Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 12.03.2009

Untertitel: In seiner Rede zum Branchenhearing Film in Potsdam-Babelsberg ging Kulturstaatsminister Bernd Neumann unter anderem auf die Wichtigkeit der Filmförderung unddie derzeitge Klage der Kinobetreiber beim Bundesverfassungsgericht ein, wies auf die Entwicklung des Filmstandortes Deutschland hin, und sprach die Themen Digitalisierung und Urheberrechtsverletzungen an.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/03/2009-03-12-neumann-branchenhearing-film,layoutVariant=Druckansicht.html


Es giltdas gesprochene Wort. -

ich begrüße Sie im Namen der Bundesregierung herzlich zum Branchenhearing Film der Initiative "Kultur- und Kreativwirtschaft" hier in der neuen Metropolis-Halle der Filmstudios Babelsberg! Der klangvolle Name steht für die große Filmtradition am Standort Babelsberg. Mit modernster Technik ausgestattet, symbolisiert die Metropolis-Halle aber auch den wieder erstarkten Filmstandort Deutschland insgesamt. Und sie führt uns vor Augen, dass Filme wegen des erheblichen technischen Produktionsaufwandes immer auch kostspielige Investitionen erfordern. Der Film ist eben in ganz besonderem Maße Wirtschaftsgutund Kulturgut zugleich.

Der Film liegt mir nicht erst am Herzen, seitdem ich Staatsminister für Kultur- und Medien bin. Aber seit ich dieses Amt bekleide, kann ich mich besonders wirkungsvoll für die Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Förderung des Films einsetzen. Wirtschaftspolitik und Kulturpolitik liegen gerade beim Film eng beieinander. Darum ist das heutige Branchenhearing Filmwirtschaft ein so bedeutender Teil der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft, die mein Haus seit etwa einem Jahr gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie koordiniert.

Wir laden Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft ein, nicht um geschönte Berichte oder offizielle Verbandsstatements zu hören, sondern um mehr über die Situation ihrer Branchen zu erfahren. Und wir werden den Worten Taten folgen lassen, um Ihnen zu helfen, die Potenziale Ihrer Branche optimal zu entwickeln. Im Juni dieses Jahres werde ich gemeinsam mit Bundesminister zu Guttenberg eine erste Bilanz unserer Initiative ziehen.

Die Filmwirtschaft nimmt dabei eine Schlüsselposition ein: Im letzten Jahr waren 5 % aller Erwerbstätigen der Kultur- und Kreativwirtschaft im Filmbereich beschäftigt ( 56.000 ) . Das Umsatzvolumen der Filmwirtschaft lag bei rund 7, 6Milliarden Euro. Die Zahl der Unternehmen steigt seit Jahren. Ein Teil dieses Erfolgs ist auch der Förderpolitik des Bundes geschuldet. Sie ruht auf drei Säulen: der "BKM-Filmförderung", dem Deutschen Filmförderfonds und dem Filmförderungsgesetz als "Geschäftsgrundlage" der FFA.

Die jüngste Novelle des FFG ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten. Ihr gingen zahlreiche Gespräche mit allen Beteiligten voraus. Das FFG unterstützt als ein Selbsthilfegesetz der Branche den gesamten Prozess der Entstehung und Verwertung von Filmen vom Drehbuch über die Herstellung des Films bis zur Auswertung im Kino und in den anderen Verwertungsstufen.

Nun haben die Kinobetreiber beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Zahlungspflicht geklagt. Das Leipziger Gericht hat befunden, die Abgaberegelung sei deshalb verfassungswidrig, weil im Gesetz kein Maßstab für die Höhe der Beiträge der Fernsehveranstalter festgelegt sei. Das Thema ist nicht neu. Doch gegen die gesetzliche Festlegung des Abgabenmaßstabes sprachen bislang verfassungsrechtliche Bedenken sowohl der Länder als auch der Fernsehveranstalter. Wenn die Begründung des Urteils vorliegt, werden wir prüfen, ob eine vorzeitige gesetzliche Änderung möglich ist, sodass sich die Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit dieser Frage erübrigt.

Ich möchte jedoch festhalten: Die Fernsehveranstalter, die Produktionswirtschaft, die Videoindustrie, die Verleiher und zumindest ein Teil der Kinobetreiber stehen zum FFG-Modell der Filmförderung.

Es sollte dringend ein Weg zurück zum solidarischen Handeln gefunden werden, das die gesamte Branche bisher getragen und auch voran gebracht hat! Der Weg des Rechtsstreits ist dabei sicher nicht der geeignete. Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Auffassung vertreten hat, dass das System der Abgaben sowohl zwischen den Zahlergruppen, wie auch innerhalb dieser Gruppen rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Die zweite Säule, die "BKM-Filmförderung" hat vor allem die kulturelle und künstlerische Vielfalt im Blick. Durch die Vergabe zahlreicher Preise werden herausragende Leistungen gewürdigt. Morgen früh werden wir im ZDF Morgenmagazin die Nominierungen für den Deutschen Filmpreis bekannt geben. Im Jahr 2008 hat mein Haus 33 Millionen Euro für Drehbuchförderung, Produktion, Verleih und Abspiel bereitgestellt.

In den vergangenen Jahren haben wir hier einiges bewegt, indem wir beispielsweise die Drehbuchförderung stark verbessert haben.

Das Erfolgsmodell der Filmförderung ist jedoch der Deutsche Filmförderfonds. Mit dem DFFF ist uns nicht nur gelungen, deutsche Produzenten zu stärken und deutsche Produktionen im Lande zu halten. Wir konnten auch zahlreiche internationale Produktionen hierher holen. Deutschland gehört heute wieder zu den international gefragtesten Produktionsadressen. Seit Einführung des DFFF vor gut zwei Jahren bis heute hat die Bundesregierung etwa 127 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit konnten allein in Deutschland Investitionen von über 800Millionen Euro ausgelöst werden. Der DFFF hat dazu beigetragen, dass die durchschnittlichen Produktionsetats auf rund 4, 3Millionen Euro im Jahr 2007 angestiegen sind.

Das eröffnet auch neue qualitative Gestaltungsspielräume für die Filmemacher. Zudem gehen immer mehr Produzenten internationale Allianzen ein. Die Gesamtzahl der internationalen Koproduktionen hat sich durch die Förderung des DFFF in kurzer Zeit verdoppelt. Hier in Babelsberg sage ich das gerne: Besonders die Produzenten und filmtechnischen Betriebe gehören zu den Nutznießern des DFFF."Der Vorleser","The International" oder die "Operation Walküre" alle sind hier entstanden!

Die Kooperation mit internationalen Partnern ist entscheidend für die Entwicklung des Filmstandortes Deutschland. Aus dem gemeinsamen Produktionsalltag entsteht ein Wissenstransfer, neue internationale Kontakte und Netzwerke, alles dies ist wichtig für die Weiterentwicklung. Zudem verteilen sich in internationalen Koproduktionen die unternehmerischen Risiken breiter. Das ist in der gegenwärtigen Finanzkrise wichtiger denn je. Und, last but not least: Internationale Koproduktionen sind eine besondere Chance für kreative Talente aus Deutschland, sich auch international einen Namen zu machen. Wir werden den DFFF weiterentwickeln und an die Anforderungen der Filmwirtschaft anpassen. Beispielsweise sollen künftig die Honorare deutscher Drehbuchautoren als Herstellungskosten anerkannt werden. Es ist für mich eine besondere Freude, dass es uns gelungen ist, den ursprünglich auf drei Jahre befristeten Fonds um weitere drei Jahre bis 2012 zu verlängern.

Meine Damen und Herren,

wir haben mit dem DFFF Weichen für die Filmwirtschaft gestellt. Aber der Bund kann nicht bei allen Zukunftsfragen die Marschrichtung vorgeben.

Beim zentralen Thema Digitalisierung ist zunächst einmal die Branche selbst gefordert. Leider ist es bisher trotz vielfacher Ankündigungen den Verleihern und den Kinos nicht gelungen, ein abgestimmtes Konzept vorzulegen, das verrät, wie sich die Branche in technischer und finanzieller Hinsicht die Durchführung einer flächendeckenden Digitalisierung vorstellt. Erst dann wäre es Bund und Ländern möglich, darüber zu entscheiden, ob und wie wir diesen Prozess unterstützen können. Eines möchte ich unmissverständlich sagen: Dieses Konzept muss Branchensolidarität erkennen lassen. Es geht nicht, dass es auf dem Weg der Einführung einer Technik, die mehr Vielfalt verspricht, zu weniger Vielfalt in unserer Kinolandschaft kommt.

Es geht beim Thema Digitalisierung aber um viel mehr als den Kinosaal. Die digitale Technik bietet zum Beispiel erhebliche finanzielle Einsparpotentiale in der Produktion.

Außerdem entstehen neue Verwertungs- und damit Einnahmemöglichkeiten. Seit der Umstellung von Videokassetten auf DVD hat die Bedeutung der Videoindustrie für die Auswertung von Filmen stark zugenommen. Derzeit wird der Abruf von Filmen im Internet immer wichtiger, denn damit erwachsen neue Einnahmemöglichkeiten. Zugleich wird aber die illegale Nutzung von Filmen erleichtert. Denn überall, wo digitale Daten zur Verfügung stehen, sind leider auch fast automatisch die Urheberrechte in Gefahr. Das betrifft nicht nur die Filmwirtschaft, sondern auch die Musikindustrie und wird, mit der Einführung des E-Books, auch die Verlage beschäftigen müssen.

Trotz manch anders lautender Aussage, wie beispielsweise die einer neuen Studie aus den Niederlanden, bin ich davon überzeugt, dass Internetpiraterie vielen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft bedeutenden Schaden zufügt. Das geht auf Kosten wichtiger Investitionen und gefährdet Arbeitsplätze. Beim Schutz von Urheberrechten geht es aber nicht nur ums Geld, sondern auch um Achtung und Anerkennung. Was bedeutet es mental, wenn meine Leistung als Künstler, als Kreativer, im wahrsten Sinn des Wortes nichts mehr wert ist?

Ich begrüße es, dass privatwirtschaftliche Initiativen wie die GVU ( Gesellschaft für die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen ) bei der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen eine wichtige Rolle spielen. Doch Erfolge bei einem so sensiblen Bereich brauchen viele verschiedene Ansätze.

Darum hoffe ich, dass die Gespräche, die das Bundesjustizministerium und das Wirtschaftministerium derzeit mit der Kreativwirtschaft führen, zu tragfähigen Ergebnissen kommen.

Die Verbesserung der Arbeitssituation von Künstlern und Kreativen ist für mich ein ganz zentrales Thema. Das gilt natürlich auch für den Film. Es ist mir bewusst, dass die soziale Lage der Filmschaffenden zum Teil schwierig ist. Viele Filmschaffende haben erfahren müssen, dass sie zwar ihre Beiträge zur Solidargemeinschaft leisten, faktisch aber keine Chance haben, die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld zu erfüllen. Dies hängt im Wesentlichen mit den besonderen Produktionsbedingungen der Filmwirtschaft zusammen. Ich trete gegenüber dem federführenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales nachdrücklich dafür ein, eine praktikable Lösung für die Rahmenfristproblematik zu finden.

Für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Regisseure setzen wir beim Deutschen Filmpreis ein Zeichen. Zukünftig soll auch der Regisseur von den Fördermitteln profitieren. Bisher kamen die Preisgelder für die Herstellung eines neuen Films ausschließlich dem Produzenten des prämierten Films zugute. Ab dem nächsten Jahr sollen zehn Prozent der Filmpreisprämie an einen vom Regisseur bestimmten Produzenten ausgezahlt werden. Hierdurch wird die künstlerische Gesamtverantwortung des Regisseurs für den Film gewürdigt. Zudem soll es den Regisseuren mit Hilfe der Förderung erleichtert werden, schneller eine Anschlussbeschäftigung zu finden.

Meine Damen und Herren,

Bund und Länder haben ein differenziertes Fördersystem geschaffen, das auf die besonderen Bedürfnisse der Filmwirtschaft ausgerichtet ist.

Dieses Fördersystem wird den Unternehmen der Filmwirtschaft auch dabei helfen, die besonderen Herausforderungen der internationalen Finanzmarktkrise zu bewältigen. Doch bei allen Fördersystemen und Finanzhilfen sollten wir eines nicht vergessen: Über Erfolg und Misserfolg eines Films entscheidet das Publikum niemand sonst. Die besten Garanten für den Erfolg Ihrer Branche sind und bleiben gute Filme!

Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Teilnahme am Branchenhearing Filmwirtschaft. Wir brauchen Diskussionen und interessante, weiterführende Perspektiven. So, wie ich die Branche kenne, wird an guten vielleicht manchmal auch kostspieligen Vorschlägen und Ideen kein Mangel herrschen!