Redner(in): k.A.
Datum: 17.01.2008

Untertitel: Anlässlich des ersten Berichts des Normenkontrollrats zieht Staatsministerin Hildegard Müller eine positive Zwischenbilanz des Bürokratieabbaus. Das Gremium überprüft Gesetzesentwürfe der Bundesregierung auf Bürokratiekosten. Hierdurch wurde 2007 eine Nettoentlastung der Unternehmen von deutlich mehr als 700 Millionen Euro erreicht. Im Jahr 2008 wird die Bundesregierung weitere Entlastungen für die Wirtschaft vorschlagen und mit der Messung der Bürokratiebelastung bei den Bürgern beginnen.
Anrede: Sehr verehrte Frau Präsidentin!Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/01/2008-01-18-rede-stm-mueller,layoutVariant=Druckansicht.html


Vor gut anderthalb Jahren haben wir an dieser Stelle über Bürokratieabbau und den Entwurf eines Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates debattiert. Heute sprechen wir über den ersten Jahresbericht dieses unabhängigen Gremiums. Lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Rede die Gelegenheit nutzen, den Mitgliedern des Normenkontrollrates an dieser Stelle für ihre Arbeit und ihre Anregungen ganz herzlich zu danken. Leider kann der Vorsitzende, Herr Dr. Ludewig, heute nicht anwesend sein. Das hat aber einen positiven Grund: Er nimmt heute in Brüssel an der ersten Sitzung der hochrangigen Expertengruppe der EU-Kommission zum Bürokratieabbau auch als "Stoiber-Gruppe" bekannt teil. Diese Gruppe unterstützt die Kommission beim EU-Aktionsprogramm zum Abbau von Bürokratie. Die Berufung des deutschen NKR-Vorsitzenden in dieses Expertengremium zeigt, welch guten Ruf sich der deutsche Bürokratie-TÜV bereits im ersten Jahr seiner Arbeit erworben hat. Dies freut mich umso mehr, weil ich mich sehr gut daran erinnern kann, dass noch im Juni 2006 Vorbehalte gegen dieses Gremium gehegt wurden. Bei der Einbringung des Entwurfes eines Gesetzes zur Einrichtung des NKR durch die Koalitionsfraktionen gab es noch Skepsis. Die Arbeit des Rates dokumentiert durch den heute vorliegenden Jahresbericht macht deutlich, dass die Befürchtungen nicht begründet waren, sondern dass das Gegenteil eingetreten ist. Es hat sich erwiesen ich greife einige Formulierungen aus der Debatte vom 1. Juni 2006 auf, dass durch den Normenkontrollrat nicht die befürchtete "Expertokratie" entstanden ist. Dieses Gremium hat auch keine Entparlamentarisierung hervorgerufen, im Gegenteil. Der NKR ist vielmehr ein Gremium, das hart arbeitet, um der Bundesregierung, aber auch dem Bundestag zu helfen, Bürokratiekosten zu reduzieren. Allein im vergangenen Jahr hat er das wird im Bericht zum Teil noch nicht erwähnt 333 Initiativen für Änderungen von Rechtsetzungen oder für neue Rechtsetzungen daraufhin untersucht. Dadurch wurde übrigens eine Nettoentlastung der Unternehmen um mehr als 700 Millionen Euro erreicht. Mit dem Normenkontrollrat ist eine fachkundige Gruppe entstanden, welche die Bürokratiekosten, die sich aus der Umsetzung von Gesetzentwürfen der Bundesregierung ergeben würden, bereits im Entstehungsprozess kritisch überprüft und Alternativen aufzeigt. Die Kostenansätze sind fester Bestandteil der Regelungsentwürfe der Bundesregierung geworden. Dadurch entsteht jetzt in den Ministerien eine neue Kultur und Sensibilität für Kostentransparenz, gerade in Bezug auf Bürokratie. Dies ist eine Entwicklung, die sicherlich noch weiter reifen muss. Aber sie ist eine Voraussetzung für einen erfolgreichen und vor allem auf Dauer angelegten Bürokratieabbau. Parallel dazu ist die Bundesregierung im Prozess der Messung von Bürokratiekosten bei vorhandenen Regelungen für die Wirtschaft und bei der Initiierung von Vereinfachungsmaßnahmen bereits weit fortgeschritten. Zur Information: Die Bundesministerien haben rund 11 000 Informationspflichten der Wirtschaft im Bundes- und EU-Recht identifiziert. In einem Zwischenbericht wurden Kosten der Wirtschaft von rund 27 Milliarden Euro allein durch die Erfüllung von circa 2 100 Informationspflichten ermittelt. Bereits im Messprozess haben die Ministerien und die beteiligten Spitzenverbände der Wirtschaft Vereinfachungsvorschläge eingebracht, die bereits umgesetzt wurden oder noch umgesetzt werden; ich darf hier an die beiden Mittelstandsentlastungsgesetze erinnern, die der Deutsche Bundestag auf den Weg gebracht hat. Der NKR ist auch hierbei ein wichtiger Partner und Mittler. Insgesamt haben wir also für die Umsetzung des Programms "Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung" ein enges Geflecht aus Normenkontrollrat, Wirtschaftsvertretern und Sozialpartnern geschaffen. Diese sind sowohl bei der Entstehung von Regelungsentwürfen als auch bei der Bemessung von Bürokratiekosten wichtige Impulsgeber. Im Einzelfall wurde das sei hier offen gesagt die Abschätzung der Bundesregierung von NKR und Wirtschaft nicht immer geteilt. Diese Kritik ist willkommen und deshalb Teil des Verfahrens. Wir nutzen sie dazu, Kostenschätzungen und Messergebnisse auf ihre Verlässlichkeit zu überprüfen. So hat es schon in vielen Fällen im Laufe einer Ressortabstimmung Anpassungen der Gesetzesinitiativen gegeben. Es sollte aber immer bedacht werden: Die erstmalige Ermittlung von Kosten bürokratischer Regelungen ist Neuland, welches wir alle gemeinsam beschreiten. Auf dem Weg zu einem effizienten Staat mit größerem Freiraum für unternehmerisches Handeln liefert das Standardkostenverfahren wichtige Ansatzpunkte für politische Entscheidungen, die uns bislang fehlten. Der Jahresbericht des Normenkontrollrates macht dies deutlich. Inzwischen haben wir diesen Prozess auf Europa ausgeweitet. Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft unter der Führung der Bundeskanzlerin Angela Merkel Beschlüsse gefasst hat, zum Beispiel den Beschluss, bis 2012 25 Prozent der Bürokratiekosten abzubauen. Wir haben uns dieses ehrgeizige Ziel bereits für das Jahr 2011 gesetzt. Ich verweise auf ähnliche Gremien in verschiedenen Bundesländern. Als Beispiel möchte ich den Kontrollrat des Saarlands oder das Normenprüfverfahren des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen erwähnen. Für die nächste Zukunft haben wir uns vier wichtige Themenbereiche vorgenommen: Erstens haben wir die Reduzierung von Bürokratiekosten auch im europäischen Raum weiter im Blick. Ich bin zuversichtlich, dass Slowenien im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft den Prozess ebenfalls unterstützen und weitere wichtige Impulse setzen wird. Zweitens werden die Ministerien im Dialog mit Unternehmen und Verbänden zunächst einmal die rund 50 kostenträchtigsten Informationspflichten, die rund 80 Prozent der Kosten verursachen, auf Vereinfachungsmöglichkeiten hin überprüfen und Vereinfachungen umsetzen. Für mich ist dabei ganz wichtig, dass wir das nicht nur auf der abstrakten Ebene tun. Vereinfachungen müssen für jedes einzelne Unternehmen spürbar werden. Drittens ist die Wahrnehmung vor allem bei den Bürgerinnen und Bürgern wichtig. Deshalb beginnen wir in diesem Jahr mit der Messung der Bürokratiekostenbelastung, die primär die Bürgerinnen und Bürger betrifft. Dies hat das Bundeskabinett in seiner Klausur in Meseberg im vergangenen Jahr verabredet. Auch hier wollen wir weitere Vereinfachungen und Entlastungen durchsetzen. Die Prozesse in der Verwaltung werden wir uns natürlich ebenfalls vornehmen. Viertens werden wir uns gemeinsam mit dem Normenkontrollrat zeitnah auch um den großen Bereich der Selbstverwaltungsträger kümmern, also etwa um die Krankenkassen oder die Rentenkassen; über Letztere haben wir ja eben diskutiert. Hierzu ist bereits für das Frühjahr zu einem Treffen mit den maßgeblichen Entscheidungsträgern eingeladen. Erlauben Sie mir zum Abschluss eine Bitte. Der Bundesregierung als Initiatorin und Umsetzerin vieler Rechtsetzungen obliegt es, den Prozess des messbaren Bürokratieabbaus konsequent fortzuführen. Aber es wäre zu begrüßen, wenn das Parlament, das über die Rechtsetzung befindet, diesen Prozess ebenfalls weiter unterstützen würde, nicht nur dadurch, dass es die Expertise des Normenkontrollrats nutzt, sondern auch dadurch, dass es bei eigenen Initiativen die Bürokratiekosten bedenkt, auch wenn es hierfür keine gesetzliche Bindung gibt. Ich bin sicher: Der Normenkontrollrat steht gern zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund bin ich sehr dankbar, lieber Kollege Wend, dass Sie sich heute in der Rheinischen Post für eine Stärkung der NKR-Rechte ausgesprochen haben. Wir haben mit dem Normenkontrollrat ein engagiertes und vor allem unabhängiges Gremium zur Politikberatung. Lassen Sie es uns im Sinne einer Steigerung der Effizienz weiter nutzen. Ich wünsche dem Normenkontrollrat eine erfolgreiche Fortführung der aufgenommenen Arbeit und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. Herzlichen Dank.