulturwirtschaft auch im Stellenwert meines Hauses einen höheren Rang zu geben, habe ich

ein eigenes Referat zu Kulturwirtschaft eingerichtet.

Kulturelle Angebote, meine Damen und Herren, entscheiden maßgeblich über die Attraktivität von Städten und Regionen. Wo könnte ich dies mit mehr Fug und Recht behaupten, als hier in Hamburg! Mit einer Wachstumsrate von über 11 % im Tourismus und mehr als 7 Millionen Übernachtungen im Jahr gehört Hamburg zu den Spitzenreitern.

Allein die Museen in Deutschland sind ein bedeutender Besuchermagnet. Über 102 Millionen Besuche zählte der Deutsche Museumsbund im Jahr 2007. Dazu nur eine Vergleichszahl: Bundesligaspiele werden von insgesamt rund 12 Millionen Menschen jährlich besucht. Die Spiele des Hamburger SV sahen 952.000 Fußballfans live da können Hamburgs Museen locker mithalten!

Wir haben in Deutschland mit unseren kulturellen Angeboten ein einzigartiges Profil der Vielfalt, das wir bewahren und stärken müssen. 32 UNESCO-Weltkulturerbestätten, ca. 6.000 Museen, 360 öffentliche und private Bühnen, ca. 12.000 Kultur- und Volksfeste sind das Pfund, mit dem der Kulturtourismus wuchert. Die Deutsche Zentrale für Tourismus wirbt mit Kunst und Kultur für das Reiseland Deutschland. Die funktioniert nur, weil Kommunen, Länder und der Bund eine Menge dazu beisteuern, attraktive Besucherziele zu erhalten und zu steigern.

Die vom Bund geförderten Einrichtungen sind wahre Publikumsmagneten; ich nenne nur die wieder eröffnete Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar oder das Haus der Geschichte in Bonn, das mit inzwischen 13,4 Mio. Besuchern das meistbesuchte Museum Deutschlands ist.

Besondere Verantwortung tragen wir für die Hauptstadt Berlin. Allein die Museumsinsel zieht jährlich über 3 Millionen Besucher an. Berlin ist Deutschlands kulturelles Schaufenster für die Welt: Deshalb gibt der Bund mit 350 Mio. Euro jährlich ebensoviel für die Kulturförderung in Berlin aus wie Berlin selbst.

Der in der Koalitionsvereinbarung enthaltenen Aussage, Kulturförderung sei keine Subvention, sondern eine Investition in die Zukunft, hat die Bundesregierung voll Rechnung getragen. In den zwei Jahren meiner Amtszeit konnte ich eine Steigerung meines Haushaltes um 6,4 % erreichen. Das steht im Gegensatz zu den meisten Bundesländern, die in den letzten Jahren die Ausgaben für Kultur gekürzt haben.

Ein sensationeller und einmaliger Erfolg gelang bei den Haushaltsberatungen im November letzten Jahres. Hier wurde ein Sonderinvestitionsprogramm für Kultur in Höhe von 400 Mio. Euro beschlossen. Diese Mittel stehen mir für den Erhalt von national bedeutsamem, kulturellem Erbe in Deutschland zusätzlich zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, wir müssen darauf achten, dass wir die Grundlagen unseres kreativen Potenzials in Deutschland pflegen und unterstützen. Dies gilt für das Kulturerbe, dies gilt aber auch besonders für die Menschen, die kreativ arbeiten. Es ist unser Ziel, die kleinen und mittleren Unternehmen der Kulturwirtschaft besser zu unterstützen. Dazu gehört auch, wirtschaftliches Grundwissen in die Ausbildungen für künstlerische Berufe zu integrieren. Denn viele Kreative sind Freiberufler und arbeiten in Ein-Mann-Betrieben. Derzeit arbeiten wir unter gemeinsamer Federführung von BMWi und BKM an der "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung". Ziel ist es, politische Konzepte zu entwickeln, um die Vitalität der Kulturwirtschaft zu unterstützen.

Wir stehen an einem neuen Punkt der Partnerschaft von Kultur und Wirtschaft und es ist noch nicht ausgemacht, wer von beiden Partnern mehr in diese Beziehung einbringt. Kultur und Wirtschaft schließen einander nicht aus. Niemandem wäre gedient, wenn am Ufer des Nord-Ostsee-Kanals nur noch Kulturtouristen radelten und keine Schiffe mehr führen. Umgekehrt brauchen wir in Deutschland Kultur als Nährboden jeder Bildung und jeder Innovation um weiterhin kreative Köpfe auszubilden zum Nutzen von Wirtschaft und Kultur gleichermaßen.