Redner(in): Angela Merkel
Datum: 04.09.2008

Anrede: Sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Christoph Bergner, sehr geehrter Herr Erzbischof Nossol, Exzellenzen, Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestags, liebe Vertreter auch anderer Nationalparlamente, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/09/2008-09-05-merkel-fachtagung-politik-fuer-aussiedler,layoutVariant=Druckansicht.html


ganz besonders auch die Jüngeren, mit denen ich eben schon ein Foto machen durfte,

20Jahre Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten ein langer Titel für eine langjährige Herausforderung derjenigen, die dieses Amt jeweils ausgefüllt haben. Das Jubiläum ist wahrlich ein Grund, um sich zusammenzufinden, über das Erreichte zu sprechen und auch einen Blick in die Zukunft zu wagen. Mit dem, was die jungen Leute Ihnen erzählt haben, konnte gestern sicherlich der Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft gespannt werden.

Ich bin heute sehr gerne hierher gekommen, um ein Grußwort zu Ihnen zu sprechen. Ich freue mich natürlich über die Anwesenheit vieler Vertreter derjenigen Gruppen, für die sich der Beauftragte einsetzt. Sie sind zum Teil von weither angereist, aus Sibirien oder aus Kasachstan. Wenn ich in die Runde blicke, dann sehe ich Vertreter deutscher Minderheiten im Ausland, Vertreter der autochthonen Minderheiten in Deutschland, Repräsentanten der Landsmannschaften und der Aussiedlerverbände sowie Experten aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung.

Bei dieser Aufzählung spürt man schon, welch unterschiedliche Interessenlagen, Erfahrungen, Erwartungen und Probleme aufeinander treffen. Das kennzeichnet wohl auch die Arbeit aller Beauftragten für diese Fragen, die heute, in dieser Legislaturperiode, so hervorragend von Christoph Bergner wahrgenommen wird. Ich glaube, jeder, der dieses Amt wahrgenommen hat, hat es mit seiner Charakterstärke wahrgenommen. Christoph Bergner tut es auf seine Art und in einer beeindruckenden Weise.

Was ist der Kern oder die Gemeinsamkeit all der verschiedenen Gruppen, die hier anwesend sind? Ich würde sagen: Das Bekenntnis zur eigenen kulturellen Identität. Das vereint Sie, verbindet Sie und das lässt Sie trotz unterschiedlicher Lebenssituationen auch immer wieder zusammenfinden und dem Beauftragten sagen, worum es eigentlich in der Ausführung dieser Aufgabe geht. Ich glaube, es ist auch richtig und wichtig, dass wir uns immer wieder vergegenwärtigen, dass es ein ureigenes und auch ein ganz natürliches Bedürfnis ist, die eigene Sprache zu sprechen und die eigenen Traditionen, Sitten und Bräuche zu leben und zu beleben. Genau das soll auch in der Zukunft weitergeführt werden.

Richard von Weizsäcker hat dazu einmal gesagt: "Der Mensch findet zu sich selbst in seiner Kultur. Kultur ist Geschichte nicht von Ideen, sondern vom konkreten, ja einmaligen Menschen." Genau das ist es, was das Amt des Beauftragten so wichtig macht. Der Beauftragte in dieser Legislaturperiode, Christoph Bergner, ist wie es alle Beauftragten vor ihm waren Ansprechpartner, Mittler und Unterstützer für viele Menschen, die mit ganz besonderen Problemen und Herausforderungen leben und die ein gewisses Schutzbedürfnis haben und fragen: Wo können wir uns hinwenden mit Themen, die nicht diejenigen sind, die jeden Tag auf SeiteEins in der Zeitung stehen, die aber unser persönliches Leben betreffen?

Das gilt für die nationalen Minderheiten in Deutschland ebenso wie für die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa, in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion und natürlich für diejenigen, die als Aussiedler zu uns gekommen sind. Die Existenz deutscher Volksgruppen in Osteuropa bis hin zur Wolga und zum Kaukasus ist Teil der europäischen Siedlungsgeschichte. Sie reicht bis ins Mittelalter zurück. Eine Sache, der wir uns annehmen müssen, ist, sozusagen der restlichen Bevölkerung immer wieder zu verdeutlichen, dass diese europäische Siedlungsgeschichte unser aller Geschichte ist. Um die richtigen Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen, ist es auch wichtig, dass wir wieder mehr von unserer Geschichte wissen.

Wir wissen, dass die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa vor allem während des Zweiten Weltkrieges und nach dem Zweiten Weltkrieg mit Beschwernissen zu kämpfen hatten. Wir bekennen uns in Deutschland unmissverständlich auch zur Verantwortung für diejenigen, die als Deutsche in diesen Gebieten unter den Folgewirkungen des Zweiten Weltkrieges gelitten haben unabhängig davon, ob diese Menschen in ihrer Heimat bleiben oder nach Deutschland kommen wollen; da machen wir überhaupt keinen Unterschied. Es gehört zur freien Selbstbestimmung jedes Einzelnen, dass er diese Entscheidung selbst fällen kann.

Wenn ich das sage, sage ich auch ganz deutlich: Wir bringen damit natürlich nicht Ursache und Wirkung unserer eigenen Geschichte durcheinander. Wir haben das feste Bewusstsein der immerwährenden Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen während des Nationalsozialismus. Das ist Teil der Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland.

Diese besondere Verantwortung hatte die Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl vor Augen, als sie vor fast 20Jahren, nämlich am 28. September 1988, das Amt des Beauftragten für Aussiedlerfragen eingerichtet hat. Dieser Schritt erfolgte sehr vorausschauend, mit Gespür für kommende Veränderungen in den Zeiten des politischen Wandels in den Warschauer-Pakt-Staaten. Infolge dieses Wandels und von mehr Freiheit für alle ist dann die Zahl der Aussiedler, die zu uns gekommen sind, stark gestiegen.

In dieser Situation ging es der Bundesregierung damals um zweierlei das kann immer wieder nur als absolut richtig bewertet werden: Zum einen um die Verbesserung der Lebensverhältnisse für diejenigen, die bleiben wollten stets in Kooperation mit der jeweiligen Titularnation, wie es so schön heißt, und zum anderen um die Bereitschaft zur Aufnahme und Integration derer, die nach Deutschland kommen wollten. Beides sind gleichrangige Aufgaben. Ich glaube, wir alle wissen: Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben haben die Aussiedlerbeauftragten unverzichtbare Arbeit geleistet.

Alle Aussiedlerbeauftragten auch eine sehr schöne Tradition waren zugleich Abgeordnete des Deutschen Bundestages. In der Regierung Kohl und in der jetzigen Regierung waren bzw. sind sie auch Parlamentarische Staatssekretäre. Wir haben das aus Überzeugung so eingerichtet. Damit zeigt sich, welche Bedeutung wir diesem Amt beimessen. Die starke politische Stellung des Beauftragten spiegelt sich natürlich auch in seinen Möglichkeiten im Einsatz für die jeweiligen Gruppen wider.

Ich glaube, ich trete auch anderen Parlamentarischen Staatssekretären nicht zu nahe, wenn ich als Bundeskanzlerin sage: Diese zusätzliche Beauftragung ist etwas, wovor alle eine große Achtung haben. Wenn ein Beauftragter zu einem kommt und sagt: "Hier brennt die Hütte, hier ist etwas nicht in Ordnung", dann wissen wir, dass das eine wirklich wichtige politische Anzeige ist. Glücklicherweise erledigt Christoph Bergner die meisten Sachen unauffällig, ohne dass es dazu kommt. Sie sollen aber wissen: Wir haben immer ein offenes Ohr.

Dieses Amt lebt natürlich von den Persönlichkeiten, die es wahrnehmen. Das galt und gilt für Horst Waffenschmidt, an den wir uns alle sehr gerne erinnern, das gilt für Jochen Welt, das gilt für Hans-Peter Kemper und das gilt heute für Christoph Bergner davon habe ich schon gesprochen. Jeder von ihnen hat die Herausforderungen der jeweiligen Zeit aufgenommen und dem Amt seinen Stempel aufgedrückt; sei es bei der ständigen Anpassung von Integrationsmaßnahmen an aktuelle Aufnahmezahlen und Erfordernisse hier haben wir sehr viel Arbeit geleistet, die wir nicht hätten leisten können, wenn nicht auch immer sehr viele ehrenamtliche Helfer unterstützend dabei gewesen wären oder bei der Ausarbeitung und Weiterentwicklung des Konzepts "Aussiedlerpolitik 2000".

Wenn wir heute auf zwei Jahrzehnte Politik für Aussiedler und nationale Minderheiten zurückblicken, dann sehen wir, was in dieser Zeit geleistet wurde. 4, 5Millionen Menschen sind seit 1950 als Aussiedler und Spätaussiedler zu uns gekommen, davon rund dreiMillionen allein seit 1988. Ich will ausdrücklich sagen, dass diese Deutschen unser Land in vielfältiger Weise bereichert haben. Dafür an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön.

Ich finde, dies sollten wir öfters sagen, bevor wir auch von Problemen sprechen. Denn die Probleme haben in der öffentlichen Wahrnehmung immer eine große Beachtung. Das, was gut läuft, was wunderbar ist, was schön ist, gerät manchmal in den Hintergrund. Damit will ich natürlich nicht sagen, dass man verschweigen soll, dass es Integrationsaufgaben sowohl bei den Jüngeren als auch bei den Älteren gibt; jeder von uns weiß das. Dazu zählt nicht zuletzt die notwendige Sprachförderung. Auch diesbezüglich ist in den letzten 20Jahren Unglaubliches geschehen. Es wurde auch rund eineMilliarde Euro zur Unterstützung deutscher Minderheiten in den Herkunftsgebieten der Aussiedler zur Verfügung gestellt und es wurde natürlich auch in unserem Land unglaublich viel getan, um die Integration derer zu fördern, die zu uns gekommen sind.

Wenn wir uns jetzt einmal denen widmen, die in ihren alteingesessenen Gebieten bleiben wollten, dann muss man sagen, dass durch unsere Unterstützung die Lebensumstände vor Ort in vielen Fällen deutlich verbessert werden konnten. Wir können auch sagen, dass die Zusammenarbeit mit den Titularnationen trotz aller Schwierigkeiten eine insgesamt erfreuliche Entwicklung nahm. Wir haben als Bundesregierung immer wieder versucht, zusammenzuarbeiten. Das ist nicht immer einfach gewesen; da gab es dicke Bretter zu bohren. Das wird in gewisser Weise auch so bleiben. Es gab eine Menge Skepsis gegenüber unserer Unterstützung. Wir haben immer versucht, dieses Misstrauen abzubauen, allerdings mit einem klaren Kompass, nämlich dass es unser Recht und unsere Pflicht ist, diese Minderheiten auch außerhalb Deutschlands zu unterstützen.

Hilfsmaßnahmen funktionieren besser, wenn sie in Kooperation mit den Titularnationen erfolgen. Deshalb haben wir und die deutschen Minderheiten in besonderer Weise auch davon profitiert, dass sich die politischen Verhältnisse in vielen der betroffenen Länder verändert haben. Das hat auch zu einem Rückgang der Aussiedlerzahlen in den letzten Jahren geführt. Das heißt also, manch einer sieht für sich heute auch in den Herkunftsbereichen wieder eine Perspektive. Die wirtschaftlichen Aussichten in Russland, Kasachstan und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion haben sich verbessert, wenngleich wir nicht darüber hinwegsehen wollen, dass einem ab und zu auch bewusst wird, dass Deutschland ein Land ist, das recht lebenswert ist.

Insgesamt kann man sagen, dass die deutschen Minderheiten gut in das politische und soziale Leben ihrer Länder integriert sind. Allerdings muss man immer wieder darauf achten, dass keine Rückschläge erfolgen; das sind oft schleichende Prozesse. Es ist sehr wichtig, dass man ein Auge darauf hat. Denn Stillstand ist schnell auch einmal Rückschritt.

Ich will ganz deutlich sagen: Dank ihres hohen Ansehens üben die deutschen Minderheiten in anderen Nationen inzwischen auch eine wichtige Brückenfunktion im bilateralen Verhältnis Deutschlands zu diesen Ländern aus. Das will ich ausdrücklich dankend erwähnen. Die Angehörigen der deutschen Minderheiten, die zeitweise oder auch dauerhaft in ihre Herkunftsländer zurückkehren, sind natürlich auch Menschen, die eine Brücke bilden und sehr gut über unsere Länder Bescheid wissen. Man kann auch sagen, dass durch die Europäische Union und die europäische Integration vieles auf eine natürliche Weise zusammenwächst, was wir uns vor einigen Jahren noch gar nicht vorstellen konnten.

Wir sollten also zur Kenntnis nehmen, dass sich manches verbessert hat. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir sagen: Wir schwächen die Verbundenheit mit den Deutschen in den Herkunftsgebieten der Aussiedler oder stärken diese Verbundenheit nicht mehr. Das wäre ganz falsch. Vielmehr muss diese Verbundenheit von Generation zu Generation nach vorne gebracht werden. Deshalb ist es auch so schön, dass hier junge Leute sind. Denn diese Verbundenheit zu pflegen, bleibt auch für die nächsten Jahrzehnte eine Verantwortung; das will ich ausdrücklich sagen.

Wir müssen also Brücken bauen und die Probleme sehen. Wir müssen auch immer wieder überlegen: Wo liegen die neuen Akzente? Früher war es so, dass vor allem politische Faktoren den Erhalt der deutschen Sprache und die Entfaltung der kulturellen Identität erschwert haben. Heute das muss man ganz nüchtern feststellen sind es oft auch demografische Gründe. Heute ist es aufgrund des Altersaufbaus und auch aufgrund des Zusammenhalts von Minderheiten oft so, dass man mehr Kraft einsetzen muss. Wir wollen das auch weiterhin tun.

Deshalb liegt auch ein Augenmerk auf der Jugend, die natürlich vor neuen Herausforderungen steht, was die berufliche Qualifizierung anbelangt egal, ob sie hier in Deutschland oder in anderen Ländern lebt. Wir alle wissen, wie der Zusammenhalt der Familienverbände noch vor Jahrzehnten war. Es ist auch in Deutschland, zum Teil aufgrund der beruflichen Herausforderungen, längst nicht mehr so, dass eine Großfamilie zusammenlebt. Umso schwieriger ist es, der Vereinzelung vorzubeugen und die kulturelle Identität überhaupt noch pflegen zu können. Darauf müssen wir aber alle Kraft lenken.

Ich kann nur begrüßen, dass auf dieser Tagung über Fragen der kulturellen Identifikation von der Sprache bis zur Konfessionsbindung sehr intensiv und sehr offen gesprochen wurde. Diese Tagung ist schließlich nicht nur eine Festtagung, sondern sie ist wirklich eine Arbeitstagung. Das ist dem Thema auch angemessen. Ich glaube, das ist auch ganz im Sinne der Schwerpunkte, die Christoph Bergner als Bundesbeauftragter setzt. Lassen Sie mich nur einige Beispiele nennen: Die Konzentration auf die Jugend- und Kulturarbeit, die Identifizierung und Förderung von Nachwuchsführungskräften, das Hinwirken auf die Verabschiedung des russischen föderalen Zielprogramms und die Vertretung der spezifischen Belange der Aussiedler und Spätaussiedler im Rahmen des Nationalen Integrationsplans. Letzteres ist eine ganz wichtige Aufgabe, der wir uns explizit widmen und bei der auch viele mithelfen, damit es vorangeht. Es ist uns aber durchaus bewusst, dass wir bei dieser Aufgabe noch einiges an Arbeit vor uns haben.

Christoph Bergner setzt sich seit seinem Amtsantritt im Februar2006 auch für die deutschen Minderheiten in unseren unmittelbaren europäischen Nachbarstaaten ein. Er führt damit eine Aufgabe weiter, der sich die Bundesregierung schon seit über 50Jahren widmet, nämlich die Förderung der deutschen Minderheit in Nordschleswig auf der Grundlage der Bonn-Kopenhagener Erklärungen. Ich glaube, wir können nicht ganz ohne Stolz heute sagen: Die Entwicklung der deutsch-dänischen Grenzlandminderheiten ist ein gelungenes Vorzeigebeispiel europäischer Minderheitenpolitik.

Minderheitenpolitik im europäischen Kontext ist ein noch nicht abschließend bearbeitetes Thema. Wenn wir hier als Bundesrepublik zusammen mit Dänemark mit gutem Beispiel vorangehen können, dann ist das auch für viele der neuen EU-Mitgliedstaaten ein Thema, das immer wieder zu Diskussionen führt. Wenn ich die Slowakei, Ungarn oder auch die baltischen Länder sehe, kann ich feststellen: Das Thema "Wie leben wir mit Minderheiten zusammen?" ist ein exemplarisches Thema, in dem sich Bekenntnis zur Identität und gleichzeitig Toleranz zeigen können und zeigen müssen.

Das Amt des einstigen Ausländerbeauftragten ist 2002 um die Dimension der Wahrnehmung der Interessen der anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland erweitert worden. Dazu zählen neben den Dänen auch die Friesen, die Sorben sowie die Sinti und Roma. Die Garantie ihrer jeweiligen kulturellen Identität ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir gewinnen daraus natürlich auch eine zusätzliche Legitimation, zu sagen: So, wie wir mit den Minderheiten umgehen, die bei uns leben, so erwarten wir auch, dass Titularnationen mit den deutschen Minderheiten umgehen. Das heißt, wir stellen nicht nur Forderungen an andere, sondern wir zeigen auch, dass Toleranz und Teilhabe gelebte Normalität in Deutschland sind. Diese beiden Dinge gehören sehr eng zusammen.

Der Schutz und die Förderung autochthoner Minderheiten sind ein unabdingbares Wesensmerkmal unseres demokratischen Selbstverständnisses. Gerade in der Verantwortung für unsere Geschichte ist das für uns eine besondere Aufgabe, wenn wir vor allem an die Verfolgung und Ermordung deutscher Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten denken. Als Bundesregierung werden wir zum Gedenken an diesen Völkermord in unmittelbarer Nähe zum Reichstag ein Mahnmal errichten.

Wenn wir uns auf der Welt umsehen, dann wissen wir, wie wichtig Minderheitenpolitik für den innerstaatlichen Frieden ist. Wolfgang Schäuble hat in seiner Rede zur Amtseinführung von Christoph Bergner treffend formuliert: "Die Qualität einer freiheitlichen Gesellschaft bewährt sich nicht zuletzt darin, wie mit Minderheiten umgegangen wird und wie sich Minderheiten in einer Gesellschaft fühlen."

Ich will ausdrücklich noch einmal auf dieses "Fühlen" Wert legen. Es kann ja sein das ist auch im Gespräch mit den Titularnationen immer wieder möglich, dass die meisten finden, alles sei in Ordnung, nur die, um die es geht, fühlen das nicht. Deshalb will ich ausdrücklich sagen: Es geht darum, dass sie sich gut fühlen, und nicht, dass wir oder dass andere Länder glauben, sie täten schon alles, was notwendig ist. Das ist die Grundlage des Gesprächs.

Das heißt, wir sind als Bundesrepublik daran interessiert, hier beispielhaft zu agieren. Wir nehmen auch zur Kenntnis und glauben auch wenn das im täglichen Leben nicht jeder sofort sieht, dass Kulturen, Sprachen und Gebräuche eine Bereicherung für das Land sind. Deshalb ist es gut, dass es viele Akteure in der Minderheitenpolitik gibt sei es auf der Bundesebene, auf der Länderebene oder vor allen Dingen auch auf der kommunalen Ebene, denn da spielt sich natürlich das eigentliche Leben ab.

Der Beauftragte für nationale Minderheiten ist ein Mittler und Unterstützer, ein wichtiger Ansprechpartner. Ich glaube, dass wir in der Minderheitenpolitik wirklich Fortschritte erzielt haben. Ich möchte auch noch einmal auf das von Christoph Bergner initiierte Internetportal hinweisen, das von der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen betreut wird. Das ist eine moderne und wichtige Informationsquelle.

Meine Damen und Herren, mit dieser Fachtagung blicken wir zurück auf 20Jahre erfolgreiche Politik. Der Erfolg ist nicht so, dass wir das Amt abschaffen können. Es bleiben noch Aufgaben. Das heißt, ich will auch für die Zukunft ein ausdrückliches Bekenntnis zu diesem Amt abgeben.

Dieses Amt kann nur ausgefüllt werden, weil es so viele Mitstreiter gibt Mitstreiter, die in den Kommunen hier in Deutschland für die Aussiedler eintreten, ihnen eine Stimme geben, ihnen auch Informationsmöglichkeiten geben. Die Aufgabe kann nur geschafft werden, weil es viele schon langjährig in Deutschland lebende Menschen gibt, die sich für die Integration der zu uns Kommenden einsetzen und vieles dafür tun, dass diese die gleichen Chancen haben und dass Gräben und Brücken überwunden werden. Die Aufgabe kann nur geschafft werden, weil es in den nationalen Minderheiten außerhalb Deutschlands viele gibt, die immer wieder Kontakte nach Deutschland suchen.

Ein herzliches Dankeschön an die Ehrenamtlichen, an die Kirchenvertreter und an all diejenigen, die ein Herz für diese Fragen haben.

Schließlich kann die Aufgabe auch nur deshalb gelingen, weil die in Deutschland lebenden Minderheiten der Meinung sind, dass Deutschland ihr Land ist, in dem sie mit ihren Kulturen und Sprachen ihren Platz finden. Das beruht immer auf Gegenseitigkeit und das beruht darauf, dass es eine innere Bereitschaft gibt, sich mit seinem jeweiligen Lebensort zu identifizieren, und dass es gleichzeitig die Bereitschaft derjenigen, die die Mehrheit bilden, gibt, dies als Bereicherung anzusehen.

Meine Damen und Herren, deshalb würde ich sagen: Dies ist eine wunderbare Gelegenheit, Resümee zu ziehen das haben Sie getan und eben auch in die Zukunft zu blicken. Sie haben in Christoph Bergner jemanden, der Ihre Probleme versteht, der Ihre Arbeit zu schätzen weiß und der leidenschaftlich für Ihre Anliegen kämpft. Ich möchte deshalb Christoph Bergner danken, Ihnen allen danken und uns allen eine gute gemeinsame Zukunft wünschen. Gemeinsam wollen wir dafür eintreten, dass wir es in einigen Jahrzehnten in ganz Europa und darüber hinaus als Selbstverständlichkeit ansehen können, dass Minderheiten einen festen, berechtigten Platz in demokratischen Gesellschaften haben.

Herzlichen Dank und Ihnen allen alles Gute.