Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 15.01.2008

Untertitel: In seiner Rede anlässlich des Neujahrsempfangs der Rundfunkorchester- und Chöre GmbH Berlin (R.O.C.) betonte Staatsminister Bernd Neumann die Bedeutung der Kultur für die Integration und der Musik für die kulturelle Bildung.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/01/2008-01-15-rede-neumann-roc,layoutVariant=Druckansicht.html


Anrede,

die Einladung, beim Neujahrsempfang der Rundfunkorchester- und Chöre GmbH Berlin, also der R. O. C. zu sprechen, habe ich sehr gern angenommen. Und dies nicht nur, weil es immer gut ist, sich musikalisch auf ein noch neues Jahr einzustimmen. Mit meiner Anwesenheit will der Bund als wichtiger Gesellschafter der GmbH auch zum Ausdruck bringen, dass er die Arbeit der R. O. C. schätzt und ihren hohen Stellenwert im Bereich der Musik anerkennt.

Die R. O. C. Berlin bildet eine tragfähige Dachorganisation, und ermöglicht den vier Klangkörpern unter ihrem Dach eine Entwicklung auf höchstem musikalischem Niveau. Alle vier das Deutsche Symphonie-Orchester, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, der Rundfunkchor und der RIAS-Kammerchor genießen internationales Renommee. Mit über 300 Konzerten jährlich bereichern diese Klangkörper die Musiklandschaft in der Hauptstadt, in Deutschland und im Ausland. Sie sind damit herausragende kulturelle Botschafter der Bundesrepublik.

Ich freue mich schon sehr auf das heutige Konzert "Das Paradies und die Péri" unter der Leitung von Ingo Metzmacher. Es ist das erste in der Reihe mit dem Namen "ZusammenKlang". Der Name ist Programm. Konzerte aller vier Mitglieder der R. O. C. werden zu hören sein, umrahmt von Gesprächen und kulinarischem Genuss."Zusammenklang" das steht für Harmonie. Sie ist das Ergebnis der gemeinsamen Ausrichtung auf ein Ziel dies gilt für die Orchester und Chöre, dies gilt aber auch für die Gesellschafter der R. O. C. , namentlich mein Haus, das Deutschlandradio, das Land Berlin und der Rundfunk Berlin-Brandenburg. Wir alle treten für eine zukunftsfähige Struktur der R. O. C. ein, die allen vier Spitzenensembles die besten Arbeitsgrundlagen bietet. Wir engagieren uns in erster Linie für Klangkultur auf höchstem Niveau, für den Eigenwert der Musik als Kunstform. Es ist beeindruckend zu sehen, wie sich die R. O. C. aber auch der gesellschaftlichen Rolle der Musik annimmt.

200.000 Menschen türkischer Herkunft leben in Berlin, sind unsere Mitbürger. Mit der im Oktober 2007 gestarteten Reihe "KlangKulturen" zeigt die R. O. C. gemeinsam mit dem Konservatorium für Türkische Musik in Berlin, dass Musik viel für den gesellschaftlichen Zusammenklang tun kann. Bei den insgesamt vier gemeinsamen Konzerten geht es um den musikalischen Dialog zwischen der türkischen und der deutschen Musiktradition um einen Dialog also, der bislang deutlich unterentwickelt ist.

Projekte wie die "KlangKulturen" öffnen unsere Ohren für eine Musiktradition, die vielen von uns verschlossen ist. Auch bringt das Projekt Menschen in die Konzertsäle, die durch das übliche kulturelle Angebot nicht angesprochen werden. Die Begegnung von Musiktraditionen fördert die Begegnung von Publikumsschichten, die in der Regel voneinander isoliert sind. Besonders wichtig ist mir, dass das Projekt auch in die Schulen geht und den Schülern die Gelegenheit bietet, sich mit unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen auseinanderzusetzen. Das ist Integration im besten Sinne, und dies wird auch republikweit so gesehen: Gestern, beim zweiten Konzert dieser Reihe, erhielt "KlangKulturen" die begehrte Auszeichnung "Ausgewählter Ort" der Initiative "Deutschland Land der Ideen". Ich beglückwünsche alle Beteiligten bei der R. O. C. und danke den vier Ensembles der R. O. C. wie auch dem Konservatorium für Türkische Musik Berlin für ihre wunderbare Arbeit!

Meine Damen und Herren,

wir alle wissen, welche Bedeutung dem Thema Integration für die Gesellschaft in Deutschland zukommt. Im vergangenen Jahr wurde der Nationale Integrationsplan der Bundesregierung vorgestellt. Er ist dem Gedanken der Vernetzung verpflichtet und stellt die Initiativen des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Bürgergesellschaft zum ersten Mal auf eine gemeinsame Grundlage. Integration funktioniert nicht als obrigkeitliches "Top down", die schrecklichen jüngsten Vorfälle mit gewaltbereiten Jugendlichen haben es gezeigt. Sie muss in der Mitte der Bürgergesellschaft ankommen und von allen Gruppen getragen werden.

Die Bundesregierung wird das Thema "Kultur und Integration" als Schwerpunktaufgabe verankern. Konkret bedeutet dies beispielsweise, den Aspekt der Integration in die Fördergrundsätze des Bundes aufzunehmen. Auch auf internationaler Ebene werden wir die Kooperation intensivieren. Ich tausche mich bereits jetzt mit meiner französischen Kollegin Albanel über Ansätze der kulturellen Integration in unseren beiden Ländern aus. 2008 ist von der EU zum "Europäischen Jahr für den interkulturellen Dialog" ausgerufen worden; dies wird gerade dem internationalen Austausch neuen Schub verleihen.

Meine Damen und Herren,

wo kann Integration besser gelingen, als in und mit der Musik, die ohnehin keine Grenzen kennt und immer einen globalen, internationalen Ansatz hat. Ich sehe ein Projekt wie die "KlangKulturen" nicht nur als Beitrag zum kulturellen Dialog, sondern auch unter dem Aspekt der kulturellen Bildung. Jeder, der sich das Vergnügen gönnt, Musik zu hören, jeder, der sich der Mühe unterzieht, ein Instrument zu lernen, wird reich belohnt. Jede Stunde, die man mit der Musik verbringt, bildet die Persönlichkeit. Wer musikalische Kompetenzen erwirbt, erwirbt zugleich auch menschliche Kompetenzen wie Feingefühl, Sensibilität und die Fähigkeit, auf den Anderen zu hören, und dies kommt der gesamten Gesellschaft zugute gerade in einer Welt, immer enger zusammenrückt.

Weil das so ist, müssen wir auch der musikalischen Bildung als Teil der kulturellen Bildung insgesamt wieder einen höheren Stellenwert verschaffen. Ich bin mir der Schwierigkeiten bewusst: Die Konkurrenz der Freizeitangebote ist groß, der Musikunterricht an den Schulen kommt häufig zu kurz, und viele Eltern können und wollen sich außerschulischen Unterricht nicht leisten. Das umfangreiche Angebot an klassischen Konzerten, aber auch an Theater, Ausstellungen und Literatur darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich weite Teile der Bevölkerung gerade auch Jüngere - davon nicht angesprochen fühlen. Teils fehlt es an Interesse, teils am richtigen Zugang. Fest steht aber, dass die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft untrennbar mit der Frage nach kultureller Bildung insbesondere junger Menschen verbunden ist. Hier geht es auch um das Publikum und um die Künstler von morgen.

Die Zukunft unserer Kultureinrichtungen hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, kulturelle Bildung auf breiter Ebene zu verankern, oder ob kulturelle Angebot künftig nur noch von kleinen und elitären Kreisen wahrgenommen werden. Es gilt also, Menschen stärker an Kunst und Kultur heranzuführen, sie für klassische und zeitgenössische Musik zu interessieren, für bildende Kunst, für Theater und Museen. Kurz gesagt, mehr Menschen das kulturelle Erbe Deutschlands zu erschließen und es damit zu bewahren. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Wenn wir hier etwas bewegen wollen, brauchen wir Beharrlichkeit und einen langen Atem. Im Mittelpunkt sollen dabei junge Menschen stehen. Das bedeutet zwingend, neue Wege der Ansprache zu beschreiten. Anders gesagt: Kultur muss besser vermittelt werden.

Natürlich ist mir bewusst, dass kulturelle Bildung in Deutschland in erster Linie Aufgabe der Länder und Kommunen ist. Daran wird sich auch nichts ändern. Der Bund empfindet aber gerade für die kulturelle Bildung auch nationale Verantwortung und fördert deshalb Einrichtungen und Projekte, die sich der kulturellen Bildung widmen. Hierzu gehören selbstverständlich auch Projekte im Bereich der musikalischen Bildung. Das umfangreichste ist die Initiative "Jedem Kind ein Instrument", die die Kulturstiftung des Bundes mit 10 Millionen Euro unterstützt, 10 Millionen Euro von NRW kommen dazu. Durch dieses Projekt sollen über 200.000 Schüler im gesamten Ruhrgebiet die Möglichkeit bekommen, ein Instrument zu erhalten und zu erlernen. Im Angebot sind hier übrigens auch türkische Instrumente. Mit diesem Vorhaben setzen wir zusammen mit dem Land Nordrhein-Westfalen und privaten Förderern ein sehr deutliches Signal für die musikalische Bildung!

Die Rahmenbedingungen für kulturelle Bildung zu verbessern, kann nur im Zusammenspiel von Kultureinrichtungen und der Politik im Bund, in den Ländern und Kommunen gelingen. Ich hatte deshalb im November des gerade vergangenen Jahres zu einer Arbeitstagung "Kulturelle Bildung" eingeladen, um eine entsprechende Initiative in Gang zu bringen. Ziel dieser Tagung war zum einen die Bestandsaufnahme. Es gibt im ganzen Bundesgebiet ausgezeichnete Projekte, mit denen junge Menschen an Kunst und Kultur herangeführt werden. In den Kultureinrichtungen bewegt sich viel in diesem Bereich. Herr Intendant Rehrl hat für die R. O. C. an dieser Tagung teilgenommen und die Reihe "KlangKulturen" vorgestellt.

Die Ensembles der R. O. C. engagieren sich seit langem und über dieses Vorhaben hinaus für die kulturelle Bildung. Pro Saison finden über 30 Veranstaltungen statt. Das Angebot ist vielfältig. Es reicht von Mitsingkonzerten in der Philharmonie bis zum Unterricht in den Schulen und umfasst auch Bildungsveranstaltungen für Lehrkräfte. Wir brauchen diese Grundlagenarbeit, die noch viel zu häufig eher im Verborgenen stattfindet. Das muss sich ändern. Mit der Initiative zur kulturellen Bildung geht es mir vor allem darum, Vernetzungen zu schaffen, um so neue Wege der Vermittlung zu finden. Wenn wir dauerhafte Verbesserungen erzielen wollen, müssen die Kulturschaffenden, die Kultureinrichtungen und die Akteure in Politik und Verwaltung mehr voneinander wissen von den Plänen, den Erfolgen, aber auch von den Schwierigkeiten.

Kulturelle Bildung ist eine unverzichtbare Investition in die Zukunft. Die kulturellen Grundlagen zu kennen, ist eine der Voraussetzungen, um Deutschland als Kulturnation verstehen und vermitteln zu können.

Meine Damen und Herren,

kulturelles Erbe zu erhalten und zu pflegen, ist eine stete Aufgabe und Herausforderung. Das heutige Konzert "Das Paradies und die Péri" mit seiner Orientsehnsucht vergangener Jahrhunderte, das Schumann einmal sein größtes Werk nannte, wird dieser Herausforderung dessen bin ich sicher in eindrucksvoller Weise Rechnung tragen.

Wir freuen uns auf diese Musik!