Redner(in): Hans Martin Bury
Datum: 04.08.2000
Anrede: Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Müller, sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/11/15111/multi.htm
ich freue mich, Sie im Namen des Bundeskanzlers willkommen heißen zu dürfen. Er hat mich gebeten, Ihnen seine herzlichen Grüße zu übermitteln.
Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland stehen am Beginn des neuen Jahrhunderts vor großen Herausforderungen, vor der "challenge of change".
Ich werbe dafür, Veränderungen als Chance zu begreifen, als Gestaltungsmöglichkeit. Und ich will, dass wir diese Chance nutzen, damit Deutschland im Rennen um die Spitzenplätze bei Innovation, Wachstum und Beschäftigung aus der Pole-Position startet.
Die Bundesregierung setzt dabei auf einen starken Mittelstand. Denn allen geglückten oder auch weniger geglückten Megafusionen zum Trotz gehört die Zukunft den Smart Companies.
Überschaubaren, flexiblen und dynamischen Einheiten, die vernetzt arbeiten und sich projektbezogen zu virtuellen Konzernen zusammenschließen. Einheiten, die sich in erster Linie durch Schnelligkeit und nicht allein durch Größe auszeichnen.
Nach Maschinenbau, Fahrzeugbau, Elektrotechnik werden voraussichtlich IT, Biotechnologie, möglicherweise Mikrosystemtechnik und - wenn wir gut sind - regenerative Energien dieses Jahrhundert maßgeblich prägen.
Deutschland kann es sich nicht leisten, nur Durchschnitt zu sein in der Nutzung von Internet und Computer und in der Gründung innovativer IT-Unternehmen.
Unser künftiger Rang als eine der führenden Industrie- und Exportnationen hängt auch davon ab, wie wir die Herausforderung beim Übergang in die Informations- und Wissensgesellschaft bewältigen.
Die Bundesregierung unterstützt den Mittelstand intensiv auf dem Weg in die Informationsgesellschaft. Sei es auf dem Zukunftsmarkt E-Commerce, beim Zugang zu Chancenkapital für Technologie- und Dienstleistungsunternehmen oder bei der Berufsausbildung.
Das Leitbild der Bundesregierung ist hierbei der aktivierende Staat.
Er schafft die längst notwendigen Freiräume für Bürger und Unternehmer, hilft den Existenzgründern beim Sprung in die Selbständigkeit und stärkt den expandierenden Mittelständlern bei der Eroberung neuer Märkte den Rücken.
Aufbruchstimmung. Jeder zweite Schüler kann sich heute vorstellen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Doch noch liegt Deutschland bei der Selbständigenquote in Europa auf einem der letzten Tabellenplätze.
Das heißt einerseits, dass sich Besserung abzeichnet. Aber eben auch, dass die Verwirklichung des Ziels der beruflichen Selbständigkeit in Deutschland außergewöhnlich schwer war.
Wenn wir bereit sind, Gleichheit bei den Startbedingungen zu gewährleisten - und nicht im Ergebnis - , wenn wir konsequent Hürden aus dem Weg räumen und denen wieder auf die Beine helfen, die zwischendurch straucheln, dann werden wir in Deutschland die Gründerdynamik forcieren, und damit erhebliche Wachstums- und Beschäftigungspotenziale initiieren.
In der - übrigens sehenswerten - Faust-Inszenierung von Peter Stein hier auf der EXPO heißt es im Vorspiel auf dem Theater: "Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich endlich Taten sehen".
Lange genug sind die Leistungen des Mittelstandes in Sonntagsreden gewürdigt worden. Zu lange waren Sie im Alltag benachteiligt. Das hat sich nun geändert. Wir lassen den Worten Taten folgen:
Wir senken die Steuerbelastung des Mittelstandes bis zum Jahr 2005, verglichen mit der Situation bei Regierungsübernahme, um rund 30 Milliarden DM.
Wir senken die Lohnnebenkosten und werden sie weiter begrenzen.
Wir haben den Marsch in eine immer höhere Staatsverschuldung gestoppt und entlasten damit die Kreditmärkte zugunsten der Privatwirtschaft.
Hinzu kommen zahlreiche Maßnahmen in den Bereichen der Mittelstandsförderung, der Modernisierung der Berufsbildung und des Abbaus überflüssiger Bürokratie.
Diese Maßnahmen werden im Dialog mit den Beteiligten entwickelt - zum Beispiel in den Arbeitsgruppen des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit.
Public-Private-Partnership-Kooperationen wurden in der Vergangenheit auf den Aspekt der gemeinsamen Finanzierung von Projekten reduziert.
Uns geht es um mehr. Gemeinsam mit den Betroffenen, mit Wirtschaft und Gewerkschaften, Unternehmern und Arbeitnehmern definieren wir Ziele und vereinbaren konkrete Realisierungsschritte.
In diesem Sinne werden wir auch das bewährte Instrumentarium der Mittelstandsförderung an neue Anforderungen anpassen.
One-Stop-Shop ( Eine Anlaufstelle, ein Antrag ) , die Bündelung des Angebots, schnellere und einfachere Abwicklung.
Auch die Behörden müssen Informationstechnik nutzen, nicht nur intern, sondern auch zur Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern: Informationen müssen laufen - nicht die Bürger.
Unterstützung bei Forschung und Entwicklung, auf neuen Märkten.
Ich bin zuversichtlich, dass wir mit Tatkraft, Initiative, Erfindungsreichtum und Verantwortung auch die Herausforderungen der nächsten Jahre erfolgreich bestehen werden.
Die EXPO 2000 bietet ein hervorragendes Forum, Erfahrungen und Visionen auszutauschen. Hier hat die Zukunft bereits begonnen. Ich wünsche Ihnen interessante Eindrücke, nützliche Anregungen und viel Erfolg.