Redner(in): Angela Merkel
Datum: 01.07.2008

Untertitel: gehalten am 1. Juli in Berlin
Anrede: Meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/07/2008-07-01-bauerntag,layoutVariant=Druckansicht.html


lieber Herr Kollege Seehofer,

Herr Präsident,

jetzt habe ich es eigentlich ganz einfach. Ich stelle mich einfach hierher und sage: Herr Sonnleitner hat Recht. Und dann kann ich wieder gehen. Aber ich sage lieber: Wo er Recht hat, hat er Recht. Das gibt mir mehr Freiräume und ich kann meine Rede noch halten.

Herr Präsident Sonnleitner, Herr Ehrenpräsident Baron Heereman, meine Damen und Herren, ich bin natürlich sehr, sehr gerne wieder zu Ihnen gekommen. Ich freue mich, dass Sie in Berlin tagen. Und ich freue mich, dass Sie inzwischen, wie ich gehört habe, hier auch ein Grundstück nicht nur in bester, sondern in allerbester Lage haben. Ländliches Flair mitten in der City findet man in Berlin nämlich nicht alle Tage. So haben Sie einen guten Griff getan.

Meine heutige Anwesenheit bei Ihnen soll die Wertschätzung zum Ausdruck bringen, die die Bundesregierung als Ganzes weit über den zuständigen

und aktiven Minister Horst Seehofer hinaus der deutschen Landwirtschaft zollt. Wir wissen um Ihre Arbeit für unser Land, um die Erhaltung der ländlichen Räume. Wir wissen um die Arbeit der Landfrauen, der Landjugend und um viele ehrenamtliche Tätigkeiten. Ich will hier, mitten in der Stadt, in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen: 50Prozent der Menschen in Deutschland leben in ländlichen Räumen. Wenn diejenigen, die in den Ballungszentren leben, nicht ab und zu einmal auf das Land kommen, dann geht es ihnen auch nicht richtig gut. Insofern spielen Sie eine wesentliche Rolle in unserem gesamtgesellschaftlichen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland. Ein herzliches Dankeschön dafür.

Nun wird Ihr Verband 60Jahre alt. Dazu natürlich auch noch einmal von mir einen herzlichen Glückwunsch. Der Deutsche Bauernverband war von Anfang an, seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland, ein aktiver, konstruktiver, wichtiger Gesprächspartner in allen Fragen unserer Entwicklung. In der früheren Bundesrepublik haben Führungspersönlichkeiten wie der erste Bundesagrarminister, Herr Professor Niklas, und der erste Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Herr Hermes, den Wiederaufbau der Land- und Ernährungswirtschaft in Deutschland vorangetrieben ich sage ausdrücklich: nicht nur den Aufbau der Landwirtschaft, sondern auch der gesamten Ernährungswirtschaft, der dazugehörigen Kreditvergabemöglichkeiten und von allem, was damit zusammenhing, eine wirtschaftliche Struktur entstehen zu lassen.

Wir können heute sagen, dass die zügige Modernisierung der Landwirtschaft auch wesentlich dazu beigetragen hat, Kräfte für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wiederaufbau der damaligen Bundesrepublik Deutschland freizusetzen. Wenn wir nächstes Jahr "60 Jahre Bundesrepublik" miteinander feiern werden, dann wird sicherlich noch einmal auf die wichtige Rolle auch des Bauernverbandes zurückzukommen sein.

Sie haben sich nach dem Mauerfall in vollem Maße und mit offenem Herzen der Aufgabe der Integration der ostdeutschen Landwirtschaft in die Verbandsorganisation gestellt. Das war natürlich alles andere als eine einfache Aufgabe, weil sich die Unterschiedlichkeit der landwirtschaftlichen Strukturen vergrößert hat. Heute ist der Bauernverband auch in den neuen Bundesländern ein anerkannter Gesprächspartner für alle, die sich mit landwirtschaftlichen Fragen beschäftigen. Ich möchte deshalb auch dem damaligen Präsidenten Constantin Baron Heereman ein ganz herzliches Dankeschön sagen, der als Freund der Deutschen Einheit das ganz vorbildlich angepackt hat. Sie haben sich um die Deutsche Einheit verdient gemacht. Ihnen auch persönlich ein ganz herzliches Dankeschön.

Ich glaube, dass vielen Menschen in Deutschland gar nicht bewusst ist, dass die landwirtschaftlichen Betriebe und der landwirtschaftliche Berufsstand eigentlich eine Branche in permanenter Reform sind, dass sie unglaublich schwierige Zeiten hinter sich haben und dass sie trotzdem immer den richtigen Weg der Veränderung gefunden haben. Es gab Zeiten, in denen nur noch von Überschüssen, Subventionen und einer vielleicht nicht guten fachlichen Praxis die Rede war. Durch kluge Argumentation, durch viel Fingerspitzengefühl, durch Öffentlichkeitsarbeit und ab und an auch durch politische Unterstützung haben sie es geschafft, dass wir heute sagen können: Die Landwirtschaft genießt wieder ein hohes Maß an öffentlichem Ansehen. Das ist auch richtig so.

Ich glaube, wenn wir über die Zukunft unseres Landes sprechen und uns überlegen, wo wir eigentlich 2020 oder 2030 stehen wollen, dann wächst das Gefühl der Menschen in unserem Land egal, ob sie im städtischen oder im ländlichen Raum wohnen, dass es gut ist, wenn ein Land auf eine eigene landwirtschaftliche Versorgung blicken kann und wenn ein Land sagen kann: Wir haben eine eigene Ernährungsindustrie, wir haben verschiedene Formen von Angeboten, wir zeigen nicht mit dem Finger darauf, ob das nun die konventionelle oder die Ökolandwirtschaft ist, sondern wir sind stolz darauf, eine florierende Landwirtschaft zu haben. So soll es in den nächsten Jahrzehnten auch sein, meine Damen und Herren.

Unversehens sind Sie sozusagen auch in die globalen Auseinandersetzungen und in die Fragen der Globalisierung hineingeraten. Ihnen als Berufstand ist das seit langem bewusst. Wir haben oft über WTO-Verhandlungen gesprochen; ich werde gleich noch einmal darauf zu sprechen kommen. Aber für die Menschen, die sozusagen erst langsam erleben, inwieweit sich Globalisierung auch in unserem Land bemerkbar macht, kommt jetzt noch einmal eine ganz neue Betrachtungsweise der Landwirtschaft hinzu. Deshalb bin ich sowohl bei der Energieversorgung, die inzwischen auch mit der landwirtschaftlichen Produktion verwoben ist, als auch bei der Produktion von Nahrungsmitteln ein Verfechter dessen, dass wir uns trotz aller globaler Verflechtung nicht von anderen abhängig machen, sondern versuchen, mit unseren eigenen Ressourcen voranzukommen und auch auszukommen, wenn es einmal dicke kommen sollte, meine Damen und Herren.

Das ist jetzt aber kein Plädoyer zur Abschottung, sondern wir leben natürlich in offenen Märkten. Deshalb ist der Preisanstieg, den wir bei Nahrungsmitteln und auch bei Energieträgern im Augenblick erleben, eine Herausforderung für uns alle. Sicherlich trifft diese Herausforderung steigender Nahrungsmittelpreise, die ja auch mit den steigenden Energiepreisen sehr viel zu tun haben, vor allen Dingen Entwicklungsländer und in ganz besonderem Maße Schwellenländer. Aber sie trifft auch die Industrieländer hart. Wir sehen Bilder von Hungerrevolten auf Haiti oder in Ägypten. Das zeigt, dass die Frage der Versorgung mit Nahrungsmitteln und mit für das menschliche Leben grundlegenden Gütern von sicherheitspolitischer Relevanz ist. Deshalb haben wir uns sowohl auf dem Europäischen Rat als auch in der Bundesregierung sehr intensiv mit dieser Frage befasst.

Ich glaube, die Arbeit einer interministeriellen Arbeitsgruppe des Bundeskabinetts war sehr hilfreich, um einmal vernünftig nicht emotional und ohne falsche Schlussfolgerungen zu schauen, was wir tun können, wenn es um steigende Nahrungsmittelpreise geht. Ich werde mit unseren Ausarbeitungen auch zum G8 -Treffen gehen. Wir haben sie allen Staats- und Regierungschefs der G8 geschickt, weil ich glaube, dass sie eine vernünftige Grundlage sind.

Es gibt erhebliche Ertragsrisiken aufgrund von Naturkatastrophen. Man kann lange darüber debattieren, ob diese nun direkte Folgen des Klimawandels sind oder nicht. Auf jeden Fall sind diese Ertragsrisiken vorhanden. Es gibt sozusagen einen Gang der Finanzinvestoren in fassbare Güter. Damit sind Nahrungsmittel natürlich noch stärker in den Fokus von Finanzinvestoren geraten. Es gibt eine Zunahme von Biokraftstoffen; ein wichtiger Faktor. Es gibt eine Zunahme der Weltbevölkerung, die sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird; diesbezüglich darf man sich keine Illusionen machen. Es gibt völlig veränderte Nahrungsmittelgewohnheiten und Essgewohnheiten in den Schwellenländern. Insofern müssen wir einfach sehen, dass diese Faktoren zusammenspielen, und die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen.

Wenn man sich überlegt, dass die Weltbevölkerung jährlich um ca. 80Millionen Menschen wächst, also jedes Jahr einmal die deutsche Bevölkerung hinzukommt, und wenn wir uns dann anschauen, wie fein austariert unser europäischer Agrarmarkt eigentlich ist und welche Eruptionen dort entstehen, wenn plötzlich 100, 200 oder 300 Millionen Inder eine zweite Mahlzeit am Tag essen und damit eine Verdoppelung des Nahrungsmittelbedarfs einhergeht, dann können Sie sich vorstellen, welchen Spannungen das gesamte System der Preisbildung heute ausgesetzt ist.

Zur Nachfrage nach Agrarprodukten: Sie wissen, dass sie nach den Schätzungen der FAO um etwa 1, 6Prozent jährlich steigen wird. Das heißt, es gibt eine Kluft zwischen Angebot und Nachfrage. Deshalb brauchen wir eine deutliche Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion weltweit. Das ist sicherlich noch in Osteuropa möglich. Aber vor allem müssen wir auf dem afrikanischen Kontinent und auch auf dem lateinamerikanischen Kontinent dafür sorgen, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.

Wenn ich ich glaube, dabei auch mit Herrn Seehofer einer Meinung zu sein etwas kritisch anmerken darf: Die Entwicklungspolitik, die im Augenblick wegen unserer internationalen Verpflichtungen erhebliche Steigerungsraten erfährt, hat in den letzten Jahren nicht hinreichend den Fokus auf eine verbesserte landwirtschaftliche Produktion in den Entwicklungsländern gelenkt. Ich glaube, das zu sagen, ist notwendig, um einfach auch die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Ich habe mir vorgenommen wir werden auf dem G8 -Gipfel ein Treffen mit afrikanischen Führern und auch dem Führer der Afrikanischen Union haben, einfach darüber zu sprechen, dass es nicht ausgereicht hat, zum Beispiel der Afrikanischen Entwicklungsbank die Kreditvergabe für die Entwicklung von landwirtschaftlichen Produktionsflächen in Afrika im Wesentlichen zu überlassen und seitens der Entwicklungshilfe vielleicht nicht mehr den notwendigen Fokus auf diese Dinge zu lenken.

Ich sage auch: Im Zusammenhang mit der knappen Ressource Wasser und dem Umgang mit Wasser ist es absolut notwendig, auch in den nächsten Jahren darauf zu achten, dass die neuesten Technologien und vernünftige Bewirtschaftungsmethoden wirklich gerade in die afrikanischen Länder kommen, um den klimatischen Veränderungen, die nicht mehr abwendbar sein werden, in der richtigen Weise zu begegnen. Ich finde es schon traurig, sage ich ganz ehrlich, dass wir heute über tolle Bewässerungstechnologien verfügen, aber immer wieder zusehen, dass sie letztlich nicht die Anwendung finden, die sie finden müssen. Deshalb muss an dieser Stelle aus meiner Sicht etwas gemacht werden.

Am Beispiel von Simbabwe kann man natürlich sehen, wie schlechte politische Führung dazu führt, dass es dort Not und Hunger gibt, wo früher die Kornkammer Afrikas war. Deshalb muss natürlich, wo immer möglich, auch jeder politische Druck angewandt werden, damit die Menschen nicht unter schlechter Regierungsführung leiden, wie das in Simbabwe der Fall ist.

Ich denke, dass die globalen Herausforderungen massiv sind. Es sind nicht die Herausforderungen, die für Sie die allergrößten oder alleroffensichtlichsten sind, aber trotzdem ist natürlich auch die europäische Landwirtschaft in diese Fragen eingebunden.

Natürlich werden wir auch immer wieder gefragt: Was tut ihr für einen fairen Handel mit Agrarprodukten? Ich glaube, an dieser Stelle auch noch einmal sagen zu können: Die europäische Landwirtschaft hat ihren Beitrag zum freien Welthandel wirklich schon vor geraumer Zeit erbracht, meine Damen und Herren. Wenn ich sehe, wie wir jetzt im Bereich der Industriegüter und der Industriezölle fast schon feilschen wir werden diese Woche wieder Gespräche mit dem WTO-Generalsekretär Pascal Lamy führen und wie dort auch auf Seiten von Schwellenländern versucht wird, eigene Pfründe ein Stück weit zu sichern, dann sage ich: Es muss und wird nur eine Zustimmung der Bundesregierung geben, wenn wir ein faires, ausgeglichenes Angebot bekommen auf jeden Fall keines auf dem Rücken der deutschen Landwirtschaft.

Jetzt muss man sagen, dass trotz wachsenden Kostendrucks in der Landwirtschaft die Agrar- und Lebensmittelexporte 2007 gestiegen sind und die internationale Wettbewerbsstärke der Branche weiter gefestigt wurde. Das heißt also, manch einer hat von offenen Märkten und gestiegenen Preisen durchaus profitiert. Das hat dem gesamten Berufsstand auch ein Stück weit Auftrieb verliehen. Es ist natürlich wichtig, dass wir nun nicht die falschen ordnungspolitischen Maßnahmen ergreifen, die dann wieder genau zum Gegenteil dessen führen, was eigentlich in gewisser Weise auf einem guten Weg war.

Wenn wir uns anschauen, was die Bundesregierung und der Bundeslandwirtschaftsminister machen, dann sehen wir erst einmal eine ganz deutliche Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine bessere finanzielle Ausstattung der "Gemeinschaftsaufgabe Agrar". Sie soll auch in den nächsten Jahren eine weitere finanzielle Erhöhung erfahren. Damit sollen zusätzliche Spielräume für die Förderung von betrieblichen Investitionen und der ländlichen Räume insgesamt geschaffen werden. Ich glaube, das ist auch keine Frage.

Es ist auch gut, dass Minister Seehofer mit allem Nachdruck in der Europäischen Union darauf drängt, dass unsinnige Bürokratie abgebaut wird. Ich glaube, er befindet sich darüber auch mit Edmund Stoiber in einem guten Gespräch. Wir können dabei in Europa noch einiges tun, obwohl auch einiges bereits auf den Weg gebracht wurde; Gegenteiliges will ich gar nicht sagen. Aber zu dem, was ich immer wieder höre, was den Landwirten aufgebürdet wird, muss man sagen: Man kann gar nicht so schnell schauen, wie manchmal eine neue Vorschrift kommt. Deshalb muss man mit Argusaugen aufpassen.

Das Hauptproblem, das Sie im Augenblick zu gewärtigen haben, wenn ich es richtig überblicke, ist natürlich die Frage der finanziellen Vorausschau bis 2013, der so genannte Gesundheitscheck,"Health Check" oder die Gesundheitsprüfung. Das sind immer solche Worte, die nur Gutes verheißen und dann manchmal doch mit äußerster Skepsis zu betrachten sind. Wir haben gemeinschaftlich die Auffassung, die Herr Seehofer hier auch schon dargelegt hat, dass wir Verlässlichkeit und Planungssicherheit für unsere Landwirtschaft brauchen und dass es deshalb bei der anstehenden Gesundheitsprüfung nicht darum gehen kann, dass wir alles auf den Kopf stellen, sondern dass es um einen Dreiklang aus Konsolidierung der beschlossenen Reformen, dort, wo es notwendig ist, vielleicht aus einer gewissen Nachjustierung und aus sparsamen Mitteleinsatz geht.

Als ich gerade mit Herrn Seehofer getuschelt habe, wollte ich mich noch einmal vergewissern, wie denn über die Modulation zu sprechen ist. Ich hatte gesagt: Nicht zu positiv. Und er hat mich dabei unterstützt und gesagt, dass man hierbei allergrößte Vorbehalte habe. Ich verstehe das, weil natürlich an anderer Stelle etwas weggenommen wird. Da ich nun aus den neuen Bundesländern komme, sage ich auch ganz klar: Es dürfen nun die Strukturen, die jetzt vielleicht als die effektivsten dastehen, nicht so geschröpft werden, dass sie auch nicht mehr effektiv sind, sondern wir müssen alle Strukturen der Landwirtschaft mit Verlässlichkeit ausstatten. Maßnahmen dürfen nicht so gemacht werden, dass sie nur zulasten einer Gruppe der Landwirtschaft gehen, meine Damen und Herren.

Es wird immer mit gewissen Ressentiments gearbeitet. Dann heißt es, das betreffe sowieso nur Betriebe aus einem unserer Nachbarländer mit keiner Beschäftigung mehr. So einfach ist das nicht. Die großen Betriebe haben oft eine sehr diversifizierte Eigentümerstruktur. Insofern sind das dann auch Familien, die betroffen sind. Das heißt, wir wollen keine Schwächung der Investitionskraft. Wir wollen natürlich, dass auch diese Betriebe die Verlässlichkeit haben, die andere auch haben. In der nächsten finanziellen Vorausschau müssen wir dann natürlich wieder weiterdiskutieren. Aber dass der "Health Check" jetzt zu einer neuen Ausrichtung der Agrarpolitik und zu einer völligen Umstrukturierung umfunktioniert wird, das wird es mit Deutschland nicht geben. Dafür tritt auch die gesamte Bundesregierung ein.

Allerdings müssen wir, um Ihnen weltweit faire Bedingungen einzuräumen, natürlich darauf achten, dass wir auch bei der WTO darüber sprechen, welche ökologischen und sozialen Standards als Mindeststandards vereinbart werden. Ich darf zum Deutschen Bauernverband sagen, dass er seit langer Zeit viel länger als die industrielle Branche erkannt hat, dass bestimmte Minimalstandards essenziell sind, um überhaupt einen fairen Handel auf der Welt zustande zu bringen.

Ich kann das beliebig erweitern: Wer seine Umwelt mit rabiater Produktion zerstört, wer Kinder arbeiten lässt oder völlig inakzeptable Arbeitsverhältnisse schafft, wer geistiges Eigentum nicht achtet, sondern Raubkopien von Patenten einfach durchgehen lässt, der trägt dazu bei, dass freier Welthandel keine Akzeptanz in unseren Ländern finden wird. Deshalb heißt unsere Aufgabe: Wir brauchen in vielen Bereichen und natürlich auch für die Landwirtschaft Mindeststandards. Dafür werde ich mich einsetzen, wo immer ich auch bin. Das hat nichts mit "Weltregierung" zu tun, sondern es hat etwas damit zu tun, dass Wettbewerb ansonsten nicht vernünftig stattfinden kann.

Wir haben in diesen Tagen "60Jahre Soziale Marktwirtschaft" gefeiert. Faires Wettbewerbsrecht war immer essenziell, damit Deutschland zum Beispiel mit Familienunternehmen, kleinen und mittelständischen Unternehmen erfolgreich agieren konnte. Ludwig Erhard ist damals jeden Konflikt mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie eingegangen. Er hat gesagt: Ohne eine vernünftige Ausgestaltung des Wettbewerbsrechts wird es keinen wirklichen Wettbewerb unter der Vielzahl der Betriebe geben. Das gilt auch für die Landwirtschaft. Das gilt für alle. Das müssen wir jetzt international genauso durchsetzen wie damals in Deutschland, auch wenn es nicht einfach durchzusetzen war.

Sie leiden natürlich in verschiedener Weise unter den gestiegenen Energiekosten, die Sie eben nicht eins zu eins über die Preise an die jeweiligen weiteren Produktionsketten und Nachfrager weitergeben können. Dabei spielt das ist eben schon deutlich geworden, als ich in den Saal gekommen bin die Besteuerung von Agrardiesel eine Rolle. Wir werden alles daransetzen, hierbei in der Europäischen Union eine weitere Harmonisierung zu erreichen. Wir wissen, wie schwer das ist. Keine Frage. Heute ist man manchmal verwundert, dass wir das bei der Mehrwertsteuer schon in bestimmter Weise erreicht haben. Deswegen sage ich: Langfristig gibt es keine Alternative dazu, dass wir das dicke Brett bohren. Ich weiß, dass bei Steuerfragen in der Europäischen Union die Dinge immer extrem schwierig sind.

Ich weiß, dass Sie jetzt noch nicht zufrieden sind. Ich kann Ihnen aber leider nicht mehr versprechen als der Landwirtschaftsminister. Es wäre unhöflich von mir, wenn ich ihn übertreffen würde. Jedenfalls hat er das Richtige gesagt. Wir können in Deutschland nicht einfach eine Insellösung an eine andere reihen. Deshalb müssen wir an der Quelle ansetzen. Das bedeutet, dass wir uns insgesamt mit den steigenden Energiepreisen auseinandersetzen. Das liegt weniger an der Besteuerung, sondern bei denen, die Erdöl und Erdgas fördern. Es ist so.

Ich weiß, dass Sie steuerliche Entlastungen wollen. Ich werde Sie hier auch nicht zufriedenstellen können. Das müssen wir einfach einmal so hinnehmen. Trotz vieler Punkte, in denen Harmonie herrscht, müssen wir an einem Punkt sagen: Ich kann es Ihnen heute hier nicht versprechen. Ich sage Ihnen aber trotzdem, dass jede steuerliche Erleichterung bei den rasant steigenden Preisen für die Rohstoffe auch nur mittelbar eine Entlastung bietet und dass es unsere Aufgabe ist, neben dem, was Sie wünschen, darauf zu achten, dass wir Nachfrage und Förderung von Erdöl und Erdgas wieder in eine vernünftige Balance bringen. Ansonsten wird der steuerliche Vorteil nach 14Tagen vergessen sein. Selbst wenn wir ihn einräumen, werden Sie trotzdem das Problem haben, wie Sie die steigenden Energiepreise auf die Produktpreise umwälzen können. Das sage ich Ihnen; ich bin davon zutiefst überzeugt. Das muss Sie auch nicht kümmern. Ich werde mich jedenfalls auf dem G8 -Gipfel und anderswo für eine Ausbalancierung einsetzen. Wenn der Spritpreis wieder sinkt, sind auch Sie froh egal, wie dies dann erreicht wurde, meine Damen und Herren.

Auf jeden Fall haben wir durch die gestiegenen Erdöl- und Erdgaspreise eine Situation darauf will ich hier noch kurz hinweisen, die nicht nur dazu führt, dass sich dramatische Preisverschiebungen ergeben, sondern die auch dazu führt, dass sich dramatische Gewinnverschiebungen auf der Welt ergeben. Früher sind Gewinne aus Produktionen in Deutschland im Wesentlichen wieder in Deutschland investiert worden. Inzwischen gibt es Gewinne in Regionen der Welt in der Golfregion, in Saudi-Arabien, in Russland, wo sich Staatsfonds und Gelder aufbauen, die bei uns letztlich nicht mehr zur Verfügung stehen. Das bringt eine sehr hohe Verschiebung von Investitionskraft zum Beispiel aus europäischen und amerikanischen Bereichen in völlig neue Bereiche der Schwellenländer mit sich. Dagegen werden wir nichts tun können.

Wir müssen nur schauen, dass wir mit unseren Mitteln und Methoden Zukunftsinvestitionen vornehmen, die uns langfristig wieder Marktanteile in anderen Teilen der Welt bringen, wo jetzt Gelder akkumuliert werden. Deshalb ist die Förderung der erneuerbaren Energien nicht nur eine Frage, die von nationaler Dimension bezüglich der Energiebasis ist, die wir für unsere Bürgerinnen und Bürger schaffen, sondern die Frage der Entwicklung der erneuerbaren Energien bedeutet auch die Sicherung von Marktanteilen in Zukunftsmärkten, die dauerhaft dafür Sorge tragen können, dass wir von unserem Wohlstand nicht allzu viel abknapsen müssen. Deshalb spielt die Landwirtschaft eine ganz herausragende Rolle.

Ich stehe zu dem Ziel, dass wir 20Prozent des Endenergieverbrauchs 2020 aus erneuerbaren Energien decken. Das bringt erhebliche Umstrukturierungen mit sich. Wir haben immer wieder gesagt: Die Biomasse muss und soll dabei einen wesentlichen Part spielen.

Meine Damen und Herren, lassen wir uns nicht von diesen hin- und herschwankenden Diskussionen irre machen, ob Biomasse richtig ist oder nicht und ob wir, nachdem wir auf der Seite der Förderung waren, gleich wieder auf die Seite der Nicht-Förderung entweichen müssen. Ich bin für einen Weg von Maß und Mitte. Die Welt wird ohne Biomasse nicht auskommen. Das wird sich vernünftig weiterentwickeln. Wir brauchen Standards. Wir müssen zeigen, dass es keinen Verdrängungswettbewerb gibt. Aber ich setze weiter auf Biomasse in jeder Form, meine Damen und Herren.

Ich bin auch der Meinung, dass wir an dieser Stelle nicht über Nacht alle europäische Zielsetzungen aufgeben müssen. So können Sie nie investieren. Denn so erhalten Sie keine Verlässlichkeit. Deshalb ist meine Meinung, dass wir von Biogas bis hin zu Biokraftstoffen die Dinge weiterentwickeln müssen, auch wenn wir Neuland betreten.

Das ist nicht einfach, wenn es zum Beispiel bestimmte Beimischungsquoten gibt. Sie haben das am Beispiel der älteren Autos gesehen, weil sich hier plötzlich eine bestimmte Treibstoffqualität ergibt, die dazu führt, dass man sich fragen muss, ob das auch sozial vertretbar ist. Aber wenn ich die Einführung eines bestimmten Beimischungsfaktors ein bisschen verschiebe, nehme ich doch nicht Abstand von einer gesamten Strategie. Deshalb glaube ich, dass dies ein weiteres Standbein der Landwirtschaft sein wird, das wir brauchen und das in seiner Bedeutung auch steigen wird.

Ich glaube, es war richtig, das Biomasseforschungszentrum in Leipzig / Halle zu gründen. Das war eine Strukturentscheidung für die neuen Bundesländer, aber vor allen Dingen eine Kompetenzentscheidung für die zukünftige Arbeit in einem wichtigen Feld.

Meine Damen und Herren, in diesem Jahr kann ein Bauerntag nicht verstreichen, ohne dass nicht auch ein Wort über die Milch gesagt wird. Die Situation ist in der Tat außerordentlich schwierig. Die Milcherzeugung ist der wichtigste Zweig der deutschen Landwirtschaft. Ich will an dieser Stelle deshalb sagen: Nicht nur der Landwirtschaftsminister, sondern wir alle miteinander sind uns der Herausforderung bewusst, vor denen viele Milchbauern mit Blick auf das Auslaufen der Milchquote stehen. Es müssen Lösungen gefunden werden, insbesondere in den Mittelgebirgs- und den Grünlandregionen, die den Milchbauern wirklich eine Perspektive geben. Ich sage das hier, weil ich damit deutlich machen will, dass Bundesminister Seehofer meine volle Unterstützung hat, wenn er an tragfähigen Lösungen arbeitet.

Ich glaube, es ist richtig und wichtig, dass eine ganze Kette von Gesprächen anberaumt wurde. Ich kann nur sagen, dass die Landwirtschaft alles daransetzen muss, ihren Machteinfluss wenn ich das einfach einmal so sagen darf, ihr Gewicht durch gemeinschaftliches Agieren in dieser Kette von Anbietern, Ernährungswirtschaft und der bestehenden Verflechtung zu stärken. Die Macht des Faktischen ist immer das, was am meisten zählt. Natürlich werden wir uns an öffentlichen Diskussion beteiligen und werden sagen: Gute Güter haben ihren Preis. Aber am allerbesten ist es, wenn die Landwirtschaft mit einem großen gemeinschaftlichen Gewicht auftritt. Ich glaube, Herr Sonnleitner, dass es in schwierigsten Verhandlungen gelungen ist, sich mit den verschiedenen Akteuren auf einen guten Weg zu machen, der nicht zu Ende ist, aber der diskutiert werden muss.

Was man innerhalb von Europa machen kann, muss ich den Fachleuten überlassen. Ich glaube, es war richtig, dass der Landwirtschaftsminister für die Bundesrepublik Deutschland gesagt hat, dass die Erhöhung der Quote nicht die richtige Antwort auf die verschiedenen Dinge war. Wir müssen jetzt schauen, dass wir Wege finden, die auch langfristig tragfähig sind. Das geht nur gemeinsam mit der deutschen Nahrungsmittelindustrie, den Supermärkten und vielen anderen mehr.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe schon Gespräche geführt und bin auch zu Gesprächen bereit. Es kann nicht sein, dass man für Nahrungsmittel, die in Deutschland importiert werden, immer irgendeinen Preis verlangen kann, aber dass die Nahrungsmittel, die bei uns produziert werden, preismäßig auf dem Rücken der lokalen und regionalen Bauern niedrig gehalten werden. Das ist keine faire Verhaltensweise der betreffenden Industrie.

Wenn etwa der Kakaopreis steigt, wird einem das mit einem Schulterzucken dargelegt. Ansonsten gibt es keinen Kakao. Dann muss man eben sagen: Wenn die Erzeugungspreise für andere Güter steigen, die bei uns produziert werden, muss das auch beachtet werden. Das ist die einfache Wahrheit. Hier muss es schon faire Verhaltensweisen aller Akteure geben.

Meine Damen und Herren, wir sind in diesem Jahr in der folgenden Situation: Auf der einen Seite haben wir wirtschaftliches Wachstum und eine stark verbesserte Beschäftigungslage in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Auf der anderen Seite haben wir durch die steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise eine ansteigende Inflation, die uns große Sorgen macht und die natürlich einen großen Teil des Aufschwungs für viele Menschen wieder auffrisst und zunichte macht.

In dieser Lage ist es sehr, sehr wichtig, dass Politik ganzheitlich vernünftig reagiert. Deshalb haben wir in der gesamten Legislaturperiode eine Politik des "Sanierens, Reformierens und Investierens" verfolgt, damit wir uns auf der einen Seite Freiräume für die Zukunft schaffen und auf der anderen Seite Schritt für Schritt aufhören, auf Pump zu leben. Ich will Ihnen nur noch einmal zwei Zahlen nennen, die Sie, die Sie generationenübergreifend denken, die Sie wissen, dass Sie nach der Zerstörung Ihres Bodens zukünftig keinerlei Möglichkeit für eine Lebens- und Arbeitsgrundlage haben, sehr viel besser verstehen.

1967 haben wir in Deutschland, als die erste Große Koalition am Werk war, eine Entwicklung eingeleitet, die über Jahrzehnte dazu geführt hat, dass wir immer mehr ausgegeben als eingenommen haben. Ich glaube, dass es richtig war, sich noch einmal daran zu erinnern, dass Theo Waigel kurz vor der Deutschen Einheit so weit war, zu sagen: Jetzt schaffen wir es, nach Reformen einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Ich glaube, das Ereignis der Deutschen Einheit war es wert, dass man erst einmal in die Zukunft investiert und die Lebensbedingungen verbessert hat. Ich will hier noch einmal daran erinnern: Vor weniger als 20Jahren sind 16Millionen Menschen aus den neuen Bundesländern zur Bundesrepublik Deutschland hinzugekommen, deren Lebensniveau 30Prozent des durchschnittlichen deutschen Lebensniveaus betrug. Heute sind wir bei 80Prozent in den neuen Bundesländern angekommen. Dahinter steht eine gewaltige Kraftanstrengung, die überhaupt nur möglich war und ist, weil die Soziale Marktwirtschaft ein so vernünftiges Wirtschaftssystem ist, mit dem man eine solche Kraftanstrengung bewältigen kann. Wer einmal in die benachbarten mittel- und osteuropäischen Länder fährt, weiß, was hier geleistet wurde und was gerade in den alten Bundesländern und von den Menschen dort geleistet wurde.

1967 sind für eine Mark, die im Bundeshaushalt eingenommen wurde, nur zwei Pfennig für Schuldzinsen draufgegangen. Im Jahre 2007 inzwischen gibt es den Euro, aber das ist in dieser Hinsicht eigentlich egal gehen von einem Euro, den wir einnehmen, 15 Cent für Zinsen drauf. Einfach nur weg. Wir müssen diesen Trend stoppen. Wenn uns das nicht gelingt, können wir in zukünftigen Jahren und mit zukünftigen Generationen bei einer gleichzeitig alternden Bevölkerung überhaupt keine Investitionen mehr in unsere Zukunft vornehmen. Deshalb bitte ich Sie seitens des Deutschen Bauernverbandes, die Sie im nachhaltigen Denken eingeübt sind, denen das in Fleisch und Blut übergegangen ist, sich immer wieder für ein nachhaltiges Wirtschaften in unserer Gesellschaft einzusetzen. Ansonsten haben wir in einer globalisierten Welt mit einem immer stärker werdenden Wettbewerb keine Zukunft.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir immer wieder die Balance von Investitionen, sozialen Ausgaben, Haushaltskonsolidierung und natürlich auch Entlastungen finden. In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass diese Bundesregierung maßgeblich durch den Landwirtschaftsminister unterstützt die landwirtschaftliche Krankenversicherung sehr stärkt. Der Zuschuss für die landwirtschaftliche Krankenversicherung beträgt allein für 2009 50Millionen Euro und wird schrittweise damit erhalten Sie ein Stück Berechenbarkeit bis 2016 auf 130Millionen Euro ansteigen.

Herr Sonnleitner, ich will diesen Bauerntag nicht verstreichen lassen, ohne nicht auch Folgendes deutlich zu machen: Sie wissen, dass bei der anstehenden Erbschaftsteuerreform die Anliegen der Landwirte nicht nur ernst genommen, sondern wirklich berücksichtigt werden, weil wir wissen, dass das Bundesverfassungsgerichtsurteil eine erhebliche Belastung für Sie darstellen würde, wenn wir Fehler bei der Umsetzung machten.

Den Beifall kann ich gut brauchen, denn das Thema ist schwierig. Begonnen hat es mit der ganz klaren politischen Intention, mittelständischen Betrieben bei der Erbfolge die Übergabe zu erleichtern. Dazwischen ist ein Bundesverfassungsgerichtsurteil gekommen, das Kapital- und Grundvermögen in eine gleichrangige Position stellt. Dennoch darf dies nicht dazu führen, dass Landwirtschaft in Deutschland nicht mehr möglich ist. Ich glaube, wir sind hier wirklich auf einem guten Weg.

Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen sagen: Wir brauchen Sie. Es ist hier gesagt worden, dass es auf die Bauern ankommt. Ich sage: Wir brauchen Sie für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Ihre Bedeutung wird in den nächsten Jahren nicht abnehmen, sondern zunehmen. Wir brauchen die ländlichen Räume. Wir brauchen die Bekanntschaft und die Verbundenheit der Menschen mit der Natur, damit sie die natürlichen Zusammenhänge verstehen. Ohne Bauern ist das alles undenkbar. Deshalb abschließend von meiner Seite noch einmal ein herzliches Dankeschön für das, was Sie für unser Land, für das Gelingen unseres Gemeinwesens und für die Zukunft unseres Landes tun. Auf weitere gute Zusammenarbeit.