Redner(in): Hans Martin Bury
Datum: 26.06.2000

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/20/12420/multi.htm


ich bedanke mich für Ihre Einladung, an der Auftaktveranstaltung für die Mittelstandsinitiative Sachsen-Anhalt 2000 mitzuwirken. Die Stärkung des Mittelstandes ist ein wichtiges Ziel im Zukunftsprogramm der Bundesregierung. Das Motto Ihrer Auftaktveranstaltung "Vom Nachteilsausgleich zur Zukunftsgestaltung" unterstreicht, dass sich Politik und mittelständische Wirtschaft in Sachsen-Anhalt nach vorne orientieren und sich damit ebenfalls ein ehrgeiziges Zukunftsprogramm gegeben haben.

Politik und Wirtschaft stehen am Beginn des 21. Jahrhunderts vor großen Herausforderungen: Kaum ein Thema bewegt die Wirtschaft in den letzten Jahren so stark wie die Globalisierung. Offene Märkte, rasante Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie, immer kürzere Innovationszyklen und weltweit verteilte Wertschöpfung beeinflussen unser Denken und Handeln in hohem Maße. Wir müssen die Chancen der Globalisierung nutzen. Gerade für Deutschland als Exportnation bieten sich hier große Möglichkeiten. Wir müssen eine Vorreiterrolle einnehmen und unsere Spitzenstellung beibehalten und ausbauen. Der Wettbewerb verteilt die Märkte neu.

Globalisierung und Regionalisierung sind zwei Seiten einer Medaille. Deshalb sollten wir regionale Zusammenarbeit stärken. Es hat sich gezeigt, dass immer dann, wenn alle Akteure - Unternehmen, Verwaltungen, Wirtschaft, Gewerkschaften, wissenschaftliche Einrichtungen und viele andere - gemeinsam an einem Strang ziehen, Ziele schneller und wirkungsvoller erreicht werden können. Deshalb wollen wir neue Netzwerke fördern und bestehende gezielt stärken.

Das Silicon Valley gilt als die Innovationsregion der Welt. Hier begannen die Erfolgsgeschichten von Microsoft und Apple, aus Garagenfirmen wurden binnen weniger Jahre Weltunternehmen. Auch in Deutschland gibt es erfolgreiche Beispiele für regionale Kompetenzzentren wie Dresden für die Halbleitertechnologie, Freiburg als Zentrum für Solarwirtschaft oder Köln als Medienstadt.

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, Initiativen vor Ort gezielt zu unterstützen. Wir haben beispielsweise im letzten Jahr mit der Initiative "InnoRegio - Innovative Impulse für die Regionen" ein Förderprogramm speziell für die neuen Länder aufgelegt, das regionale Initiativen stärkt und hilft, spezifische Entwicklungschancen einer Region vor Ort zu erkennen, gemeinsam zu entwickeln und organisieren.

Mit dem Programm "Innovationskompetenz ( ProInno )" fördern wir die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Seit Programmbeginn Mitte 1999 gingen über die Hälfte der geförderten Anträge ( 586 von 963 Mio. DM ) und Mittel ( 113 von 174 Mio. DM ) in die neuen Länder.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich inmitten eines rasanten Strukturwandels. Was das heißt, wissen Sie hier in Sachsen-Anhalt besser als anderswo in Deutschland.

Die Informations- und Kommunikationstechnologie nimmt in diesem Prozess eine zentrale Rolle ein. Die IuK-Branche hat sich zum fünften großen Wirtschaftszweig neben den klassischen Branchen Automobilindustrie, Maschinenbau, Elektroindustrie und Chemie entwickelt. Hier werden mittlerweile die höchsten Zuwachsraten in Beschäftigung und Geschäftsentwicklung erzielt. Sie ist damit die Wachstumsbranche Nr. 1 in Deutschland.

Und so wie die klassischen Branchen Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeugbau - das vergangene Jahrhundert entscheidend geprägt haben, werden soweit dies heute absehbar ist die Informations- und Kommunikationstechnologie, neben Biotechnologie und regenerativer Energie die wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Entwicklung dieses Jahrhunderts prägen.

Die Wirtschaftsregion Halle ist stark in der Chemieindustrie, dem Bergbau und der Energiewirtschaft. Mit der Einrichtung des Bio-Zentrums Halle, dem Technologie- und Gründerzentrum Halle und der zweiten Ausbaustufe des Wissenschafts- und Innovationspark sind darüber hinaus wichtige Schritte für den erfolgreichen Übergang in die Wissens- und Informationsgesellschaft gemacht wurden.

Politik und Wirtschaft in Sachsen-Anhalt haben die Bedeutung der IT-Branche erkannt und die sich hier ergebenden Chancen für Wachstum und Beschäftigung im Land ergriffen. Beispiele:

das geplante Multi-Media-Zentrum in Halle, mit dem Medienwirtschaft, Medienausbildung und Medienwissenschaft noch gezielter zusammengeführt werden. das moderne Digitallabor Europas der Firma ORWO Media GmbH, das derzeit am traditionsreichen Filmstandort Wolfen entsteht. das im Rahmen der Landesinitiative InfoRegio entwickelte Konzept für einen Zukunftspark in Straßfurt, mit dem Investoren der Zukunftsbranche geworben werden sollenAllen geglückten oder auch weniger geglückten - Megafusionen zum Trotz gehört die Zukunft den kleinen und mittleren Unternehmen. Sie sind der Motor unserer Volkswirtschaft.

Sie stellen in Deutschland zwei Drittel aller Arbeitsplätze, 80 % aller Lehrstellen und tätigen 50 % aller Investitionen.

Mittelstand hat damit zentrale Bedeutung für Arbeitsplätze, Ausbildung und Innovation.

Aufgabe der Politik ist es, diese Leistung zu fördern.

Unser Leitbild ist der aktivierende Staat: Der Staat muß sich zurücknehmen und Freiräume für Bürger und Unternehmer schaffen. Mit dem Zukunftsprogramm verbindet die Bundesregierung Haushaltskonsolidierung mit Steuersenkungen für Bürger und Unternehmen und der Reform unseres Rentensystems.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat das Zukunftsprogramm mit Recht als "Paradigmenwechsel in der deutschen Politik" bezeichnet. Ein Programm, das sich nicht nur an kurzfristigen Problemlösungen und Wahlterminen orientiert. Mit der Haushaltssanierung und den Reformprojekten auf der einen Seite verbessern wir die Chancen für die jungen Menschen in unserer Gesellschaft und auf der anderen Seite garantieren wir den älteren Menschen die Sicherheit, die ihnen vor dem Hintergrund ihrer Lebensleistung zukommt.

Grundlage dafür sind solide Staatsfinanzen.

Wir bringen den Haushalt in Ordnung.

Das Bundeskabinett hat letzte Woche den Bundeshaushalt 2001 beschlossen. Die Zahlen zeigen: Unsere Konsolidierungspolitik wird konsequent fortgesetzt.

Wir haben 1998 die höchste Staatsverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik übernommen: 1,5 Billionen DM. Fast jede vierte Steuermark wird für Zinsen ausgegeben. Dieses Geld fehlt für Bildung, Forschung und Infrastruktur. Kein Unternehmer, kein Familienvater kann über lange Zeit mehr ausgeben, als er einnimmt.

Dieser Grundsatz gilt auch für die Politik. Unser Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt spätestens im Jahre 2006. Denn die Schulden von heute, wären die Steuern von morgen. Wir aber senken die Steuern. Wir gewinnen durch Konsolidierung Spielräume zurück, die wir an die Bürger und Wirtschaft weitergeben.

Durch die Steuerreform - von 1999 bis 2005 - , werden die Arbeitnehmer und Unternehmer um rund 75 Mrd. DM entlastet, lt. Thomas Voigt, IMPULSE die "größte Steuerentlastung, die je eine Bundesregierung zu Stande gebracht hat". Die Unternehmensteuerreform entlastet die Unternehmen. Im internationalen Vergleich befinden wir uns damit im unteren Drittel der Steuerbelastung.

Wir schaffen einen einheitlichen Körperschaftsteuersatz von 25 % für Kapitalgesellschaften ab 2001. Die Gesamtbelastung für Kapitalgesellschaften einschließlich Gewerbesteuer wird auf rund 38 % sinken.

Für Personengesellschaften wird es eine pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer geben. Bis zu einem Gewinn von 200. 000/400.000 DM wird die Steuerbelastung unter 38 % liegen.

Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen liegen weit unter dieser Grenze. Für diejenigen, die höhere Gewinne haben, gibt es die Option, wie eine Kapitalgesellschaft besteuert zu werden, ohne dabei die Rechtsform ändern zu müssen.

Nun gibt es bekanntermaßen Kritik der Opposition an diesem Steuerkonzept. Wir sind offen für Verbesserungsvorschläge. Allerdings nur unter der Voraussetzung einer soliden Finanzierung. Wir können nicht endlos das Wünschbare diskutieren. Wir müssen endlich das Machbare realisieren. Die Opposition will im Vermittlungsausschuss auf Zeit spielen. Das wäre ein Spiel zu Lasten von Wachstum und Beschäftigung.

Jeder würde gerne noch weniger Steuern bezahlen. Aber wir sollten auch den Gegenwert im Auge behalten:

Wir haben in Deutschland eine hervorragende Infrastruktur, und verfügen über bestens ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie bekommen sozusagen die S-Klasse zum Preis eines Mittelklassewagens.

Deutschland erhielt kürzlich von der amerikanischen Rating-Agentur Moodys ein Triple-A-Rating, begründet natürlich mit der günstigen Schuldenstruktur, bedingt durch eine vorsichtige Haushaltspolitik. Zusätzlich stellte Moodys fest: "Das Land hat ein hohes Maß an sozialer und politischer Stabilität, das durch das Solidaritätsprinzip gewährleistet wird".

Wir werden bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme darauf achten, dass diese solidarisch bleiben und wieder solide und bezahlbar werden.

Deshalb senken wir die Lohnnebenkosten und schließen die Schere zwischen Brutto und Netto. Dies ist positiv für beide Seiten, schafft Motivation und Leistungsanreize.

Wir haben den Trend der letzten Jahre gebrochen, dass Arbeit kontinuierlich verteuert wurde. Die Arbeit wird billiger. Dies ist eine der wesentlichen Voraussetzung für neue Jobs.

Die Qualität des modernen Sozialstaates misst sich nicht an ausgegebenen Milliarden, sondern an dessen Effizienz und Treffsicherheit. Wir stärken deshalb die Eigenverantwortung. Die Bundesregierung hat die Eckpunkte der Rentenreform vorgelegt. Wir werden die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung durch eine staatlich geförderte kapitalgedeckte Eigenvorsorge ergänzen.

Wir verbinden Altersvorsorge, Investition und Wirtschaftsdynamik. Wir schaffen Generationengerechtigkeit.

Wir brauchen eine neue Gründerzeit mit einem Unternehmergeist, der geprägt ist durch Dynamik, Leistungswillen, Kreativität und Innovation.

Deutschland liegt immer noch bei der Selbständigenquote auf einem der letzten Tabellenplätze. Aber wir haben hier in den letzten Jahren stark aufgeholt.

Ich habe vor kurzem auf den Deutschen Existenzgründertagen 2000 den Preis für die beste Geschäftsidee von Geschäftsgründerinnen aus den Neuen Ländern übergeben. Die Geschichte der beiden Gründerinnen hat mich fasziniert und mit Sicherheit war sie nicht untypisch für die neuen Länder.

Es fing zwar nicht in der sprichwörtlichen Garage an, aber auch die Kaliebe & Mensch GbR hatte keine guten Startbedingungen. Erst fehlte ein Finanzier, dann geriet das junge Unternehmen durch den Ausfall eines Großkunden in Schwierigkeiten. Aber die beiden Frauen haben durchgehalten. In einem alten Fabrikgebäude bauten sie sich mit Möbeln vom Sperrmüll ihre Geschäftsräume auf; ihre Freunde unterstützen sie mit Geld. Heute liefern die beiden Frauen Aquarienpflanzen quer durch Europa und bis nach Israel. Respekt vor dem Engagement, mit dem sie ihre Idee verwirklicht haben.

Solche Erfolgsstories sind inzwischen in ganz Deutschland keine Einzelfälle mehr. Und sie motivieren andere. Fast jeder zweite Schulabgänger in Deutschland kann sich heute vorstellen, sich selbständig zu machen.

Vor kurzem habe ich in Berlin die Bundessieger des diesjährigen Bundeswettbewerbs "Jugend forscht" ausgezeichnet. Anerkennung für junge Forscherinnen und Forscher - vier von Ihnen übrigens aus Sachsen-Anhalt. Mich hat die Begeisterung beeindruckt, mit der sie Ihre Ideen umgesetzt haben und die Neugier, mit der sie ihre Chancen in unserer Gesellschaft suchen.

Solche Beispiele machen Mut. Die jungen Leute wollen ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen.

Eine qualifizierte Ausbildung ist die entscheidende Voraussetzung für den Schritt in die Selbständigkeit. Wir machen die berufliche Bildung zukunftsfest. Das duale Ausbildungssystem in Deutschland ist weltweit einmalig. Seine Weiterentwicklung erfolgt im Bündnis für Arbeit. So wurden dort zur Modernisierung der Ausbildung von Lehrlingen und Meistern folgende Vereinbarungen getroffen.

Ausbildungsordnungen offener gestalten, Ausbilder erhalten mehr Freiheit, Ausbildungsinhalte festzulegen, Prüfungen müssen die Betriebspraxis wiederspiegeln. Weil wir wissen, dass nicht alle Gründer solche Freunde haben wie die beiden jungen Frauen, werden der Bund und das Land Sachsen-Anhalt ihre Förderung für Existenzgründerinnen und -gründer weiter verbessern.

Die Bundesregierung hat jetzt beschlossen, ihre Förderaktivitäten bei der Deutschen Ausgleichsbank ( DtA ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau ( KfW ) neu zu ordnen. Die DtA wird zur Gründungs- und Mittelstandsbank des Bundes ausgebaut. Die Unternehmer haben dann nur noch einen Ansprechpartner.

Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt Gründer im Rahmen der Existenzgründungsoffensive "ego.", die im Beisein von Staatsminister Rolf Schwanitz Anfang Mai diesen Jahres aus der Taufe gehoben wurde."ego." wird Kräfte bündeln, um in Sachsen-Anhalt das Existenzgründungsgeschehen voranzubringen und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Bundesregierung unterstützt diese Initiative und beteiligt sich insbesondere an der Finanzierung von 4 Gründungslotsen, die bei den Kammern gezielt Gründer beraten sollen.

Der Erfolg einer Unternehmensgründung zeigt sich erst nach einigen Jahren. In den neuen Ländern hatte es Anfang der neunziger Jahren einen regelrechten Gründungsboom gegeben; viele der Neugründungen haben die ersten fünf Jahren jedoch nicht überlebt. Ich bin froh, daß die Insolvenzzahlen jetzt endlich auch in den neuen Ländern rückläufig sind.

Gegen die Stimmen der Opposition haben wir im Frühjahr ein Problem gelöst, das besonders in den neuen Ländern vielen Gründern zugesetzt hat. Einige von Ihnen werden es kennen: die Arbeit ist gemacht, Geld für Material und Löhne ausgegeben und der Kunde bezahlt nicht.

Schlechte Zahlungsmoral vieler Kunden bringt Handwerksbetriebe immer wieder in Bedrängnis: Solvenz bedroht, Probleme mit den Banken, Geld fehlt für Investitionen.

Am 1. Mai 2000 trat das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen in Kraft - mit folgenden Neuerungen:

deutliche Anhebung der Verzugszinsen -Betriebe haben damit ein stärkeres Druckmittel gegen säumige Schuldnerbei laufenden Arbeiten haben Betriebe Anspruch auf eine Teilzahlung. Auch kann ein Kunde die Abnahme der Leistung nicht mehr verweigern, wenn nur geringfügige Mängel an den Ausführarbeiten bestehen. Dies ist eine Unterstützung für Handwerksbetriebe, die in einem harten Wettbewerb stehen und sehen müssen, dass sie an den nächsten Auftrag gehen können. Wenn einmal Aufträge ausbleiben oder trotz vieler Arbeit am Ende in der Kasse nichts übrig bleibt, ist guter Rat teuer. Als wichtiges Instrument zur Hilfe in solchen Fällen hat sich der "Runde Tisch" der DtA entwickelt. Die DtA bietet hiermit Pannenhilfe für Unternehmer, die in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Zum Angebot gehören kostenlose Beratung und die Ausarbeitung eines Sanierungsplans. Unter unabhängiger Leitung werden am Runden Tisch gemeinsam mit Gläubigern, Banken und den Kammern Lösungen gesucht, um die Krise zu meistern. Die Erfolgsquote der Runden Tische liegt bei über 60 % .

Ursprünglich gab es diese Runden Tische nur in den Neuen Ländern, inzwischen haben wir dieses Erfolgsmodell auch im Westen eingeführt.

Förderprogramme alleine helfen aber nicht weiter. Genauso wichtig ist der Abbau bürokratischer Hemmnisse.

Es kann nicht unser Ernst sein, wenn eine Existenzgründerin zur Begrüßung einen Brief vom Ordnungsamt bekommt Inhalt: kein Glückwunsch, sondern ein Bußgeldbescheid, weil sie ihr Gewerbe erst nach ein paar Wochen angemeldet hat.

Dass es ein paar Wochen nach der Gründung war, wusste das Ordnungsamt übrigens nur, weil die Gründerin das ehrlich angegeben hatte. Sie wollte gar keine Vorschrift umgehen, sie hatte nur in der Gründungsphase Wichtigeres zu tun, als Formulare auszufüllen.

Aus Vorschriften müssen Hilfestellungen werden. In einem aktivierenden Staat bekommt eine Existenzgründerin ein Glückwunschschreiben, in dem sich der Ansprechpartner in der Verwaltung vorstellt und Unterstützung anbietet.

Eine Arbeitsgruppe des Bündnisses für Arbeit, an der auch Vertreter der Mittelstandes beteiligt sind, hat erste Vorschäge für einen wirksamen Bürokratieabbau vorgelegt. Dabei geht es um

weniger und einfachere Formulare durch Standardisierung, Mausklick statt Behördengänge, Verlängerung von Zahlungs- und Berichtsintervallen. Formulare müssen standardisiert werden. Auch die Behörden müssen

Informationstechnik nutzen, nicht nur intern, sondern auch zur Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern:

Informationen müssen laufen nicht die Bürger.

Bei einer Tagung wie dieser wird viel über Infrastruktur und Förderprogramme, Steuern, Abgaben und öffentliche Verwaltung diskutiert die sogenannten harten Standortfaktoren. Immer mehr an Bedeutung gewinnen allerdings Fragen der Lebensqualität, der Bildung und Kultur, der Freizeiteinrichtungen. Das Image einer Region.

Der Osten hat hier ein doppeltes Problem. Zu lange wurden so ist meine Wahrnehmung Defizite betont statt Gestaltungschancen. Es ist gut, dass diese Tagung schon im Titel in die Zukunft weist.

Ein Zweites, das muss man ansprechen, ist der sich verstärkende Eindruck, dass Menschen, die fremd wirken, hier um Gesundheit oder gar ihr Leben bangen müssen. Das ist prinzipiell aufs Schärfste zu verurteilen und zu bekämpfen. Das ist auch mehr und mehr ein Standortnachteil. Denn, machen wir uns nichts vor: Der Rohstoff der Wissens- und Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts sind Köpfe und Können. War in der Agrargesellschaft der Boden, in der Industriegesellschaft das Kapital der limitierende Faktor für Wachstum, so ist in der Informations- und Wissensgesellschaft der Mensch der Erfolgsfaktor.

Wir konkurrieren schon heute im IT-Sektor weltweit um die besten Leute. Und wer anderen signalisiert, sie seien hier nicht willkommen, der ist nicht nur beschränkt, der begrenzt auch unsere Wachstums- und Beschäftigungschancen."Wer die Greencard ablehnt, zeigt Deutschland die rote Karte.", warnte zu Recht der Verband der Anbieter von Telekommunikation und Mehrwertdiensten ( vatm ) .

Unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik greift. Neben den Exporten zieht nun auch die Binnennachfrage nach jahrelanger Schwäche wieder an. Unternehmensinvestitionen und privater Verbrauch nehmen zu, die Auftragseingänge liegen deutlich über Vorjahresniveau. In diesem Jahr wird ein reales Wachstum von 2,8 % erwartet.

Auch Ostdeutschland nimmt an diesem Aufschwung teil. Die Stimmungslage bei den Unternehmen hat sich in den letzen Monaten weiter deutlich verbessert. Nach einer aktuellen Umfrage des Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts planen erstmals mehr Unternehmen in Ostdeutschland neue Mitarbeiter einzustellen, als Arbeitsplätze abzubauen. Angesichts der anhaltenden Strukturanpassung im Baugewerbe, das gezwungen ist, sich von überdimensionierten Kapazitäten auf den langfristig zu erwartenden Bedarf einzustellen, ist dies ein beachtlicher Erfolg. Schrittmacher der konjunkturellen Expansion ist das Verarbeitende Gewerbe. Die Industrieproduktion ist deutlich aufwärts gerichtet und übertraf das Vorjahresniveau bundesweit um 7,3 % , in Ostdeutschland um 13,7 % .

Bei allen unbestreitbaren Fortschritten darf aber nicht übersehen werden, dass Wachstum und Beschäftigungsentwicklung in Ostdeutschland noch immer unter schwierigen strukturellen Bedingungen stattfinden. Die geringe Dichte des Wirtschaftspotentials, die klein- und kleinstbetriebliche Unternehmensstruktur, die deutlich geringere Kapitalkraft und Innovationsfähigkeit der Unternehmen, verbunden mit einer vorwiegend auf lokale Absatzmärkte orientierten Produktion kennzeichnen diese besondere strukturelle Situation. Die ostdeutsche Wirtschaft steht vor der zweifachen Aufgabe die vorhandenen Defizite möglichst rasch zu überwinden und sich neue Zukunftsperspektiven im Wettbewerb zu erobern. Dazu gehört es, Märkte zu erschließen und neue Produkte zu erfinden. Deshalb wird die Bundesregierung den Aufbau in den neuen Ländern auch 2001 auf hohem Niveau fortsetzen. Sie stellt im Haushalt die Mittel bereit, um deren Wirtschaftskraft gezielt zu stärken, Innovationsfähigkeit und Forschungskompetenz zu fördern und die wichtigen arbeitsmarktpolitischen Hilfen sicherzustellen.

Innovationen - neue Produkte, neue Verfahren oder das Erschließen neuer Märkte sind der Schlüssel für Wachstum und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten. Für die Bundesregierung hat deshalb die Förderung von Forschung und Entwicklung eine zentrale Bedeutung. In diesem Jahr stellen wir hierfür rund 3,1 Mrd. DM zur Verfügung. ( Dies sind gegenüber 1998 fast 200 Mio. DM mehr ) .

Aber es sind nicht nur zusätzliche Mittel erforderlich, sondern auch neue Konzeptionen für die Förderung von Innovationen. Die Bundesregierung wird auch hier gezielt helfen: Beispielsweise mit FUTOUR, einem Programm, das Innovationsförderung und Existenzgründungen verbindet. Ein bewährtes und ausgesprochen erfolgreiches Programm. So existieren nach sechs Jahren noch 88 % der Unternehmen mit durchschnittlich 17,6 Beschäftigten. Für FUTOUR 2000 werden in diesem Jahr 20 Mio. DM sowie zusätzliche 60 Mio. DM Verpflichtungsermächtigungen bereitstellen.

Insgesamt wird die Bundesregierung im kommenden Jahr - wie in diesem Jahr auch - rund 3 Milliarden Mark bereit stellen, um gezielt Innovation, Forschung und Entwicklung in den neuen Ländern zu fördern. Mit neuen Instrumenten wie "InnoRegio" werden regionale Innovationspotentiale erschlossen und die Grundlage für neue Arbeitsplätze geschaffen. Deutlich aufgestockt werden auch die Mittel für den Hochschulbau in den neuen Ländern. Mit 680 Millionen Mark können im kommenden Jahr Investitionen in Universität und Fachhochschulen kofinanziert werden. Dies sind Investitionen in die Zukunft Ostdeutschlands. Auch das wichtige Programm "Forschung und Entwicklung in den neuen Ländern" wird in 2001 mit 225 Millionen Mark fortgeführt.

Von großer Bedeutung für ostdeutsche Betriebe ist unverändert die Marktzugangs- und Absatzförderung. Die Bundesregierung hat im Bündnis für Arbeit zugesagt, dass die Absatzförderung Ost ohne Abstriche fortgeführt wird. Deshalb werden auch im Jahr 2001 wie bisher 20 Millionen Mark dafür bereitgestellt. Ein zentrales Problem der neuen Länder bleibt die hohe Arbeitslosigkeit. Der neue Schwung der deutschen Wirtschaft eröffnet zwar verbesserte Perspektiven für einen langfristigen Rückgang der Arbeitslosigkeit - rund 250.000 in diesem Jahr. In Regionen wie Halle reicht das Vertrauen auf die Marktkräfte jedoch nicht aus.

Deshalb werden wir die aktive Arbeitsmarktpolitik auf dem erreichten hohen Niveau sichern und damit den Arbeitsmarkt weiter entlasten. Dafür werden wieder mehr als 22 Milliarden Mark zur Verfügung stehen. Die kräftige konjunkturelle Entwicklung und steigenden Beitragseinnahmen bei zurückgehender Arbeitslosigkeit ermöglichen es der Bundesanstalt für Arbeit - übrigens erstmalig seit der Deutschen Einheit 1990 - die aktive Arbeitsmarktpolitik vollständig aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Dies ist ein Erfolg des wirtschaftspolitischen Gesamtkonzeptes der Bundesregierung. Die Bundesregierung wird auch 2001 ihren Beitrag dazu leisten, jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anzubieten. Die Bundesregierung steht zu ihrer Zusage im Bündnis für Arbeit. Das Sonderprogramm Lehrstellen Ost und die Fortführung des Sofortprogramms gegen Jugendarbeitslosigkeit ( Jump ) sind hierbei die zentralen Instrumente, um auch künftig den Jugendlichen eine Zukunftsperspektive zu eröffnen. Die Bundesanstalt für Arbeit wird für "Jump" in 2001 rund 2 Milliarden Mark zur Verfügung stellen. Für das Sonderprogramm Lehrstellen Ost sind es 224 Millionen Mark aus dem Bundeshaushalt.

Wir stehen vor dem, was Tony Blair "Challenge of Change" nannte die Herausforderung des Wandels - wir nehmen sie an.

Nicht nur die Zahlen dokumentieren unsere Erfolge, die Aufbruchstimmung ist spürbar. Mit Mut und Optimismus in die Zukunft blicken.

Ich bin zuversichtlich, dass wir mit Tatkraft, Initiative, Erfindungsreichtum und Verantwortung auch die Herausforderungen der nächsten Jahre erfolgreich bestehen werden.