Redner(in): Angela Merkel
Datum: 06.02.2009

Untertitel: in Ulm
Anrede: Sehr geehrter Herr Kulitz, sehr geehrter Herr Grieshaber, liebe Frau Kollegin Annette Schavan, liebe Kolleginnen aus dem Land Baden-Württembergdie Frauenpräsens ist wirklich beeindruckend; aber im Saal gibt es noch Gegengewichte, wie ich gesehen habe,meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/02/2009-02-06-bkin-ulm,layoutVariant=Druckansicht.html


ich bin heute ausgesprochen gern hier zu Ihnen, zum Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammern Ulm und Bodensee-Oberschwaben, gekommen, weil zum einen hier eine wunderbare Region mit wirtschaftlicher Stärke ist und zum anderen weil dies der Wahlkreis meiner Kollegin und Bundestagsabgeordneten Annette Schavan ist, die, wie Sie schon gesagt haben, in Berlin für diese Region arbeitet und durch ihren Einsatz für die Bildungspolitik auch für die Zukunft unseres ganzen Landes arbeitet.

Ich verrate Ihnen sicherlich nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass Annette Schavan jemand ist, mit dem man politische Vorhaben durchtragen kann, auf deren Wort man sich verlassen kann, die Ja sagt, wenn sie Ja meint, und auch einmal Nein sagt, wenn es nicht anders geht, die durchaus ihren Mann als Frau steht. Ich finde, wir arbeiten super zusammen. Das sollen Sie wissen. Auch deshalb bin ich gern hierher gekommen. Dies ist, wie hier schon erwähnt wurde, ein bedeutender Wahlkreis mit großen Vorgängern.

Das Jahr 2009 ist ein spannendes Jahr. Heute Abend wird weniger darüber gesprochen, wie viele Wahlen es geben wird und mit welchen Programmen wir jeweils in diese Wahlen gehen werden. Auf jeden Fall werden in diesem Jahr Weichen für Deutschland gestellt.

Aber es gibt ein Zweites, darüber es sich zu sprechen lohnt: Am 23. Mai dieses Jahres wird unsere Bundesrepublik 60Jahre alt. Seit 60Jahren haben wir das Grundgesetz, seit 60Jahren haben wir die freiheitlichste Verfassung, die es je in Deutschland gegeben hat. Vor 60Jahren begann nach der Zerstörung und nach den Zeiten des Nationalsozialismus ein Wiederaufbau, der die erfolgreichste Geschichte Deutschlands eingeleitet hat und auf dem wir heute weiterarbeiten können. Es wird sich in diesem Jahr lohnen, an all jene zu denken, die angesichts von Trümmern, Zerstörung, Hunger und vielerlei Enttäuschungen die Kraft hatten, anzupacken und zu sagen: Wir wollen aus unserem Heimatland wieder etwas machen. Dass es diese Männer und Frauen gab, die nicht zurück, sondern nach vorn geschaut haben, die angepackt haben, die Deutschland auf eine feste Grundlage gestellt haben, das macht heute noch die Stärke unseres Landes aus.

Das sagt man heute alles so leicht dahin. Aber angesichts der Entscheidungen, vor denen wir heute stehen Sie als Unternehmer tagtäglich, wir als Politiker tagtäglich, in einer Welt, die sich unglaublich schnell verändert, ist es für mich manchmal ganz beruhigend zu wissen, welch großartige und zum Schluss richtige Entscheidungen die damals politisch Tätigen gefällt haben.

Ich, die ich in der früheren DDR aufgewachsen und die ich jetzt CDU-Vorsitzende bin, habe oft darüber nachgedacht, wie es wohl für Konrad Adenauer gewesen sein muss, als er sich entschieden hat, dass er die Deutsche Einheit nicht um den Preis der Neutralität oder der Unfreiheit akzeptiert, als er in Goslar an der innerdeutschen Grenze, an der Grenze zur späteren DDR, gestanden und bewusst gesagt hat: Ich bin der Bundeskanzler, ich will die Deutsche Einheit, aber ich will die Deutsche Einheit in Freiheit. Obwohl ich in der DDR aufgewachsen bin und obwohl ich auf vieles, was Freiheit an Schönem mit sich bringt, verzichten musste, kann ich nur sagen: Dass wir 1989 die Einheit in Freiheit bekommen haben, hat rückwirkend noch einmal gezeigt: Es war richtig, was Konrad Adenauer und die CDU damals entschieden haben. Nur so sind wir heute in Freiheit wieder vereint.

Und dann ist da noch die Soziale Marktwirtschaft. Heute sieht es so aus, als ob man zu gar keiner anderen Erkenntnis hätte kommen können. Aber man darf nicht vergessen: Ludwig Erhard war einer der Wenigen, die auf die für viele Menschen angesichts des absoluten Mangels relativ komisch erscheinende Idee kamen, zu sagen: Jetzt hören wir mit der Zwangsbewirtschaftung, mit der Zuteilung auf. Als er das den amerikanischen Alliierten vortrug, hat Clay zu ihm gesagt: Meine Mitarbeiter sagen mir, das geht nicht. Daraufhin hat Erhard gesagt: Meine auch, aber ich mache das jetzt. Er hat sich dann auf geschickte Art und Weise über alle Anweisungen hinweggesetzt, weil er an etwas geglaubt hat, was auch heute unser größter Schatz im Lande ist: Er hat an die Menschen geglaubt. Ihm war bewusst: Die Menschen sind unterschiedlich, die Menschen haben verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten; und wenn ich versuche, alles von einer Zentrale aus zu verteilen, dann werde ich die Vielfalt und die Kreativität der Menschen nicht fördern, und wenn, dann bestenfalls zu illegalem Handeln und zum Schmuggeln. Deshalb hat er gesagt: Ich gebe den Leuten die Freiheit anzupacken. Das war der Grundstein für unseren Erfolg. Es ging ja dann auch ziemlich schnell vielleicht nicht ganz so schnell, wie wir heute im Rückblick denken, aber es ging, historisch betrachtet, ziemlich schnell, dass vielen etwas einfiel, dass viele an Altes angeknüpft haben. Hier ist schon von den Familienunternehmern die Rede gewesen. Sie waren mit einer der Grundsteine und sind heute noch das Rückgrat dessen, was unser Land so stark macht. Das ist überhaupt keine Frage.

Heute im Rückblick scheint es so zu sein, als ob das alles automatisch ging. Aber Ludwig Erhard hat damals seine Gesetze nicht immer einfach durchbekommen. Er hat auch Niederlagen einstecken müssen. Aber eines war ihm ganz wichtig dabei hat er sich mit der großen deutschen Industrie angelegt: Er hat ein Gesetz gegen die Beschränkung des Wettbewerbs gemacht, das Kartellrecht geschaffen, weil er gesagt hat: Wenn ich die Großen immer größer werden lasse, dann gibt es für die Kleineren keinen Raum mehr. Wäre dies eingetreten, dann wären heute hier bei den Industrie- und Handelskammern, wenn überhaupt, nur noch ein paar Mittelständler übrig geblieben; jedenfalls weitaus weniger, als heute der Fall ist.

Ludwig Erhard hat also Vielen Luft zum Atmen gegeben, indem er gesagt hat: Wettbewerb ja, aber Wettbewerb so, dass nicht einer darauf hinarbeiten kann, eine marktbeherrschende Stellung zu haben und damit alle anderen zu dominieren. Das ist uns gut bekommen. Nur so konnte der Mittelstand das Rückgrat unserer Wirtschaft werden. Bis in die heutigen Zeiten der Globalisierung hinein zeigt sich doch, dass mittelständische Unternehmen langfristig planen können, dass sie oft auch aus der Tradition heraus eine langfristige Strategie anpeilen, dass sie nicht alles hektisch, sozusagen im Drei-Monats-Rhythmus bekannt geben müssen, dafür aber manchmal eben auch Produkte kreativ entwickeln können. Daraus sind auch unsere Flexibilität und unsere Möglichkeit, auf neue Entwicklungen zu reagieren, entstanden.

Wenn man sich anschaut, wo in den letzten Jahren Arbeits- und Ausbildungsplätze entstanden sind, so war dies vorwiegend im Mittelstand der Fall. Das war Zukunftsvorsorge für junge Menschen. Deshalb ist es ein Ergebnis gerade auch erfolgreicher mittelständischer Tätigkeit von Familienunternehmen, dass wir mit über 40Millionen am Ende des letzten Jahres die höchste Erwerbstätigenzahl verzeichnen konnten, die wir in Deutschland je hatten. Das bringt uns in die Situation, dass wir von einem guten Ausgangspunkt aus in dieses schwierige Jahr gehen.

Dann die Sache mit der Westbindung, mit der Aufrüstung, der Wiederbewaffnung, der Nachrüstung, dem NATO-Beitritt. Deutschland und Frankreich werden dieses Jahr in Kehl, Baden-Baden und Straßburg gemeinsam 60Jahre NATO feiern. Dabei wird einem noch einmal bewusst, was in den letzten 60Jahren alles passiert ist. Dass die Welt zu uns kommt, bei uns zu Gast ist und Deutschland und Frankreich friedliche Gastgeber sein können, ist auch ein Zeichen für die Entwicklung, die wir durchgemacht haben.

Und dann die Deutsche Einheit. Dieses Jahr feiern wir ja nicht nur 60Jahre Bundesrepublik, sondern am 9. November auch den 20. Jahrestag des Mauerfalls. Wenn ich mich hier so umschaue, dann vermute ich, die jungen Damen von den "Ulmer Spatzen" wissen von der Mauer nicht mehr allzu viel. Ich hoffe, sie kommt im Unterricht noch vor. Ansonsten war sie schon ein geschichtliches Ereignis, wenn auch für die allermeisten hier im Saal kein lebensprägendes Ereignis. Wenn ich heute aus dem Kanzleramt hinausschaue, erinnere ich mich daran: 500Meter weiter ist meine frühere Wohnung gewesen. Dann erinnere ich mich, wie ich auf dem Weg zur Akademie der Wissenschaften und zurück am Bahnhof Friedrichstraße vorbei immer weg von der Mauer und heran an die Mauer gegangen bin. Hin und weg.

Meine erste längere Westreise hatte ich mir für die Zeit des Erreichens meines 60. Lebensjahres vorgenommen, weil man dann in der DDR Rentnerin wurde. Ja, so war das. Ich hatte konkrete Pläne. Wir sagen heute ja auch manchmal: Der Mensch braucht Visionen. Jedenfalls bestand unsere große Sicherheit darin, dass wir als DDR-Bürger weiterhin die deutsche Staatsbürgerschaft hatten. Das bot nämlich die Möglichkeit viele erinnern sich, dass man dann seinen DDR-Ausweis nehmen und umtauschen konnte und einen West-Pass bekommen hat. Dann konnte man beispielsweise nach Amerika reisen. Anders ging das gar nicht. Die Tschechen und andere hatten es aber viel schwerer.

Lange Rede kurzer Sinn: Gott sei Dank war das alles gestern und wir feiern in diesem Jahr schon den 20. Jahrestag des Mauerfalls. Das heißt, wir in Ost und West halten es fast schon ein Drittel der Zeit, in der es die Bundesrepublik Deutschland gibt, miteinander aus.

Wir konnten den Aufbau Ost nur so wunderbar schaffen, weil auch die Leute im Osten angepackt haben, aber natürlich auch weil diese Bundesrepublik Deutschland gesund war, weil sie erfolgreich gearbeitet hatte und eine große Solidaritätsanstrengung leisten konnte. So konnten wir die Deutsche Einheit gestalten und haben heute vieles auf dem Boden der früheren DDR geschafft, was jetzt wieder unser gemeinsames Deutschland ist.

Ich habe mir einmal die Zahlen angeschaut. Mit einer gesamtstaatlichen Verschuldungsquote zwischen 63 und 68Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist diese bei uns heute in etwa so hoch wie in vielen anderen europäischen Mitgliedstaaten. Das heißt, wir haben die Kraftanstrengung der Deutschen Einheit gemeistert und befinden uns in Europa bei den Schulden trotzdem im Mittelfeld. Das ist eine Riesenleistung, die manchmal im Ausland mehr bewundert wird als im Inland. Wenn man Zuspruch braucht, fährt man woanders hin. Dort erzählen sie einem, wie toll das bei uns ist und wie prima wir das gemacht haben. Aber ich kann mich auch in Deutschland nicht beklagen.

Damit komme ich zu dem dritten Besonderen in diesem Jahr auch dies ist bei Ihnen, Herr Präsident, schon angeklungen: Dies ist wahrscheinlich ein Jahr mit einem der wirtschaftlich schwierigsten Einschnitte seit Jahrzehnten, hervorgerufen durch eine internationale Finanzmarktkrise, jetzt übergehend in eine internationale Wirtschaftskrise. Das Besondere ist, dass es keinen Bereich auf der Welt gibt, der nicht davon erfasst ist. Früher gab es Asien-Krisen, gleichzeitig waren die Dinge in Amerika meistens besser; oder umgekehrt. Aber dass man im Grunde in allen Märkten Einbrüche sieht, hat es in dieser Form im globalen Zusammenleben noch nicht gegeben.

Wir müssen jetzt vor allen Dingen daran arbeiten, zunächst einmal die Ursachen dieser internationalen Finanzmarktkrise zu beseitigen. Dazu haben wir, wie Sie schon gesagt haben, ein Rettungspaket geschnürt. Ich möchte es hier noch einmal sagen, weil es alle beschwert, die Politiker genauso wie Sie: Wir haben dabei mit Summen hantiert, die man früher allenfalls im Zusammenhang mit Haushalten für Jahre oder mit Bruttoinlandsprodukten verwendet hat, aber niemals mit einem konkreten politischen Projekt verbunden hat: 100Milliarden, 400Milliarden, 480Milliarden. Wir haben uns einmal angeschaut, welche Bilanzsummen die Banken haben. Wenn man die Zahlen aus Amerika hört, dann ist das alles noch unfassbarer.

Deshalb möchte ich hier noch einmal unterstreichen, was mir so wichtig ist: Wir wollen die Banken wirklich nicht wegen der Banken retten, auch nicht wegen der Banker, sondern weil sie die notwendige Voraussetzung für eine Volkswirtschaft sind und für die Sicherheit der Spareinlagen der Bürgerinnen und Bürger garantieren müssen. Wenn Sie fragen, warum wir das gemacht haben oft fragen die Mittelständler: Wann kommt nun endlich einmal etwas für uns? , dann sage ich: Das Erste für euch ist mit der Finanzmarktstabilisierung schon gekommen, denn sonst hätten wir rund um den Globus ein unglaubliches Desaster erlebt. Wir haben am Beispiel von Lehman Brothers gesehen, was passieren kann. Sie können sich überall die Kurven anschauen und sehen, wie vernetzt wir heute arbeiten.

Aber wir sind bei den Banken noch nicht wieder an dem Punkt angelangt, an dem wir sagen können, dass sie so arbeiten, wie sie früher gearbeitet haben. Die Krise hat sich langsam aufgebaut und ganz offensichtlich baut sie sich langsamer ab, als wir uns das wünschen. Ich nehme ganz bewusst Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken aus, bei denen sich die Dinge sehr viel besser darstellen, und sage, dass sich das jahrelange Schimpfen darüber, wie gering die Renditen dieser Finanzinstitutionen sind, jetzt in einen Vorteil verkehrt, weil die Solidität dort weitaus besser ist.

Jetzt stehen wir immer wieder vor neuen Fragen, in deren Zusammenhang oft zu Recht gefragt wird: Was leitet euch denn, wenn ihr jetzt Entscheidungen trefft? Dazu muss ich Ihnen sagen: Uns leitet, dass wir die Belastungen für die Steuerzahler trotz aller riesigen Summen so gering wie möglich halten und gleichzeitig das Ziel erreichen müssen, so schnell wie möglich wieder zu einer funktionierenden Bankenlandschaft zu kommen.

Deshalb wird es auch mit mir jedenfalls; das ist auch die Meinung der Bundesregierung insgesamt keine große Bad Bank geben, bei der jeder im Sinne eines größeren Entsorgungshaufens seine schlechten Risiken abgibt, falls er sie kennt, und vielleicht noch ein paar mehr, wenn er sie nicht kennt, damit dann der Steuerzahler über zehn oder 15Jahre schauen kann, was daraus wird, während sich die guten Teile der Banken in der Zwischenzeit wunderbar zugunsten der Aktionäre entwickeln. Das können wir nicht machen. Ganz abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass durch diese Anonymisierung mit den schlechten Assets viel cleverer umgegangen werden kann, als wenn sich jeder um seine Dinge kümmert. Es geht auf gar keinen Fall, dass wir alles, was sozusagen verbockt ist, sozialisieren und dem Steuerzahler aufbürden und dass wir nur all das, was an guten Bestandteilen übrig bleibt, sich wirtschaftlich entwickeln lassen. Das führte zu der schwedischen Lösung, dass man alles nimmt und zum Schluss schaut, was die guten Teile erbringen und was die schlechten Teile erbringen. Deshalb sagen wir den Banken: Ihr müsst, so wie es zum Teil die Landesbanken auch schon machen, eure schlechteren Teile selber aussortieren. Das muss jeder im Rahmen seiner Kräfte selber verwalten. Wir helfen euch dann, die notwendigen Sicherungen zu schaffen, damit die Banken darüber nicht zugrunde gehen. Dann ist die Sache immer noch teuer genug.

Meine Damen und Herren, wir spüren aber alle und Sie, die Sie Unternehmer sind, wissen es ja auch, was es bedeutet, wenn Banken nicht hinreichend funktionieren. Solange es um ein lokales Geschäft geht, solange man mit der Sparkasse und der Volks- und Raiffeisenbank hinkommt, ist das okay. Aber wenn man eine längerfristige größere überregionale Investition tätigen will, dann braucht man eben auch größere Finanzinstitutionen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir wieder schnell dorthin kommen, dass diese in Anspruch genommen werden können.

Zweiter Punkt. Natürlich hat das jetzt Rückwirkungen auf die so genannte Realwirtschaft. Die Wirtschaft im eigentlichen Sinne darf aber durch diese Bankenkrise jetzt nicht in Situationen kommen, in die sie vorher nicht gekommen wäre. Das bedeutet nicht, dass man überhaupt keinen Kredit mehr bekommt. Es heißt immer: Gibt es eine Kreditklemme oder gibt es keine Kreditklemme? Es gibt vielleicht keine Kreditklemme, aber wenn es nur noch Kredite für zehnProzent Zinsen gibt, dann gibt es natürlich keine Kredite mehr zu Bedingungen, mit denen man noch rentabel Produkte herstellen kann. Das ist jetzt zum Teil unser Problem. Daran müssen wir arbeiten.

Deshalb haben wir jetzt auch ein Paket aufgelegt und gefragt: Wie kann unsere Wirtschaft durch diese Krise kommen und was ist hierfür unser Maßstab? Unser Maßstab lautet: Unser Schatz in Deutschland sind die Arbeitskräfte, die Facharbeiter, diejenigen, die über Know-how verfügen, die Meister. Wir müssen versuchen, eine Brücke über diese Krisenzeit zu bauen, um die Arbeitslosenzahl möglichst gering zu halten, damit wir dann, wenn es wieder aufwärts geht, als erstes nicht über einen Fachkräftemangel jammern.

Deshalb möchte ich hier ein ausdrückliches Dankeschön dafür sagen, dass viele von Ihnen auch in einem schwierigen Jahr bereit sind, auszubilden. Denn wenn Sie an die Jahre 2014, 2015 oder 2016 denken Annette Schavan kann dazu mehr Details sagen, dann wird es zunehmend den Ruf geben: Woher bekommen wir qualifizierte Leute? Wer die Kraft hat ich sage ausdrücklich: wer die Kraft hat, heute an die Zukunft zu denken, der sollte es unbedingt tun. Dankeschön dafür, dass das auch so viele Unternehmen Ihrer Kammern machen.

Was können wir nun für die Betriebe tun? Wir haben ein Instrument eingerichtet übrigens zuerst eines für den Mittelstand, für die kleinen Unternehmen: Wir verstärken unsere Garantien, unsere Bürgschaften; immer nach dem Prinzip: erst die Hausbank. Die Hausbank muss bewerten und auch einen kleinen Teil des Risikos übernehmen beim Mittelstandsprogramm zehnProzent. Dann ist der Staat bereit, 90Prozent zu verbürgen.

Aber ich sage Ihnen auch, was wir nicht tun werden. Wir werden Unternehmen, die von Haus aus keine positive Fortführungsprognose geben können und bei denen die Hausbank sagt, dass das nicht gehen kann, über Staatsgarantien nicht helfen, sozusagen auf einem unwirtschaftlichen Weg weiterzugehen. Das wird zum Teil schwierig zu entscheiden sein das ist gar keine Frage, aber das ist unser Maßstab und deshalb ist auch de Anwendung des Hausbankprinzips an dieser Stelle unglaublich wichtig, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass man, wenn man im Bürgschaftsausschuss einen gut kennt, vielleicht bessere Chancen hat, als wenn man keinen kennt.

Wir erweitern dieses Programm, das es am Anfang nur für den Mittelstand und die kleinen Unternehmen gab, jetzt auch für die größeren Unternehmen. Gleichzeitig bieten wir Verbesserungen bei der Kurzarbeit an: 18Monate. Aber es ist völlig klar: Kein Mensch kann 18Monate kurzarbeiten, wenn der Arbeitgeber die gesamten Lohnzusatzkosten zahlen muss. Deshalb halbieren wir sie. Viele Mittelständler haben mich gefragt: Wenn wir schon Kurzarbeit anbieten, wollen wir das nicht mit Qualifizierung verknüpfen? Ich sage: Wer das macht, der bekommt 100Prozent der Lohnzusatzkosten ersetzt. Das ist ein Beispiel genau dafür, wie wir einen Beitrag dazu leisten können, dass wir stärker aus der Krise herauskommen als wir hineingegangen sind. Ich bitte Sie und gerade die Kammern: Informieren Sie Ihre Unternehmen darüber. Wir haben das für ganz kleine Betriebe gemacht. Auch wer nur einen Angestellten hat, beispielsweise in einem Architekturbüro, kann diese Kurzarbeit in Anspruch nehmen.

Meine Damen und Herren, Annette Schavan hat eine gute Idee gehabt, aus der sozusagen ein weiterer Pflock unseres Programms entstanden ist. Sie hat gesagt: 100. 000Euro für jede Schule und dann noch etwas für die Unis. Daraufhin haben wir entschieden, zu sagen: Wenn wir jetzt gerade auch die Bauwirtschaft beleben wollen, wenn wir die Konjunktur beleben wollen, dann ist es doch vernünftig, in die Zukunft zu investieren. Bund und Länder haben sich zusammengeschlossen und gesagt: Wir investieren in die Zukunft, aber dann bitte auch konzentriert auf eines der Schlüsselthemen für Deutschland, nämlich auf Bildung. Zwei Drittel unseres gesamten Infrastrukturprogramms für die nächsten zwei Jahre fließen in die Bildung ein Teil davon in die Universitäten, aber vieles steht vor allen Dingen für Schulen, für Kindergärten, für Bildungseinrichtungen vor Ort zur Verfügung. Ich bitte Sie einfach: Nutzen Sie das. Es können überschaubare Projekte sein. Wir haben die Ausschreibungsbedingungen in Europa verbessert. Wir wollen, dass gerade die heimische Industrie etwas davon hat. Ich bin kein Protektionist. Ich sage auch nicht: "Buy german." Aber wenn ein deutscher Unternehmer den Zuschlag bekommt, ist es mir auch recht. Insoweit sollten wir es alle miteinander versuchen.

In Deutschland gibt es manchmal komische Debatten. Wenn man jetzt sagt, dass wir Schulen renovieren, dann wird daraufhin gleich angemerkt: Aber es sind ja keine Lehrer da. Dazu sage ich: Es ist allemal besser, dass die Schule renoviert ist, dann haben wir wenigstens etwas geschafft und dann kommt vielleicht auch noch der eine oder andere Lehrer dazu in Lehrer wird nämlich seitens der Länder auch sehr viel investiert.

Das Thema Bildung ist für die nächsten Jahre ein Schlüsselthema. Wir haben unterschiedliche Zuständigkeiten. Der Bund mischt sich selbstverständlich in nichts ein, was ihn nichts angeht. Aber wir kommen immer wieder an den Schnittstellen in Konflikt auch dann, wenn Sie von den Kammern sagen: Viele junge Leute, die von der Schule kommen, sind nicht ausbildungsfähig. Spätestens dann sind wir in Berlin dran. Deshalb haben wir mit den Ländern auch den Qualifizierungs- und Bildungsgipfel gemacht. Manchmal war ein bisschen Angst im Raum, ob wir jetzt jemandem etwas an Zuständigkeiten wegnehmen. Aber wir brauchen verbindliche Absprachen. Man braucht eben zum Beispiel auch die Absprache, dass die Bundesagentur mit ihrer Berufsberatung Zutritt zu den Schulen hat. Für die Hauptschulen ist das unglaublich wichtig. Ich habe auf meiner Bildungsreise gesehen, wie viele gute Beispiele es dafür gibt.

Wir haben gesagt: Wir müssen die Zahl der Schulabbrecher reduzieren, weil Schulabbruch die schlechteste Voraussetzung dafür ist, den Status der Ausbildungsfähigkeit zu erwerben. Und wir haben vor allen Dingen gesagt: Wir müssen bis zum Jahr 2015 mehr für Bildung ausgeben. Wir haben uns in dieser Legislaturperiode dem Drei-Prozent-Ziel für Forschung und Entwicklung schon sehr stark angenähert, indem wir jedes Jahr massiv investiert haben. Annette Schavan hat die Programme viel stärker auch auf mittelständische Unternehmen ausgedehnt, und dahingehend, dass wir nicht nur Grundlagenforschung betreiben, sondern auch einmal darüber nachdenken, was wir hinterher daraus machen, und darauf, die Dinge besser miteinander zu verbinden. So sind wir auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung gut vorangekommen. Aber im Bereich der Bildung müssen wir noch vieles tun.

Bund und Länder haben den Hochschulpakt geschlossen, weil wir wissen: Wenn sich die Zeit bis zum Abitur verkürzt, dann haben wir sehr viele Studenten. Meine Bitte lautet: Wo immer Sie sind, werben Sie bei sich vor Ort dafür, dass Bildungsausgaben Ausgaben für die Zukunft sind. Sonst werden wir Mitte des nächsten Jahrzehnts keine Abwanderung von Unternehmen haben, weil bei uns die Unternehmensteuer so schlecht ist, und nicht, weil bei uns die Bürokratie zu hoch ist, sondern wir werden eine Abwanderung haben, weil bei uns keine Leute vorhanden sein werden, die qualifizierte Arbeiten ausführen. Deshalb sind mir zwei weitere Themen ganz wichtig: Zum einen das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zum anderen das Thema der Integration.

In den gesamten industrialisierten Bereichen Deutschlands liegt inzwischen der Anteil der unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund bei 40 bis 50Prozent. Die frühere Kammerpräsidentin von Augsburg ist heute anwesend. In Augsburg werden derzeit mehr Kinder mit Migrationshintergrund als Kinder mit einem deutschen Hintergrund eingeschult. Es ist völlig klar: Wenn es uns nicht gelingt, diesen Kindern die gleichen Bildungschancen zu eröffnen, dann werden wir ein noch massiveres Problem haben, als wir das heute an den Statistiken mit einem Ausländeranteil von 10Prozent bis 15Prozent sehen, weil die Zahl dieser jungen Leute noch massiv anwachsen wird.

Man kann viele Vorstellungen darüber haben, wann ein Kind in den Kindergarten gehen soll und ob und wann es in die Kinderkrippe gehen soll. Ich sage immer: Familienpolitik, jedenfalls meiner Partei, bedeutet Wahlfreiheit. Wir trauen den Eltern zu, dass sie das für sich entscheiden können. Aber ich sage auch: Für die Kinder, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, ist schon vor dem dritten Lebensjahr der Aufenthalt an einem Ort, an dem sie einmal Deutsch hören, von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Mir haben das auch die Pädagogen auf meiner Bildungsreise geschildert. Sie haben gesagt: Wenn Kinder mit drei Jahren in den Kindergarten kommen und gar keine Sprache, weder die Sprache der Eltern noch die deutsche Sprache, richtig sprechen können, dann wenden sich die deutschen Kinder von diesen Kindern ab. Diese haben ja in den vergangenen drei Jahren mühselig das Sprechen gelernt und haben noch nicht die gleiche karitative Ader wie die Pädagogen. Deshalb machen sie sich nicht als Erstes daran, dem kleinen Migrantenkind Deutsch beizubringen, sondern sie unterhalten sich untereinander. Von diesem Zeitpunkt an beginnt die Separation. Das ist danach nie wieder aufzuholen und mündet darin, dass viele dieser Kinder schließlich keinen Berufsabschluss haben. Das ist also ein zentrales Problem. Und deshalb habe ich Maria Böhmer als Integrationsbeauftragte in das Kanzleramt geholt und habe gesagt: Dieses ist eines unserer großen Zukunftsprojekte, und zwar nicht allein deshalb, weil wir sagen, jeder Mensch sollte die gleichen Chancen haben, sondern auch um der Zukunft unseres ganzen Landes willen.

Also, angesprochen habe ich Bürgschaften, Kurzarbeit, etliche Verstärkungen der Forschungsförderung durch unser zukunftsorientiertes Maßnahmenpaket und den ganzen Block der Bildungsinfrastruktur.

Ich weiß, dass wir am Anfang dieser Legislaturperiode die Mehrwertsteuer erhöht haben. Wir haben Ihnen auch bei Steuerausnahmen einiges zugemutet. Um aber auch einmal das, was an Entlastungen hinzugekommen ist, vor Ihrem geistigen Auge erscheinen zu lassen: Die Pendlerpauschale ist zurückgekehrt; und sie bleibt auch. Wir haben den Handwerkerbonus eingeführt und vieles andere mehr. Wir haben zum 1. Januar das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöht. Wir werden noch in dieser Legislaturperiode die Unternehmensteuerreform durchführen, bei der ich weiß, dass es einige Macken gibt Zinsschranke, Mantelverkäufe und ähnliches. Diese Macken sind zurzeit mit den Sozialdemokraten nicht anzupacken, sodass wir uns das Ganze in der nächsten Legislaturperiode noch einmal anschauen werden. Das sage ich ausdrücklich zu. Aber insgesamt werden wir eine Entlastung der Unternehmer, gerade auch der Personengesellschaften, erreichen.

Viele von Ihnen wissen, dass es ja manchmal so in Deutschland ist: Wer keine Klage hat, sagt nichts, und wer noch eine Beschwernis hat, meldet sich natürlich bei der Politik. Dafür sind wir ja auch da.

Wir werden die Lohnzusatzkosten weiter senken. Mit der Senkung, die jetzt noch zum 1. Juli kommt, sind wir sogar inklusive des Arbeitnehmerbeitrags wieder unter 40Prozent angelangt. Das war immer unser Ziel. Die Staatsquote ist im Übrigen in den letzten Jahren gesunken: Von früher 48Prozent auf jetzt 43Prozent. Und wir werden dann noch einen Einstieg in eine steuerliche Veränderung haben, die wir in der nächsten Legislaturperiode wenn es jedenfalls nach mir geht fortsetzen werden.

Sicherlich belastet uns die Krise, was die Schulden anbelangt. Das entbindet uns aber nicht von einer strukturellen Reform unseres Steuersystems. Was heißt das? Dass wir hinsichtlich der kalten Progression etwas unternehmen müssen, weil es nicht Sinn eines Steuersystems sein kann, dass schon der Facharbeiter und der Meister Spitzensteuersätze zahlen. Das Zweite ist, dass der so genannte Mittelstandsbauch, weil er auch nicht der Logik und inneren Gerechtigkeit unseres Steuersystems entspricht, verschwindet, dass wir also näher an einen linearen Tarif herankommen. Dafür werden wir Vorschläge machen.

Auf der einen Seite sind staatliche Ausgaben notwendig siehe Bildung, Infrastrukturen. Sie haben über "Stuttgart21", über Schnellbahnstrecken gesprochen. Das alles ist notwendig, damit man nicht nur von Frankreich aus zur deutschen Grenze gut fahren kann und später dann auch von der deutsch-polnischen Grenze in Richtung Polen, sondern damit man auch innerhalb Deutschlands nicht in Bummelzügen fahren muss. Das ist bei unserer zentralen Lage natürlich wichtig.

Auf der anderen Seite müssen wir die Leistungsträger ermutigen. Wenn manchmal seitens meines Koalitionspartners gesagt wird, wer Steuern zahle, der sei irgendwie reich, so muss ich dazu sagen: Da muss eine Verwirrung vorliegen. Die Mehrzahl aller IG-Metall-Mitglieder, die Mehrzahl aller IGBCE-Mitglieder und selbst die Mehrzahl aller verd. i-Mitglieder zahlen Steuern; und es geht hier um Steuern für diejenigen, die die Leistungsträger unseres Landes sind. Wenn wir nicht mehr dafür Sorge tragen, dass die Leistungsträger unseres Landes hier ihre Heimat sehen, dann werden in einem Binnenmarkt Europa und in einem vereinten Europa viele fragen: Ist das hier eigentlich noch okay? Wir haben natürlich auch kein Interesse daran, dass man hier ein Medizinstudium absolviert und sich anschließend dafür entscheidet, nach Norwegen oder in die Schweiz zu gehen. Bei vielen ist es ja aber inzwischen so.

Das heißt also: Eine ganz wesentliche Aufgabe, um überhaupt Solidarität in diesem Land leben zu können, besteht darin, dafür zu sorgen, dass Leute gerne hier leben, die auch noch etwas selber in den Steuersäckel einbringen. Wenn man sich den Armutsbericht anschaut, dann könnte man ganz einfach behaupten: Wenn alle gleich arm sind, ist es am gerechtesten. Aber das kann ja nicht das Ziel sein.

Wir gehen einen anderen Weg, indem wir sagen: Freibetrag hochsetzen, Eingangssteuersatz um einen Prozentpunkt reduzieren. Durch eine Rechtsverschiebung der Steuerkurve erreicht man den Spitzensteuersatz sozusagen etwas später. Das gibt die Richtung vor, die wir weitergehen wollen.

Ich habe schon von Entlastung und von staatlichen Ausgaben gesprochen. Jetzt kommt das Dritte. Das ist die Schuldenfrage. Gestern ist hierbei etwas Gutes gelungen. Ich hoffe, dass es bis nächsten Donnerstag, wenn es verabschiedet werden soll, hält. Ich habe nämlich heute schon wieder gehört, dass der Ministerpräsident meines Heimatlandes etwas Komisches dazu gesagt hat. Jedenfalls haben die Vorsitzenden der Föderalismuskommission, Günther Oettinger und Peter Struck, heute früh bekannt gegeben: Wir wissen, dass wir auf Dauer nicht über unsere Verhältnisse leben können. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis. Zu Hause praktizieren wir es alle mehr oder weniger. Aber in der Politik hat es sich wegen der Anonymität irgendwie eingebürgert, dass wir es über viele Jahre anders gemacht haben. Dazu kann ich nur sagen: Wir geben schon heute fast 15Prozent unseres Bundeshaushalts für Zinsen aus. Von jedem Euro gehen also erst einmal 15 Cent weg. Das darf und kann nicht ewig weiter steigen. Sonst werden die zukünftigen Generationen keine Chance mehr haben, überhaupt noch in ihre Zukunft zu investieren.

Nun ist es natürlich so, dass schon der Sozialismus die Grundrechenarten nicht außer Kraft setzen konnte. Ich habe Physik studiert und ich weiß durchaus, dass es eine große Aufgabe ist, die drei Dinge zusammenzubringen: Entlastung, staatliche Ausgaben und Reduzierung der Neuverschuldung. Wir müssen alles dafür tun, damit mehr Wachstum entsteht. Denn nur über Wachstum können wir diese drei Dinge gleichzeitig beherrschen.

Deutschland muss lernen, dass es forschungsfreudig sein muss. Wir können nicht bei jeder neuen Forschungsrichtung sagen: Das schauen wir uns erst einmal 20Jahre an und dann entscheiden wir, ob wir damit etwas zu tun haben wollen. Wir müssen eine vernünftige Energiepolitik verfolgen. Dazu gehören erneuerbare Energien, dazu gehört Energiesparen. Aber dass wir als erste nun ausgerechnet die sichersten Kernkraftwerke der Welt abschalten, wo alle anderen sich jetzt anders entscheiden, das halte ich einfach nicht für vernünftig, wenn man Wachstum haben will.

Wir werden weiter Bürokratie abbauen müssen, so wie dies die Bundesregierung mit Hilfe des Normenkontrollrats begonnen hat. Das ist vollkommen klar. Bürokratieabbau ist immer ein Renner. Würde ich Sie befragen, ob wir in dieser Legislaturperiode schon Bürokratie abgebaut haben, würden wahrscheinlich die meisten mit Nein antworten. Das stimmt, nicht wahr? Wir haben aber messbar, nachvollziehbar Statistik- und Berichtspflichten im Wert von insgesamt sechsMilliarden Euro eingeschränkt. Manch einer wird davon profitieren. Wir wollen das in der nächsten Legislaturperiode verdoppeln.

Aber ich sage beim Thema Bürokratieabbau auch immer: Man muss aufpassen. Wir haben jetzt zum Beispiel mit den Kommunen sehr intensiv darüber diskutiert, ob wir die Ausschreibungsregeln und das Vergaberecht bei Bauaufträgen vereinfachen sollen oder nicht. Jeder hat schon einmal erlebt, wo es endet, wenn überhaupt nichts mehr kontrolliert wird. Natürlich gibt es auch ganze Berufsgruppen, die von Regeln leben. Wer einmal eine für sich gefunden hat, der ist froh. Ich war Umweltministerin. Ich habe das alles nachvollzogen. Wenn die Betonplatten für Gullydeckel ein bisschen dicker sind, dann ist natürlich der, der Gullydeckel herstellt, froh und sagt, das sei eine Sicherheitsfrage. Es ist also immer ein ambivalentes Unterfangen, Bürokratie abzubauen. Aber das wissen Sie alle selber. Dennoch müssen wir es tun. Wir müssen auf Wachstum, auf Zukunftsfreudigkeit, auf Forschung, auf Innovation setzen, wir müssen unsere Stärken behalten und dürfen sie nicht einfach weggeben.

Meine Damen und Herren, wenn das alles angepackt wird, wenn wir jetzt dieses Maßnahmenpaket verabschieden, wenn wir uns daran erinnern, dass wir nur das ausgeben können, was wir einnehmen, wenn wir auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes durch Bildung und vieles andere setzen, dann, so glaube ich, können wir diese Krise in einer gemeinsamen Kraftanstrengung nicht nur meistern, sondern sogar stärker aus ihr herauskommen, als wir in sie hineingegangen sind.

Aber es ist so, wie Sie gesagt haben: Es bedarf der Bereitschaft, auch ein Stück weit Gemeinschaft zu leben. Die Politik kann Angebote machen. Ich kann keinen einzelnen Unternehmer zwingen ich möchte das auch nicht und sagen: Du musst jetzt einen Azubi nehmen. Ich werde auch keine Ausbildungsabgabe einführen. Ich kann niemanden zu Kurzarbeit zwingen. Es gibt aber Anreize dazu. Nur wenn wir Bedingungen schaffen, zu denen auch Sie hier im Raum sagen, dass es sich lohnt, diese Angebote anzunehmen, weil Sie auch nach der Krise ein starkes Unternehmen haben möchten, dann werden wir die Herausforderungen gemeinsam schaffen.

Das, meine Damen und Herren, muss der Geist sein, in dem wir dieses Jahr gestalten. Wenn wir uns daran erinnern, wie es vor 60Jahren war, wenn wir uns daran erinnern, wie es vor 20Jahren war, dann können wir wohl sagen: Wir haben schon andere Herausforderungen gemeistert; mit unseren Erfahrungen schaffen wir auch das.

Das ist der eigentliche Grund, warum ich heute Abend gern zu Ihnen gesprochen habe: Ich weiß, auf die Menschen, auf die Unternehmer, auf die Arbeitnehmer, auf die vielen Ehrenamtlichen, auf alle, die diese Region prägen, können wir uns in Deutschland verlassen. Und das ist ein gutes Gefühl.

Herzlichen Dank.