Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 17.06.2009

Untertitel: In seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung der Sammlung Pietzsch in der Neuen Nationalgalerie in Berlin dankte Staatsminister Bernd Neumann den großen Sammlerpersönlichkeiten für ihr Engagement für die Kultur und damit für das ganze Gemeinwesen. Ohne privates Engagement wäre heute vieles nicht mehr finanzierbar, denn die öffentlichen Hände tragen die festen Kosten der Kultureinrichtungen, aber diese Mittel reichen heute oft nicht mehr dazu aus, große Ausstellungen zu ermöglichen. 500 Millionen Euro fließen in Deutschland jährlich aus Freundeskreisen und privaten Stiftungen in die Kulturförderung, dieses Mäzenatentum sei für uns alle und in aller Regel ein Glücksfall, betonte Staatsminister Neumann.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/06/2009-06-17-neumann-sammlung-pietzsch,layoutVariant=Druckansicht.html


ich begrüße Sie sehr herzlich als Vorsitzender des Rates der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Es ist nun fast ein Jahr her, dass ich Gast im Haus von Ulla und Heiner Pietzsch sein durfte. Frau Pietzsch hatte an jenem 10. Juli Geburtstag, aber zu meiner Überraschung kam eher ich mir beschenkt vor! Beschenkt mit dem Eindruck einer außergewöhnlichen Kunstsammlung, die auch international keinen Vergleich zu scheuen braucht. Beschenkt aber auch durch die Begegnung mit zwei beeindruckenden Persönlichkeiten, die auf so selbstverständliche und zugleich hingebungsvolle Art mit ihrer Kunst leben und sich im Alltag damit umgeben.

Sie sind Kunstfreunde im wahrsten und schönsten Sinn des Wortes, und ihr Zuhause ist in einer Weise von Gemälden und Werken erfüllt, dass man die Begeisterung und innige Verbundenheit spürt, mit der sie ausgewählt wurden.

Als vor einigen Jahren die Peggy Guggenheim-Collection das Ehepaar Pietzsch dazu bewegt hat, ausgewählte Werke ihrer Sammlung gemeinsam mit Guggenheim-Beständen in Venedig zu zeigen, konnte man die Qualität der Arbeiten im internationalen Kontext begutachten. Und wer Ausstellung oder Katalog gesehen hat, der weiß: Da wurden zwei gleichrangig exzellente Sammlungen präsentiert.

Es spricht für das große Vertrauen und die Verbundenheit zur Neuen Nationalgalerie, dass Sie, verehrtes Ehepaar Pietzsch, Ihre Sammlung nun zeitweilig in deren Obhut geben.

Ich freue mich, dass Sie mit der Ausstellung "Bilderträume" eine größere Öffentlichkeit an Ihren Schätzen teilhaben lassen.

Es kommt nicht so häufig in meinem Alltag vor, dass sich Termine an einem Tag harmonisch ergänzen. Jener 10. Juli 2008 war allerdings einer der seltenen, rundherum stimmigen Tage, denn am Abend nach dem Besuch bei Ihnen haben wir im Stüler-Bau in Charlottenburg die Sammlung Scharf-Gerstenberg eröffnet, deren Schwerpunkt auf dem Surrealismus liegt. Diese Kunstrichtung ist auch ein Schwerpunkt der Sammlung Pietzsch, doch sie ist signifikant anders als die von Scharf-Gerstenberg, und das liegt in der Persönlichkeit der Sammler begründet. Liebes Ehepaar Pietzsch, Sie haben mir erzählt, dass durch die Begegnung mit dem schon betagten Max Ernst die Begeisterung für das Sammeln geweckt wurde.

Dem Vernehmen nach wollten Sie, lieber Herr Pietzsch, sich auf die abstrakten Expressionisten konzentrieren, und Sie, verehrte Frau Pietzsch, auf die Surrealisten. Aus diesen beiden unterschiedlichen Vorlieben ist etwas Einzigartiges entstanden. Sie haben in beiden Bereichen ganz außergewöhnliche Bestände erworben ich erinnere mich beispielsweise an einen frühen Rothko, der mich sehr beeindruckt hat.

Auch die Neue Nationalgalerie verfügt über einige wichtige Werke des Surrealismus und der abstrakten Expressionisten. Doch es gibt immense Lücken. Diese sind zum großen Teil darauf zurück zu führen, dass die Ursprünge dieser Kunst in der Zeit des Nationalsozialismus als "entartet" gebrandmarkt und ihre Künstler vertrieben und verfolgt, ihre Kunstwerke verkauft oder vernichtet wurden.

Die Berliner Nationalgalerie hat während des Nationalsozialismus wichtige Werke verloren, die Ludwig Justi einst mit Weitblick und Gespür für die damalige Kunst zusammengetragen hatte.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde durch die Zusammenführung der eigenen Bestände mit denen der städtischen Galerie des 20. Jahrhunderts der Grundstock für die Neue Nationalgalerie gelegt. Seit 1977 konnten die Bestände mit Unterstützung der Freunde der Nationalgalerie namhaft erweitert werden. Sie selbst, lieber Herr Pietzsch, haben sich als Gründungsmitglied lange Jahre im Verein der Freunde maßgeblich engagiert und viele Ankäufe mit ermöglicht.

Ohne dieses private Engagement könnten wir heute vieles nicht mehr finanzieren. 500 Millionen Euro fließen in Deutschland jährlich aus Freundeskreisen und privaten Stiftungen in die Kulturförderung.

Die öffentlichen Hände tragen die festen Kosten der Kultureinrichtungen, das erweist sich in Zeiten der Finanzkrise als äußerst segensreich aber die Mittel reichen heute oft nicht mehr dazu aus, große Ausstellungen zu stemmen. Bei der Schau, die wir heute eröffnen, sind die Freunde der Nationalgalerie wieder einmal helfend tätig geworden, dafür meinen Dank stellvertretend an Sie, liebe Frau Weiss, als deren Vorsitzende!

Auch mit den rasanten Preisentwicklungen des Kunstmarktes können wir nicht mithalten. Der Abwärtstrend hat das Segment der Moderne nicht erfasst: hier bleiben die Preise stabil oder steigen weiter. Ich finde es richtig und unerlässlich, dass sich die Nationalgalerie bei den eigenen Ankäufen auf aktuelle Kunst konzentriert so fördern wir die zeitgenössische Kunst und setzen zugleich Maßstäbe für die Sammlungsentwicklung.

Für die Erweiterung der Bestände der klassischen und der Nachkriegsmoderne gehen die Staatlichen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz seit den neunziger Jahren verstärkt den Weg einer Zusammenarbeit mit privaten Sammlern.

Wir brauchen die Kooperationen zwischen privaten Sammlern und öffentlichen Museen. Mäzenatentum ist für uns alle und in aller Regel ein Glücksfall. Die Staatlichen Museen und mit ihnen die Stadt Berlin profitieren vom Bürgersinn der Sammler wie Dieter Scharf, Heinz Berggruen, Erich Marx und Friedrich Christian Flick. Vor allem durch ungen und Dauerleihgaben sowie durch zusätzliche Ankäufe von Teilen der Sammlung Marzona mit Hilfe des Bundes ist die Neue Nationalgalerie heute wieder ein Mekka der Kunst des 20. Jahrhunderts mit nationaler und internationaler Anziehungskraft.

Ich danke den großen Sammlerpersönlichkeiten und ihren Familien für ihr Engagement für die Kultur und damit für unser ganzes Gemeinwesen.

Mit der zunächst temporären Präsentation der Sammlung Pietzsch wird die Kunst des 20. Jahrhunderts in Berlin noch einmal eine exzellente Bereicherung erfahren. Die Presse wusste nun im Vorfeld schon zu berichten, dass diese Ausstellung ein Test sei und dass die Staatlichen Museen den Wunsch haben, die Sammlung dauerhaft zu zeigen. Das ist ohne Zweifel eine wunderbare Idee, für die es zu kämpfen lohnt vorausgesetzt natürlich, dass Ulla und Heiner Pietzsch ihr auch zugetan sind. Ich weiß: An diese Idee knüpft sich auch der Traum an, die Sammlungen in einem Haus zusammen zu bringen. Das würde den Dialog der Kunstwerke erleichtern, die kunsthistorischen Zusammenhänge kämen deutlicher zum Tragen.

Wenn man sich die phantastischen und rasanten Entwicklungen in den letzten Jahren anschaut von der Wiedereröffnung des -Museums, der Restaurierung des Neuen Museums bis zur Konzeption des Humboldt-Forums, dann wissen wir alle, dass Vieles möglich ist! Auch wenn ich im Augenblick noch nicht zu sagen vermag, wie unser aller Wunsch nach einem dauerhaften Ort für die Sammlung Pietzsch in Berlin wahr werden kann, so werde ich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit Nachdruck bei der Realisierung dieses Planes unterstützen.

Zuerst einmal aber haben wir die Aufgabe, das Bestehende neu zu entdecken. Sie, lieber Herr Kittelmann, haben geschaffen für den frischen Blick auf unsere wunderbaren Bestände hier in Berlin.

Wir sind alle sehr gespannt auf das, was Sie sich ausdenken! Die "Bilderträume" der Sammlung Pietzsch sind ein begeisternder Auftakt und geben zu großen Hoffnungen Anlass!

Liebes Ehepaar Pietzsch, noch einmal vielen herzlichen Dank für Ihre Großzügigkeit. Ich bin sicher, dass Ihre ganz privaten "Bilderträume" auch eine breite Öffentlichkeit in ihren Bann ziehen. Der Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie wünsche ich viel Erfolg!