Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 26.05.2009

Untertitel: Staatsminister Bernd Neumannsprach im Berliner Konrad-Adenauer-Haus überaktuelle Aufgaben undPerspektivender Medienpolitik.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/05/2009-05-26-neumann-media-night,layoutVariant=Druckansicht.html


vor drei Tagen haben wir den 60. Geburtstag der Bundesrepublik gefeiert. 60 Jahre Bundesrepublik, das heißt auch 60 Jahre Presse- und Meinungsfreiheit: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt", so steht es im Grundgesetz ( Artikel 5, Absatz 1 ) .

Vor 60 Jahren konnten die Väter und Mütter des Grundgesetzes nicht in Ansätzen ahnen, welche technischen Revolutionen gerade im Bereich der Medien später stattfinden und dass durch diese die Essentials von Artikel 5, Absatz 1 durchaus in Gefahr geraten können. Die "allgemein zugänglichen Quellen" haben sich heute, in Zeiten der Digitalisierung und des Internets, ganz fundamental verändert. Globalisierung und damit häufig Konzentration von Meinungsmacht sind potenzielle Gefahren für die publizistische Vielfalt. Es gilt, die großen Chancen der Digitalisierung zu nutzen, aber auch die Risiken zu beherrschen.

Ziel ist eine Medienordnung, die der Bedeutung der Medien als Kultur- und Wirtschaftsgut gerecht wird sowie Meinungsvielfalt und Qualität sichert. Ich habe im März dieses Jahres für die Bundesregierung zum ersten Mal in der Geschichte unserer Republik einen Medien- und Kommunikationsbericht vorgelegt, der nicht nur eine auf wissenschaftlicher Basis erarbeitete umfassende Analyse der Lage in allen Medienbereichen enthält, sondern auch klare Aussagen und Perspektiven für die Zukunft beschreibt.

Lassen Sie mich daraus einige besonders aktuelle Themen aufgreifen:

1. Urheberschutz

Eine der größten kulturellen Herausforderungen in unserer digitalen Welt ist der Erhalt des Schutzes von geistigem Eigentum, der originären Existenzgrundlage von Künstlern, Kultur- und Medienschaffenden. Durch Raubkopien und Zweckentfremdung des geistigen Eigentums entstehen jährlich Schäden in Milliardenhöhe, die die Existenz von Künstlern und entsprechenden Unternehmen bis hin zu den Verlagen bedrohen. Das dürfen wir so nicht hinnehmen! Ich denke hierbei insbesondere auch an die gesamte Musik- und Kreativwirtschaft, die mittlerweile zu entscheidenden, erfolgreichen Playern in unserem Wirtschaftsgeschehen geworden sind.

Die Novellierung des deutschen Urheberrechts ( 1. und 2. Korb ) war ein Schritt in die richtige Richtung aber weitere Schritte müssen folgen. Mittlerweile haben andere Länder in Europa wie Schweden und Frankreich vorgemacht, wie man der Internetpiraterie einen Riegel vorschiebt. Wir werden sehen, wie sich insbesondere das französische Modell der Verfolgung und Ahndung von Urheberrechtsverletzungen im Internet bewährt. Natürlich kann man das aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgangslage nicht 1: 1 übernehmen, aber es kann nicht sein, dass bei uns gar nichts geht. Selbstverständlich müssen wir Urheberschutz und Datenschutz in Einklang bringen. Wir brauchen Kooperationsvereinbarungen zwischen Providern, Rechteinhabern und Verbrauchern.

Hier erwarte ich vom federführenden Ressort Justiz endlich konstruktive Vorschläge. Ich habe diese Thematik auch auf die Agenda der EU-Kulturminister setzen lassen; die EU-Kommission beschäftigt sich damit; denn dieses Problem können wir nur länderübergreifend erfolgreich lösen. Auch auf meine Initiative hin, wurde in der vorletzten Woche beim europäischen Kultur- und Medienministerrat das Thema "Google" behandelt. Das Verfahren von Google, die Bücher amerikanischer Bibliotheken einfach ohne Einwilligung der Autoren und Rechteinhaber Bücher in Massen einzuscannen und ins Netz zu stellen, widerspricht den fundamentalsten Überzeugungen von Urheberschutz und geistigem Eigentum sowie allen europäischen Gesetzen. Google schafft Fakten vor allem auch für die langfristige Nutzung bis hin zu einem Monopol. Jetzt soll alles nachträglich durch einen Vergleich legitimiert werden. Das können wir nicht taten- und hilflos verfolgen! Es gibt sogar selbst aus Amerika Stimmen, die sich eine Intervention Europas wünschen. Ich habe darum EU-Kommissarin Reding aufgefordert, möglichst schnell zu konkreten Handlungsempfehlungen zu kommen.

Es geht ja bei "Google books" nicht nur um Fragen des Urheberschutzes, sondern sozusagen um das Fundament unseres Kulturverständnisses. Bücher sind Kulturgut. Sie sind Teil unserer abendländischen kulturellen Identität. Es kann nicht angehen, dass ein Privatunternehmen künftig ein Monopol auf diesen essentiellen Teil unserer Kultur hat! Die digitale Verfügungsgewalt muss in öffentlicher Verantwortung bleiben. Darum fördern wir auch Vorhaben wie die Deutsche und Europäische Digitale Bibliothek, die nicht nach kommerziellen Gesichtspunkten auswählt, was der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird oder eben nicht.

2. Schutzfristen für ausübende Künstler

Ich habe im vergangenen Jahr gemeinsam mit meiner französischen Kollegin Albanel bei der EU dafür plädiert, die Schutzfrist - jetzt 50 Jahre - deutlich zu verlängern, damit Künstler auch im Alter noch in den Genuss der Früchte ihrer Arbeit kommen. Derzeit zeichnet sich in der EU eine Verlängerung auf 70 Jahre ab. Ich denke, damit sind wir ein wichtiges Stück weiter gekommen, die Kreativen unserer Gesellschaft zu stärken.

3. Medienkompetenz

Die Verbesserung der Medienkompetenz ist eine zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe. Vor wenigen Wochen haben wir im Bundeskanzleramt zum ersten Mal den Preis der "Nationalen Initiative Printmedien" verliehen. Ich muss zugeben, ich selbst war überrascht, wie intensiv sich die "Generation Internet" mit den klassischen Medien Zeitung und Zeitschrift auseinandersetzt und zu welch " phantasievollen und intelligenten Beiträgen die jungen Leute kommen! Diese gemeinsame Aktion von allen Verlagen und Verantwortlichen im Printmedienbereich, die wir initiiert haben, soll jungen Leuten die Notwendigkeit des Lesens von Zeitungen und Zeitschriften nahe bringen.

Es ist eine Tatsache, dass der Siegeszug des Internets dank seines enormen Innovationspotentials weiter voranschreiten wird. Netzgestützte Angebote werden traditionelle Medien wie etwa Rundfunk, Zeitungen und Zeitschriften weiter bedrängen. Die seit Jahren rückläufigen Auflagen und Reichweiten von periodischen Printmedien gerade bei Jüngeren belegen dies.

Nun sagen manche Fachleute, es habe keinen Sinn, sich einem Prozess entgegenstemmen zu wollen, der ohnehin unaufhaltsam sei. Ich denke nicht so. Zeitungen und Zeitschriften haben auch im digitalen Zeitalter ihre klassische Rolle nicht verloren, sie sind kein beliebiges Wirtschaftsgut. Unser Medienbericht macht deutlich, dass bei elektronischen Angeboten der Anteil politischer und gesellschaftlicher Themen gegenüber Unterhaltung, Spielen, Kommunikation und anderen Inhalten immer weiter zurückgeht. Deswegen sind Zeitungen und Zeitschriften nach wie vor nicht zu ersetzen.

In Zeitungen finde ich, anders als im Internet, nicht nur das, was ich suche. Gesellschaftlicher Zusammenhalt und demokratische Teilhabe beruhen auf der Wahrnehmung dessen, was für alle wichtig ist. Das gilt auch gerade für die regionale Berichterstattung. Wer in unserer Gesellschaft mitgestalten will, bleibt zusätzlich zum Internet auf das gedruckte Wort angewiesen.

4. Leistungsschutzrecht für Presseverlage

Im Internetzeitalter ist das Kopieren und gewerbliche Nutzen von digitalen Presseinhalten zu einem Massenphänomen geworden. Presseverlage sind jedoch bislang mangels ausreichender Rechte an ihren Presseerzeugnissen in weiten Teilen der Verwertungskette nicht in der Lage, ihre Rechtsposition angemessen zu schützen.

Ebenso wie die anderen Werkvermittler, die bereits durch die bestehenden Leistungsschutzrechte geschützt sind - Tonträgerhersteller, Sendeunternehmen, Filmhersteller, Datenbankhersteller und Veranstalter - , sind auch die Verleger auf den Schutz ihrer organisatorischen und wirtschaftlichen Leistung angewiesen. Deshalb müssen wir in der kommenden Legislaturperiode ein eigenes Leistungsschutzrecht für Presseverlage gesetzlich verankern.

5. Medienpolitik und EU

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007 hat Weichen für die Medienpolitik in Europa gestellt. Wir haben für die privaten Rundfunkanbieter eine Deregulierung der Werbevorschriften erreicht. Wir haben die generelle Zulassung von Product-Placement verhindert mehr war nicht drin. So ist jetzt nur in Ausnahmebereichen unter hohen Kennzeichnungsauflagen Produktwerbung zulässig. Wir sind uns einig, dass in Deutschland hiervon nur die privaten Fernsehanbieter Gebrauch machen können; ARD und ZDF dagegen hierauf verzichten. Im Hinblick auf einen ausbalancierten Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk insbesondere unter wirtschaftlichen Aspekten hat der 12. RÄStV eine vertretbare Grundlage geschaffen. Hierzu gehört der so genannte "Drei-Stufen-Test", der die Qualität und den publizistischen Nutzen von Angeboten prüfen wird. Hier appelliere ich an die Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk:

Nehmen Sie diesen Drei-Stufen-Test Ernst, machen Sie keine Alibi-Veranstaltungen daraus, sondern versetzen Sie die Aufsichtsgremien strukturell und organisatorisch unter Hinzuziehung externen Sachverstands in die Lage, dass dieser Test korrekt durchgeführt werden kann.

Dies wird die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhöhen und dazu beitragen, dass der Beihilfestreit mit der EU-Kommission zu einem guten Abschluss geführt werden kann.

6. Kartell- und Medienkonzentrationsrecht

Für den privaten Medienbereich gilt es, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Das Verhältnis von Meinungsmacht, marktbeherrschender Stellung und Wettbewerbsfähigkeit muss neu definiert werden.

Eine zwingend notwendige Reform des Medienkonzentrationsrechts und des Kartellrechts muss sich am Ziel der Sicherung der Meinungsvielfalt orientieren und Marktentwicklungen berücksichtigen. Es ist nicht hinzunehmen, dass - wie bei ProSiebenSAT1 geschehen - ein kompetentes und erfolgreiches Medienunternehmen de facto vom Kauf ausgeschlossen wird und anstelle dessen nur ausländische Finanzinvestoren in Frage kommen, die das betreffende Medienunternehmen eher finanziell ausschlachten, als es weiterzuentwickeln.

Wir dürfen bei allen ökonomischen Fragen nicht vergessen, dass Medien nicht nur ein Wirtschaftsgut, sondern ein besonderes Kulturgut sind, das durch unser Grundgesetz geschützt ist.