Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 05.03.2009

Untertitel: In seiner Rede zur Schlüsselübergabedes Neuen Museums würdigte Staatsminister Bernd Neumann die umsichtige Restaurierungeines der bei seiner Errichtung bedeutendsten und mutigsten Museumsbauwerke seiner Zeit. DemGeist des Stüler-Baus werde man nur gerecht wird, indem man der Architektur des 19. Jahrhunderts Reverenz erweist und zugleich die der Gegenwart nicht verleugnet. Dabei sei esgut, wenn sich Menschen für öffentliche Bauvorhaben engagieren, sich einmischen und auch unbequeme Fragen stellen.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/03/2009-03-05-neumann-neues-museum,layoutVariant=Druckansicht.html


heute feiern wir nichts Geringeres als die Wiederauferstehung des Neuen Museums! Jahrzehntelang war die Ruine auf der Berliner Museumsinsel eine schmerzliche Wunde, ein Memento für Krieg und Zerstörung. Angesichts des barbarischen Umgangs der DDR-Führung mit dem im Krieg beschädigten Schloss mutet es im Nachhinein fast wie ein Wunder an, dass dieses Haus notdürftig gesichert überhaupt erhalten blieb, ja sogar noch 1989 mit der Sanierung der maroden Pfahlgründung des Museums begonnen wurde.

Seit 2003, seitdem die Ruine unter Bauplanen verschwand, hinter denen an der umsichtigen Restaurierung gearbeitet wurde, ist das Neue Museum wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten. Kaum ein Bau in der Hauptstadt wurde mit so viel Aufmerksamkeit begleitet. Ich bin dankbar für dieses große Interesse, denn es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es liegt in der Natur der großen Sache, dass die Pläne David Chipperfields nicht nur Freunde gefunden haben, sondern auch auf Kritik und Widerstand gestoßen sind. Darum war es eine wichtige und richtige Entscheidung, vor eineinhalb Jahren die Öffentlichkeit zum "Tag der offenen Tür" am Richtfest einzuladen. 25.000 Neugierigen haben sich während der drei Tage im September 2007 den Bau angeschaut. Viele haben sich schon damals in die außergewöhnliche Ästhetik verliebt, mache blieben skeptisch. Ich sage aus voller Überzeugung, dass ich es gut finde, wenn sich Menschen für öffentliche Bauvorhaben engagieren, sich einmischen und auch unbequeme Fragen stellen. Weder Architekten noch Bauherren sind unfehlbar, und manchmal braucht es ein bisschen Distanz, um eine Sache richtig einzuschätzen. Allerdings steht auch ganz außer Zweifel, dass sich alle am Bau Beteiligten der großen Verantwortung gegenüber dem Weltkulturerbe "Museumsinsel Berlin" immer bewusst waren und sind und auch in diesem Bewusstsein gehandelt haben.

Das Sanierungskonzept wurde im vollen Einklang mit den Prinzipien der Denkmalpflege und in ständiger Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt, der UNESCO und ICOMOS entwickelt. Es ist ein deutliches und positives Signal, dass heute Professor Petzet hier ist, um den Bau aus seiner Sicht zu würdigen. Ich selbst habe darauf hingewirkt, auf kritische Anregungen, namentlich der "Gesellschaft Historisches Berlin", einzugehen, und es wurden an der Fassadengestaltung Korrekturen vorgenommen. Dabei war, wie während des ganzen Bauprozesses, David Chipperfield immer ein konstruktiver und kooperativer Partner. Lieber Herr Chipperfield! Sie haben uns einen einzigartigen Ort geschenkt, der in der Gegenwart lebt und doch in der Geschichte zuhause ist! Herzlichen Dank!

Wir dürfen nicht vergessen: Das Neue Museum war schon bei seiner Errichtung eines der bedeutendsten und mutigsten Museumsbauwerke seiner Zeit. Es war ein Meilenstein des Klassizismus und zugleich ein Wunderwerk der gerade erst beginnenden industriellen Bauweise. Ich bin überzeugt davon, dass man dem Geist des Stüler-Baus nur gerecht wird, indem man der Architektur des 19. Jahrhunderts Reverenz erweist und zugleich die der Gegenwart nicht verleugnet. Die, wie ich finde, gelungene Verbindung von Innovation und Tradition hätte auch Friedrich August Stüler gefallen, da bin ich mir sicher. Gute Architektur hält Auseinandersetzungen aus, ja es braucht sie, um einen so lange verleugneten und vergessenen Bau wie das Neue Museum wieder in das Bewusstsein der Menschen zu bringen.

Heute also übergeben wir die Schlüssel des vielleicht noch nicht ganz "besenreinen" Neuen Museums an den künftigen Nutzer, die Staatlichen Museen Berlin in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Schlüsselübergaben haben in unserer abendländisch-christlichen Tradition immer etwas besonders feierliches und weihevolles. Sie markieren einen Übergang: Das Gebäude steht und ist fest gegründet, aber nun muss es ideell seinen Platz finden, muss sich als Ort bewähren. Keine ganz leichte Aufgabe in diesem stolzen Umfeld aus Bode-Museum, Alter Nationalgalerie, Pergamon-Museum und Altem Museum, die ja zum Teil schon in den vergangenen Jahren zu neuem Glanz erstanden sind. Bis zur Eröffnung des Neuen Museums im Oktober dieses Jahres wird noch ein gutes Stück Arbeit zu leisten sein. Ich bin sehr gespannt auf das Wechselspiel zwischen den Kunstwerken und dem Raum, den wir heute und die Öffentlichkeit in den nächsten drei Tagen in seiner fast überwältigenden und monumentalen Leere erleben dürfen. Es ist ein schöner Gedanke, dass sich in den nächsten Wochen das Haus schon für die Kunst öffnet und unter anderem die Tanzkompanie "Sasha Waltz & Guests" mit dieser großartigen Architektur in den Dialog treten wird.

Der Bund trägt seit 2003 die Gesamtkosten für die verschiedenen Baumaßnahmen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das sind immerhin rund 100 Millionen Euro jährlich in meinem Etat. Die Baumaßnahmen auf der Museumsinsel sind mit über 1,3 Milliarden Euro veranschlagt. Für die Hochbausanierung und Wiederaufbau des Neuen Museums waren ursprünglich 233 Mio. Euro vorgesehen. Es spricht für die Umsicht und Planungssicherheit des Büros Chipperfield und der Bundesbauverwaltung, dass dieser Ansatz mit rund 200 Mio. Euro weit unterschritten wurde!

Als Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Preußischer Kulturbesitz danke ich allen Beteiligen sehr herzlich für die gute Arbeit: David Chipperfield und seinem Team, allen Baufirmen, den Restauratoren und Restauratorinnen, der Bundesbaudirektion und natürlich der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. In den nächsten Monaten wird das Ägyptische Museum mit der Papyrussammlung in das Neue Museum einziehen. Dank der großzügigen Unterstützung des "Kuratoriums der Museumsinsel" konnte die Nofretete bereits im Jahr 2005 übersiedeln und hat es nun aus dem Alten Museum hierher nicht mehr weit! Sie wird sicher auch weiterhin der Besuchermagnet bleiben. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte wird sein Charlottenburger Domizil verlassen und wieder an den Ort seines Ursprungs zurückkehren. Damit ist eine weitere wichtige Etappe der Neuordnung der Berliner Museumslandschaft vollzogen.

Noch in diesem Jahr beginnen die Arbeiten am künftigen zentralen Eingangsgebäude nebenan und die Gerüste und Planen am Pergamonmuseum deuten darauf hin, dass auch die Sanierung dieses gewaltigen Baus, die bei laufendem Betrieb erfolgen soll, Fahrt aufnimmt. Und nicht zuletzt der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, des Humboldt-Forums als Ort der Weltkulturen im Herzen unserer Hauptstadt, wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen. Ich bin sicher, dass dieses Projekt, um das uns die Welt schon jetzt beneidet, unter der umsichtigen und klugen Leitung des Präsidenten Hermann Parzinger zu einem vollen Erfolg wird. Der Bund wird dabei auch in Zukunft verlässlicher Partner bleiben!

Ich danke Ihnen.