Redner(in): Angela Merkel
Datum: 25.08.2009

Untertitel: Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel anlässlich des Besuchs bei Auszubildenden der Deutschen Bahn AG am 25. August 2009 im ICE-Werk Berlin-Rummelsburg
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/08/2009-08-25-merkel-deutsche-bahn,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrter Herr Grube,

Herr Weber,

Herr Homburg und

vor allen Dingen Sie, meine lieben Auszubildenden und Ausbilder,

Herr Grube hat mir vor einigen Wochen, als wir über die Situation der Auszubildenden und die Frage sprachen, wie es in unserem Land weitergeht, gesagt: Kommen Sie doch einfach einmal zur Deutschen Bahn, dann werden wir zeigen können, was wir machen. Wir haben dann diesen Platz in Rummelsburg ausgesucht, wo die ICEs gewartet und repariert werden. Wir sind hier auch mitten in der Arbeitsumgebung.

Als erstes möchte ich sagen: Es ist ganz toll, dass Sie alle hierher gekommen sind, um heute mit dabei zu sein. Sie stehen nicht nur stellvertretend für die Zukunft der Deutschen BahnAG, sondern auch ein kleines Stück weit für die Zukunft von Deutschland. Damit stehen Sie stellvertretend für alle jungen Leute, die heute einen Beruf erlernen. Herzlichen Dank, dass Sie da sind.

Ich habe soeben an den verschiedenen Ständen einen Überblick über das breite Spektrum der Ausbildungsberufe bekommen. Es ist hochspannend, was alles möglich ist von der Mechatronikerausbildung über den Servicebereich bis hin zum Auswechseln von Schwellen und zur Arbeit in den Stellwerken.

Ich bin sehr positiv überrascht von dem Programm "Chance Plus", das für viele, die im ersten Anlauf keine Möglichkeit bekommen haben, einen Ausbildungsberuf zu ergattern, noch einmal eine Chance bietet, trainiert zu werden. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die Deutsche Bahn neben der fachlichen Ausbildung auch versucht, einigen von Ihnen eine Möglichkeit zu geben, die Bahn als weltweit agierendes Unternehmen kennen zu lernen und zumindest in unseren europäischen Nachbarländern Erfahrungen zu sammeln sei es in Holland oder in Frankreich. Ich habe gelernt, dass Sie als Deutsche dort gute Erfahrungen gemacht haben, dass man damit auch weltoffener wird und später einmal auch sicherlich besser verstehen wird, wie die ganze Deutsche BahnAG funktioniert. Die Ausbildung ist sicherlich anspruchsvoll, sie ist manchmal auch hart. Aber es ist vor allen Dingen wichtig, dass Sie die Chance haben, nach der Schule durch die duale Ausbildung Ihren nächsten Lebensschritt erfolgreich zu gehen.

Für uns als Bundesregierung ist das Thema Ausbildung in diesem Jahr ein zentrales Thema, weil wir eben eine sehr schwierige wirtschaftliche Situation haben, aber weil wir auch wissen, dass entsprechend des sich verändernden Altersaufbaus die Zahl der jungen Leute, die aus den Schulen kommen, von Jahr zu Jahr kleiner werden wird. Ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn weiß: Wer sich heute nicht um die Jugend kümmert, hat morgen keine Fachkräfte. Insofern ist Ihre Chance auch die Zukunftschance für die Deutsche Bahn.

Wir haben in dieser Zeit, in der uns diese internationale Wirtschaftskrise, wie Herr Grube es gesagt hat, ganz unverschuldet getroffen hat, ein zweites Problem: Was wird aus denen, die jetzt mit der Ausbildung fertig sind? Diesbezüglich bin ich natürlich sehr froh darüber und der Deutschen Bahn dankbar dafür, dass wir hierbei sagen können: Wer ein bisschen örtlich flexibel ist, der hat auch eine Chance, übernommen zu werden. Wenn man etwas gelernt hat, danach aber herumrennen und Hunderte von Bewerbungen schreiben muss, dann ist das natürlich nicht schön. Das heißt also, sich bei der Bahn in einer Ausbildung anzustrengen, fleißig zu sein und engagiert zu sein, lohnt sich. Sie haben dafür ja auch tolle Möglichkeiten.

Sie können das jetzt vielleicht noch nicht einschätzen, aber ich habe auf vielen Auslandsreisen erfahren, dass, wenn über Deutschland gesprochen wird sei es in Äthiopien, in Peru, in Kolumbien, in Mexiko; also gar nicht einmal nur in Europa, sondern auch in Afrika und anderen Erdteilen, immer gesagt wird: Könnt ihr bei uns nicht auch die Berufsausbildung machen, die ihr in Deutschland habt? Wir sind für die duale Ausbildung weltweit bekannt, weil die Mischung aus praktischer Erfahrung und theoretischer Ausbildung ziemlich einzigartig ist. Sie gibt auch die Möglichkeit, einmal zu wechseln, wie Sie es an Herrn Grube sehen können, der vom Flugzeugbereich kommt und auf der Schiene gelandet ist. Man kann also auch einmal wechseln, man kann aber auch bei der Deutsche BahnAG bleiben. Ich habe gelernt: Wenn man Mechatronik lernt, ist man nicht nur auf die Bahn fokussiert, sondern kann sich auch woanders umgucken. Somit muss die Bahn wiederum um die besten Leute werben, um sie zu behalten. Wettbewerb belebt das Geschäft. Das werden Sie auch noch sehen.

Wir haben in Europa für unser duales Ausbildungssystem sehr gekämpft, weil in Europa das duale Ausbildungssystem, wie Sie es kennen, ziemlich einzigartig ist. Wenn alle anderen europäischen Länder etwas anders machen, ist es für uns nicht so leicht, das aufrechtzuerhalten. Damit wir aber das Ausbildungsniveau in ganz Europa nicht herunterschrauben, sondern heraufschrauben, haben wir sehr dafür gekämpft, dass wir unsere Ausbildungsstandards zu europäischen Standards machen. Ihre Beispiele sind genau dafür der Beleg, dass sich das lohnt und dass das gut ist.

Meine Damen und Herren, liebe Auszubildende, Sie sind also in der Situation, dass Sie so etwas wie die Zukunft dieses Unternehmens darstellen. Vielleicht sehen Sie das heute noch nicht so, wenn Sie der Ausbilder einmal kritisiert und Sie nur ein kleines Rädchen im ganzen großen Werk eines so riesigen Unternehmens sind. Vielleicht denken Sie manchmal: Hätte ich bloß in einem kleinen Betrieb gelernt, denn dort würde ich schneller den Überblick gewinnen.

Das, was Sie hier lernen, ist auch Teil eines Aushängeschildes von Deutschland. Die Bahn ist nicht mehr nur das, was sie früher war, nämlich ein Gefährt, das in Deutschland auf der Schiene Personen und Güter von A nach B bringt. Heute ist die Schiene ein Teil eines großen Logistikunternehmens. Das haben wir hier an einigen Beispielen gesehen, so beispielsweise bei denen, die bei Schenker und bei der Spedition in den Bereichen Wasser, Straße und Luft arbeiten. Die Kunden interessiert nicht, wie der Beton von A nach B oder wie ihre Maschine von China nach Deutschland oder von Deutschland nach China kommt. Sie wollen, dass das schnell geht. Sie wollen, dass das reibungslos, Hand in Hand und unauffällig erledigt wird.

Deshalb meine Bitte an Sie: Lernen Sie das, was Ihren Beruf ausmacht, aber interessieren Sie sich auch für die Welt. Dann dämmert es einem vielleicht, dass man im Bereich Erdkunde doch lieber ein bisschen besser hätte aufpassen sollen. Als ich Bundeskanzlerin wurde, habe ich mir erst einmal einen Globus gekauft und habe geschaut, wo eigentlich die einzelnen afrikanischen Länder liegen. Ihre Generation wächst in das hinein, was wir Globalisierung nennen. Daran hat Deutschland Anteil, und das in großem Ausmaß. Wir sind Exportweltmeister. Wir wollen das nach der Krise auch weiterhin sein. Aber man muss die Welt kennen, um in Deutschland seine Aufgaben erfüllen zu können. Je besser Sie das lernen, je neugieriger Sie sind, je eher Sie eine andere Sprache erlernen, je mehr Sie sich um den Service kümmern und Interesse an der Kultur anderer Länder haben, umso besser wird die Deutsche BahnAG in Zukunft da stehen.

Sie kennen sich wahrscheinlich im Internet besser aus als ich. Sie sind mit dem Computer aufgewachsen. Das alles findet jetzt Eingang in die klassischen Transportwege, wie wir sie von früher her kennen. Die moderne Internettechnologie wird mit tollen Motoren verbunden, die in den Loks und den Wagen sind, sowie mit dem Superservice und dem, was der Kunde und der Nutzer der Deutsche BahnAG sonst noch haben wollen. Deshalb ist das ein spannendes Unternehmen, in dem Sie sich vorstellen können, dass Sie zwar ein kleiner, aber wichtiger Stein für den Erfolg eines riesigen Unternehmens sind.

Ich habe mit Einigen im Sicherheitsbereich gesprochen, die abends die Züge bewachen müssen und die auf den Bahnhöfen stehen, wenn es schon etwas dunkler und leerer ist. Ich weiß, dass das Mut erfordert und dass viele dieser Berufe nicht ganz einfach sind. Genauso wenig einfach ist es, wenn man bei 30, 35Grad, die jetzt herrschen, auf der freien Strecke steht und schwer ackern muss.

Auf diesem Weg wünsche ich Ihnen ganz viel Glück und Kraft. Ich wünsche Ihnen einfühlsame Ausbilder, die, wenn einmal etwas nicht so klappt, nicht gleich meckern, sondern ermutigen. Ich wünsche den Ausbildern auch fleißige Auszubildende, bei denen man jeden Tag sieht, dass sie sich Mühe geben. Herzlichen Dank, dass Sie Lust dazu haben. Herzlichen Dank, dass Sie für uns mit an der Zukunft bauen. Ich darf Ihnen stellvertretend für uns als Bundesregierung sagen: Wir sprechen mit vielen Unternehmen wobei wir die Deutsche BahnAG nicht so stark zu motivieren brauchen und sagen ihnen: Bildet aus, denkt an die Zukunft. Jeder kann ein Stück dazu beitragen. Das ist der Geist der Sozialen Marktwirtschaft, wie wir ihn seit Ludwig Erhard kennen. Nutzen Sie Ihre Chancen.

Herzlichen Dank dafür, dass ich heute hier sein und mich von all dem überzeugen kann, was Sie auf die Beine stellen.