Redner(in): k.A.
Datum: 17.07.2000
Anrede: Herr BundesministerMr. Secretary, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/79/13779/multi.htm
heute beenden wir die Plenarsitzungen, die seit Mai 1999 ein Jahr und einen Monat gedauert haben, ein Jahr, in dem vielleicht jeder Siebte der ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeiter gestorben ist.
Für die Dauer der Gespräche tragen wir eine kollektive Verantwortung, aber ich glaube nicht, dass irgend jemand hier eine besondere Schuld trifft.
Die Probleme, die wir zu bewältigen hatten, waren ganz außergewöhnlich schwierig.
Die beiden Abschlussdokumente, die soeben unterzeichnete Gemeinsame Erklärung und das deutsch-amerikanische Regierungsabkommen, spiegeln nur einen Teil dieser tatsächlichen und juristischen Komplexität wieder, die ich Ihnen nicht zu erklären brauche.
Ich will jetzt nicht noch einmal die Etappen unserer Verhandlungen aufzählen, die von der Einigung über das Kapital der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" im Dezember 1999 über den Aufteilungsbeschluss im März zur deutsch-amerikanischen Einigung über die Frage der Rechtssicherheit am vergangenen Pfingstmontag führten.
Der Deutsche Bundestag hat unsere Verhandlungen von Anfang an begleitet.
Ich begrüße deshalb hier noch einmal die Abgeordneten aller Parteien.
Der Deutsche Bundestag hat das Stiftungsgesetz von der Einbringung durch eine Allparteienkoalition bis zur Verabschiedung mit überwältigender Mehrheit in der vorletzten Woche in Rekordzeit beraten und verbessert.
Der Deutsche Bundestag hat dabei - und das möchte ich vor Ihnen besonders betonen - in großem Respekt vor dem Thema und den internationalen Verhandlungen seine souveränen Rechte aufs Äußerste zurückgenommen, um unseren Wünschen und Vorschlägen weitgehend gerecht zu werden.
Der deutsche Gesetzgeber- im Kuratorium durch fünf Abgeordnete vertreten - wird die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" im Blick behalten.
Seine Vertreter stehen dafür, dass die in der großen Debatte am 6. Juli laut gewordenen berechtigten Anliegen, nämlich Gerechtigkeit, Transparenz und Effizienz, auch zum Tragen kommen.
Gerechtigkeit bedeutet vor allem, dass die Destinatäre der Stiftung für ähnliches Schicksal annähernd gleiche Leistungen erhalten.
Transparenz bedeutet, dass die Arbeit der Stiftung, aber auch der Partnerorganisationen für jeden von uns und für den deutschen Steuerzahler verständlich und nachvollziehbar sein muss.
Mit Effizienz meine ich, dass bald die Partnerorganisationen die Verantwortung dafür tragen, dass die Zahlungen schnell und - dies ist besonders wichtig - unter geringem Verwaltungsaufwand die Opfer erreichen.
Der Bundestag wird sein Kontrollrecht über 5 Mrd. DM deutsche Steuergelder engagiert ausüben.
Nicht nur das deutsche Parlament hat an unserer Arbeit Anteil genommen.
Auch Ihre Parlamente, meine Damen und Herren, haben sie begleitet und die Verhandlungen direkt oder indirekt beeinflusst, wie ich aus vielfachen Kontakten weiß.
Ich gehe davon aus und hoffe, dass auch Ihre Parlamente sich mitverantwortlich fühlen für die Arbeit der Stiftung und ihrer Partner in dem eben beschriebenen Sinn.
Dies ist, wie wir aus der Vergangenheit wissen, eine große und schwere Verantwortung.
Auch die deutsche Bundesregierung hat sich intensiv und kontinuierlich mit der Bundesstiftung beschäftigt.
Sie hat bei den großen Fragen, bei der Finanzierung, der Frage der Reparationen und im Gesetzgebungsverfahren selbst die Weichen gestellt.
Ohne das persönliche Engagement des Bundeskanzlers und des amerikanischen Präsidenten und ihre Interventionen wären wir von dem heutigen Abschlusstermin noch weit entfernt.
In meinen Dank möchte ich auch den deutschen Finanzminister, Herrn Eichel, und seine kompetenten Mitarbeiter - Herrn Löffler kennen Sie alle - einbeziehen.
Ich freue mich, dass Bundesaußenminister Fischer heute an unserer Plenarsitzung teilnimmt und begrüße ihn herzlich.
Herr Gentz als Vorsitzender der Stiftungsinitiative, Herr Kohler als Leiter der Arbeitsgruppe für Rechtsfragen und alle anderen Vertreter der deutschen Unternehmen:
Sie sind im vergangenen Jahr und in den letzten Tagen oft gescholten worden.
Dies ist völlig ungerecht:
Die entschlossene Führung von Herrn Gentz und Herrn Breuer und einiger anderer hat die Stiftungsinitiative zu dem bisherigen Ergebnis geführt.
Herr Gentz, Secretary Eizenstat und ich waren uns in einem Punkt immer einig:
Wir wollten ein Ergebnis.
Ich weiß, dass die zögerliche Zahlungsbereitschaft der deutschen Wirtschaft zu zweifelnden Fragen führt, ob sie ihre Zusage für 5 Mrd. DM einhalten wird.
Alle Vertreter der Stiftungsinitiative sind überrascht, auch enttäuscht, über die gezeigte Zurückhaltung.
Ich habe das oft und öffentlich kritisiert.
Aber man darf nicht die Falschen kritisieren.
Daher noch einmal, Herr Gentz, herzlichen Dank, dass Sie diese Aufgabe, mit der Sie sich wenig Freunde und viele Gegner geschaffen haben, auf sich genommen haben.
Und ich betone an dieser Stelle noch einmal: Ebenso wie die Bundesregierung, wie der Bundesminister der Finanzen, habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass die deutsche Wirtschaft den zugesagten Betrag aufbringen wird.
In diesem Zusammenhang nehme ich einen Appell von Dr. Gentz bei unserem Siebten Plenum am 17. Dezember vorigen Jahres auf: Ich bitte alle deutschen Unternehmen, ihre Firmenarchive der Kriegszeit für die wissenschaftliche Forschung und für diejenigen zu öffnen, die ein eigenes legitimes Interesse daran haben. Auch dies ist Teil der moralischen Verantwortung der deutschen Wirtschaft.
Die Unternehmen der Stiftungsinitiative akzeptieren das Ergebnis der überaus schwierigen Verhandlungen zum Rechtsfrieden.
Dabei war der Brief, den der Sicherheitsberater des Präsidenten Sandy Berger gemeinsam mit seiner Kollegin, Frau Nolan, an seinen deutschen Kollegen Michael Steiner richtete, besonders hilfreich.
Wir begrüßen es, dass Präsident Clinton die amerikanische Regierung zu umfassendem und dauerhaftem Rechtsfrieden für deutsche Unternehmen verpflichtet hat.
Er hat zugesagt, dass sie den Richtern aktiv die Klageabweisung empfehlen wird.
Mr. Secretary, lieber Stu,
mir wird es ein Rätsel bleiben, wie Sie neben ihren Pflichten für die US-Regierung die Zeit gefunden haben, diese schier unlösbare Aufgabe anzupacken und zu Ende zu führen.
Ich weiß, dass dies mit noch längeren Arbeitstagen und mit Ihren Wochenenden erkauft wurde.
Wir haben immer wieder erfahren, dass Sie die Interessen der ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeiter mit Ernst und Zähigkeit verfolgen, aber wir haben auch stets wahrgenommen, dass Sie sich bemühten, dabei nicht die deutsch-amerikanischen Beziehungen und die noch viel delikateren Beziehungen innerhalb Europas zu belasten.
Nicht jeder Amerikaner versteht die Wunden und Empfindlichkeiten unseres Kontinents.
Sie haben sie in Ihren Brüsseler Jahren gelernt.
Mr. Secretary, Sie haben sich um die transatlantischen Beziehungen und auch um Europa besonders verdient gemacht.
Mein Dank schließt auch Botschafter Bindenagel ein.
Wenn es manchmal schien, als ginge gar nichts mehr, dann gab es immer noch die Möglichkeit eines telefonischen Hilferufs an "J. D.".
Seine Zusammenarbeit mit Michael Geier war unverzichtbar.
An Michael Geier geht mein ganz persönlicher Dank.
Ohne ihn hätte ich es nicht gekonnt.
Auch die Vertreter der Opfer und ihrer Heimatstaaten selbst haben sich als Männer mit Augenmaß und Sensibilität erwiesen.
Ich weiß:
Jeder von Ihnen stand zwischen zwei Feuern und hat in diesen Monaten viel Druck aushalten müssen.
Namen zu nennen, wäre ungerecht.
Alle beteiligten Regierungen haben bei der Arbeit an den Schlussdokumenten die Thematik erneut beherzt und verantwortungsvoll aufgenommen. Mit Ihrer Unterschrift tragen sie eine große Bürde. Sie wissen, dass nicht nur der Deutsche Bundestag und das deutsche Volk, sondern auch die Welt kritisch verfolgen wird, ob die Zusagen eingehalten werden, die Zahlungen schnell, fair und effizient den betagten Empfängern zu überreichen.
Ich begrüße heute auch den Vertreter der International Organization for Migration, Herrn Dirk de Winter.
Ich danke für die Bereitschaft der IOM, die schwierige Aufgabe der siebten Partnerorganisation zu übernehmen.
An dieser Stelle möchte ich auch zwei deutsche Wissenschaftler erwähnen, die uns an zentralen Augenblicken unserer Gespräche besonders unterstützt haben:
Prof. Niethammer ist nicht nur Zeithistoriker, sondern hat auch zu einem entscheidenden Augenblick der Gespräche als Gastgeber in Florenz geholfen, dass die Diskussion über die Überlebenden nicht in falsche Bahnen geriet.
Er hat auch interessante und beherzigenswerte Vorstellungen für den Zukunftsfonds zu Papier gebracht, die diese notwendige, noch zu führende Diskussion hoffentlich befruchten werden.
Professor Frowein, eminenter Völkerrechtler und langjähriger Berater der Bundesregierung hat uns mit seinem profunden Wissen zur Seite gestanden.
Beiden möchte ich besonders danken.
Noch ein persönliches Wort:
Der Bundeskanzler und Sie, meine Damen und Herren, haben dazu beigetragen, meine lange Politikerlaufbahn ganz am Schluss mit einer besonders schwierigen und verantwortungsvollen Aufgabe abzuschließen.
Ich habe noch zweimal vor dem Deutschen Bundestag, von dem ich schon Abschied genommen hatte, reden dürfen.
Ich habe in den vergangenen Monaten auf meine alten Tage viel erfahren und dazugelernt, nicht nur amerikanisches Recht.
Ich hoffe, dass Sie mit meiner Verhandlungsführung, die auch ein kollektiver Lernprozess war, einverstanden gewesen sind.
Bewusst zum Schluss wende ich mich an Sie, meine Herren Rechtsanwälte.
Sie wissen, dass Sie einen großen Teil des Weges, der uns bis hierher geführt hat, entscheidend geprägt haben.
Ich möchte Ihnen,
meinem alten Freund Loyd Cutler,
Professor Newborn,
Roger Witten,
Herrn Weiss,
und Herrn Hausfeld stellvertretend für die anderen danken.
Sie übernehmen jetzt eine noch größere Verantwortung.
Von Ihrem Handeln und Ihrem Einsatz in den nächsten Wochen und Monaten hängt es ab, zu welchem Zeitpunkt die alten Menschen die ersten Zahlungen erhalten.
Sie haben in vielen Phasen dieser Verhandlungen Intelligenz und Augenmaß bewiesen.
Unser Ziel ist und bleibt es, noch in diesem Jahr die ersten Zahlungen an die Partnerorganisationen zu leisten und diese in Stand zu setzen, noch in diesem Jahr die Auszahlungen an die Opfer zu beginnen.
Vielen Dank