Redner(in): Angela Merkel
Datum: 20.05.2009
Untertitel: in Büdelsdorf
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/05/2009-05-20-rede-merkel-unternehmertag,layoutVariant=Druckansicht.html
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Peter Harry Carstensen,
sehr geehrter Herr Wachholtz,
Herr Professor Driftmann,
Herr Landtagspräsident,
liebe Abgeordnete aus dem Bundestag und dem Landtag,
Frau Oberbürgermeisterin,
lieber Herr Ahlmann
und vor allen Dingen Sie, die beeindruckend vielen Vertreter der Wirtschaft aus Hamburg und Schleswig-Holstein,
auch mir ist schon bekannt, dass Büdelsdorf nicht nur der Austragungsort des heutigen Unternehmertages, sondern eine lebens- und liebenswerte Stadt ist, die einen guten Ruf unter Künstlern hat. Unter dem Stichwort "Nord Art" scheint sich das Ganze in ein Erlebnis von Ideenreichtum und Bürgersinn zu verwandeln.
In dieser Tradition durfte ich hier eben auf dem Gelände der Firma, genauer gesagt im Skulpturenpark, bereits einen Baum pflanzen. Die Firma Fielmann hat ihren millionsten Baum gepflanzt ein beachtliches Beispiel für nachhaltiges Wirtschaften. Es war immerhin eine mehr als 50Jahre alte Eiche. Die Frage, wie diese Eiche hierher gekommen ist, hat mich dabei mindestens so sehr interessiert wie die Frage, wo sie stehen soll. Es schien eine logistische Meisterleistung zu sein. Jetzt wünschen wir der Eiche alles Gute. Sie soll ein Beispiel für die Wirtschaft hier im Norden sein, der wir ebenfalls alles Gute wünschen.
Herr Wachholtz ist heute einstimmig zum Nachfolger von Herrn Professor Driftmann gewählt worden. Ich gratuliere Ihnen und wünsche Ihnen alles Gute, eine geschickte Hand, die notwendige Demut vor dem Ideenreichtum der Ihnen Anvertrauten und die notwendige Durchsetzungskraft, wenn es darum geht, dass der Norden mit einer Stimme spricht.
Ich bedanke mich natürlich auch bei Herrn Professor Driftmann, insbesondere dafür, dass er sich nach viel Arbeit hier im Norden dazu bereit erklärt hat, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zu werden. Wir haben bereits ein Gespräch miteinander geführt; ich war bei seiner Einführung dabei. Dass er diese Position übernommen hat, ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Norddeutsche zu Höherem geeignet sind.
Ich will mich hier jetzt nicht in die Diskussion mit Peter Harry Carstensen einmischen, welches Bundesland das schönste ist. Auf jeden Fall sind Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zwei sehr schöne Länder dann hat jeder eben noch seine kleine private Meinung dazu. Die Vielfalt ist jedenfalls etwas, worauf wir stolz sein können.
Die Hansestadt Hamburg ist als starke und selbstbewusste Handelsmetropole und als Medien- und Luftfahrtstandort bekannt. Schleswig-Holstein ist längst eine erfolgreiche Drehscheibe für den Handel zwischen dem Ostseeraum und den Märkten Westeuropas. Branchen wie Biotechnologie, Medizintechnik, regenerative Energien und natürlich die maritime Wirtschaft inklusive guter Wissenschaftsstandorte haben hier ihr Zuhause.
Beide Länder sind stark in die globale Wirtschaft eingebunden. Deshalb geht auch die internationale Krise nicht völlig an den hiesigen Standorten vorbei. Wir wissen, dass bestimmte Bereiche in besonderer Weise von der Wirtschaftskrise betroffen sind. Das gilt zum Beispiel für die maritime Wirtschaft, die durchaus ein Stück Symbolcharakter für die gesamte Region besitzt. Die Werften sind von sinkenden Absatzzahlen neuer Schiffe und die Reeder von sinkenden Frachtraten und Tonnageüberkapazitäten betroffen, die Umsatzzahlen der Häfen sinken. All das sind Indikatoren dafür, dass wir eine erhebliche Herausforderung miteinander zu bewältigen haben.
Am Samstag wird unsere Bundesrepublik 60Jahre alt. Auf ein Jahr gesehen belief sich der größte Wirtschaftsabschwung, den wir in diesen 60Jahren hatten, auf rund 0, 9Prozent. Die Prognosen für dieses Jahr stellen uns ein Minus von sechsProzent in Aussicht. Das zeigt die Größe und auch die Einmaligkeit dieser Herausforderung. Wir werden in einer großen Kraftanstrengung alles daransetzen müssen, dass wir aus dieser Krise nicht nur irgendwie herauskommen, sondern dass wir, wenn möglich, mit Blick auf unsere Stellung im weltweiten Wettbewerb gestärkt herauskommen. So, wie eben schon von Herrn Wachholtz und auch von Peter Harry Carstensen gesagt wurde, wird das nicht gehen, indem jeder vor sich hin werkelt, sondern das wird nur gehen, wenn wir in dieser Phase ganz eng zusammenarbeiten.
Diese Bundesrepublik Deutschland ist stark geworden, weil sie dem Gedanken der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet ist nicht nur auf dem Papier, sondern im täglichen Leben. Unser Grundgesetz, das der Ausgangspunkt des 60. Geburtstags der Bundesrepublik Deutschland ist, weist darauf hin, dass Eigentum verpflichtet. Daraus ist eine Verantwortungskultur erwachsen, die sich auch und gerade jetzt in dieser Krise beweist. Dafür möchte ich ein herzliches Dankeschön sagen.
Ich kenne viele, viele Beispiele von mittelständischen Unternehmen, aber auch von Managern, die im Augenblick Entscheidungen treffen, die im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch der Tradition der eigenen Unternehmen sind, die nicht nur auf kurzfristige Perspektiven gucken, sondern sich überlegen: Was können wir mittel- und langfristig wagen? Ich weiß, dass das vielen schlaflose Nächte bereitet. Natürlich stellen wir bestimmte Instrumente wie zum Beispiel die Kurzarbeit zur Verfügung. Trotzdem muss immer wieder die unternehmerische Entscheidung getroffen werden: Kann ich das wagen, ist das verantwortbar? Deshalb richte ich ein herzliches Dankeschön an jeden, der alles daransetzt, Arbeitsplätze zu erhalten und Brücken in eine bessere Zukunft zu bauen. Das ist nicht nur für das eigene Unternehmen richtig, sondern das ist auch gut für unser Land, für die Bundesrepublik Deutschland.
Nun gibt es nach den uns jetzt zur Verfügung stehenden Indikatoren Anzeichen dafür, dass wir die Talsohle bald erreicht haben könnten. Uns muss natürlich bewusst sein, dass wir die Krise damit noch nicht überwunden haben. Vielmehr haben wir dann vielleicht, was das Wachstum anbelangt, den tiefsten Punkt erreicht. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt aber werden noch später kommen. Wir müssen dann alles daransetzen, dass wir möglichst schnell aus dieser Krise wieder herauskommen. Das heißt, im Augenblick geht es um die Frage: Wie wirkt das, das wir getan haben, wie können wir die Konjunkturpakete nutzen und wo muss vielleicht noch nachjustiert werden? Ein drittes Konjunkturprogramm steht derzeit aber nicht zur Debatte. Wenn der weltweite Wettlauf wieder an Schwung gewinnt, werden wir schauen müssen, möglichst schnell wieder aus diesem Tal herauszukommen.
Das Schönste wäre natürlich, es hätte keine Krise gegeben, ohne Frage. Das Zweitschönste wäre, der Krisenverlauf hätte eine V-Form, sodass man genauso schnell wieder herauskommt, wie man hineingekommen ist. Dafür spricht allerdings relativ wenig. Die Standortfaktoren Deutschlands werden sich daher noch einmal beweisen müssen. Deshalb werden uns Themen wie zum Beispiel der Bürokratieabbau in den nächsten Jahren noch sehr stark beschäftigen.
Die Krise ist entstanden ich will das hier nicht lange ausbreiten, weil es weltweit zu viele Bereiche gegeben hat, die sich nicht den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet gefühlt haben. Im 20. Jahr nach dem Mauerfall darf ich vielleicht auch noch einmal sagen, dass ich mir nicht vorgestellt hatte, dass plötzlich die Finanzwirtschaft vor mir steht und sagt: Hier kann nur noch einer helfen, und das ist der Staat. Nach Jahren ziemlichen Hochmuts keine Regeln, keine Transparenz; nur an die Freiheit muss man glauben, nach dem Motto: Lasst uns nur machen, es wird alles gut haben plötzlich weltweit Banker, Hedgefonds-Manager und andere gesagt: Ihr, der Staat, müsst verhindern, dass das Ganze kollabiert. Das ist ein Gefühl, das ich nicht wieder erleben möchte.
Deshalb werde ich alles dafür tun, dass wir international Vorsorge dafür treffen, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt. Denn die Leidtragenden sind ganz andere als die, die auf den Finanzmärkten agiert haben. Sie, die Mittelständler oder Unternehmer, die Sie dort tätig sind, was man Realwirtschaft nennt, haben sowieso schon mit Staunen zugesehen, dass man, obwohl in der Realwirtschaft für jedes Produkt mindestens zehn Normen vorhanden sind, auf Finanzmärkten so operieren konnte, dass nicht einmal mehr die Kreatoren der Produkte wussten, wie ihre eigenen Produkte aussahen. Dass das nicht richtig sein kann, sagt einem eigentlich der gesunde Menschenverstand. Ich glaube, das war auch nur möglich, weil in Verbindung mit den Möglichkeiten des Internets und der Datenverarbeitung in einem unglaublichen Tempo neue Produkte entstanden sind, wobei es praktisch keine kritische Öffentlichkeit gab, die nicht selber an diesen Produkten verdient hat. Das darf sich nicht wiederholen; dafür muss die Politik Sorge tragen.
Wir Politiker werden unentwegt gefragt: Ihr hattet so viele Milliarden für die Banken, was tut ihr jetzt für den Mittelstand? Darauf antworte ich immer das tue ich auch hier und heute wieder: Wir haben diese Milliarden nicht für die Banken an sich gegeben und schon gar nicht für die Banker, sondern wir haben sie dafür gegeben, dass unsere Volkswirtschaften nicht kollabieren und dass die Spareinlagen sicher sind. Ich gehe sogar so weit, zu sagen: Unser Handeln war der erste Schritt für ein Mittelstandsprogramm; ohne unser Handeln wäre vieles schwieriger geworden.
Wir sind bei den Banken noch nicht über den Berg. Die Banken sind sozusagen gerettet, aber noch nicht wieder voll leistungsfähig. Wir haben noch vieles zu tun, um wieder eine voll funktionierende Kreditwirtschaft zu bekommen. Wir haben vor allen Dingen viel zu tun, um was ganz schwierig ist den Rückzug vieler internationaler Banken aus Deutschland zu kompensieren. Diese Banken sind im Augenblick sehr mit sich selbst beschäftigt oder, wie zum Beispiel britische Banken, verstaatlicht, sodass sie sich auf dem deutschen Markt überhaupt nicht mehr betätigen. In diesem Zusammenhang ist natürlich wichtig, dass auch unsere Landesbanken wieder handlungsfähig werden, denn allein mit Sparkassen und ohne größere Banken, die auch überregional agieren, werden wir nicht klarkommen. Man kann den Blick nach hinten richten, aber man muss ihn jetzt vor allen Dingen nach vorne richten. In diesem Sinne versuchen Bund und Länder auch, in einem konstruktiven Dialog miteinander zu arbeiten.
Die Kreditvergabe an Unternehmen hat also eine Schlüsselstellung. Wir arbeiten auf der europäischen Ebene daran, im Bereich der Basel-II-Vorschriften eine Lockerung zu bekommen, damit wir die prozyklische Wirkung der Kreditenge nicht noch verstärken. Die Auswirkungen werden in den nächsten Monaten ja noch kommen; beim Rating werden bestimmte Branchen niedriger eingestuft, sodass die Bedingungen für die Kreditvergabe immer weiter erschwert werden. Wir müssen also versuchen, diese prozyklischen Effekte zu dämpfen, zumal vor dem Hintergrund das sage ich auch meinen europäischen Kollegen immer wieder, dass die Amerikaner BaselII nie eingeführt haben, obwohl wir es zusammen mit ihnen verhandelt haben. Die brauchen sich heute um so etwas nicht zu kümmern und haben noch viele andere Lockerungen dazu gegeben. Wenn wir den Wettlauf aus der Krise gewinnen wollen, dürfen wir uns nicht zusätzliche Steine ans Bein binden, sondern müssen alles tun, damit das Schiff wieder flott wird und endlich wieder Fahrt aufnimmt. Dafür muss man aber ein verdammt dickes Brett bohren und muss in diesem oder jenen Ausschuss andere Länder überzeugen. Wir sind jedenfalls dabei, das zu tun.
Wir werden auch daran arbeiten, eine Möglichkeit zur Auslagerung von toxischen Papieren aus den Banken in eine so genannte Bad Bank zu schaffen, um Zeit zu gewinnen, Banken wieder schneller zur Arbeit zu bewegen und vor allen Dingen den permanenten, kontinuierlichen Abschreibungsprozess zu stoppen, der die Banken so viel Kraft kostet. Wir werden das allerdings auf eine Art und Weise tun, die den Steuerzahler möglichst wenig belastet. Die Aufgabe besteht dabei im Wesentlichen darin, den Banken Zeit zu geben und die Fristen zu strecken, in denen sie sich der toxischen Produkte entledigen können. Wir müssen das allerdings so gestalten, dass die Banken von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen. Das ist natürlich das Spannungsfeld, in dem man sich befindet. Ich vergleiche das manchmal mit einer Situation, in der die Banken sozusagen nicht mehr in der Intensivstation sind, in der sie aber die Rehabilitationsphase noch nicht überstanden haben. Wir müssen sie aber wieder arbeitsfähig machen. Deshalb muss dieser Schritt als Teil der Krisenbewältigung genauso gegangen werden wie der vorherige Schritt.
Wir müssen Ihnen in der Wirtschaft natürlich die Chance geben, vernünftig zu arbeiten. Das heißt auf der einen Seite deshalb habe ich über BaselII gesprochen, dass Sie Kredite bekommen. Auf der anderen Seite haben wir ein Bürgschaftsprogramm aufgelegt. Hierbei will ich noch einmal betonen: Alle unsere Maßnahmen in den Konjunkturpaketen sind darauf ausgerichtet, dass Arbeitsplätze geschützt werden. Da unterscheiden wir nicht zwischen einem Unternehmen, das zwei Mitarbeiter hat, und einem Unternehmen, das 20.000 oder 200. 000Mitarbeiter hat. Jeder kann von allen Möglichkeiten Gebrauch machen. Unser erstes Bürgschaftsprogramm war im Übrigen ganz ausdrücklich ein Mittelstandsprogramm.
Auch die Kriterien, nach denen entschieden wird, sind für alle die gleichen. Wir haben einen Bürgschaftsausschuss, der sich als erstes immer mit der Frage befasst: War das Unternehmen im Sommer 2008 ein gesundes Unternehmen und ist die Situation des Unternehmens wirklich Folge der Krise oder versucht man hier Unternehmensschäden und Unternehmensdefizite, die mit der Krise überhaupt nichts zu tun haben, mit neuen Instrumenten zu begleichen? Das zu beurteilen, kann im Einzelfall natürlich schwierig sein. Aber ich glaube, im Großen und Ganzen kann man diese Unterscheidung durchaus vornehmen.
Im Hinblick auf dieses Bürgschaftsprogramm wird jetzt oft gesagt: Na ja, die Banken könnten doch eigentlich Kredite geben jetzt schieben sie alles auf den Staat. Sie dürfen aber nicht vergessen: Wenn wir einen 115Milliarden Euro großen Bürgschaftsrahmen haben, dann erweitert das natürlich auch die Spielräume der Banken zur Kreditvergabe. Denn natürlich ist die Lehre aus der Krise auch, dass nicht mehr ganz so locker Kredite vergeben werden dürfen wie früher. Die Banken sollen schließlich auch etwas aus der Krise lernen. Und was hätten denn Banken gelernt, die in Schwierigkeiten gekommen sind nehmen wir jetzt einmal die Commerzbank und die Dresdner Bank; von den Landesbanken möchte ich jetzt gar nicht weiter reden, wenn sie einfach so weitermachen würden wie vorher? Wir müssen also aufpassen, dass wir den Banken nicht unlösbare Bedingungen stellen. Auf der einen Seite sollen sie gelernt haben, auf der anderen Seite sollen sie Kredite geben wie früher das passt nicht zusammen.
Deshalb ist zum Beispiel auch der derzeitige Ruf, man müsste jetzt die einzelnen Landesbanken zu einer deutschen Landesbank zusammenführen, ein sehr zweischneidiger Ruf. Denn dazu müsste man das Kreditvolumen, ähnlich wie bei der Fusion von Dresdner Bank und Commerzbank internationale Banken tun sich schwer, noch einmal verengen, wodurch sich die Möglichkeiten, in Deutschland Kredite zu bekommen, natürlich noch weiter verschlechtern würden. Das heißt, wir müssen alles, was wir jetzt machen, klug zeitlich staffeln, damit wir uns nicht sozusagen selber einen Strick um den Hals drehen.
Für Sie ist wichtig, dass wir Ihnen auch andere prozyklische Effekte möglichst nehmen. Deshalb werden wir noch kleinere Veränderungen bei der Unternehmensteuerreform vornehmen, denn sowohl die Zinsschranke als auch die Mantelverkäufe wirken prozyklisch. Ich sage aber auch, dass das Thema nach der Bundestagswahl sicherlich noch einmal aufgerufen wird.
Wir haben im Bereich der Infrastruktur vieles gemacht Peter Harry Carstensen hat auf einige segensreiche Effekte im Norden hingewiesen. Verkehrsprojekte können jetzt schneller umgesetzt werden. Ich glaube, wir haben seitens der Bundesregierung auch unseren Beitrag für die Fehmarnbeltquerung geleistet. Als Abgeordnete des Wahlkreises Stralsund-Rügen-Nordvorpommern komme ich damit bei mir zu Hause nicht so groß raus wie bei Ihnen. Aber Sie scheinen sich ja darüber zu freuen, dass es klappt.
Wir haben in einer, wie ich finde, beispiellosen Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen ein Infrastrukturprogramm auf den Weg gebracht, das für das Handwerk und die mittelständische Industrie von größter Bedeutung ist und das uns gleichzeitig Investitionen in die Zukunft ermöglicht. Wir haben uns geeinigt, dass zwei Drittel der 12Milliarden Euro, die der Bund zur Verfügung stellt, in Bildung und Erziehung gehen sollen. Ich glaube, das ist eine richtige Weichenstellung für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Wir waren uns einig, dass diejenigen, die am besten wissen, wo etwas getan werden kann, die Kommunen sind, und haben deshalb den Mechanismus über die Länder auch für die Kommunen gewählt. Man kann in dieser Woche in einem Artikel einer großen Illustrierten nachlesen, dass der Autor selbst verblüfft ist, dass er nicht viel zu meckern findet und dass das eigentlich eine ganz gute Sache ist. Das kommt in Deutschland ja selten vor. Aber wenn es so ist, kann man um die Wahrheit auch nicht einfach einen großen Bogen machen, wenn man den inneren Werten der Bundesrepublik entsprechen will.
Es hat sich in diesen Krisenzeiten also gezeigt: Die Politik ist handlungsfähig. Es ist, wie ich finde, ein sehr beruhigendes Gefühl, dass wir eigentlich innerhalb einer Woche einen Bankenrettungsschirm aufgespannt haben und dass wir in sehr kurzer Zeit das gerade genannte Infrastrukturprogramm samt Verwaltungsvereinbarung beschlossen haben. Es ist richtig, dass man dabei auch aufpassen muss. Aber insgesamt hat hier wirklich der gemeinsame Wille zum Überwinden der Krise dominiert.
Von der Kurzarbeit habe ich bereits gesprochen. Wir haben heute im Kabinett die Verlängerung auf 24Monate beschlossen und haben einem Wunsch der Arbeitgeber entsprechend auch gesagt, dass wir nach sechs Monaten die Sozialversicherungsbeiträge voll übernehmen. Das ist nicht billig. Ich glaube aber, das ist eine gute Möglichkeit, eine Brücke zu bauen.
Wir haben auch Wert darauf gelegt, dass unser Konjunkturprogramm in die Zukunft weist, indem wir zum Beispiel die erneuerbaren Energien fördern und indem wir neue Antriebstechnologien fördern. Ich glaube, hier wird sich dann auch zeigen, dass die Bundesrepublik Deutschland stärker aus der Krise herauskommen kann, als sie hineingegangen ist.
Unterschiedliches Echo hat die Umweltprämie für Altautos, die so genannte Abwrackprämie, hervorgerufen. Da ist man, sofern man nicht Autozulieferer ist, im Norden wahrscheinlich etwas kritischer als im Süden. Wir haben jetzt aber einen Punkt erreicht, an dem wir über die Bundesagentur für Arbeit sehr gut sehen können, wie unterschiedlich die Bundesländer von der Krise betroffen sind. Daher können wir sagen, dass die südlichen Bundesländer, in denen sehr große Exportbetriebe tätig sind, in ganz besonderer Weise betroffen sind.
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass wir die Krise meistern müssen. Wir wissen vor allen Dingen auch, dass wir in Europa darauf achten müssen, dass wir jetzt keine zusätzlichen Belastungen auf die Wirtschaft zukommen lassen. Bei den Feinverhandlungen zu den CO2 -Emissionen und zum Klimaprogramm wird die Frage, welche Industriebereiche nun wirklich ausgenommen sind, eine große Rolle spielen. Ich darf Ihnen zusichern ich habe darauf schon im Dezember geachtet: Wir werden aufpassen, dass Klimaschutz und Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland zusammengehen. Es hat keinen Sinn, wenn Europa zwar nur 15Prozent der weltweiten CO2 -Emissionen hat, wir aber gleichzeitig unsere Arbeitsplätze in der Stahl- und Metallindustrie, wo wir jetzt große Probleme haben, zerstören, während andere Länder einfach so weitermachen wie bisher. Denn eines ist auch richtig: Das Weltklima kann nicht gerettet werden, wenn nicht alle mitmachen. Der Klimaschutz ist also neben den internationalen Finanzmärkten, für die wir internationale Regeln brauchen, ein zweites Beispiel dafür, dass heute ein Land alleine die Probleme der Welt nicht mehr lösen kann. Sie können sich auf die Bundesregierung verlassen, dass wir hierbei vernünftig vorgehen.
Meine Damen und Herren, auch in Europa spielt das Thema Bürokratieabbau eine zunehmend wichtige Rolle. Der Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat Edmund Stoiber gebeten, eine Expertengruppe zu leiten. Der Rat der Staats- und Regierungschefs hat dafür Sorge getragen, dass wir das Ziel festgelegt haben, 25Prozent der Berichts- und Statistikpflichten der europäischen Richtlinien in den nächsten Jahren abzuschaffen. Man ist dabei schon auf einem guten Weg, genauso wie wir mit unserem Normenkontrollrat. Ich habe im Zusammenhang mit der Arbeit des Normenkontrollrats und der Abschaffung von Statistik- und Berichtspflichten aber auch eine herzliche Bitte: Geben Sie uns aus Ihren Verbänden heraus auch immer wieder Beispiele, was genau wir tun können, was schwierig ist und in welchen Bereichen Berichte sinnlos sind oft müssen Sie ja mehrfach Berichte und Statistiken führen. Allein aus dem politischen Blickwinkel können wir das in allen Verästelungen gar nicht überblicken. Das heißt, wir sind da auch auf Sie angewiesen.
Wir wenden etwa ein Drittel des Umfangs unseres Konjunkturprogramms für Investitionen auf, ein weiteres Drittel geht in Bürgschaften und Kurzarbeit und das letzte Drittel geht in Entlastung. Ich will an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass die Bundesregierung Wort gehalten hat: Die Lohnzusatzkosten werden ab 1. Juli inklusive des Arbeitnehmerbeitrags von 0, 9Prozent für die Gesundheit deutlich unter 40Prozent liegen. Die Lohnzusatzkosten lagen vorher deutlich über 40Prozent. Auch mit Blick auf die kalte Progression und die Erhöhung des Freibetrags im Steuersystem werden wir zum 1. Juli 2009 einen ersten Schritt gehen.
Und schon jetzt haben wir einen weiteren Schritt zum 1. Januar 2010 verabredet. Zum 1. Januar 2010 wird ein weiteres Gesetz in Kraft treten, bei dem wir jetzt in den Schlussberatungen sind und das für die Bundesrepublik Deutschland eine steuerliche Entlastung von etwa 9, 5Milliarden Euro im Einkommensteuerbereich bedeuten wird, und zwar durch eine verbesserte steuerliche Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen. Das ist ein vom Bundesverfassungsgericht verlangtes Vorgehen, also die Umsetzung eines Gerichtsurteils, aber es bedeutet gerade für den Mittelstand eine erhebliche Entlastung. Wir führen ja manchmal eine fiktive Diskussion darüber, ob wir uns Steuersenkungen leisten können oder nicht. Jedenfalls haben wir zum 1. Januar 2010 einen Jahresbeginn mit einer beträchtlichen Steuerentlastung, wie wir sie gerade im Einkommensteuerbereich viele Jahre nicht hatten. Das bitte ich mit zu bedenken, denn gerade die Frage nach Liquidität ist eine ganz wichtige Frage und wird es auch in den nächsten Monaten bleiben.
Meine Damen und Herren, wir sind also in einer Situation, in der wir die Weichen für die Zukunft stellen müssen. Das wird sicherlich auch im Bundestagswahlkampf in den nächsten Monaten eine Rolle spielen. Wir sind aber auch in einer Situation, in der die Bundesregierung und die Große Koalition bereit sind, bis zum Ende dieser Legislaturperiode wirklich ihre Pflicht zu tun. Wir sind handlungsfähig, wir wissen, dass schwierige Monate vor uns liegen, und wir wissen, dass wir das nur miteinander schaffen können.
Deshalb auch meine Bitte zum Schluss: Denken Sie bitte an die Auszubildenden, an die, die jetzt von der Schule kommen. Wir werden in drei, vier oder fünf Jahren ein großes Suchen nach Fachkräften haben. Ich möchte nicht erleben, dass wir uns dann an den Kopf fassen und sagen: Hätten wir doch bloß in den Jahren 2009 und 2010 dies oder das gemacht. Sie alle, die Sie schon einmal Lehrlinge ausgebildet haben, wissen, wie wichtig diese Jahre für die jungen Menschen sind. Davon, ob man nach der Schule einen Einstieg in eine geordnete Berufstätigkeit findet oder ob man jahrelang herumirrt und sein Selbstbewusstsein verliert, kann lebenslang sehr viel abhängen. Ich weiß aber auch, dass die Indikatoren gar nicht so schlecht sind und dass das in der Wirtschaft wirklich mit großem Ernst und großer Aufmerksamkeit betrieben wird. Herr Professor Driftmann, gerade auch Ihnen möchte ich für die bundesweite Dimension ein Dankeschön aussprechen.
Zweitens gibt es diejenigen, die jetzt mit der Ausbildung fertig werden, bei denen man überlegt, ob sie übernommen werden können. Auch für diejenigen ist es ganz wichtig, dass sie die Perspektive nicht verlieren.
Drittens gibt es die Gruppe der Absolventen, gerade im Bereich der technischen Wissenschaften, der Naturwissenschaften, der Ingenieurwissenschaften, der Fachhochschulen. Auch hier ist meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns über Mechanismen nachdenken, wie wir diesen jungen Leuten eine berufliche Perspektive geben. Das Land Baden-Württemberg macht es zum Beispiel so, dass mehr Stellen an Universitäten angeboten werden, die mit Praktika in Unternehmen verbunden sind. Daran beteiligen sich das Land und die Unternehmen also gemeinsam.
Wir haben inzwischen eine junge Generation, die wieder offener für Technik, offener für Ingenieurwissenschaften ist. Diese Generation ist unsere Zukunft. Wenn die jungen Menschen, die wir nun wortreich ermutigt haben, in diesen Bereichen zu studieren, erleben, dass sie anschließend ich habe mir von wirklich dramatischen Zahlen erzählen lassen 200, 500 oder 700Bewerbungen schreiben müssen und deshalb viele zum Schluss ins Ausland abschwirren, dann wäre das fatal für Deutschland. Deshalb gebe ich Ihnen meine Zusage: Wir belasten Sie nicht weiter, sondern entlasten Sie, wo wir können. Sie können Ihrerseits vielleicht zusagen das würde vom Vertrauen zeugen, das wir ineinander haben: Wir kümmern uns um die Menschen, wo immer wir es können gerade auch um die jungen Menschen.
Ich habe in den letzten Monaten erlebt, dass in Deutschland sehr viel Verantwortung gelebt wird. Ich bin dafür sehr dankbar und möchte auch Ihnen allen dafür danken. In diesem Gemeinschaftsgefühl haben wir gute Chancen, diese Krise, auch wenn sie uns hart getroffen hat, zu überstehen. In diesem Sinne haben wir auch gute Chancen, unseren Platz in der Welt nach der Krise sehr selbstbewusst und vielleicht sogar gestärkt wieder zu erobern. Daran zu arbeiten, ist unsere Aufgabe im 61. Jahr der Bundesrepublik Deutschland. Jede Generation hat ihre Herausforderungen. Die einen mussten die Republik 1949 auf Trümmern aufbauen im Rückblick eine gigantische Leistung. 1989 haben wir es geschafft, die Deutsche Einheit Wirklichkeit werden zu lassen; auch wenn immer noch viel zu tun ist unter dem Strich ist das eine gelungene Sache. Deshalb werden wir es auch schaffen, diese Krise als gesamtdeutsche Herausforderung zu bewältigen.
Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit. Herzlichen Dank, dass ich hier sein konnte.