Redner(in): Angela Merkel
Datum: 18.09.2008

Untertitel: in Berlin
Anrede: Herr Kentzler, Herr Schleyer, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/09/2008-09-18-merkel-handwerkstag,layoutVariant=Druckansicht.html


herzlichen Dank für die einführenden Bemerkungen. Wir haben uns, wie wir das häufig tun, auch in der vergangenen Woche schon einmal im kleinen Kreis über die aktuelle Situation des deutschen Handwerks unterhalten. Dass ich nun hierher zu Ihnen komme, ist inzwischen wirklich gute Tradition. Ich erinnere mich daran, dass einer meiner ersten Termine als Bundeskanzlerin der Handwerkstag 2005 in Düsseldorf war. Seitdem haben wir einen sehr engen Kontakt zueinander.

Ich glaube, seitdem hat sich manches bei den knapp fünfMillionen Handwerkern und ihren Beschäftigten in Deutschland verändert. Es gibt eine Reihe von Entwicklungen, die durchaus positiv sind. Das Schöne, und dafür möchte ich auch einmal Danke sagen, ist, dass die Situationsschilderung des Handwerks meistens sehr realistisch ist. Es wird das Gute benannt das tut nicht mehr jeder in der Republik und es wird auch das Schlechte nicht ausgeklammert. Aber in dieser Ausgewogenheit lässt es sich, wie ich finde, oft leichter miteinander klarkommen, als wenn man immer nur frustrierende Negativbotschaften hat. Ich glaube, das entspricht auch der Realität besser. Auch bei Ihnen ist nämlich natürlich klar, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht immer bei allen Gewerken gleichermaßen ausgeprägt ist; Sie haben es eben angedeutet. Es gibt Bereiche, die sehr stark von der Binnenlage abhängig sind und es gibt Bereiche, die auch den Exportbereichen zuarbeiten. Insofern müssen wir, wenn wir in die Zukunft schauen, natürlich versuchen, allen Bereichen immer ein Stück weit Rechnung zu tragen.

Wir haben seit 2005 1, 3Millionen zusätzliche Arbeitsplätze. Wir hatten 2007 zum ersten Mal mehr als 40Millionen Beschäftigte. Wir haben erlebt, dass in dem Ausmaß, in dem die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wächst, auch die Lage der sozialen Sicherungssysteme besser wird. Wir haben, als wir als Regierung antraten, zum Beispiel nicht genau gewusst, wie wir das mit der Rentenversicherung richtig hinbekommen. Aber einfach durch die verbesserte Beschäftigtenlage haben jetzt die Möglichkeiten zugenommen, auch die Schwankungsreserve wieder aufzubauen. So hängt alles natürlich vor allen Dingen auch mit der Lage der Beschäftigten zusammen. Und das wird auch weiterhin so bleiben.

Deshalb heißt unsere Devise in der Tat nicht nur "Sanieren" wir sind beim Haushalt ein ganzes Stück vorangekommen, aber noch nicht am Ziel angelangt, sondern die Devise heißt: Weiter sanieren, reformieren und investieren. Dieser Dreiklang hat sich gut bewährt, auch im letzten Jahr. Ihn sollte man in dieser Legislaturperiode und darüber hinaus mit Weichenstellungen fortsetzen.

Wir arbeiten im Augenblick das spüren Sie, das spüren wir und das lesen und hören wir auch jeden Tag in einem schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld. Wir können sehr froh sein, dass in Deutschland eine starke industrielle und wirtschaftliche Basis vorhanden ist, zu der natürlich auch das Handwerk gehört. Dass wir nicht sozusagen allein im Finanzdienstleistungsbereich stark sind, macht uns robuster, aber natürlich nicht unabhängig von weltwirtschaftlichen Entwicklungen.

Ich habe gestern in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag darüber gesprochen, dass wir von deutscher Seite aus sehr stark darauf drängen werden darin bin ich mir auch mit dem Finanzminister vollkommen einig, dass die internationalen Finanzmärkte transparenter werden und dass die Risiken besser abgesichert werden. Ich kann nur sagen wir sprechen in anderen Lagen manchmal anders darüber, dass es auch in einer solchen Situation gut ist, dass unsere sozialen Sicherungssysteme zu einem großen Teil umlagefinanziert sind, denn die reine Kapitaldeckung bringt im Augenblick große Risiken mit sich.

Aber was ich noch stärker in den Vordergrund stellen würde, wenn Sie einmal in die Vereinigten Staaten von Amerika schauen, ist, dass wir in Bezug auf die gesamte Bevölkerung solidarische Systeme und nicht rein betriebliche Absicherungssysteme haben. Heimische Betriebe in den Vereinigten Staaten, zum Beispiel in der Automobilindustrie, haben mit dem Altersaufbau der Beschäftigten einen unglaublich starken strukturellen Nachteil gegenüber neuen, aus anderen Ländern kommenden Betrieben, die mit überwiegend jungen Leuten eine viel geringere Pensionslast zu tragen haben. Ich glaube also, wir sind mit der ergänzenden Kapitalsicherung und der gleichzeitigen solidarischen Umlage durchaus auf einem sehr ausgewogenen, recht guten Weg.

Das Schwierige bei der jetzigen Wirtschaftslage ist, dass wir europäischerseits und auch deutscherseits die Risiken, die im amerikanischen Markt angesiedelt sind, gar nicht vollständig überschauen können. Deshalb können wir nur darauf drängen, dass sich solche Dinge in Zukunft nicht wiederholen. Nach meiner festen Überzeugung wäre durch mehr Transparenz, durch klarere Kriterien für die Rating-Agenturen, vieles dessen verhinderbar gewesen, was wir jetzt erleben. Wir fühlen uns leider, wie ich sagen muss, auch sehr darin bestätigt, dass wir in unserer G8 -Präsidentschaft eben genau darauf gedrungen haben, obwohl wir damals von englischer und amerikanischer Seite sozusagen noch abgewiesen wurden. Heute müssen wir gemeinsam feststellen, dass solche Regelungen notwendig sind. Inzwischen ist man auch in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Großbritannien verstärkt dieser Ansicht.

Es gibt gleichzeitig durch die rasante Entwicklung in den Schwellenländern eine Erhöhung der Energiepreise, die natürlich auch insgesamt preistreibend ist, was dieses Gefühl der Menschen, keinen realen Einkommenszuwachs zu haben, verstärkt. Deshalb müssen wir in den nächsten Monaten mit Augenmaß, Vernunft und mit Blick in die Zukunft die richtigen Weichen stellen. Daher ist es gut und richtig, dass Sie uns auch die Maßnahmen nennen, die Sie aus Ihrer Sicht für notwendig erachten. Ich will Ihnen aus meiner Sicht auch sagen, wo wir stehen und wie wir die Dinge sehen.

Zinszahlungen auf Bundesschulden haben heute einen Anteil am Haushalt in Höhe von 14bis 15Prozent. Sie hatten vor etwa 40Jahren einen Anteil von zweiProzent. Es ist absolut sicher, dass wir so nicht weitermachen können, wenn wir nicht die Spielräume zukünftiger Generationen völlig gefährden wollen.

Wir stehen in den nächsten Jahrzehnten vor einer dramatischen Veränderung des Altersaufbaus der Gesellschaft, gerade im Bereich der Beschäftigten. Ich war neulich bei der BASF. Dort hat mir das Herr Hambrecht noch einmal sehr eindrücklich geschildert. Heute gibt es 22Prozent Beschäftigte bei der BASF mit über 50Jahren. Im Jahr 2020 werden es mehr als 50Prozent sein, nämlich 57Prozent. Daraus erwächst eine ganze Reihe von Aufgaben.

Deshalb ist Haushaltssanierung nicht irgendeine mathematische Sache, in die man sich nun verliebt hat, sondern sie ist absolut dringlich. Wir sind froh, dass wir beim Abbau der Neuverschuldung vorangekommen sind. Natürlich bauen sich aber die Gesamtschulden noch immer weiter auf. Auch der Haushalt, den wir in den nächsten Wochen im Parlament beraten werden, ist ein Haushalt, bei dem es immer noch 2, 5Milliarden Euro an Neuverschuldung gibt. Es wird für die nächsten drei, vier Jahre noch Privatisierungserlöse geben. Danach muss auch das strukturelle Defizit des Haushalts beherrscht werden.

Damit wir das alles zusammenbringen, muss unser wichtigster Maßstab sein, weiter für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu sorgen. Wir dürfen uns auf gar keinen Fall mit dreiMillionen oder 3, 2Millionen Arbeitslosen zufrieden geben, sondern wir müssen vor allen Dingen das dicke Brett bohren und die jetzt in zunehmender Zahl vorhandenen Arbeitslosen wieder in Beschäftigung bringen. Ansonsten laufen wir in eine Schere zwischen Fachkräftemangel hier und einer hohen Zahl Arbeitsloser dort, die wir dann schwer beherrschen werden.

Wir wollen natürlich alle Spielräume nutzen, um Entlastungen zu schaffen. Wir haben hierbei natürlich nicht nur die Gruppen im Blick, an die Sie denken, sondern wir müssen auch schauen, dass Konsumenten etwas bekommen. Es wird leicht gesagt: Der Bund nimmt ja mehr Steuern ein; da muss doch nun einmal etwas passieren, damit man die Verschuldung schneller abbaut. Ich will nur daran erinnern: Es gab Tarifabschlüsse, zum Beispiel im Beamtenbereich, die letztlich eine Stärkung der Binnenkonjunktur bedeuten, wenn das Geld, wenn es nicht gespart wird, in den Konsum fließt. Man kann ja sagen, Unternehmern werde durch Steuern zu viel weggenommen, aber wenn die Leute keine Gehaltssteigerung haben, dann können sie bei ihnen auch nichts oder nicht mehr als vorher bestellen; das ist ganz einfach.

Das Gleiche ich werde nachher noch auf die Gesundheit zu sprechen kommen gilt für die Ärzte und das Pflegepersonal. Die Ärzte haben einen Tarifabschluss über 13Prozent vereinbart. Das sei ihnen gegönnt, das müsste prinzipiell auch der Stärkung der Binnenkonjunktur entgegenkommen. Aber das heißt auf der anderen Seite natürlich, dass das nicht spurlos an den Krankenkassenbeiträgen vorbeigehen kann, es sei denn, man schlösse serienweise Krankenhäuser, was dann auch schwierige Auswirkungen hätte. Ich sage immer scherzhaft: Deshalb macht das Amt der Bundeskanzlerin auch so viel Freude. Denn zum Schluss laufen bei mir alle Enden zusammen. Insofern muss ich sozusagen die Gleichung dann auch so lösen, dass die zwei Seiten der Medaille Entlastung und Haushaltssanierung auch zusammenpassen und nicht allzu weit auseinander gehen.

Es gab eine Rentenerhöhung. Wir haben das Elterngeld eingeführt. Wir haben die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuung und von Modernisierungsmaßnahmen in privaten Haushalten eingeführt. Natürlich wissen wir, dass Sie sich mehr wünschen, gerade auch in Bezug auf den Handwerkerbonus. Ich nehme diese Sache mit, aber ich kann Ihnen das heute nicht versprechen; ich muss das ganz ehrlich so sagen. Aber das Programm hat sich bewährt. Wir haben damit einen Entlastungseffekt in Höhe von 1, 1Milliarden Euro generiert. Es ist wichtig, welche Maßnahmen Sie für zielgenau halten, aber ich kann auch nicht einfach von meinen Haushaltsrahmendaten abweichen.

Wir werden die Senkung des Beitrags im Arbeitslosenversicherungsbereich weiter vorantreiben, den wir bereits von 6,5 auf 3, 3Prozent nahezu halbiert haben. Ich sehe weitere Spielräume. Ich sage auch, dass ich weiß, dass es im Gesundheitsbereich Steigerungen geben wird schon allein durch die Tarifabschlüsse, und dass wir deshalb auch um unsere Verantwortung wissen, in der Arbeitslosenversicherung wirklich alles zu tun, was wir können.

Herr

Kentzler, Sie haben vorhin gefragt, was das mit dem Hauptschulabschluss die Bundesagentur angehe. Das zu hinterfragen, ist im Grundsatz richtig. Aber wenn ein Kind von allen für nicht ausbildungsfähig erklärt wird, was soll man dann machen? Soll man es dann in dem Alter, in dem aus ihm etwas werden soll, sozusagen laufen lassen und damit eine Karriere begründen, die überhaupt nicht mehr in eine gelernte Tätigkeit mündet Sie würden dann nachher nach qualifizierten Bewerbern rufen, die Ihnen fehlen, oder soll man vielleicht doch noch einmal versuchen, aus dem Schulabgänger etwas zu machen, damit Sie einen weiteren Bewerber haben? Natürlich ist das nicht die originäre Aufgabe der Bundesagentur. Deshalb gibt es auch einen Bildungsgipfel, auf dem wir mit den Ländern darüber reden, was man tun kann. Es gibt jetzt auch sehr interessante Kooperationsprogramme. Man kann sagen, dass sei vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber im Vergleich zum Nichtstun ist es allemal billiger und intelligenter, dass die Bundesagentur bereits in den letzten Schuljahren in den Hauptschulen und Realschulen darauf achtet, dass Schulabschlüsse mit den Anforderungen für eine Berufsausbildung besser verzahnt werden, und dass es schon während der Schulausbildung BA-Angebote in Form von Praktika oder anderem gibt, um die Kinder auf den Berufsweg besser vorzubereiten.

Die Bereitschaft dazu ist genauso gewachsen, wie inzwischen die Bereitschaft im Lande dafür gewachsen ist, dass ein Grundschullehrer auch einmal einen Kindergarten betritt und ein Kindergärtner oder ein Erzieher auch einmal in eine Grundschule geht. Es gab und gibt durch eine Zuständigkeit hier und eine Zuständigkeit dort sozusagen gespaltene Lebensabschnitte von Kindern, die überwunden werden müssen. Der Anspruch muss sein, dass jeder Schulabgänger einen Abschluss machen kann, und zwar einen solchen, mit dem man nicht nur einen Schulabschluss hat, sondern mit dem man dann auch in der Lehre einen Anknüpfungspunkt findet. Dabei ist man, glaube ich, heute auf einem besseren Weg.

Wir wollen also die Beiträge senken. Wir haben durch die Senkung von 6,5 auf 3, 3Prozent bei der Arbeitslosenversicherung auch einiges erreicht. Das bedeutet für die Beitragszahler immerhin eine Entlastung in Höhe 25Milliarden Euro pro Jahr. Das kommt auch der Kaufkraft zugute. Natürlich war auch die Unternehmensteuerreform für viele eine Erleichterung.

Wir müssen auch die Gesundheitsreform umsetzen. Dabei stehen wir wieder in einem Spannungsfeld. Auf der einen Seite gibt es Tarifsteigerungen bei den Ärzten. Wenn Sie sich die Situation der Versorgung mit Ärzten in manchen der neuen Bundesländer anschauen, dann ist das wirklich bedenklich. Im ländlichen Bereich ist das heute sehr, sehr schwierig. Unsere Ärzte gehen zum Teil lieber in andere europäische Länder oder sie gehen wegen besserer Arbeitsbedingungen in den Medizinischen Dienst. Die Pflegekräfte verdienen auch nicht so gut. Auf der anderen Seite soll der Staat kein Geld ausgeben, er ist aber trotzdem auch gefordert, attraktive Angebote zu machen. Wenn Sie sich einmal die Entlohnung und Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern oder von Lehrern anschauen, von denen wir wirklich viel erwarten, dann ist es bei denen auch nicht so, dass die Bäume in den Himmel wachsen.

Wir werden die paritätischen Lohnzusatzkosten unter 40Prozent halten. Wir haben mit der Rente mit 67 auch einen wesentlichen Schritt gemacht, um die Rentenversicherung langfristig tragfähig zu machen. Wir haben bei der zusätzlichen Alterssicherung in Form der Eigenheimrente noch einmal etwas gemacht, um die Eigenheimfähigkeit im Alter im Eigenheim wohnen zu können zu stärken. Das ist auch etwas, was indirekt Ihnen zugute kommt. Außerdem werden wir in diesem Herbst einen Existenzminimumbericht erhalten, bei dem wir davon ausgehen können, dass diejenigen, die Kinder haben, einen höheren Freibetrag für ihr Kind bekommen werden. Es wird dann auch um eine Kindergelderhöhung gehen Größenordnung: etwa zehnEuro pro Kind, was natürlich wiederum auch Ihrem Interesse nach einer Steigerung der Kaufkraft entspricht. Wenn wir uns Familien anschauen, dann ist das ein ganz wichtiger Punkt.

Wir haben auch eine Aufgabe vor uns, die sich mit dem trifft, was auch für Sie wichtig ist, nämlich die Frage steuerlicher Erleichterungen. Diese Aufgabe hat uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben. Sie ist zum Teil noch nicht allzu sehr beachtet worden, aber sie ist ausgesprochen finanzwirksam. Es geht um ein Urteil zur besseren Absetzbarkeit der Aufwendungen für die Krankenversicherung. Das ist im Grunde eine weitere Entlastung in Bezug darauf, ab wann man überhaupt Steuern zahlen muss. Sie können das also fast als eine Erhöhung des Freibetrags ansehen. Die Wirkung dessen ist ausgesprochen hoch. Ich will dieses Thema hier jetzt nicht weiter ausbreiten, möchte aber sagen: Das ist mehr, als die Unternehmensteuerreform an Entlastung gebracht hat. Dies müssen wir spätestens zum 1. Januar 2010 umgesetzt haben. Wenn wir es nicht umsetzen, ist die Wirkung sogar vielfach größer dann könnte man nämlich alle Krankenversicherungsaufwendungen absetzen.

Das ist also etwas, was für Sie im Handwerksbereich und natürlich für die Selbständigen noch einmal eine deutliche Entlastung bringen wird. Wir arbeiten jetzt daran, wie wir das umsetzen können, aber das ist für uns eine völlig unerwartete zusätzliche Aufgabe in der mittelfristigen Finanzplanung. Deshalb bin ich auch ein kleines bisschen zurückhaltend hinsichtlich weiterer Entlastungen, die ich in Aussicht stellen kann, denn das ist eine wirklich große Aufgabe. Es ist aber auch eine Aufgabe, deren Lösung den Leistungsträgern, also genau denen, die Steuern zahlen, direkt zugute kommt.

Wir wissen auch um die Aufgaben, vor denen wir bei der Erbschaftsteuerreform stehen. Es wird Veränderungen geben. Sie haben zwei für Sie sehr wichtige genannt. Diese Erbschaftsteuerreform hat ein eindeutiges politisches Ziel, nämlich die Unternehmensnachfolge zu erleichtern. Wir müssen die Reform das macht die schwierige Diskussion aus an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts anpassen.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich damit auseinander gesetzt, wie Grundstücke und wie Kapitalvermögen bei der Erbschaftsteuer bewertet werden sollen. Eigentlich war, glaube ich, jedem klar, dass das Bundesverfassungsgericht schwerlich sagen würde, dass man das ganz unterschiedlich machen müsse, was aber in der Bundesrepublik Deutschland über 50Jahre lang Realität war. Die Politik hat darüber nie entschieden. Dann ist diese Frage, wie so vieles, beim Bundesverfassungsgericht gelandet, das dann darüber entschieden hat. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ändert jetzt die Bewertung der Grundstücke. Diese neuen Bewertungsmaßstäbe schaffen natürlich unglaubliche Veränderungen. Da müssen wir jetzt sehr genau hinschauen.

Kombiniert wird das dann noch mit der Aussage des Bundesverfassungsgerichts bzw. der Aussage des Grundgesetzes, dass Erleichterungen bei der Erbschaftsteuer gesamtgesellschaftlich begründet werden müssen. Daraus ist nun wiederum die Frage bezüglich der Arbeitsplätze usw. geworden. Wir verstehen schon, dass es in diesem 21. Jahrhundert mit massiven wirtschaftlichen Verschiebungen nahezu unmöglich ist, Aussagen darüber zu treffen, wie es mit einem Betrieb in einer bestimmten Branche in 15Jahren aussehen wird. Deshalb sind die Fragen der Haltefrist und vor allen Dingen die des "pro rata temporis" Schlüsselfragen in dieser Sache. Ich glaube, wir haben das nicht nur verstanden, sondern werden das auch berücksichtigen.

Wir haben versucht, mit dem Forderungssicherungsgesetz einen Punkt aufzugreifen, der kleinen und mittelständischen Betrieben oft finanzielle Schwierigkeiten bereitet, nämlich dann, wenn die Schuldner nicht pünktlich zahlen. Dieses Gesetz wird morgen abschließend im Bundesrat beraten. Das rechtliche Instrumentarium gegen Zahlungsverschleppung wird damit verbessert. Ich will Ihnen aber nicht in Aussicht stellen, dass Sie dann keinerlei Probleme mehr in diesem Bereich haben, denn die Komplexität der Materie ist mir klar. Wir haben hier aber trotzdem Einiges gemacht. Meine Bitte an Sie ist das werden Sie aber auch tun, dass dann über diese neuen rechtlichen Möglichkeiten möglichst gut aufgeklärt wird, denn die Betriebe müssen natürlich darüber Bescheid wissen. Ich glaube, das könnte ein wichtiger Schritt sein.

Wir sind vorangekommen beim Abbau von Bürokratiekosten. Wir haben uns vorgenommen, bis Ende 2011 die Bürokratiekosten um 25Prozent abzubauen, und zwar in den Fragen der Informations- und Statistikpflichten. Die Hälfte dieses Ziels wollen wir in dieser Legislaturperiode, also bis nächsten September, erreichen. Wir konnten schon einige Vereinfachungen auf den Weg bringen, die auch ganz praktisch sind, etwa die elektronische Steuererklärung und das vollautomatisierte Melde- und Beitragsverfahren in der Sozialversicherung. Betriebe erfahren zum Beispiel auch dadurch Entlastung, dass sie für kleinere LKW wie Handwerksfahrzeuge oder Verkaufswagen die Fahrzeiten nicht mehr aufzeichnen müssen. Schon allein das bringt einige Einsparungen manchmal sind es kleinere Beträge, aber für Einzelne ist es schon sehr wichtig.

Deshalb danke ich auch dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, dass es diesbezüglich immer Kooperationen gab, wie etwa auch bei der Erarbeitung der Mittelstandsentlastungsgesetze. Der Bundeswirtschaftsminister hat jetzt zwar schon das dritte Mittelstandsentlastungsgesetz auf den Weg gebracht, aber es ist mühselig, immer wieder Bereiche zu finden, in denen der Mittelstand entlastet werden kann. Dazu brauchen wir auch die Praktiker, die uns sagen, was für sie besonders mühevoll ist. Nicht jede Ihrer Ideen das wissen wir ist eins zu eins umgesetzt worden, aber Ihre Anregungen und Vorschläge waren für uns wichtig.

Herr Kentzler hat über das Thema Energie und Klima gesprochen. Wir stehen in den nächsten Wochen bis zum Ende der französischen Präsidentschaft vor sehr schwierigen und für die deutsche Wirtschaft auch essenziellen Verhandlungen über die Frage der Zertifizierung in der Zeit nach 2013. Das ist für Sie direkt wahrscheinlich nicht so bedeutsam, aber indirekt natürlich schon, weil viele von Ihnen mehr oder weniger von der energieintensiven Industrie abhängen.

Wir werden mit einem sehr klaren Standpunkt in die Gespräche hineingehen und sagen: Wir stehen zu unseren Klimaschutzverpflichtungen, aber gerade als eine exportorientierte Nation können wir nicht zulassen, dass Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet werden, die dann anderswo auf der Welt wieder entstehen. Das wird eine ganz schwierige Verhandlung sein, und zwar deshalb, weil es viele europäische Länder gibt, die eben nicht eine so breite industrielle Basis wie wir haben, die überhaupt keine Chemieindustrie, Aluminiumindustrie, Stahlindustrie oder Automobilindustrie haben. Weil vieles in der Europäischen Union heute mit Mehrheit entschieden wird, braucht man aber immer eine Gruppe von Ländern mit gemeinsamen Interessen.

In Deutschland haben wir sehr ehrgeizige Klimaziele Sie kennen das Klimapaket der Bundesregierung. Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung wird auf 25Prozent der Strom- und Wärmeversorgung verdoppelt und der Anteil der erneuerbaren Energien wird bis zum Jahr 2020 auf 30Prozent bei der Stromerzeugung und auf 14Prozent bei der Wärmeversorgung erhöht. Das heißt also, es gibt deutliche Verschiebungen.

Wir haben auch über den Gebäudebereich, der für Sie natürlich von besonderem Interesse ist, gesprochen. Hier ist das CO2 -Minderungspotenzial sehr groß, denn auf den Gebäudebereich entfallen rund 40Prozent des Gesamtenergieverbrauchs. Man nennt ihn in der Klimaschutzdebatte oft den "schlafenden Riesen", weil wir uns zuerst auf die sehr effizienten Industrieanlagen gestürzt haben und erst jetzt langsam auch in die Konsumentenbereiche vordringen. Hierbei ist das Gebäudesanierungsprogramm der Bundesregierung ein richtiges Programm. Wir haben neulich darüber gesprochen, dass das Programm aus Ihrer Sicht gerade bezüglich der Frage der Eigenheime noch verbessert werden soll. Andere aber sagen, wir müssten gerade die großen Wohnkomplexe besserstellen. Ich werde Ihre Anregung aber unbedingt in die Beratungen mit aufnehmen.

Ich glaube, dass wir auch mit Blick auf das Verhältnis Mieter-Vermieter darauf achten sollten, dass es sich für die Vermieter überhaupt lohnt, Investitionen zur Gebäudesanierung zu tätigen. Dabei schauen wir uns Ihre Vorschläge und auch die der deutschen Bauwirtschaft an. Heute läuft die Nebenkostenabrechnung in der Miete sozusagen völlig unabhängig von der Kaltmiete. Aber wenn ich als Vermieter meine Investitionen nur auf die Kaltmiete umlegen kann und keinen Effekt aus einer Minderung der Nebenkosten ziehen kann, dann rechnen sich entsprechende Investitionen nicht. Deshalb sind wir da gegenüber Verbesserungsvorschlägen sehr aufgeschlossen. Das CO2 -Gebäudesanierungsprogramm wird aus diesem Grunde noch einmal aufgestockt.

Wir glauben nicht, dass wir die Schwankungen der Energiepreise durch kurzfristige Stützmaßnahmen kompensieren sollten, sondern glauben, dass wir für langfristig nachhaltige Möglichkeiten sorgen sollten, wirklich weniger Energie zu verbrauchen. Wir werden einen Trend haben, bei dem die Energiepreise nicht mehr fallen, sondern wegen des verknappten Angebots eher steigen werden. Deshalb sind wir uns auch in diesem Punkt einig.

Wir sollten auch noch einmal die Möglichkeit nutzen, die Gebäudesanierung und auch die Sanierung von Wärmeerzeugungsanlagen nicht zu kompliziert zu machen und nicht zu viele Nebenbedingungen zu stellen. Das heißt, hier arbeiten wir weiter an den Programmen und werden auch Ihren Ratschlag voll aufnehmen.

Sie haben über die Frage der Bildung gesprochen. Das ist ein langfristiges Thema. Ich möchte dem ZDH, ganz besonders auch Herrn Schleyer, einmal danken, was sowohl den Einsatz für die duale Berufsausbildung in Brüssel anbelangt, um das ganze System europafest zu machen, als auch was die Frage der Zurverfügungstellung von Ausbildungsplätzen anbelangt. Im Ausbildungspakt hat das Handwerk immer eine führende Rolle gespielt. Sie sind diejenigen, die hierbei unser Rückgrat sind; das muss man ganz eindeutig sagen.

Dieser Einsatz wird sich in den nächsten Jahren auszahlen so viel kann man heute schon voraussagen, denn Sie alle werden noch nach geeigneten Bewerbern suchen. Man spürt schon jetzt, mit wie viel Interesse man sich in die Schulen begibt und schaut, wo interessierte Jugendliche sind. Wir müssen alle miteinander vor allen Dingen etwas dafür tun, dass das Interesse an technischen Berufen bestehen bleibt. Wir müssen auch die Bildungsgänge durchlässiger machen. Wir sprechen in der Bundesregierung jetzt darüber, auch Meister dazu zu befähigen, Studiengänge aufzunehmen. Insofern nähern wir uns schon in vielen Bereichen und Facetten dem an, was ich "Bildungsrepublik" nenne.

Aber wir müssen Dampf machen auch das ist richtig. Deshalb sollten wir auf diesem Weg miteinander weitergehen. Ich habe mich gefreut, dass Sie dazu bereit sind, auf unserem Bildungsgipfel noch einmal Ihre Beispiele zu demonstrieren. Denn an dieser Stelle wird sich entscheiden, ob Deutschland wirklich nach vorne kommt und vorne bleiben kann oder ob Deutschland mit einem hohen Anteil von nicht ausbildungsfähigen jungen Leuten letztlich zusehen muss, dass Betriebe in andere Länder gehen, weil sie hier keine richtigen Arbeitskräfte finden.

Daher nehmen wir zum 1. Januar 2009 eine Öffnung des Arbeitsmarktes vor, sodass zum Beispiel Hochschulabsolventen in technischen Bereichen aus anderen europäischen Ländern zu uns kommen können. Aber wer glaubt, dass Deutschland auch trotz der Sprachbarrieren so ein attraktives Land ist, dass nun das gesamte Ausland zu uns eilt und dass wir dafür unsere Bildung hier im Land vernachlässigen könnten, der irrt. Außerdem haben wir auch eine menschliche Verpflichtung, eine gesellschaftliche Verpflichtung, jedem in diesem Land eine Chance zu geben.

Ich weiß schon, dass ich hier wahrscheinlich in der falschen Kirche predige, denn Sie kümmern sich auch wirklich um die jungen Menschen. Aber Sie können natürlich auch nicht nachholen, was an anderer Stelle versäumt wurde. Wenn ein junger Mensch zu Ihnen kommt, dann hat er eben ein Alter von 16Jahren oder ist noch älter. Wir wissen aber inzwischen, dass bereits die frühkindliche Bildung in den ersten Lebensjahren ganz entscheidend ist. Deshalb haben wir in Bund und Ländern gesagt: Wir müssen gemeinsam die Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige nach vorne bringen.

Ich weiß nicht, ob Sie alle in Ihrer Eigenschaft als Väter oder Großväter sofort von diesem Programm begeistert waren oder ob Sie nicht auch gefragt haben: Meine Güte, kann man nicht die ersten drei Jahre zu Hause bleiben? Ich sage Ihnen nur Folgendes: Wir haben jetzt den Bildungsbericht für Deutschland in der Bundesregierung diskutiert. In den gesamten hochindustrialisierten Regionen Deutschlands Rhein-Main-Schiene, Stuttgart, München, Nürnberg, Erlangen, Fürth usw. liegt der Anteil der unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund bei 40 bis 50Prozent. In Augsburg kommen heute 50Prozent der eingeschulten Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund. Wenn es uns nicht gelingt, diesen Kindern Sprachfähigkeit beizubringen leider finden sich hier Defizite inzwischen auch bei Kindern mit deutschsprachigem Hintergrund, dann werden wir diesen Kindern später auch überhaupt keine Chance mehr geben können, in technisch anspruchsvolle Berufe hineinzukommen.

Die Erzieher sagen uns: Ein Kind kann nach den ersten anderthalb Lebensjahren eigentlich schon ganz gut sprechen. Wenn Kinder mit drei Jahren in den Kindergarten kommen für diese Möglichkeit haben wir jetzt ja weitestgehend gesorgt, dann gucken die Kinder, die Deutsch als erste Sprache schon nahezu perfekt können, mit relativer Gelassenheit auf die, die sich noch nicht ausdrücken können oder oft gar keine Sprache beherrschen, und meiden diese Kinder. So bleibt dann auch schon sehr früh die notwendige Integration aus. Deshalb ist gerade auch für die unter Dreijährigen mit einem Migrationshintergrund das in Bildung angelegte Geld unglaublich wichtig, mit dem spätere viel langwierigere und teurere Entwicklungsprozesse vermieden werden können.

Das sind natürlich Dinge, die wir auch im Blick haben müssen: Ich kann nicht allen steuerlichen Zuwachs, den ich nicht für den Schuldenabbau verwende, anschließend sofort in die Steuersenkung, in die Abgabensenkung geben. Vielmehr müssen wir ab und zu auch etwas investieren. In der Gebäudesanierung und ähnlichen Bereichen kann man Anreize für private Investitionen setzen, aber in Bildung muss wirklich auch staatlich investiert werden, so wie auch in Straßen investiert werden muss. Ich glaube, es findet auch die Unterstützung des Handwerks, dass wir ganz bewusst in die Forschung investiert haben und dass wir mit Blick auf das Ziel, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, vorankommen wollen.

Das alles sind natürlich miteinander konkurrierende Ziele. Von diesen Zielen wollen wir das umsetzen, was sinnvoll ist. Deshalb sage ich Ihnen auch: Wir beschäftigen uns im Augenblick ausführlich damit der Bundesarbeitsminister hat es heute früh in der Haushaltsdebatte noch einmal gesagt, dass das Instrumentarium der Bundesagentur für Arbeit deutlich verschlankt wird. Olaf Scholz hat gesagt, ein Beschäftigter der Bundesagentur für Arbeit müsse das Instrumentarium im Kopf haben und dürfe nicht erst ein Handbuch wälzen, um zu wissen, welche Art von Förderinstrumenten es gibt. Das kann man auch überschaubar gestalten. Das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten noch tun. Wir wollen im Übrigen eine Erweiterung des Meister-BaföG und Aufstiegsstipendien also gerade auch die Durchlässigkeit, die Sie interessiert.

Wenn man momentan die Zeitung aufschlägt, könnte man den Eindruck bekommen, wir hätten jetzt Wahlkampf. Wahlkampf haben wir in Bayern, das ist richtig. Aber danach haben wir unglaublich viel zu tun. Ich will nur einige Themen nennen: Erbschaftsteuer, FöderalismuskommissionII, Schuldenbremse alles langfristige Fragen; Haushaltsberatungen, weitere Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, Gesundheitsreform, Kindergeld, Existenzminimum, Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur steuerlichen Absetzbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge. Es wird also in den nächsten Wochen nicht langweilig und wir werden sehr intensiv arbeiten müssen.

Hinzu kommt, dass das Ganze in einem wirtschaftlichen Umfeld stattfindet, in dem wir erst recht alles daransetzen müssen das hat die oberste Priorität, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Mehr Beschäftigung geht mit mehr Wachstum einher. Und Wachstum ist die Grundlage für Entlastung. In diesem Zusammenhang verspreche ich Ihnen, dass wir weiter gute Partner bleiben, dass wir weil Sie so wichtig für die Beschäftigung in Deutschland sind Ihre Wünsche natürlich sehr ernst nehmen.

Wir hoffen darauf, dass Sie sich in dem, was Sie über das Geschäftliche hinaus für unsere Gesellschaft tun, weiter engagieren. Das deutsche Handwerk hat in Deutschland seine Heimat. Das soll auch so bleiben. Insofern wollen wir, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sein müssen, weiterhin Partner auf einem gemeinsamen Weg sein. In diesem Sinne: Herzlichen Dank. Ich wünsche uns weiter gute Kontakte.