Redner(in): Angela Merkel
Datum: 19.02.2009

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Sievernich, sehr geehrter Herr Haasis, sehr geehrter Herr Blüher, Exzellenzen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, vor allen Dingen liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten der Villa Massimo, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/02/2009-02-19-merkel-villa-massimo,layoutVariant=Druckansicht.html


wenn ich bisher schon nicht zur Villa Massimo gekommen bin, dann kommt die Villa Massimo hierher. Ich bedanke mich sehr dafür und hoffe, Sie bereuen es nicht.

Herzlichen Dank für die Einladung zum heutigen Abend, der ganz im Zeichen eines Leuchtturms der Förderung der schönen Künste steht: der Villa Massimo. Sie präsentieren sich hier zum dritten Mal. Ich finde, der Martin-Gropius-Bau ist wirklich ein angemessener Ort dafür.

Die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Villa Massimo werden uns nachher auf höchst individuelle Weise an dem teilhaben lassen, was sie im letzen Jahr geschaffen haben, woran sie Freude hatten und was der Romaufenthalt für uns alle für unsere Gesellschaft, für unser ganzes Land erbracht hat. Ganz besonders interessant finde ich Studio7, weil das nicht nur wegen der Bäcker ein interessantes Projekt ist. Der Weg vom Handwerk zur Kunst ist doch etwas, was wir uns immer wieder vor Augen führen sollten.

Es ist eine wunderschöne Sache, dass Jahr für Jahr die Villa Massimo bis zu zehn jungen Künstlerinnen und Künstlern Inspiration und künstlerische Orientierung in der "ewigen Stadt" finden lässt. Dass Rom in diesem Sinne ein wunderbarer Ort ist, ist klar. Er bietet für die Sinne Nahrung in Hülle und Fülle für Künstler jeder Art. Der deutsche Autor Friedrich Christian Delius, einst selbst Stipendiat der Villa Massimo, schrieb ich zitiere: " Rom, so viel ist sicher, lehrt sehen und hören. Ende des Zitats. Nun hoffe ich, die Stipendiaten konnten auch vorher schon ein bisschen was davon. Aber wenn sich die Dinge verfeinert haben, können das deutsche Bildungssystem und der italienische Aufenthalt zusammen vielleicht in Harmonie leben.

Warum finanziert die deutsche Bundesregierung gemeinsam mit dem Haushaltsausschuss, vor dem wir uns als Regierung natürlich immer in Ehrfurcht verneigen, überhaupt eine Künstlerakademie in Rom?

Das Jahr in Rom, so ist unsere Überzeugung, ermöglicht künstlerische Anregungen, die zu einer Bereicherung unserer Gesellschaft werden können und die im Übrigen an eine jahrhundertelange Tradition europäischer Gemeinsamkeit anknüpfen. Wir verstehen uns in Deutschland als gewachsene europäische Kulturnation. Kunst und Kultur sind genauso wie die deutsche Sprache ein wichtiger Teil unserer Identität. Wir glauben, dass es für Kunst und Kultur in Deutschland eine große Bereicherung ist, wenn ein solches Jahr, ein solches Stipendium ermöglicht wird.

Kunst verwandelt uns. Sie öffnet unsere Augen für Neues, für Überraschendes, aber manchmal auch für das, was wir vermeintlich für vertraut und selbstverständlich gehalten haben. Kunst lässt uns immer wieder staunen. Manchmal provoziert sie; und wenn es gut kommt, inspiriert sie. Es wurde heute schon mehrfach darauf hingewiesen: In Zeiten, in denen man sich viel mit Zahlen beschäftigen muss, ist es einfach schlicht und ergreifend eine Freude, einmal etwas anderes zu sehen. Den Zahlenteil hat Herr Haasis ja heute Abend schon in gewisser Weise abgedeckt.

Meine Damen und Herren, auf die von Kunst und Kultur ausgehenden Impulse werden wir niemals verzichten. Wer glaubt, dass er das kann, wird das Fundament für ein gedeihliches Zusammenleben in einem Land wie dem unsrigen zerstören. Deshalb sind Investitionen in Kultur auch keine Sahnehäubchen, die wir uns als Luxus leisten können, wenn es uns gerade einmal gut geht, sondern sie sind Investitionen in unsere eigene Zukunft.

Die Villa Massimo ist dafür ein gutes Beispiel. In den letzten Jahren hat sie mit dem Direktor und seinem Team eine großartige Entwicklung genommen. Herr Blüher hat etwas gemacht, was von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist: Er hat nämlich die Villa Massimo geöffnet und ihre Arbeit auch außerhalb der Parktore sichtbar gemacht. So zum Beispiel davon war schon die Rede im Bereich der Architektur.

Dass wir als Bundesrepublik den in Rom ansässigen internationalen Organisationen zwei Konferenzräume schenken konnten und beide Räume von Stipendiaten der Villa Massimo gestaltet werden, ist eine tolle Sache, wie ich finde, und auch ein kleines Dankeschön an Italien und an Rom.

Mit den Energiesparhäusern haben wir vielleicht auch einen kleinen Hinweis gegeben, was man noch alles in Italien machen könnte, damit es nicht nur künstlerisch hochgradig ist, sondern auch an Effizienz gewinnt. Ich hoffe, der Herr Botschafter wird mir das verzeihen und es in produktiver Weise in die Arbeit der italienischen Regierung einbringen.

Vier Stipendiaten des Jahrgangs 2007 verfolgen derzeit sogar den Plan, eine Kirche in Olevano zu bauen, wie hier schon geschildert wurde. Auf diesem Projekt ruhen wirklich große Erwartungen.

Das Geld ist also gut angelegt und es trägt reiche Früchte. Von dem schon genannten Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages wissen wir, dass er das genauso sieht. Wir können sagen: Wir sind so begeistert von dem Erfolg dessen, was die Villa Massimo geschaffen hat, sodass der Staatsminister für Kultur und das Parlament entschieden haben, das altbewährte und zugleich innovative Modell der Villa Massimo auf ein zweites Land zu übertragen. Auf Initiative und mit Hilfe der Abgeordneten Steffen Kampeter und Petra Merkel wird die Bundesregierung eine deutsch-türkische Künstlerakademie im Istanbuler Stadtteil Tarabya gründen. Ich hoffe, das belebt den Wettbewerb, Sie werden geschwisterliche Freunde und es macht denen viel Freude, die dort ein Stipendium bekommen können.

Wir wollen also über die Künstlerförderung hinaus einen weiteren Meilenstein in unserer auswärtigen Kulturpolitik setzen. Wir wissen, dass deutsche Kunst und Kultur niemals ohne die europäische Inspiration das hätten werden können, was sie sind. Wir wollen davon etwas zurückgeben, weil wir auf das, was wir können, ein Stück weit stolz sind. Ich sage dies im 60. Jahr der Bundesrepublik Deutschland und im 20. Jahr nach dem Mauerfall hier in Berlin. Lassen Sie uns in Europa gut zusammenarbeiten, um auch im 21. Jahrhundert denen etwas zu hinterlassen, die im 22. Jahrhundert einmal auf unser Leben zurückschauen werden.

Herzlichen Dank.