Redner(in): Angela Merkel
Datum: 15.06.2009

Untertitel: im Bundeskanzleramt
Anrede: Sehr geehrte Frau Krautkrämer-Wagner, sehr geehrter Herr Brickwedde, lieber Staatssekretär Thomas Rachel, liebe Preisträgerinnen und Preisträger von "Jugend forscht",meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/06/2009-06-15-jugend-forscht,layoutVariant=Druckansicht.html


ich mich freue, dass ich heute entsprechend einer Tradition wieder die Bundessieger von "Jugend forscht" hier im Kanzleramt begrüßen darf. Da ich selber in meinem Leben schon einmal geforscht habe, ist das natürlich immer eine kleine Erinnerung an mein früheres Berufsleben. Aber ich glaube, dass ich heute für solche Tätigkeiten nicht mehr gut verwendbar wäre.

10.000 und mehr Jungforscherinnen und Jungforscher haben in diesem Jahr wieder an diesem deutschlandweiten Nachwuchswettbewerb teilgenommen. Das ist eine beträchtliche Zahl. Ich glaube, zum zweiten Mal lag die Teilnehmerzahl bei über 10.000. Wir freuen uns, dass wir eher auf einem ansteigenden als auf einem abfallenden Ast sitzen. Es freut uns, dass das Motto "Du willst es wissen!" offensichtlich viele inspiriert und angeregt hat, mitzumachen.

Die Tatsache, dass Sie bei "Jugend forscht" mitmachen, spricht dafür, dass Sie neugierig sind, dass Sie den Dingen auf den Grund gehen wollen, dass Sie sich nicht davor scheuen, bei einem ungelösten Problem einfach weiterzumachen, und immer wieder überlegen, nachdenken und zum Schluss die Lösung des Problems finden und nicht etwa kapitulieren.

Wenn ich mich an meine Zeit als Physikerin erinnere, dann sind aus meiner Sicht eigentlich die quälendsten Dinge, wenn man nicht vorankommt. Es sind aber auch wiederum die schönsten Momente, wenn man die Sache dann irgendwie zu einem guten Ende bringt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber das Allertollste ist ja, dass man im Rückblick immer alles das, was man sich ausgedacht hat, ganz einfach und normal findet. Es ist natürlich sehr spannend, wie sozusagen aus Neuland zum Schluss etwas ganz Selbstverständliches wird.

Themenmäßig ist die Palette des Bundeswettbewerbs extrem breit gestreut, etwa so breit wie der ganze Bereich von Wissenschaft, Technik und den einzelnen Fachgebieten; man könnte auch sagen: vom Mikrokosmos bis zum Makrokosmos. Dazwischen sind natürlich die vielen Dinge, die wir mit Freude sehen, weil sie dazu beitragen, dass manches Problem besser gelöst werden kann ob es nun um intelligente Steuerungssysteme für ein problemloses Rangieren beim Rückwärtsfahren mit einem Anhänger geht oder um anderes. Das ist natürlich auch etwas denkbar Gutes. Das ist eine sehr praktische Sache. Wenn der Preisträger anwesend ist, können wir das vielleicht nachher noch einmal vertiefen. Das Computermodell, mit dem sich die Ausbreitung der HIV-Infektion simulieren lässt, ist sicherlich auch sehr spannend und interessant für die Entwicklung von Therapiemaßnahmen und die Prävention. So könnte man viele, viele Projekte nennen, die uns ins Auge gestochen sind.

Wir brauchen in Zukunft Forscher und Neugierige wie Sie. Es ist so, dass wir ziemlich viel Kraft darauf verwenden, die so genannten MINT-Fächer also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu fördern und den Menschen die Freude daran nahe zu bringen. Wir wissen, dass wir in diesem Bereich leichte Fortschritte gemacht haben. Aber für viele ist das immer noch eine ziemlich trockene Materie, eine komplizierte Sache und scheinbar etwas, wovon auch nicht alle etwas verstehen. Man ist also manchmal allein oder in einem kleinen Kreis von Leuten, die sich auskennen. Dennoch sind diese Fächer die Grundlage unseres Wohlstands und dessen, wodurch Deutschland stark geworden ist.

Deshalb haben wir natürlich ein großes Interesse daran, dass diese Entwicklungen nicht etwa versiegen und wir nur noch Kommentatoren früherer technischer Erfindungen haben, sondern ab und zu auch noch einmal einen, der etwas Neues entdeckt. Wenn wir aber keine Forscher und Erfinder mehr haben, dann steht es auch schlecht um die Einnahmenmöglichkeiten für den Staat. Wir können uns natürlich auch zu einem Museum entwickeln und dann von den Besuchern aus aller Welt Eintritt kassieren. Aber das ist nicht meine Vorstellung von Deutschland, sondern ich wäre schon gerne dort mit dabei, wo die neuen Dinge entstehen.

Wir haben in den vergangenen Tagen eine wichtige Weichenstellung vorgenommen, die manchen von Ihnen nicht nur interessieren dürfte, sondern vielleicht auch im eigenen Leben zugutekommt. Das ist zum einen die Verlängerung des Hochschulpakts zwischen Bund und Ländern, weil wir glauben, dass wir mehr Studienplätze und auch gut ausgestattete Studienplätze brauchen. Zum anderen ist es die so genannte Exzellenzinitiative, mit der wir für die Universitäten Anreize schaffen, sich dem Wettbewerb zu stellen und vorne mit dabei zu sein. Drittens ist es der Pakt für Forschung und Innovation, bezüglich dessen sich die Wissenschaftsorganisationen jetzt auch darauf verlassen können, bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts beständige Steigerungsraten hinsichtlich ihrer Mittel, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, verzeichnen zu können, was ja wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass man planen und bestimmte Stellen bereitstellen kann.

Sie sehen daran, dass Bildung und Qualifizierung für uns Kernelemente sind, gerade auch im Hinblick auf die Änderung der Bevölkerungszusammensetzung, also die Tatsache, dass weniger junge Menschen da sein werden. Umso mehr müssen wir alles daransetzen, dass diese Menschen auch gut gebildet sind. Hierbei reiht sich "Jugend forscht" ein. Dies ist nun bereits der 44. Wettbewerb von "Jugend forscht".

In den letzten 21Jahren hat eine Persönlichkeit das Ganze in besonderer Weise geprägt. Das ist Frau Krautkrämer-Wagner. Deshalb möchte ich Ihnen, weil Sie Ende dieses Monats, wenn ich richtig informiert bin, in den Ruhestand gehen werden, an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen."Jugend forscht" ist ein Stück weit nicht nur Ihr Baby, sondern wirklich Ihr erwachsen gewordenes Kind. Sie haben das toll gemacht. Alles Gute für die Zukunft. Behalten Sie die Sache im Auge. Ich möchte mich natürlich auch bei Herrn Brickwedde und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt bedanken, die schon lange mit "Jugend forscht" verbunden ist. Natürlich danke ich auch allen Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, die mit unendlich viel Mühe, Kraft und Zeit das begleiten, was Sie als Preisträger und als all diejenigen, die an diesem Wettbewerb teilnehmen, machen.

Nun haben wir eine Tradition: Es gibt den Sonderpreis des Bundeskanzleramtes. Steffen Strobel erhält ihn in diesem Jahr. Sie haben etwas ganz Praktisches entwickelt. Wenn man manchmal beim Arzt sitzt, der die Vene nicht findet und man dann drei blaue Flecken hat, dann weiß man, dass Ihre Sache vielleicht dazu beitragen kann, dass es für Arzt, Krankenschwester und Patienten in Zukunft etwas einfacher wird. Es geht um ein softwaregestütztes Infrarotsystem zur Suche nach Venen unter der Haut. Das leuchtet so sehr ein, dass man es dann sogar als Bundeskanzlerin relativ schnell über die Lippen bringt. Wir sind also gespannt auf Ihre Demonstration. Noch einmal ein herzliches Willkommen.

Sie werden nachher noch die Gelegenheit haben, sich das Kanzleramt ein bisschen anzuschauen. Es ist sicherlich auch kein Fehler, wenn Sie sich ein bisschen miteinander unterhalten können. Dankeschön dafür, dass Sie alle heute hier sind. Ich danke all den Unterstützern und wünsche uns jetzt eine gute Demonstration und nachher eine gute Diskussion bei Kaffee und Kuchen.