Redner(in): Angela Merkel
Datum: 22.09.2008

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/09/2008-09-23-merkel-unternehmerkongress,layoutVariant=Druckansicht.html


Lieber Volker Kauder,

lieber Michael Glos,

lieber Peter Ramsauer,

liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag heute aus der CDU / CSU-Fraktion

und vor allem Sie, liebe Vertreter des Mittelstandes, die wir heute aus unseren Wahlkreisen hierher eingeladen haben!

Es ist ein tolles Bild, wie Sie hier in geballter Formation angetreten sind stellvertretend für den starken Mittelstand in Deutschland. Die Union, also CDU und CSU wenn ich das in dieser Sache sagen darf; denn eigentlich darf ich als CDU-Vorsitzende ja nur für die CDU sprechen, wollen und werden auch weiterhin die Unterstützer eines starken Mittelstandes in Deutschland sein.

Als Volker Kauder vor etlichen Monaten die Idee zu dieser Konferenz hatte, war es uns wichtig, dass dies nicht eine Festveranstaltung wird, auf der die Bundeskanzlerin eine Rede hält und anschließend noch der Fraktionsvorsitzende und der Wirtschaftsminister Ansprachen halten, sondern dass wir Ihnen auch die Gelegenheit geben, sich hier zu Wort zu melden und uns damit auch Anregungen für unsere Arbeit zu geben, uns deutlich zu machen, wo für Sie die wichtigsten Schwerpunkte liegen, um diese entweder noch in die Arbeit der nächsten Monate oder in das, was wir uns für die nächste Legislaturperiode vornehmen, einfließen zu lassen.

Wir haben in diesem Jahrhundert noch einen weiten Weg miteinander zu gehen. Ich glaube, Sie spüren, wie wir spüren, dass wir manches national regeln können, dass wir vieles aber auch nicht mehr allein national regeln können, weil wir uns mehr denn je in einem internationalen Umfeld bewegen. Wir müssen Wege finden, ohne zu viel staatliche Regulierung die notwendigen Regelungen auf nationaler Ebene, auf europäischer Ebene und auf internationaler Ebene festzuzurren.

Wenn man sich diese drei Ebenen einmal anschaut, muss man sagen: Vieles kann man auch heute national besser regeln. Wir wollen deshalb auch nicht alles nach Brüssel auf die europäische Ebene geben. Es gibt zwar einen gemeinsamen Binnenmarkt in Europa, aber wir sind weit davon entfernt zu sagen, dass nunmehr auch alles, was Sozialsysteme und sozialpolitische Fragen anbelangt, einheitlich europäisch geregelt werden soll.

Hier immer den richtigen Weg zu finden, wird auch mit Blick auf die Europawahl einer der wichtigen Punkte sein. Denn wir werden in Deutschland am Tag der Europawahl, am 7. Juni 2009, eine sehr interessante Konstellation haben: Wir werden acht Kommunalwahlen am gleichen Tag haben, an dem wir auch die Europawahl haben. Wir werden dann natürlich erst recht darüber diskutieren, was auf europäischer Ebene geregelt werden muss, damit wir keine Wettbewerbsnachteile haben, und was auf lokaler Ebene bleiben muss, damit Europa nicht sozusagen für jeden Handgriff eine allgemeine Regelung findet.

Die krisenhaften Vorkommnisse auf den internationalen Finanzmärkten, mit denen wir in den letzten Tagen wieder verstärkt zu tun hatten, zeigen uns aber auch: Hier kann man zwar auch manches national machen, doch das allermeiste muss international vereinbart werden. Ich sage nicht, dass hier immer gleich Gesetze geschaffen werden müssen. Aber dort, wo keine Gesetze geschaffen werden sollen, müssen die Wirtschaftsakteure dazu bereit sein, bestimmte Regeln für sich selber zu akzeptieren. Hier geht es vor allen Dingen um Transparenz und auch darum, die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen deutlich zu machen, die nach bestimmten Standards arbeiten. Hier geht es darum, dass man, wenn man ein hohes Risiko mit innovativen Finanzmarktprodukten eingeht, dieses Risiko dann auch durch eine höhere Eigenkapitalabsicherung gegengewichtet.

Eigentlich sind das alles Dinge, die nicht allzu neu sind. Wenn Sie hierzulande zu einer Sparkasse oder einer Bank gehen und einen Kredit haben wollen für Dinge aus der Realwirtschaft, wie man das heute so schön sagt, also für materielle Produkte, dann ist das längst alles Standard. Wir werden uns auch in den internationalen Finanzbereichen in diese Richtung bewegen müssen.

Wir können sagen, dass die Bundesregierung sehr frühzeitig auf diese Probleme hingewiesen hat sowohl während unserer G8 -Präsidentschaft als auch durch den Bundesfinanzminister. Wir werden in diesem Streben auch nicht nachlassen. Nach den ersten Teilen dieser Finanzmarktkrise hatten wir bereits im April auf den betreffenden Tagungen erste Erfolge. Aber ich darf Ihnen sagen: Wir werden jetzt sehr darauf achten, dass das, was verabredet wurde, auch wirklich in die Tat umgesetzt wird.

Ich sage auch, dass sich jetzt in der Globalisierung etwas zeigt: Das, was zum Vorteil nationaler Wirtschaften gereichte, wird jetzt bei der Risikoverteilung zum Teil auch zum Nachteil aller. Deutschland ist ein Land Sie stehen exemplarisch dafür mit einer ganz starken industriellen Produktion. Es gibt innerhalb der Europäischen Union nicht mehr viele solche Länder. Wir wissen natürlich, dass die Wertschöpfung irgendwann wieder gegen das, was in den Finanzmärkten abläuft, gegengerechnet werden muss. Deshalb ist es unser Interesse, diesbezüglich Regulierungen einzufordern. Wir werden auf diesem Weg im G7 -Bereich und auf dem nächsten Europäischen Rat, den wir im Oktober unter französischer Präsidentschaft abhalten werden, sehr intensiv weitermachen und darüber auch mit dem französischen Präsidenten sprechen.

Meine Damen und Herren, das Ganze wird natürlich die wirtschaftliche Lage in den nächsten Monaten und vielleicht sogar Jahren prägen. Das heißt, es kommt umso mehr darauf an, in der Binnenkonjunktur das Richtige zu tun. Und es kommt vor allen Dingen darauf an, dafür Sorge zu tragen, dass Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden. Besser gesagt: Es kommt darauf an, Ihnen die Möglichkeit zu geben, weiterhin Arbeitsplätze zu generieren.

Wir haben heute eine gute Bilanz aufzuweisen die meisten von Ihnen haben das in den letzten Jahren gespürt. Wir haben unsere Regierungstätigkeit mit 4, 7Millionen Arbeitslosen begonnen. Heute sind es 1, 5Millionen weniger. Damit sind natürlich neue Perspektiven für viele Menschen in unserem Land verbunden. Es handelt sich bei den neu entstandenen Arbeitsplätzen auch das ist eine gute Botschaft vor allen Dingen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

Wir konnten die Abgaben, die Beitragssätze für die sozialen Sicherungssysteme wenn wir uns die paritätisch finanzierten anschauen auf 39, 15Prozent senken. Das sind fast zwei Prozentpunkte weniger als zum Zeitpunkt unseres Regierungsantritts vor drei Jahren. Wir werden alles daransetzen, durch Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge notwendige Erhöhungen im Gesundheitsbereich zu kompensieren. Deshalb danke ich der Union für eine sehr ambitionierte Stellungnahme dazu, was in der Arbeitslosenversicherung möglich ist. Denn die Arbeitslosenversicherung ist sicherlich keine Sparbüchse, sondern sie ist ein Instrument, um Menschen im Fall der Arbeitslosigkeit solidarisch zu helfen. Sie ist aber nicht dazu gedacht, sich sozusagen immer wieder neue staatliche Programme auszudenken, die anschließend aber überhaupt nicht zu dauerhaften Arbeitsplätzen führen.

Wir haben die Unternehmenssteuern gesenkt. Ich glaube, viele von Ihnen werden das auch gespürt haben. Wir haben jetzt eine Steuerbelastung von knapp 30Prozent des Gewinns früher waren es 39Prozent. Ich glaube, dass auch für die Personengesellschaften mit dieser Unternehmenssteuerreform ein wichtiger Schritt gegangen wurde.

Die Staatsquote ist deutlich gesunken. Wenn man die allgemeine Diskussion verfolgt, glaubt man ja manchmal nicht, dass es so ist. Aber hier muss man sich doch einmal auf die Zahlen verlassen: Wir waren bei knapp 47Prozent und sind jetzt bei 43, 9Prozent. Das heißt, die Entwicklung der Staatsquote geht in die richtige Richtung. Die Union hat immer gesagt: Wir streben 40Prozent Staatsquote an. Daher kann ich nur sagen: Wir sind auf einem guten Weg. Wir werden aber nicht zu einer Quote kommen, die deutlich darunter liegt. Denn Bildung und Infrastruktur sind natürlich Dinge, die für Sie als Mittelständler genauso wichtig sind wie Steuer- und Abgabensenkungen. Wenn wir Fachkräftemangel und keine ausbildungsfähigen jungen Leute haben, dann ist für Sie der Standort Deutschland genauso in Schwierigkeiten, wie das der Fall ist, wenn die Steuer- und Abgabenlast zu hoch ist. Mit dieser Staatsquote von 43, 9Prozent liegen wir im Übrigen wirklich in einem guten europäischen Mittelfeld. Selbst die britische Staatsquote ist im Augenblick höher. Das heißt, man kann nicht sagen, dass Deutschland hier in irgendeiner Weise besonders negativ herausragt.

Wir wissen, dass die vielen Dinge, die geschaffen wurden, natürlich nicht allein politischer Natur sind, sondern dass dahinter unglaubliche Anstrengungen der Mittelständler stehen, von jedem Einzelnen von Ihnen, die Sie mit schwierigsten Entscheidungen zu tun haben über Standorte, über Investitionen, über die Einstellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und über die Frage: Gehe ich ein Wagnis ein oder gehe ich es nicht ein? Wir sind uns auch bewusst: Wir können die allerschönsten Forderungen stellen, aber wenn Sie kein unternehmerisches Risiko eingehen, dann wird es mit Deutschland nicht vorangehen.

Das sage ich jetzt auch nicht nur dahin, weil wir gerade so schön beieinander sitzen, sondern das sage ich, weil das etwas ist, was die Unionspolitik prägt und was uns manchmal auch Mühe macht in den Diskussionen mit unserem Koalitionspartner, der sehr gerne über das Verteilen spricht, aber sehr viel weniger über das Erwirtschaften. Unsere Maxime heißt aber: Wir können nur verteilen, wenn wir vorher auch etwas erwirtschaftet haben. Mit dieser Maxime werden wir auch weiter arbeiten.

Das prägt uns natürlich auch in dem nicht immer ganz einfachen Spannungsfeld von zukünftigen Entlastungen und einer soliden Haushaltspolitik. Wir stehen in Deutschland vor einem dramatischen demografischen Wandel. In den neuen Bundesländern ist das bereits spürbar. Aber auch in den alten Bundesländern wird das sichtbar werden. Ich habe neulich die BASF besucht. Es ist kein mittelständisches Unternehmen, aber dort wurde mir erzählt, dass dort heute 22Prozent der Beschäftigten über 50Jahre alt sind und dass im Jahre 2020 57Prozent der Beschäftigten über 50Jahre alt sein werden.

Sie sehen also, vor welcher Herausforderung wir stehen, und zwar sowohl was lebenslanges Lernen als auch was die Zukunft unserer sozialen Sicherungssysteme anbelangt. Deshalb müssen wir aufhören, auf Pump zu leben. Das heißt, wir müssen erst einmal aufhören, neue Schulden zu machen. Unser Zugang zu diesem Thema ist durchaus von moderater Natur. Wenn wir uns die erste Große Koalition Ende der 60er Jahre anschauen, so hat sie mit dem Schuldenmachen begonnen, was in der sozialliberalen Koalition massiv verstärkt wurde. Damals hat man zwei Pfennig Zinsen von einer D-Mark im Bundeshaushalt gezahlt. Heute zahlen wir 15 Cent Zinsen von einem Euro. Wenn in 40Jahren schon fast ein Drittel für Schuldzinszahlungen weggehen würde, weil wir einfach so weiter machen, dann wäre das in der Paarung mit der Bevölkerungsänderung hinsichtlich des Altersaufbaus das Aus für jegliche Zukunftsinvestition.

Deshalb haben wir immer gesagt: Wir müssen den Kurs Sanieren, Reformieren und Investieren einhalten. Das sind keine Gegensätze, sondern das gehört für uns zusammen.

Wir sagen dabei gerade auch unter den erschwerten Bedingungen im wirtschaftlichen Bereich, dass wir vor allen Dingen verhindern müssen, dass Dinge gemacht werden, die Ihnen Schaden zufügen. Deshalb sind die Unionsfraktion und die Union als Partei gegen einheitliche gesetzliche Mindestlöhne. Ich glaube, dass das richtig ist. Sie alle kennen die sehr unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen Deutschlands. Inzwischen gibt es in Bayern, wo ich in diesen Tagen häufiger bin, eine Vielzahl von Regionen, in denen sozusagen Vollbeschäftigung besteht. Bei mir im Wahlkreis auf der Insel Rügen, in der Hansestadt Stralsund und in Nordvorpommern liegen die Arbeitslosenraten nach wie vor bei etwa 15, 16Prozent, was auch für viele andere Teile der neuen Bundesländer gilt.

Es wäre fatal, Menschen die Chance auf Arbeit zu nehmen, nur weil wir einen einheitlichen, flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn wollen. Es gibt ein Mindesteinkommen in Deutschland. Dieses Mindesteinkommen ist durch das ArbeitslosengeldII je nach Familiensituation festgelegt. Ich sage: Selbst dann, wenn jemand nur 90Prozent dieses Mindesteinkommens mit eigener Hände Arbeit erwirtschaften kann, ist es für ihn und sein Leben allemal besser, das zu tun und vielleicht später einen richtigen Einstieg zu finden, als ihm das zu verwehren und die Menschen in der Arbeitslosigkeit sitzen zu lassen.

Auf der anderen Seite ist es dennoch so, dass das Thema faire Bezahlung ein Thema ist, das die Menschen umtreibt. Deshalb haben wir gesagt, dass wir Regelungen mit unterstützen, die die Tarifautonomie stärken. Man kann zum Beispiel an der Tätigkeit eines Arbeitsministers wie Karl-Josef Laumann in Nordrhein-Westfalen sehen, in wie vielen Bereichen es möglich ist, Tarifpartner wieder zusammenzuführen, die schon jahrelang nicht mehr miteinander gesprochen haben. Ich will auch nicht verhehlen, dass es Bereiche im Dienstleistungssektor gibt, in denen man sich zum Teil schon gar keine Mühe mehr gibt, Tarifverträge abzuschließen. Das ist dann auch nicht im Geiste der Tarifautonomie, die im Grundgesetz verankert ist.

Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland eine große Verantwortung verschiedener Akteure, und zwar viel mehr als in anderen Ländern. Aber die Aussage, dass dann auch jeder seiner Verantwortung gerecht werden muss, ist, wie ich glaube, sehr, sehr wichtig.

Wir werden uns auch gegen alles wehren, was die gefundenen Regelungen hinsichtlich der Rente mit 67 wieder aufweicht. Das wäre ganz fatal und ganz falsch. Wir brauchen diese Regelungen für die zukünftigen Jahre. Ich weiß, dass das für die Menschen zum Teil nicht ganz einfach ist. Wir müssen es vor allen Dingen schaffen und da sind wir auf einem guten Weg, für die über 55-Jährigen wieder Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Die Zahl der über 55-Jährigen, die noch im Erwerbsleben waren, lag einmal unter 40Prozent. Die Zahl liegt jetzt wieder deutlich über 50Prozent.

Die Mittelständler handeln wirklich anders als die großen Unternehmen. Den großen Unternehmen müssen wir sagen: Wir können keine weiteren Gelder der Bundesagentur für Arbeit für Vorruhestandsprogramme verwenden. Die Wahrheit ist, dass wir dafür von den großen Unternehmen nicht nur Beifall bekommen. Aber ich bin guten Mutes. Schon Ludwig Erhard hat sich manchmal mit der Wirtschaft anlegen müssen. Er hatte zum Beispiel den festen Entschluss, das Kartellrecht in Deutschland einzuführen. Er hat das gegen den erbitterten Widerstand des Bundesverbandes der Deutschen Industrie getan. Wenn Ludwig Erhard das damals nicht gemacht hätte, gäbe es heute in Deutschland keinen Mittelstand mehr. Regulierung ist notwendig, um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Michael Glos hat sich mit den Energieversorgern angelegt, um das Kartellrecht an der Stelle der Energieversorgung zu verändern. Siehe da, als das Gesetz beschlossen war, ging das Leben auch weiter. Das heißt, diese Art von Konflikten muss man im Sinne des deutschen Mittelstands immer wieder anwenden, damit Wettbewerb auch fair bleibt und nicht in monopolistischen Strukturen endet, meine Damen und Herren.

Wir werden uns in den nächsten Tagen mit dem Thema Erbschaftsteuer zu befassen haben. Volker Kauder hat dazu eben Wichtiges und Wesentliches gesagt. Wir haben uns vor etlichen Jahren vorgenommen, die Unternehmensnachfolge beim Übergang der Generationen zu vereinfachen. Unser Ziel war, Personengesellschaften, Familienunternehmen im Grunde weitgehend von der Erbschaftsteuer freizustellen. Das Ziel ist unbestritten.

Nun haben sich auf dem Weg zwei Dinge herausgestellt, die uns jetzt in der Gesetzgebung so viel Mühe machen. Die Kenner der Verfassung haben gesagt: Euer Zweck ist gut; Unternehmensnachfolge hat etwas mit nationalem Interesse zu tun; prima. Es kommt zwar immer Europa ins Spiel, aber im Prinzip finden sie es gut. Sie haben weiterhin gesagt: Ihr müsst durchaus den gesamtgesellschaftlichen Nutzen einer solchen Regelung irgendwie im Gesetz festschreiben. Denn sonst kann jeder von euch sagen, dass er einen guten Zweck verfolgt und dafür jemanden von der Erbschaftsteuer freistellt. Dann kam zum ersten Mal dieser ich sage es einmal in Anführungsstrichen "Schatten" auf, nämlich dass man eine Kenngröße braucht, anhand der man erkennen kann, ob etwas gut ist oder nicht. Damit ist die Zahl der Beschäftigten ins Spiel gekommen.

Nun weiß man, dass sich im Augenblick in Europa unter dem Druck der Globalisierung Beschäftigtenzahlen dramatisch verändern können. Wenn irgendeine Branche plötzlich dieses und jenes nicht mehr produzieren kann, wenn man ganze Geschäftsfelder umstapeln muss, dann ist es schwierig, für eine bestimmte Zahl von Jahren festzulegen, wie genau die Beschäftigtenzahl in dieser Branche sein muss, um die Legitimation für die Steuerfreistellung für ein Unternehmen zu finden. Das ist der eine Punkt, für den wir Lösungen suchen müssen. Es ist von der Verfassung her vorgegeben: Wir müssen irgendein Kriterium haben, an dem wir sehen, dass für das Land etwas Gutes passiert.

Dann kam, was irgendwann kommen musste. Es kam nämlich, während der Vorgang viele Jahre beim Bundesverfassungsgericht lag, die Frage auf, ob man Grund- und Kapitalvermögen in der Erbschaftsteuer wirklich unterschiedlich bewerten und behandeln darf. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht entschieden. Wenn ich mit jedem Einzelnen von Ihnen hier am Samstagabend gesessen und gefragt hätte, was Sie denn glauben, was dabei herauskommt, dann hätten die meisten wahrscheinlich gesagt: Wir können uns nach unserem Verständnis des Grundgesetzes gar nicht vorstellen, dass das unterschiedlich behandelt werden kann. Das haben alle leise gedacht, inklusive in der Politik. Aber jeder wusste, was es bedeutet, wenn man das einmal wirklich umsetzen muss. Deshalb hat man das Ganze über viele Jahre nicht politisch entschieden, sondern man hat sich gedacht: Das soll einmal das Verfassungsgericht entscheiden.

Von dort her ist nun die Sache wieder an uns gegangen, und zwar mit der Erwartung einer gesetzlichen Umsetzung der im Grundsatz gleichen Behandlung. Da die Bewertung der Grundvermögen auf der Grundlage der Wertverhältnisse von 1964 vorgenommen wird und die Kapitalvermögen nach dem jeweiligen Tagesstand bewertet werden, wundert es einen nicht, dass gewisse Differenzen vorhanden sind.

Jetzt stehen wir und das macht eigentlich die schwierige Aufgabe aus vor der Aufgabe, gleichzeitig mit dem von uns für den Mittelstand gewollten erleichterten Familienübergang diese gleiche Bewertung von Grund- und Kapitalvermögen in einem Gesetz umzusetzen. Wir arbeiten daran. Ich bin relativ optimistisch, dass wir deutlich bessere Lösungen finden als das, was jetzt auf dem Tisch liegt. Ich muss Ihnen allerdings sagen: Es ist nicht alles zu unserer freien Verfügung, sondern wir sind auch an ein Verfassungsgerichtsurteil gebunden, das wir nicht mehr aus der Welt schaffen können.

Wir sind uns aber der Wirkung und vor allen Dingen auch der politischen Botschaft voll bewusst, die uns doch eint, Familienunternehmen in Deutschland zu halten und nicht aus dem Land zu bringen. Vertrauen Sie darauf, dass wir wirklich alles daransetzen werden, Ihnen hier die richtige Botschaft zu geben. Denn ein Deutschland ohne Familienunternehmen ist nicht mein Deutschland, meine Damen und Herren. Das sollen Sie wissen.

Wir haben an einigen Stellen Weichenstellungen vorgenommen, von denen ich noch nicht weiß, ob sie in ihrer langfristigen Anlage schon so gut bekannt sind, wie sie es sein sollten. Ich will drei Punkte nennen.

Erstens. Wir haben neben drei Mittelstandsentlastungsgesetzen von Michael Glos das Standardkostenmodell in Deutschland zum Abbau von Bürokratie eingeführt. Die Niederlande und Großbritannien haben das gemacht. In Europa versucht das Edmund Stoiber gerade. Das heißt, wir messen alle Kosten von Berichts- und Statistikpflichten, die Sie haben. Wir haben uns vorgenommen, bis 2011 25Prozent davon abzubauen.

Nun ist nicht jede Maßnahme für jeden gleich relevant. Aber es zeigt sich doch, dass man hier vieles erleichtern kann. Auf diesem Weg werden wir weitergehen. Ich glaube, dieser Weg der Messbarkeit von Bürokratiekosten ist ein richtiger Weg, wenngleich wir auch hier mit unserem Koalitionspartner große Schwierigkeiten haben, weil es einen fundamentalen Unterschied gibt: Die einen empfinden Regulierungen als Sicherheit, die anderen sagen: Man kann schon darüber nachdenken, ob hie und da auch einmal eine wegfallen kann, ohne dass die Welt gleich zugrunde geht. Ich sage nicht, dass man keine Regulierung braucht. Aber man kann es verändern.

Der zweite Punkt, über den wir durchaus noch in der Diskussion ein Wort verlieren müssen, ist die Frage, wie sich die Löhne und die Erträge aus Kapitalbesitz entwickeln. Da sehen wir, dass in den letzten Jahren einerseits die Lohnentwicklung sehr moderat war, wenn man das von der Reallohnbasis her betrachtet, dass aber auf der anderen Seite die Gewinne aus Kapital sehr viel stärker angestiegen sind. Ich glaube, dass das im Grundsatz weiter so bleiben wird. Bei den Löhnen stehen wir in einem direkten internationalen Wettbewerb. Bei den Kapitalerträgen stehen wir natürlich auch in einem Wettbewerb, aber hier können wir durch eine hohe qualifizierte Wertschöpfung für uns wir müssen sowieso die besseren Produkte herstellen wirklich viel erreichen.

Nun stehen wir als Politiker vor der Frage: Wie können wir den Menschen, sprich den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, eine Verheißung geben? Wir glauben, dass die Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital ein richtiger Weg ist. Das hat erwartungsgemäß nur mäßigen Beifall in Ihren Reihen hervorgerufen, weil gerade die kleineren Unternehmen kein so intensives Interesse daran haben, sozusagen ihre Eigentumskonstruktionen durch zu viel Mitarbeiterbeteiligung zu verwässern. Deshalb haben wir die Möglichkeit von Fonds geschaffen, die an dieser Stelle eine Möglichkeit bietet. Aber ich würde mit Ihnen schon gerne darüber diskutieren, weil wir hier in einem nicht ganz einfachen Spannungsfeld sind. Bei den Dax-Unternehmen ist es ganz einfach. Da sollten wir die Mitarbeiterbeteiligung fördern. Für die mittelständischen Unternehmen wollen wir es auch, ohne Ihnen jetzt Angst vor einer sagen wir es einmal so angedeuteten Enteignung oder Teilung zu machen. Aber das Thema wird auf der Tagesordnung bleiben. Ich stimme hier dem Bundespräsidenten zu, der es sehr massiv auf die Tagesordnung gebracht hat.

Der dritte Punkt ist unglaublich spannend für die Zukunft unserer Gesellschaft. Das ist die Frage, wie wir eigentlich Dienstleistungen im Haushalt behandeln. Das betrifft die haushaltsnahen Dienstleistungen vom Gärtner über die Putzhilfe bis zur Kinderbetreuung. Unser Ziel ist, den Haushalt zu einem Arbeitgeber zu entwickeln. Das ist geradezu eine kleine Revolution. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft mit vielen erwerbstätigen Frauen und einer sehr großen Nachfrage nach Fachkräften wird eine ganz wichtige Frage sein: Ist es mir materiell möglich, für bestimmte Dienstleistungen Menschen legal zu beschäftigen, um arbeitsteilig an anderer Stelle selber ein hohes Potential an Facharbeit an den Tag legen zu können?

Hier hat die Unionsfraktion neue Vorschläge vorgestellt. Wenn das immer in den einzelnen Regelungen aufgenommen wird, finden Sie das wahrscheinlich sehr kleinteilig. Deshalb sage ich an dieser Stelle einmal, was dahinter steht. Dahinter steht, dass in einer alternden Gesellschaft, die Fachkräfte dringend brauchen wird, die Arbeitsteilung so organisiert sein muss, dass auch einfache Tätigkeiten es wird im Übrigen auch Menschen geben, die gerne einfache Tätigkeiten ausüben; die können nicht alle arbeitslos sein legal so angeboten werden können, dass es für Nachfrager materiell interessant ist. Das geht nur, wenn wir den Haushalt zum Arbeitgeber entwickeln. Auf diesem Weg sind wir. Und auf dem wollen wir auch weitergehen.

Abschließend, meine Damen und Herren, noch drei Dinge, die extrem wichtig sind.

Wir haben das Thema Bildung zu einem Thema auf Bundesebene gemacht, und zwar nicht, weil wir Zuständigkeiten der Länder wollen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Es ist schon manchmal dramatisch, wenn man die Kinder aus der Schule kommen sieht und dann zur Industrie- und Handelskammer oder zum Zentralverband des Deutschen Handwerks geht und dort hört, dass die Zahl der Kinder, die nicht ausbildungsfähig sind, wächst. Das können wir uns nicht leisten.

Deshalb geht es nicht um Zuständigkeiten, sondern es geht um die Frage, ob die Schnittstellen also der Übergang vom Kindergarten in die Schule und der Übergang von der Schule in die Berufsausbildung vielleicht so miteinander verzahnt werden können, dass es nicht gleich heißt, die erste Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit müsse sein, dafür zu sorgen, dass der Hauptschulabschluss nachgeholt wird. Nein, man muss bereits in der Schule das lernen, was für die Berufsbilder anschließend notwendig ist. Oder man muss die Berufsbilder verändern, wenn die Schule den Kindern das nicht beibringen kann. Aber es kann nicht sein, dass man sagt, dass das eine in der Zuständigkeit des Landes und das andere in der Zuständigkeit des Bundes liegt und dass das eben so ist.

Es kann auch nicht sein, dass ein Kind, das eigentlich den Lehrer sprachlich verstehen müsste, ihn fatalerweise leider nicht versteht. Das bekommt man dann irgendwann zwischen der 5. und 7. Klasse mit. Deshalb ist es richtig und da sind die unionsregierten Länder Gott sei Dank auch Vorreiter, dass man schon im Kindergarten anfängt, sich die Sprachqualitäten der Kinder anzuschauen. Auf diesem Weg sind wir Gott sei Dank. Aber es wird immer noch gestritten, ob das mit sechs, fünf oder vierJahren geschehen soll.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mir hat neulich eine Erzieherin etwas gesagt, was mir auch sofort eingeleuchtet hat. Sie hat gesagt: Mit drei Jahren kann das Kind mit deutschem Hintergrund fließend sprechen. Wenn der Kindergarten beginnt und das Kind mit Migrationshintergrund keine Sprache richtig kann weder die Heimatsprache noch die deutsche Sprache, dann wendet sich das deutsche Kind relativ stolz von ihm ab, sagt, dass es etwas lernen muss, ist neugierig, will weiterkommen und spricht nicht mehr mit ihm. Schon da stellt sich die Frage der Integration. Das heißt, man muss da ganz früh anfangen. Deshalb haben wir auch für die unter Dreijährigen an dieser Stelle die Betreuungsangebote ausgeweitet, weil vieles nicht mehr nachholbar ist. Nirgendwo ist das Sprichwort so richtig: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Man muss bei Hänschen ziemlich früh die Dinge zusammenführen.

Es gibt auch wenn das, wie Sie wissen, deutschlandweit sehr unterschiedlich ist im gesamten Rhein-Main-Gebiet, in Stuttgart, München, Nürnberg, Erlangen und Fürth, also in unseren industriellen Zentren bei den unter 25-Jährigen 40 bis 50Prozent junge Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn wir es nicht schaffen, dass sie alle ausbildungsfähig werden, dann werden viele kleine und mittlere Unternehmen eines Tages in Deutschland nicht mehr existieren können, weil sie keine Arbeitnehmer finden. Deshalb ist es nicht nur sozusagen ein soziales Interesse, sondern es ist ein fundamentales wirtschaftliches Interesse, in diesem Bereich mehr zu investieren und die Dinge besser zu gestalten.

Letzter Punkt: Wir haben uns vorgenommen, dreiProzent des Bruttoinlandsprodukts für Wissenschaft, Forschung und Technologie auszugeben. Wir haben uns nach vielen Jahren, die Deutschland verloren hat, endlich von dem Gedanken gelöst, dass alle gleich sein müssen. Wir sind wieder zum Exzellenzgedanken gekommen. Das ist ein Gedanke, der Ihnen natürlich sehr vertraut ist. Wir sind auch zu dem Punkt gekommen, dass es Eliten in einem Land geben muss. Deshalb sagen wir: Wenn es in bestimmten Bereichen nicht genügend Hochschulabsolventen gibt, können auch welche aus dem Ausland zu uns kommen, weil sie uns bereichern.

Es gibt Exzellenzinitiativen. Wir, die aus dem Norden kommen, mussten bedauernd zur Kenntnis nehmen, dass der Süden besser ist, was die Universitäten anbelangt. Das haben im Übrigen die Bewohner der südlichen und der nördlichen Länder schon immer gewusst. Aber jetzt wird es endlich einmal anerkannt. Es muss anspornen, dass der Norden auch besser wird. Wir sind froh, dass Göttingen es wenigstens als eine schon fast norddeutsche Universitätsstadt geschafft hat, auch in die Exzellenzbereiche zu kommen. Das muss weitergehen. Aber es nützt nichts, wenn es hier keinen Wettbewerb gibt.

Unsere Forschungsministerin sagt: Geld allein im Wissenschaftsbereich nützt nichts, sondern das Geld muss so ausgegeben werden, dass daraus auch Produkte entstehen. Hier kommt wieder der Mittelstand ins Spiel. Wo immer Sie Anregungen haben, wie der Mittelstand, die Wissenschaft und die Forschung noch besser miteinander verzahnt werden können, sagen Sie uns das bitte, weil das im Detail oft sehr kompliziert ist, weil Produktionszyklen oft gar nicht mit Studien- und Universitätsrhythmen zusammenpassen usw. Deshalb muss darüber gesprochen werden. Es nützt uns alles nichts, wenn wir in einer Welt des 21. Jahrhunderts tolle Grundlagenforschung betreiben die brauchen wir auch, aber die Produkte, die daraus entspringen, zum Schluss in Amerika oder Asien produziert werden.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, haben wir noch viel zu tun. Wir haben einiges angepackt. Ich bin davon überzeugt, dass wir die besten Chancen in Deutschland haben, wenn wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten und falschen Dingen abgeben, wenn wir nicht dauernd auf Nebenkriegsschauplätzen arbeiten. Aber bei allem, was Sie sicherlich auch zu kritisieren haben, haben wir an einigen Stellen wichtige Weichen gestellt. Ich will gar nicht davon träumen, wie wir sie stellen könnten, wenn wir nicht so einen großen Koalitionspartner, sondern einen kleineren hätten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!