Redner(in): Michael Naumann
Datum: 04.08.2000

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/33/15233/multi.htm


ddp: Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller ( CDU ) fordert, dass ARD und ZDF ohne Werbung und Sponsoring auskommen sollen. Er meint, die Informations-Grundversorgung sei auch mit Gebühren finanzierbar. Ist das Ihrer Meinung nach vorstellbar?

Naumann: Offenkundig planen Teile der CDU zum Vorteil des privaten Rundfunks eine Attacke gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Gründe dafür kenne ich nicht. Auch Bayerns Ministerpräsident Stoiber hat neue Vorstellungen zur Finanzierung von ARD und ZDF entwickelt. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind jedoch Werbeeinnahmen noch immer ein finanzielles Standbein. Und gerade der Saarländische Rundfunk wäre wahrscheinlich eine der ersten Anstalten, die unter einer Reform, wie Herr Müller sie sich vorstellt, stark leiden würden.

Neben der herkömmlichen Werbung, gibt es bei ARD und ZDF auch das Sponsoring von Sendungen nach 20 Uhr. Verdrängt dieses immer wieder als "versteckte Werbung" bezeichnete Sponsoring nicht Minderheitenprogramme noch mehr in die Randsendezeiten? Steht dem der öffentliche Auftrag nicht entgegen?

Tatsache ist, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegenwärtig noch auf einer Mischkalkulation aufbauen. Man muss sich vor Augen führen, welche journalistischen Leistungen vor allem im Nachrichtenbereich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Vergleich zu den privaten Sendern bietet. Die Öffentlich-Rechtlichen unterhalten zur Erfüllung ihres Auftrages ein weltweites Netzwerk von Korrespondenten. Ebenso bieten sie Featuresendungen über politische und kulturelle Themen, die unter hohem finanziellem Aufwand entstehen. All dies leisten die privaten Anbieter nicht in gleichem Maße. Im Hinblick auf die Ausstrahlung von Großereignissen, allem voran Sportveranstaltungen, ermöglichen letztlich nur Werbung und Sponsoring eine gesellschaftlich akzeptable Refinanzierung der Übertragungsrechte. Wenn man für die Übertragung von Großereignissen nicht deutliche Gebührenerhöhungen in Kauf nehmen will und die Öffentlich-Rechtlichen sich nicht aus diesem Bereich zurückziehen sollen, sehe ich derzeit zur Mischfinanzierung keine vernünftige Alternative. Natürlich dürfen Werbeeinnahmen und Sponsorengelder nicht dazu führen, dass der Blick auf die Zuschauerquote die gesellschaftliche und kulturelle Verantwortung der Anstalten ins Abseits drängt.

Die Transparenz-Richtline der EU muss nun in deutsches Recht umgesetzt werden. Was ist dabei konkret zu erwarten?

Das ist mit Blick auf den Rundfunk noch nicht ganz entschieden. Die Novelle der Transparenz-Richtlinie ist der Versuch, auf dem Umweg über die Europäische Union liberalistische Vorstellungen im Wettbewerbsrecht Deutschlands durchzusetzen. Die Europäische Kommission versteht die europäische Einigung immer noch nicht politisch-kulturell, sondern eher als den Weg einer Wirtschaftsgemeinschaft, in der für das Zusammenleben der Menschen einzig und allein die Gesetze des Marktes gelten. Gott sei Dank aber sind wir hier zu Lande zumindest mehrheitlich der Auffassung, dass die Gesetze des Marktes nicht alle Lebenszusammenhänge definieren können. Das betrifft ganz besonders auch die Kultur und ihre Einrichtungen, zu denen ich auch das Fernsehen und hier nicht allein "arte" und "3sat" oder mitternächtliche Kulturmagazine in den anderen Programmen zähle. Dazu gehören auch die politischen Sendungen und die Unterhaltungssendungen.

Ich möchte nicht erleben, dass irgendjemand in Brüssel anfängt zu definieren, was zur Grundversorgung gehört und was nicht. Die Transparenz-Richtlinie eröffnet Brüssel die Möglichkeit, über die Notwendigkeit z. B. von Werbemaßnahmen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitzuentscheiden. Das ist ein tiefer Eingriff in die grundgesetzlich gesicherte Rundfunk- und Programmfreiheit auf dem Umweg über die Buchhaltung. Entsprechend ist die Tranparenz-Richtlinie von uns auf dem informellen Treffen der europäischen Kultur- und Medienminister in Lille massiv kritisiert worden. Die Bundesregierung lehnt sie zusammen mit den Partnerstaaten Spanien, Italien, Frankreich und anderen entschieden ab. Das muss der Kommission immer wieder laut und deutlich gesagt werden.

Was muss Ihrer Meinung nach langfristig getan werden, um die öffentlich-rechtlichen Anstalten gegen die private Konkurrenz zu sichern? Was kann die Politik tun?

Sie müssen nicht gegen die private Konkurrenz abgesichert werden - die Leistungen der Öffentlich-Rechtlichen sprechen für sich und spiegeln sich in Quoten wieder. Eine wichtige Aufgabe der Politik ist es dafür zu sorgen, dass die gewachsenen Strukturen nicht einem entfesselten und sachfremden Wettbewerbsrecht Brüsseler Provenienz unterworfen und hierdurch zerschlagen werden. Das ist eine schwere Aufgabe, der ich mich jedoch stelle.