Redner(in): Michael Naumann
Datum: 07.09.2000
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/40/17440/multi.htm
Frage: Von wem ging die Initiative zur Gründung der Filmakademie aus, und
welche Motivation stand dahinter?
Naumann: Der Anstoß hierzu kam im November 1999 von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac. Mit der Gründung der Akademie sollen Impulse für eine intensivere filmpolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich gegeben werden; insbesondere für eine größere Präsenz des französischen Films in Deutschland und des deutschen Films in Frankreich.
Wie hoch ist voraussichtlich das Budget, und aus welchen Quellen stammt es?
Die Filmakademie ist als ein politisch beratendes Gremium konzipiert. Sie soll die deutsch-französische Zusammenarbeit auf verschiedenen Feldern optimieren: bei Koproduktionen, beim Vertrieb französischer Filme in Deutschland und deutscher Filme in Frankreich, bei der Zusammenarbeit in der filmischen Aus- und Fortbildung, bei der Ausstrahlung von Filmen im deutschen und französischen Fernsehen sowie bei der gemeinsamen Bewahrung des filmischen Erbes. Die Akademie hat keine eigene Verwaltung, vielmehr erfolgt die Geschäftsführung durch das Centre National du Cinema in Paris und meine Behörde. Deshalb wird die Akademie auch nicht über ein eigenes Budget verfügen. Über die Finanzierung von Projekten der Filmakademie wird die Politik im Einzelfall entscheiden.
Gibt es schon Vorstellungen, an welchem Ort die Akademie ihren Sitz haben wird?
Sie wird keinen festen Sitz haben.
Es existieren bereits mehrere Abkommen zur deutsch-französischen Zusammenarbeit im Filmbereich - was wurde bisher falsch gemacht?
In der Tat wurde vor 20 Jahren schon einmal der Versuch unternommen, eine besondere filmpolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich zu begründen. Die 1981 und 1984 geschlossenen Zusatzabkommen über Koproduktion und Vertrieb wurden allerdings in Teilen von Frankreich gekündigt, in anderen Teilen einfach nicht mehr praktiziert. Offenbar ließ auch beim Publikum beider Länder das Interesse an den Filmen des Nachbarlandes nach. Inzwischen beträgt der Marktanteil des französischen Filmes in Deutschland und des deutschen Films in Frankreich jeweils nur noch knapp ein Prozent. Dies darf aber nach meiner Überzeugung - und ebenso nach der Überzeugung meiner französischen Kollegin Catherine Tasca - nicht einfach hingenommen werden. Wir müssen in Europa gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um die Präsenz der Filme aus den Nachbarländern wieder zu erhöhen. Denn wir sind davon überzeugt, dass sie den Dialog zwischen den Menschen und das gegenseitige Verständnis fördern. Die Gründung der deutsch-französischen Filmakademie ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Wenn Sie das amerikanische mit dem europäischen Kino vergleichen, welches gefällt Ihnen besser, und wo sehen Sie die wesentlichen Unterschiede?
Pauschalisierende Vergleiche zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Film mag ich nicht. Mir haben viele künstlerische und politische Filme aus Deutschland, die Filme der Nouvelle Vague aus Frankreich, die sozialkritischen Filme aus Italien oder Großbritannien gut gefallen. Ebenso gefallen mir viele amerikanische Filme, weil sie gut und professionell gemacht sind - und weil sie oft einfach gut unterhalten wollen. Aber das können auch viele europäische Filme. Im Übrigen kommt es nicht so sehr auf meine Vorlieben an, sondern darauf, für welche Filme sich das Kinopublikum entscheidet, das sich eben überwiegend aus der Generation der 14- bis 30-Jährigen zusammensetzt.
Die Akademie betont die Rolle des deutsch-französischen Films - können Sie sich vorstellen, dass die übrigen europäischen Filmländer sich zurückgesetzt fühlen?
Nein. Denn es ist allgemeine Meinung unter den Kultur- und Medienministern der Europäischen Union, dass wir in erster Linie dafür sorgen müssen, die Präsenz der Filme der jeweiligen europäischen Nachbarländer zu stärken. Solange wir dieses Ziel nicht erreicht haben, können wir auch keine großen Exporterfolge außerhalb Europas erwarten. Insofern ist die Gründung der deutsch-französischen Filmakademie auch ein Anstoß für eine intensivere Zusammenarbeit der Filmemacher in Europa.
Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich herrschen bei vielen Filmemachern starke Klischeevorstellungen über die Filmästhetik im jeweils anderen Land vor - welche Schritte unternimmt die Akademie, um die Stereotypen abzubauen?
Ich glaube nicht, dass es nur um Klischeevorstellungen der Filmemacher in Deutschland und Frankreich über unterschiedliche Filmästhetiken des Nachbarn geht, sondern überhaupt um das Kennenlernen von mehr Filmen und auch von mehr Filmemachern, Schauspielerinnen und Schauspielern aus dem Nachbarland. Einen besonderen Akzent verspreche ich mir deshalb von der Einrichtung einer gemeinsamen Masterclass fortgeschrittener Filmstudenten aus Frankreich, Deutschland und den übrigen europäischen Ländern an der Filmakademie in Ludwigsburg und an der französischen Filmhochschule Femis. Dabei soll auch darüber nachgedacht werden, wie die anderen Filmhochschulen in Deutschland, z. B. die Hochschule für Film- und Fernsehen "Konrad Wolf" in Babelsberg, in diese Aufgabe einbezogen werden können. Ähnliche Anstöße erhoffe ich mir von der zusätzlichen Förderung von Koproduktionen durch den Abschluss eines entsprechenden Abkommens sowie von gemeinsamen Anstrengungen für den Vertrieb französischer Filme in Deutschland und umgekehrt. Unsere Filme sollen Grenzen überschreiten - und wir wollen ihnen dabei behilflich sein.