Redner(in): Angela Merkel
Datum: 17.12.2008

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Maria Böhmer, liebe Frau Frau Schmalz-Jacobsen, liebe Frau Beck, liebe Rita Süssmuth, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Archiv16/Rede/2008/12/2008-12-17-merkel-30-jahre-integration,layoutVariant=Druckansicht.html


die Sie alle heute hier zusammengekommen sind, um an 30Jahre Ausländer- und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung zu erinnern.

Es scheint eine relativ frauenfreundliche Beschäftigung zu sein und deutet damit schon auf vieles hin, worauf ich nicht weiter eingehen möchte. Als ich damals in der Bundesregierung von Helmut Kohl, in der auch Frau Schmalz-Jacobsen tätig war, zuerst Frauenministerin und dann Umweltministerin wurde, sagte ich einmal zu Journalisten, dass die Grundstruktur meiner Probleme in der Regierung die gleichen bleiben würden. Das hat damals keiner verstanden. Aber sowohl Frauen- und Jugendpolitik als auch Umweltpolitik waren zumindest mit Blick auf die Gewichtungen in meiner Partei strukturell nicht völlig unabhängig voneinander. Obwohl die Dinge nichts miteinander zu tun hatten, musste man sich seine Rechte erkämpfen.

Mit diesem Erfahrungsschatz habe ich darum gerungen und das ist in der Großen Koalition auch gelungen, dass dieses Amt mit einer Staatsministerin im Bundeskanzleramt installiert und eingerichtet werden konnte. Ich will einem, der heute nicht da ist, dafür ein Dankeschön sagen. Das ist der damalige Vizekanzler Franz Müntefering. Wenn er nämlich auf die akribischen Abzählmethoden bestanden hätte und man eine lange Debatte über die Stärkung des Kanzleramtes als solches geführt hätte, wäre das Ganze schwieriger geworden. Wir haben uns an der Sache orientiert und haben gesagt: Dieses Amt ist eine Querschnittsaufgabe, es soll in Zukunft hier angesiedelt sein. Das bedeutete sicherlich auch eine Stärkung.

Erfolgreiche Integrationspolitik ist also ein Thema, das uns in verschiedenen Facetten in dieser Bundesrepublik institutionell seit nunmehr 30Jahren beschäftigt. Ich glaube sagen zu können, dass alle Amtsträger Heinz Kühn, Liselotte Funcke, die ich, wenn Sie Phoenix schaut, von hier aus ganz herzlich grüße, Cornelia Schmalz-Jacobsen, Marieluise Beck und Maria Böhmer dieses Amt auf ihre eigene Art und Weise geprägt haben. Sie alle waren nicht auf der großen Wellenlänge dessen, was gerade Mainstream genannt wurde, sondern sie haben immer um die Rechte für diejenigen gekämpft, für die sie sich auch von Amts wegen eingesetzt haben.

Herr Zambonini hat eben so schön "wir in Deutschland" gesagt. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie noch einmal an einen Teil der Deutschen Einheit erinnert haben, nämlich an die Wende. Ich war nach der deutschen Wiedervereinigung Jugendministerin und hatte eine Dimension der Deutschen Einheit überhaupt nicht so gesehen. Wir waren natürlich froh, als Ostdeutsche endlich gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland zu sein. Als ich mit türkischen Jugendlichen sprach, haben sie mir gesagt: Wir freuen uns für Sie, aber für uns ist die Deutsche Einheit doch ein ganz schönes Problem, denn plötzlich sind wir nicht mehr sozusagen an zweiter Stelle, sondern wir sind an dritter Stelle Westdeutsche, Ostdeutsche und dann Zuwanderer.

Ich glaube, dass wir das heute ein Stück weit überwunden haben, weil die Deutsche Einheit fortgeschritten ist, aber weil sich auch der Blickwinkel auf das Thema Integration verändert hat. Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten vieles erkannt und glücklicherweise auch zum gesellschaftlichen Grundgefühl gemacht. Deshalb ist der Titel der heutigen Veranstaltung "Ein Amt im Wandel" auch außerordentlich passend.

Wir haben erkannt, dass Migration unser Land verändert hat, weiter verändern wird und unser Land bereichert. Wir haben erkannt, dass wir die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der Herkunft dringend durchbrechen müssen. Das ist eine Erkenntnis, aber noch kein Resultat. Wir haben erkannt, dass unser Land ein Integrationsland sein muss, um ökonomisch stark zu bleiben. Es ist nicht eine Art karitative Großtat, wenn wir uns mit denen, die zu uns gekommen sind, beschäftigen und sie integrieren, wie es immer so schön heißt, sondern die Zukunft unseres Landes hängt von der Frage ab, ob wir lernen, miteinander zu leben.

Wenn uns das nicht gelingt, wird es schlecht um die Zukunft unseres Landes bestellt sein. Deshalb bedarf es der Offenheit aller. Es bedarf der Offenheit derer, die auf jahrhundertealte deutsche Stammwurzeln zurückblicken können, zu verstehen, dass Zuwanderung Bereicherung ist. Aber es bedarf natürlich auch der Offenheit derer, die zu uns gekommen sind, um für dieses Land einen Beitrag zu leisten und am Wohle dieses Landes genauso interessiert sind wie diejenigen, die schon länger hier sind. Wenn wir dieses Grundgefühl erreichen und wenn dieses zu einem Gesamtgefühl wird, haben wir schon ziemlich viel geschafft.

Wir sind als Kulturnation im Herzen Europas natürlich ein Land, das schon immer Zuwanderung und Veränderungen erlebt hat. Ich will nur am Beispiel der Hugenotten deutlich machen, wie Preußen damals durch deren Zuwanderung bereichert wurde. Wenn man gesehen hat, was die Preußen von Haus aus konnten und was sie gelernt haben, so ist das relativ ernüchternd. Wenn man die Schilderungen davon liest, wie damals das Tuch war, nämlich kratzig und ziemlich grob, und welche Bereicherung durch die Seidenraupen erfolgte und man von Stund an feine weiche Stoffe und vieles andere mehr hatte ich will nicht weiter in die Einzelheiten gehen, so glaube ich, dass es uns gut getan hat, dass die Hugenotten hierher kamen. Man könnte noch vieles benennen.

Wir sind heute manchmal fast schon ein bisschen kleinkariert geworden, wenn man sich einmal die europäische Geschichte von Verheiratungen und Wanderungen anschaut. Deutschland war nicht nur ein Zuwanderungsland, sondern es war auch ein Auswanderungsland. Wir sind auch an verschiedenen Stellen recht freundlich empfangen worden. Die europäische Geschichte ist immer die Geschichte einer großen kulturellen Offenheit gewesen. Deshalb sollten wir uns durchaus in lange historische Zusammenhänge einordnen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es ein Ausmaß von Flüchtlingen und Spätaussiedlern, das Deutschland das darf man auch nicht vergessen vor eine sehr, sehr große Integrationsaufgabe gestellt hat. Meine Generation kann sich schon gar nicht mehr vorstellen, dass zum Beispiel Eheschließungen zwischen Flüchtlingen und denen, die angestammt in einer bestimmten Region Deutschlands lebten, Anfang der 50er Jahre ein größeres kulturelles Problem waren. Mir war das gar nicht so gewärtig, aber ich habe das im Zuge der Deutschen Einheit in verschiedenen Zusammenhängen gelernt.

Das war ein langer und schwieriger Prozess, der aber gelungen ist. Er ist allerdings auch wegen der großen Bereitschaft der Flüchtlinge und der Vertriebenen gelungen, selber ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und sich ganz bewusst dieser Gemeinschaft verpflichtet gefühlt zu haben. Gar nicht auszudenken, wenn es dazu gekommen wäre, dass sie eine eigene Partei gegründet oder sich immer sozusagen als ein Separatum begriffen hätten. Es ist ein nicht einfacher, aber sehr gelungener Prozess gewesen, der wichtig war. Das war ein Prozess, bei dem alle die gleiche Sprache sprachen. Deshalb glauben wir, dass die Sprache bei der Integration insgesamt eine Schlüsselrolle spielt. Ich komme darauf noch zurück.

1955 schloss die Bundesrepublik Deutschland das erste so genannte Anwerbeabkommen, und zwar mit Italien. Ihm folgten weitere, so 1961 mit der Türkei. In der Folge kamen Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit ihren

Familienangehörigen nach Deutschland auch nach dem so genannten Anwerbestopp, den Bundeskanzler Willy Brandt verfügt hatte. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs 1989/1990 kamen vor allem Aussiedler und Flüchtlinge zu uns. Ich will noch einmal daran erinnern das ist in der Amtszeit von Frau Schmalz-Jacobsen geschehen, dass mehr Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien zu uns nach Deutschland kamen als in jedes andere europäische Land. Auch hier ist vieles zu bewerkstelligen gewesen.

Heute leben 15Millionen Menschen in unserem Land, die selbst oder deren Eltern zuwanderten. Jeder Fünfte hat also Wurzeln im Ausland. Das ist unsere Lebensrealität in Deutschland. Es ist gut so, dass die meisten von ihnen nicht einfach nur ein Zuhause haben, sondern dass sie sich hier auch zu Hause fühlen. Das soll auch so sein. Sie sind erfolgreiche Arbeitnehmer und Unternehmer, Schriftsteller und Journalisten, Sportler und Künstler. Glücklicherweise kennt jeder von uns gelungene Beispiele von Integration, die uns die Chance und die Kraft geben zu sagen: Das, was noch zu tun ist, müssen wir leisten.

Maria Böhmer hatte eine gute Idee. Sie hat im Oktober dieses Jahres 200Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter der ersten Generation eingeladen. Bei ihnen kann man noch von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern sprechen. Diesen Begriff haben wir zu lange mit all den Verwerfungen, die sich daraus ergeben haben, aufrechterhalten.

Sie hat also Menschen eingeladen, die in den frühen Jahren der Bundesrepublik zu uns gekommen sind. Ich muss Ihnen sagen, dass diese Veranstaltung zu den emotionalsten gehört, die ich in den drei Jahren, die ich Bundeskanzlerin bin, im Bundeskanzleramt erlebt habe. Es gab eine fast beschämende Freude darüber, dass man einmal an diese Menschen dachte, die unglaublich viel für den Wohlstand der Bundesrepublik Deutschland getan haben. Es war eine Herzlichkeit, wie man sie nach dem, was viele erlebt haben oder sich erkämpfen mussten, gar nicht erwarten konnte. Ich habe anrührende Geschichten gehört, wie die Gastarbeiter, die nicht mit der Absicht gekommen waren, hier vielleicht in der dritten Generation ihre Enkel zu haben, in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht waren, am Wochenende zu den Bahnhöfen liefen, auf die Schienen guckten, an die Heimat dachten und mit ihren Gedanken eigentlich ganz woanders waren. Welch aufregender Prozess war es, hier doch eine Heimat gefunden zu haben.

Ich will in diesem Zusammenhang sagen, dass dazu wahrscheinlich auch die Gewerkschaften DGB-Chef Sommer war auch da einen wesentlichen Beitrag geleistet haben, weil die innerbetrieblichen Rechte der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als gleichberechtigte Rechte akzeptiert wurden und dadurch natürlich auch Integration stattgefunden hat. Es war recht anrührend, als Herr Hambrecht und ein aus Italien kommender Gastarbeiter darüber gesprochen haben, dass sie bei der BASF im selben Umfeld gearbeitet haben und Herr Hambrecht noch heute von dem Italienisch profitiert, das er gelernt hat, als er damals im Gegenzug dem italienischen Gastarbeiter Deutsch beigebracht hat. Zumindest kann er seine Urlaube in Italien ordentlich gebildet verleben, wenn ich das alles richtig verstanden habe. Jedenfalls war das eine spannende Zeit. Das hat mir noch einmal gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir aufeinander zugehen und dass wir offen miteinander umgehen.

Damit bin ich bei dem Schlüsselproblem, um überhaupt aufeinander zugehen zu können: Das ist die Sprache. Das, was uns nach wie Sorgen machen muss und woran wir an allererster Stelle arbeiten müssen, ist die Tatsache, dass die erste Generation, die zu uns kam, eine Generation war, die einen Arbeitsplatz hatte, bei der das Einkommen gesichert war, die auch eine ökonomische Perspektive hatte, was sich dann aber in der Folge nicht so einfach fortgesetzt hat. Daraus entstanden Umstände, in denen die Sprachbildung nicht mehr automatisch oder gar nicht mehr funktioniert, was auch auf den Nachzug von Familienangehörigen zutrifft.

Deshalb ist die Frage, wie wir dazu kommen, dass wir uns in der deutschen Sprache verständigen, die Schlüsselfrage für Aufstiegsmöglichkeiten derjenigen, die bei uns als Migrantinnen und Migranten leben. Da gibt es wunderbare Beispiele. Aber es gibt auch immer noch erschreckende Erfahrungen. Insofern ist es von entscheidender Bedeutung, dass Bildung im umfassenden Sinne eine Rolle spielt.

Da trifft es sich gut, dass das Verständnis für Bildung in unserem Land sowieso gewachsen ist. Wir wissen, dass unser Wohlstand davon abhängt, welchen Bildungsstandard wir haben. Ich werde nicht müde, daran zu erinnern man predigt meistens in den falschen Kirchen, weil wir alle hier das wissen, dass in der gesamten Industrieschiene Deutschlands Rhein-Main-Gebiet, Nürnberg, München, Stuttgart inzwischen 40 bis 50Prozent der unter 25-jährigen Menschen einen Migrationshintergrund haben. Wenn wir es bis Mitte des nächsten Jahrzehnts nicht schaffen, dass diese jungen Migranten ebenso als Facharbeiter, Meister und Ingenieure ausgebildet werden, wird eine Auswanderung von Betrieben, Ideen und Kreativität aus Deutschland stattfinden, und zwar einfach wegen der Tatsache, dass wir nicht die richtigen Arbeitskräfte haben.

Mit den verschiedenen Öffnungen für die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Wissenschaftler, Ingenieure oder IT-Techniker wissen wir inzwischen auch, dass Deutschland ein ganz tolles Land ist und viele das vielleicht auch finden, aber dass der Zustrom zu uns im Wettbewerb mit den angelsächsischen Ländern nicht immer so ausgeht, dass wir jede Bedingung stellen können und dass man zu uns eilt, um hier zu leben, sondern dass wir schon auch mit unseren Stärken werben müssen, wenn wir Fachkräfte haben wollen. Das heißt also, wir tun am besten daran, die Menschen, die bei uns leben, zu befähigen, Fachkräfte für unser Land zu werden.

Es kommt etwas hinzu: Für den, der hier einen Aufstieg machen kann, der in diesem Land eine Perspektive hat, wird in diesem Land Integration zu einer Selbstverständlichkeit. Auch das ist natürlich vollkommen klar.

Wir haben auf dem Bildungsgipfel im Oktober einige Dinge erreicht, die auch für die Integration von größter Bedeutung sein dürften. Hier ist etwa die Zusage der Länder zu nennen, Sprachstandsermittlungen durchzuführen. Als wir über Bildung gesprochen haben, war es zum Teil erschreckend, zu erfahren, auf welchem niedrigen Stand die praktisch anwendbaren Forschungsergebnisse sind.

Wir haben durch den Ausbau der Betreuung der Kinder unter drei Jahren einen ganz wichtigen Schritt gemacht. Auch im Zusammenhang mit der Bildungsdiskussion habe ich noch einmal plastisch vor Augen geführt bekommen, was einem sofort einleuchtet, wenn man es einmal hört, dass nämlich Kinder im dritten Lebensjahr in ihrer Sprache schon relativ perfekt sind. Das heißt, wenn Migrantenkinder im Kindergarten mit einem schlechten Sprachstand auf Kinder stoßen, die schon einen sehr guten und ausgefeilten Sprachstand haben, sind die Kinder nicht so veranlagt, dass sie sagen: "Liebes Migrantenkind, jetzt sprechen wir einmal mit dir", sondern dann ist die Gefahr sehr, sehr groß, dass sie separiert und weggestoßen werden, weil Kinder natürlich immer den inneren Ehrgeiz haben, weiterzukommen. Man kann also sagen: Je früher man an dieser Stelle anfängt, umso besser ist es für das Erlernen der Sprache.

Wir haben festgelegt, dass in den Schulen Berufsberatung stattfinden kann. Die Schnittstelle Schule / Ausbildung ist eine ganz wichtige. Wir haben in diesem Zusammenhang auch festgelegt, dass insbesondere die Bundesagentur für Arbeit in den Hauptschulen eine besondere Möglichkeit erhält, sehr bewusst eine Berufsorientierung durchzuführen. Das ist von äußerster Wichtigkeit.

Wir wollen, dass die Wege in die Universität auch über andere Wege als das klassische Abitur möglich sind. Zum Beispiel sollen Meister studieren können. Es soll Aufstiegsstipendien sowie die Öffnung von Hochschulen für beruflich Qualifizierte geben.

All diese Wege können die Möglichkeit bieten, besser voranzukommen. Allerdings auch das hat mir meine Bildungsreise gezeigt muss man aufpassen, denn bei den Migrantinnen und Migranten sieht man immer sehr schnell den Umweg als den klassischen Weg an. Ich will ein Beispiel nennen. Migranten haben es schwerer, eine Berufsausbildung zu absolvieren. Zum Teil fängt das schon auch wenn das offiziell keiner zugeben wird mit dem Nachnamen an.

Ich habe in Berlin eine Qualifizierungseinrichtung besucht, in der junge Bankangestellte ausgebildet wurden. Bei bestimmten Namen werden die Bewerbungsschreiben fast gar nicht angesehen, weil man der Meinung ist, dass sprachlich nichts Perfektes dahinter stehen kann. Dann gehen alle in eine besondere Institution, die sozusagen eine Brücke baut. Wenn dort die deutschen Qualifizierer sagen: "Die sind aber top", dann gehen sie in ein Praktikum und dürfen in einer Berliner Bank wunderbare Praktika mit Bedienung des Kundenstammes aus dem Land absolvieren, wo sie selbst herkommen. Dann nimmt man sie. Es kann aber nicht sein, dass dies der klassische Weg ist, sondern wir müssen dazu kommen, dass Qualifizierung ohne Umweg geschieht. Hätte ich es am Beispiel von den 25jungen Leuten nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte ich es persönlich so nicht geglaubt. Da zeigt sich, dass noch sehr viel Vertrauen zu bilden ist und dass die Themen Bildung und Integration wahrscheinlich die beiden Themen sind, die wir in der nächsten Zeit am meisten miteinander verzahnen müssen.

Ich habe allerdings beim Integrationsgipfel, den wir durchgeführt haben, um den Stand der Erfüllung des Integrationsplans abzufragen, bemerkt, dass es bei den Migrantenverbänden eine Bewegung gibt, die vielleicht auf dem Fundament dessen steht, dass sie sich mühen, ein Stück mehr Offenheit für die Beschwernisse der deutschen Bevölkerung zu zeigen. Wir haben darüber gesprochen, wie es ist, wenn man als deutsche Minderheit in einem türkischen Umfeld wohnt. Man kann darüber diskutieren, dass es vielleicht ebenso problematisch sein kann und man sich unterhalten muss, wenn zum Beispiel ganz wenige türkischstämmige Menschen in einer großen deutschen Wohnsiedlung leben. Wir müssen dahin kommen, dass darüber ein offener Dialog stattfinden kann, ohne dass es immer gleich als eine schwierige Frage bezeichnet wird.

Der Integrationsplan ist unser Fundament, auf dem wir arbeiten. Er hat sehr, sehr viele Facetten. Das beginnt damit, wie die mediale Frage gehandhabt wird. Als ein Schauspieler, der erkennbar aus einem anderen Erdteil kommt, darauf hinwies, welche Rollen für ihn im deutschen Film vorgesehen sind, sagte er, dass er auch gerne einmal einen Bürgermeister und nicht immer nur den Täter in einem Kriminalfilm spielen möchte. Das alles gibt uns Einblicke in etwas, an das wir vielleicht gar nicht denken, wenn wir uns mit dem Thema nicht befassen.

Es ist in den Kommunen, in den Ländern die Integrationskonferenz ist genannt worden und beim Bund etwas in Gang gekommen. Ich möchte das heute, 30Jahre nachdem der erste Ausländerbeauftragte ins Amt kam, nicht schön reden. Aber ich möchte uns auch ein Stück Mut machen, die ganze Sache mit Elan, Freude und Optimismus anzugehen. Alles andere wird uns nicht voranbringen. Ich darf Ihnen sagen: Wir wollen lernen, miteinander zu leben. Im Übrigen wird uns das für die Globalisierung ziemlich fit machen, denn wir müssen nicht nur in Deutschland lernen, miteinander zu leben, sondern wir müssen und wollen in Europa miteinander leben. Wir müssen viel mehr über andere Kulturen auf der Welt wissen, um weltweit miteinander zu leben.

Liebe Maria Böhmer, liebe Frau Schmalz-Jacobsen, liebe Marieluise Beck, ich vermute einmal, Sie können jetzt flott auf das 50. Jubiläum zuschreiten. Aber ich hoffe doch, dass dann die Reden, die gehalten werden, andere sind als die, die wir heute halten.

Herzlichen Dank und Ihnen alles Gute!