Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 21.08.2008

Untertitel: In seiner Rede wies Kulturstaatsminister Bernd Neumann auf die Bedeutung einesPreises als Qualitätssiegel hin, gingauf dasErfolgsmodell Deutscher Filmförderfonds und die Novellierung des Filmförderungsgesetzes ein, und sprach in diesem Zusammenhangdas Thema Digitalisierung der Kinos in Deutschland an.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/08/2008-08-21-rede-neumann-kinoprogrammpreis-2008,layoutVariant=Druckansicht.html


heute Abend sind wir in einer Situation, die ich mir jeden Abend für jedes Kino im Land wünschen würde: Es ist viel mehr Publikum gekommen als in den Kinosaal passt! Darum findet die heutige Preisverleihung im Theater Lüneburg statt, das allerdings auch eine Tradition als Kino hat: Drei Jahre, von 1956 - 1959 war es das Lichtspielhaus der englischen Besatzungstruppen.

Nun ist das SCALA, unser heutiger Gastgeber und der Preisträger des letzen Jahres, ein recht kleines Kino aber auch ein besonders feines! Davon konnte ich mich vorhin bei meinem Besuch überzeugen

wo sonst kann man unter einer echten Renaissancedecke ein preisgekröntes Kinoprogramm schauen?

Ich danke den Betreiberinnen des SCALA, allen voran der Geschäftsführerin Frau Brennecke und ihrem Team, für ihren großen Einsatz nicht nur für die Pflege des wunderbaren Kulturguts Kino, sondern auch für das Gelingen des heutigen Abends. Besonders beeindruckend ist für mich, wie stark Lüneburg sein Programmkino unterstützt. Es ist durchaus nicht die Norm, dass sich alle, vom Oberbürgermeister bis zum Schüler, von der Landeszeitung bis zur Sparkasse für ein Kino vor Ort einsetzen.

Nur durch dieses breite Engagement kann ein so wunderbares Erlebnis wie das Filmkonzert zu Hitchcocks "The Lodger" zustande kommen, das wir gerade gehört haben. Es zeigt, was Kino sein kann, vielleicht sogar sein muss, um auch in Zukunft interessant zu bleiben: ein Refugium der Künste, das für alle Bevölkerungsschichten attraktiv ist, und ein Ort für ungewöhnliche Begegnungen. Ich danke den Lüneburger Sinfonikern und besonders dem Schülerorchester "Strings" für die wunderbare Idee des Filmkonzerts und natürlich auch für die so gelungene Aufführung! Sie haben uns den Meister des "suspense" auf ganz neue Art nahe gebracht. Suspense ", Spannung, ist ein gutes Stichwort: Ich bin sicher, dass der heutige Abend auch weiterhin spannend bleibt, denn wir verleihen heute 331 Preise mit einer Gesamtsumme von 1,5 Mio. Euro an 190 Filmtheater. Prämiert werden die Kinos für ihr allgemeines Programm, aber auch für spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche, ihr Kurzfilm- und ihr Dokumentarfilmprogramm. Auch die Verleiher zeichnen wir aus, die sich um künstlerisch wertvolle Filme verdient gemacht haben. Drei Verleiher werden jeweils 75.000 Euro erhalten. Ich danke den Jurys der Kinoprogrammpreise und der Verleiherpreise, stellvertretend den Vorsitzenden Herrn Peter König und Herrn Ernst Szebedits für ihre Arbeit, die angesichts der hohen Zahl und der hohen Qualität der Anträge sicher nicht leicht war! Qualität zu fördern, das ist nicht nur der Ansatz bei unseren Preisvergaben. Sie ist vielmehr die Leitschnur bei der gesamten Filmförderung des Bundes, die in den letzen drei Jahren, das darf ich so sagen, internationales Ansehen errungen hat.

Auch der Deutsche Filmförderfonds ist ein Erfolgsmodell. Seit seiner Einführung Anfang 2007 wurden bis heute über 90 Millionen Euro für 153 Projekte bewilligt und damit rund 543 Mio. Euro an Folgeinvestitionen in Deutschland mobilisiert. Weil das nicht nur gut für die Filmemacher, sondern für den gesamten Film- und Produktionsstandort Deutschland ist, haben wir es erreicht, dass der Fonds mit seinen jährlich 60 Millionen an Fördermitteln bis 2012 verlängert wurde.

Derzeit wird das Filmförderungsgesetz novelliert. Der Regierungsentwurf wurde im Juni im Kabinett beschlossen. Künstlerische Aspekte wurden dabei besonders betont, beispielsweise mit einer verstärkten Drehbuchförderung. Auch wurden neue Akzente bei der Absatzförderung gesetzt.

Filmförderung macht nur dann Sinn, wenn die Filme ihr Publikum auch erreichen. Wenn es nach mir ginge, dann wäre der Ort, an dem dieses Publikum die Filme sieht, vor allem das Kino. Man kann aber nicht darüber hinwegsehen, dass den Kinos durch die anderen Medien große Konkurrenz erwächst. Und man muss zur Kenntnis nehmen, dass große Kinofilme ohne die anderen Medien nicht refinanziert werden können. Seit jeher bemühen wir uns daher, dass es keine Kannibalisierung zwischen den Auswertungsstufen gibt und alle ihre Marktchancen haben. Diesem Ziel dienen alle Regelungen im Filmförderungsgesetz. Und ich denke, wir können auf die Solidarität der gesamten Branche stolz sein, auch wenn sie hin und wieder auf eine harte Probe gestellt wird.

Ich weiß, dass sich viele Kinos in einer schwierigen Lage befinden. Es sind gezielte Hilfen notwendig, gerade angesichts der bei vielen kleinen Kinos im Land nötigen Modernisierungen und Renovierungen. Der FFG-Entwurf soll helfen, den entstandenen Investitionsstau zu beseitigen. Er sieht vor, dass Filmtheater für Investitionen nunmehr einen Zuschuss bis zu 30 Prozent erhalten oder alternativ ein Teilerlass von Altdarlehen möglich ist.

Weiter gestärkt werden auch die kulturellen Aspekte der Filmtheaterförderung: So haben wir die Anreize für ein herausragendes Programm mit einem hohen Anteil an deutschen und europäischen Filmen sowie Kurzfilmen ausgebaut.

Die Preisträger des heutigen Abends wird besonders freuen, dass in diesem Zusammenhang der Auszeichnung mit dem Kinoprogrammpreis als Qualitätssiegel dabei künftig eine noch größere Bedeutung zukommen wird. Ich will nicht verschweigen, dass hier die letzte Messe noch nicht gelesen ist. Wir müssen unser Fördersystem in Brüssel vorstellen, damit die Kommission seine Vereinbarkeit mit europäischem Recht prüfen kann. Es darf zu keinen Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union kommen. Die ersten Gespräche waren sehr schwierig.

Wir werden aber alles daransetzen, die Bedenken der Kommission auszuräumen.

Ein weiteres bedeutendes Anliegen brennt sicher vielen von Ihnen auf der Seele. Ich meine die Digitalisierung der Kinos in Deutschland.

Mir ist besonders wichtig, dass der Übergang von der analogen zur digitalen Projektion flächendeckend erfolgt, um die besondere Vielfalt der deutschen Kinolandschaft zu erhalten. Es war zu früh, die Digitalisierung abschließend im neuen Filmförderungsgesetz zu regeln, denn es gibt auf nationaler und auf europäischer Ebene noch eine Vielzahl ungelöster Fragen. Aber wir haben gemeinsam mit der FFA und Branchenvertretern eine Arbeitsgemeinschaft eingerichtet; sie hat bereits zweimal getagt. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass zunächst die Solidarität und eine gerechte Lastenverteilung unter den Branchenzweigen gefragt ist, denen die Digitalisierung zugute kommt, bevor über staatliche Hilfen geredet werden kann. Es muss klar sein, wer in welchem Maße von der Digitalisierung der Kinos profitiert. Ich bin zuversichtlich, dass wir in der nächsten Sitzung der Arbeitsgemeinschaft mehr Klarheit zu diesem elementaren Aspekt bekommen. Ziel ist es, dass auch künftig eine Kinolandschaft fortbesteht, die durch einheitliche technische Standards definiert ist.

Heute Nachmittag habe ich im SCALA Kino ein Buch mit den Kinogeschichten der Lüneburger Autorengruppe Wortmälzer in einer Stofftasche überreicht bekommen. Auf der Tasche steht: "Kino öffnet Welten" : Ich möchte, dass dieses schöne Motto weiterhin gilt. Es kann im Grunde über all " unseren Anstrengungen für das Kino als Kulturort stehen. Denn für die filmischen Weltreisen gibt es keinen besseren Ort als den Kinosaal. Dort Filme zu schauen, ist ein Gemeinschaftserlebnis und zugleich eine höchst individuelle Erfahrung, sozusagen ein kollektiver Traum. Ich freue mich, dass wir heute Abend so viele erfolgreiche Reiseleiter auszeichnen können. Und ich bin überzeugt, dass wir mit unserem Einsatz dafür sorgen können, dass das Kino seine wichtige gesellschaftliche Funktion weiterhin behalten kann. Städte wie Lüneburg, wo so viele Bürger Verantwortung für gutes, anspruchsvolles Kino übernehmen, machen Mut und sie machen Freude!