Redner(in): k.A.
Datum: 01.10.2008

Anrede: sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/10/boehmer-deutschland-sagt-danke,layoutVariant=Druckansicht.html


Frau Bundeskanzlerin,

liebe Gäste aus der ersten Generation der Gast- und Vertragsarbeiter.

I Dank

Dies ist heute Ihr Tag. Die Bundeskanzlerin hat Sie eingeladen, weil wir Ihnen Dank sagen wollen. Sie haben hart gearbeitet und damit zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum Wohlstand in Deutschland beigetragen. Sie haben sich für ein besseres Miteinander eingesetzt. Sie haben Deutschland bereichert. Dafür herzlichen Dank!

Dieser Dank ist nicht allein der Dank der Politik oder der Wirtschaft. Es ist der Dank unseres Landes, unseres gemeinsamen Landes.

Heute sagt Deutschland Danke! II Der Blick zurück

Wir erinnern uns alle: In den 50er Jahren setzte in Deutschland der Wirtschaftsboom ein. Es wurden dringend Arbeitskräfte gebraucht doch der einheimische Markt war ausgeschöpft. Deshalb begann die Bundesrepublik ab 1955, ausländische Arbeitnehmer anzuwerben.

Aber auch die DDR konnte ihren Bedarf an Arbeitskräften nicht in allen Bereichen decken. Auch sie hat von Zuwanderung profitiert. Das ist ein schon fast vergessene Kapitel. An die ausländischen Vertragsarbeiter und an die Gastarbeiter möchten wir heute gleichermaßen erinnern. Sie kamen aus Italien, Spanien, Griechenland, Jugoslawien, der Türkei, Vietnam, Korea, Angola und vielen anderen Ländern nach Deutschland. Für die meisten von Ihnen war es eine Reise in ein unbekanntes Land. Und dieses unbekannte Land ist heute Ihre Heimat.

Sie haben angepackt, wo immer es anzupacken galt.

An den Hochöfen, in den Bergwerken, in den Kantinen, an den Fließbändern, auf den Baustellen, bei der Stadtreinigungin den Krankenhäusern

III Die Rolle der Wirtschaft und der Gewerkschaft

Sie gehören zu Geschichte und Gegenwart Deutschlands ebenso wie zu Geschichte und Gegenwart unserer Unternehmen und Gewerkschaften. Für den heutigen Tag haben wir deshalb Vertreter der deutschen Wirtschaft und der Gewerkschaften eingeladen.

Am Podiumsgespräch mit der Bundeskanzlerin werden gleich sechs Männer und Frauen der ersten Generation teilnehmen,

sowie

der Vorstandsvorsitzende der BASF, Herr Dr. Jürgen Hambrecht, der Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herr Michael Sommer undHerr Günther Fleig, der Personalvorstand der Daimler AG.

Die BASF, lieber Herr Dr. Hambrecht, hat bereits 1960 in Italien Arbeitskräfte angeworben. Und wie ich höre, haben die Italiener nicht nur die Produktion vorangebracht, sondern auch die BASF-Kantine vor neue Anforderungen gestellt. Neben den Pfälzer Kartoffeln kamen die Spaghetti auf den Tisch.

Die Gewerkschaften, lieber Herr Sommer, haben die ausländischen Arbeitnehmer seit 1961 aktiv integriert, ihre Interessen vertreten, manchen Betriebsrat gewonnen und praktische Hilfe geleistet: Sie haben damals Beratungsstellen in den Herkunftssprachen eingerichtet.

Die Daimler AG, damals Daimler-Benz, hat ebenfalls zu den ersten gehört, die ausländische Arbeitnehmer beschäftigten. Bereits 1960 haben fast 1300 Gastarbeiter mit dafür gesorgt, dass die Bänder nicht mehr stillstanden. Heute beschäftigen Sie in Deutschland Menschen aus über 120 Nationen. Sie, lieber Herr Fleig, haben mir gesagt: Ohne die Kinder und Enkel der Gastarbeiter könnten Sie ihre Ausbildungsplätze gar nicht mehr besetzen.

Zu uns gekommen ist auch Heinrich Alt, Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Die Vermittlung von Arbeitskräften aus Zuwandererfamilien und ihre Weiterqualifizierung ist Ihnen ein wichtiges Anliegen.

Ein herzliches Willkommen auch den anwesenden Botschaftern aus den Ländern, aus denen die sogenannten Gast- und Vertragarbeiter kamen. Die Geschichte der Anwerbung ist auch Ihre Geschichte!

Ich freue mich, dass Sie alle mit uns die Leistungen der ersten Generation würdigen!

IV Deutschland als neue Heimat

Sie, liebe Gäste aus der ersten Generation, hatten es anfangs nicht leicht. Fern der Heimat, oft auch fern der Familie, mussten Sie in Deutschland zurecht kommen. Viele von Ihnen hatten Verständigungsprobleme, aber nicht nur wegen der Sprache. Und Deutschland war ungeübt im Umgang mit anderen Kulturen.

Nach und nach hat sich Ihre materielle Situation verbessert. Aber das genügt nicht, um sich hier heimisch zu fühlen. Freundschaften müssen dazukommen. Und die Erkenntnis: Ich bleibe hier. Deutschland wird das Land meiner Kinder und Enkelkinder sein. Heimat hat viel mit dem Herzen zu tun und ich gestehe: Wir Deutsche haben nicht immer die Sprache des Herzens gesprochen! Aber wir sprechen sie heute, an diesem Tag und in Zukunft.

Denn wir haben gelernt:

Integration ist ein wechselseitiger Prozess, der alle verändert.

Sie haben das Gesicht Deutschlands verändert. Sie bereichern unsere Wirtschaft, unsere Kultur und unsere Gesellschaft. Mehr und mehr begreifen wir uns als vielfältiges Land, als Integrationsland. V Integrationspolitik für die Enkel

Deutschland ist Ihnen zur Heimat geworden, zur zweiten Heimat, wie viele von Ihnen sagen. Wir haben eine gemeinsame Geschichte. Und wir haben eine gemeinsame Zukunft. Die Zukunft sind unsere Kinder und Enkel. Deshalb wollen wir heute gemeinsam mit ihnen feiern.

200 Männer und Frauen aus ganz Deutschland und mit Wurzeln in aller Welt sind heute hier. 200 Männer und Frauen, die viel geleistet haben. Sie alle sind Vorbilder. Wir haben Sie zugleich stellvertretend für alle eingeladen, denen wir Dank schulden.

Deshalb bitte ich Sie: Tragen Sie unseren Dank, tragen Sie den Dank dieses Landes weiter. Sagen sie ihn allen, von denen sie wissen, wie viel sie geleistet und wie viel sie entbehrt haben.

Jetzt sind wir alle gespannt auf das Podiumsgespräch. Danach wird Zeit für persönliche Gespräche sein und Zeit, miteinander anzustoßen.

Auf Ihre Leistung, auf unser Land undauf unsere gemeinsame Zukunft.

Ich darf die Bundeskanzlerin und die anderen Diskussionsteilnehmer auf die Bühne bitten!