Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 18.09.2000
Anrede: Sehr geehrter Herr Staudt! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/73/18573/multi.htm
BPA-Mitschrift )
Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder anlässlich des D 21-Kongresses "Leben, Lernen und Arbeiten in der Informationsgesellschaft" am 18. September 2000 auf dem EXPO-Gelände in Hannover
Als ich eben über "N 21" nicht gelacht, sondern geschmunzelt habe, geschah das aus einem ganz anderen Grund, als Sie gemeint haben. Ich hatte eigentlich von meinem Freund Sigmar Gabriel erwartet, dass er es, wie er nun mal ist - selbstbewusst und niedersächsisch - ,"D 22" nennt. Das hätte, glaube ich, gut zu ihm gepasst.
Ich möchte ein paar Bemerkungen zu dem machen, was Herr Staudt hier gesagt und eingefordert hat. Es passt, glaube ich, ganz gut, dass auch ein paar Bemerkungen dabei sind, die auch auf die von ihm konkret angesprochenen Probleme eingehen.
Das Motto dieses Kongresses "Starten, nicht warten" und die sehr engagierte Art und Weise, wie Herr Staudt eingeleitet hat, sind völlig berechtigt. Es ist eine Feststellung - erst zur Hälfte - , aber es ist nach wie vor eine Forderung - übrigens nicht nur an die Politik, aber eben auch - an uns alle, an die gesamte deutsche Gesellschaft. Denn die Frage, wie Deutschland den Weg in die Informationsgesellschaft bewältigt, ist von wirklich fundamentaler Bedeutung, was nicht nur die industrielle Zukunft unseres Landes angeht, sondern auch, was die gesamtgesellschaftliche Entwicklung angeht. Die Antwort auf diese Frage entscheidet nämlich nicht nur über wirtschaftliches Wohlergehen, sondern auch über Teilhabemöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und damit über ihre eigenen sehr konkreten Entwicklungs- und Lebensperspektiven. Das bezieht sich übrigens nicht nur auf die Jugend - sonst könnten wir uns ja, jedenfalls die meisten von uns, die hier sind, zurücklehnen - , sondern auch auf diejenigen, die man im Schwäbischen, glaube ich,"ins Schwabenalter gekommen" nennt, Herr Staudt.
Weil es hier unmittelbar um die Zukunft unsere Landes geht, ist es nicht nur angenehme Pflicht, sondern wirklich vernünftig, im Beirat mitzuarbeiten, weil dadurch auch deutlich wird, dass wir als Bundesregierung das Thema national und international, wie man so sagt, besetzen wollen, weil wir das müssen. Die Gründe dafür hat nicht zuletzt Herr Staudt hier noch einmal dargestellt. Sie haben Recht: In diesem Zusammenhang haben wir nicht nur auf dem Gipfel in Lissabon eine europäische Initiative eingeleitet, sondern auch in Okinawa haben wir über diese Frage gesprochen.
Es mag übrigens manchmal etwas aufgesetzt klingen, wenn man über "W 21" redet. Aber das ist nicht richtig. Wir waren jüngst in New York bei dem Millennium-Gipfel der Vereinten Nationen. Gerade auf dem Jahrtausendgipfel bzw. Jahrhundertgipfel - je nachdem, wie Sie ihn bezeichnen wollen - der Vereinten Nationen hat neben der Armutsbekämpfung und der Frage, wie man Krisen löst - also der Entwicklung, Stabilisierung und besseren Ausrüstung der Krisenreaktionskräfte, die im Namen der UN handeln - , die Frage "Wie geht es mit der Entwicklung der Informationsgesellschaft weiter?" die zentrale Rolle gespielt. Denn nicht zuletzt der Generalsekretär Kofi Annan weist immer wieder darauf hin, dass es dann, wenn man nicht handelt, wenn man nicht in der Weise vorgeht, wie es hier versucht wird, nicht nur zu einer Spaltung der entwickelten Industriegesellschaften im Inneren in Nutzer und Nichtnutzer kommt mit allen Folgen, die das hat, sondern sich die Kluft zwischen dem industrialisierten Norden, also den reichen Ländern, und den ganz armen Ländern weiter ausweiten wird. Das heißt,"W 21" ist nicht nur der betroffenen Hard- und Software-Industrien wegen wichtig, sondern hat eine gesamtgesellschaftliche, wenn Sie so wollen: weltgesellschaftliche Bedeutung. Denn wenn wir es nicht schaffen, den Schwellenländern, den armen Ländern auf unserem Kontinent, den Menschen dort Zugang zu diesen Medien zu verschaffen, dann wird die Armutskluft weiter wachsen mit allen negativen Folgen, die das hat. Das ist in New York, wie ich finde, zu Recht deutlich geworden.
Wenn wir es aber schaffen - ich rede jetzt über Deutschland - , auf dem Weg in die Informationsgesellschaft schnell und im Sinne unseres Leitbildes von "Modernisierung in gesellschaftlicher Teilhabe" voran zu kommen, dann - davon bin ich überzeugt - haben wir enorme Chancen - übrigens auch enorme Chancen, Arbeitslosigkeit in Deutschland, in Europa noch weiter zurückzudrängen. Dazu nur ein paar Daten, hoffentlich auch öffentlich wahrgenommene Daten: Mit 1,8 Millionen Arbeitnehmern ist die Informationswirtschaft schon jetzt zum dynamischsten Wirtschaftsbereich in Deutschland und damit zum Motor für die Schaffung neuer Arbeitsplätze geworden. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts halten wir einen Nettoarbeitsplatzeffekt von bis zu 750.000 zusätzlichen Stellen für möglich, ja für wahrscheinlich. Was das bedeutet angesichts der Notwendigkeit, Produktivität in den klassischen Bereichen der weltweiten Konkurrenz wegen zu klotzen, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ich glaube - das ist nicht nur Propaganda derer, die in den Branchen arbeiten - , dass wir es im Bereich der Informationstechnologien und Kommunikationstechnologien, der neuen Medien - vielleicht mit gleicher Dynamik im Bereich der Biotechnologien - mit Arbeitsplatzbeschaffern par excellence zu tun haben. Das ist der Grund, weshalb wir uns kümmern wollen und auch weiter kümmern werden, einiges bereits auf den Weg gebracht haben und anderes vor uns haben. Ich komme noch dazu.
Wir haben das Programm "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" gemacht. Darin sind konkrete Ziele enthalten, die wir Schritt für Schritt realisieren werden.
Meine Damen und Herren, im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit haben wir uns - das ist das Entscheidende - auf eine mehrjährige Offensive zum Abbau des Fachkräftemangels speziell in der Informationswirtschaft geeinigt. Ich möchte vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen ins Gedächtnis rufen: Unter anderem wird die Wirtschaft 60.000 zusätzliche Ausbildungsplätze bis zum Jahr 2003 bereitstellen. Das sind Ausbildungsmöglichkeiten in Bereichen, in denen man auch unmittelbar danach arbeiten kann und nicht nach der Ausbildung in eine zweite Phase der Arbeitslosigkeit rutschen muss.
Über die Greencard ist geredet worden. Wir haben nach in der Sache in der Tat schwierigen und auch sehr abträglichen öffentlichen Debatten eine, wie ich finde, unbürokratische Lösung gefunden. Ich bin insbesondere Herrn Staudt, aber auch den anderen vom Vorstand dankbar, dass sie dem einen oder anderen in den Bürokratien auf die Sprünge geholfen haben. Ich will das hier sehr deutlich sagen. Ich habe überhaupt gar kein Interesse daran, wenn im Rahmen der Initiative D 21 alles gut gefunden würde, was wir machen. Das ist bei den Leuten, die da sind, eh nicht zu erwarten. Aber es wäre auch nicht richtig. Denn warum gibt es so etwas wie Private-Public-Partnership? - Doch deshalb, damit unsere Leute in den Bürokratien bereits dann, bevor es überall in den Medien als Kontroverse wahrgenommen wird, konkreten Herausforderungen ausgesetzt werden, unsere Leute in den Bürokratien spüren und vermittelt bekommen, wie es in der Wirtschaft läuft, welche Schwierigkeiten sie unter Umständen ungewollt gelegentlich - meistens, hoffe ich - verursachen und wie man diese Schwierigkeiten überwinden kann.
Umgekehrt will ich aber auch sehr deutlich sagen - das gilt auch für Sie - : Es ist ein Unterschied, ob man als Unternehmensführer qua Direktionsrecht Anordnungen treffen kann oder ob man in einer Demokratie den auch angesichts von Länderinteressen, von kommunalen Interessen mühsamen Weg der Durchsetzung dessen, was man als richtig befindet, beschreiten muss. Ich glaube, diese Unterschiede müssen auf beiden Seiten begriffen werden. Man muss mehr miteinander zu tun bekommen, damit man mehr versteht, unter welchen Bedingungen der andere arbeitet, arbeiten muss. Ich denke, dass wir hier etwas gefunden haben, was hilfreich ist.
Ich will auch in diesem Zusammenhang auf einen, wenn man so will, Windfallprofit hinweisen, meine Damen und Herren: Ich glaube, dass sich durch die Greencard-Diskussion die gesamte Debatte um die Frage der Einwanderung in Deutschland elementar verändert hat. Das war auch nötig. Denn wir haben ja im eigenen Saft geschmort und haben in einer Weise auf Internationalität unserer Gesellschaft verzichtet, die wirklich bedrohlich zu werden begann. Jetzt kann man zum ersten Mal darüber reden, dass ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland Einwanderung auch dann zulassen muss, wenn es sich um Einwanderung handelt, die man nicht unmittelbar zur Abdeckung von Arbeitskräften braucht, sondern die man braucht, um Austausch mit anderen Kulturen, mit anderer Art zu arbeiten zu erlauben. Es gibt doch keine so internationale Branche wie die der Informations- und Kommunikationstechnologien. Ich will die Biotechnologien hinzunehmen. Es gibt deswegen die Notwendigkeit, über das Engagieren der besten Mitarbeiter hinaus zuzulassen, dass es mehr Austausch mit anderen gibt und nicht weniger.
Im Übrigen, was die Greencard angeht: Ich denke, der nächste Schritt muss sein, dass wir den Menschen, den Studentinnen und Studenten, die wir hier in Deutschland ausbilden - was ja verdammt teuer ist - , dann, wenn sie für etliche Zeit im Anschluss an das Studium bei uns auch arbeiten wollen, dies auch ermöglichen. Es ist doch abenteuerlich, auf was wir in diesem Zusammenhang verzichten! Dass man da differenzieren kann, ist doch klar. Ich weiß, worüber ich rede. Juristen haben wir selber genug und Diplomsozialwirte auch. Darum geht es nicht. Aber es geht schon um die Frage, ob man hoch qualifizierten Ingenieuren oder gerade denen in Ihrem Bereich solche Möglichkeiten erlaubt oder nicht.
Ich glaube übrigens, mit der raschen Erteilung der UMTS-Lizenzen haben wir nicht nur einen Schritt zum Schuldenabbau machen können. Das war auch nicht ganz unwichtig, weil wir ja etwas dafür bekommen haben. Aber dass es so schnell gegangen ist, hat auch etwas mit der Entwicklung in diesem Bereich zu tun. Ich denke, dass wir damit bewiesen haben, dass wir, was diese Frage angeht, beim Aufbau der Mobilfunknetze der dritten Generation in Europa vorneweg sind.
Meine Damen und Herren, die Politik der Bundesregierung zur Förderung der Informationsgesellschaft ist - das darf man nicht vergessen - Teil einer Strategie zur Internationalisierung und zur Modernisierung Deutschlands. Es macht deswegen vielleicht Sinn, das auch einmal in einen Zusammenhang zu stellen. Die Steuerreform, die wir gemacht haben, hat mit diesem Modernisierungsziel zu tun. Sie wird dazu führen, dass sich Deutschland bei der Unternehmensbesteuerung europaweit eher im unteren Drittel befinden wird als - wie in der Vergangenheit - im oberen. Das hat Auswirkungen auf unsere Wachstumsmöglichkeiten und soll es auch haben.
Wenn wir über Staatsfinanzen und über Reduzierung von Staatsschulden reden und nicht nur reden, sondern das tun, dann hat das mit dieser Modernisierungsstrategie zu tun und dann hat es damit zu tun, dass wir Kindern und Enkelkindern auch eine Chance lassen wollen, dass wir nicht das aufessen, wovon sie in den nächsten Jahrzehnten leben wollen und leben müssen. Das hat etwas mit Schaffung von Handlungsmöglichkeiten für Politik zu tun; denn auch da gilt: Ohne Moos nichts los. Nur von Verschuldung lässt sich keine moderne Gesellschaft aufbauen.
Was die Rentenfrage angeht - das ist sehr aktuell; das hat mit dieser Modernisierungsstrategie zu tun; über die Details will ich gerne reden, selbst mit der Opposition; das ist nicht mein Problem - , müssen wir angesichts der Veränderungen in der Arbeitswelt etwas neben der Umlagefinanzierung aufbauen, die bleiben wird, die aber unter Druck kommt, weil die Menschen einerseits älter werden und weil sich andererseits die Erwerbsbiographien ändern. Sie wissen das aus Ihrem Bereich. Die Erwerbsbiographien werden immer mehr nicht an ein einmal eingegangenes Vollarbeitsverhältnis geknüpft. Dies verändert natürlich die Beitragssituation. Also müssen wir in diesem Bereich Kapitaldeckung aufbauen und denen helfen, die das nicht aus eigenen materiellen Möglichkeiten heraus können, eine Kapitaldeckung ergänzend zur umlagefinanzierten Alterssicherung. Das wird die zentrale Frage sein. Über alle anderen Einzelheiten kann man reden. Über dieses Prinzip darf man aber nicht reden; denn wenn wir es nicht in diesen zwei Jahren schaffen, wird es in Deutschland kaputt geredet sein. Das darf nicht sein, weil es zur Strategie einer Modernisierung unserer Gesellschaft gehört und deswegen realisiert werden muss. Wir werden das schaffen. Davon bin ich fest überzeugt.
Gemeinsam haben wir - ich denke, das kann man feststellen - auf dem Weg in die Informationsgesellschaft viel erreicht. Wir haben Unternehmensgründungen in einer Größenordnung, wie es sie vorher nicht gab - Herr Staudt hat darauf hingewiesen - , gerade auch in diesem Bereich. Das hat übrigens auch Auswirkungen auf die Unternehmenskultur in anderen Bereichen. Es gibt eine Durchdringung der so genannten alten Industrien - als ob die nicht auch jedes Jahr gucken müssten, ihren Produktionsapparat zu erneuern - und den neuen Industrien. Dieser Gegensatz ist, glaube ich, unsinnig, weil sich speziell in Deutschland zeigt, dass wir sehr gut sind bei der Durchdringung der new economy in die alten Produktionsapparate, die wir nun einmal haben und auch weiter haben wollen. Eine Gesellschaft, die nur auf Informations- und Kommunikationstechnologien setzte und zum Beispiel - entschuldigen Sie, wenn ich immer wieder darauf zurückkomme - die Autobauer rechts oder links liegen ließe, würde einen Riesenfehler machen, auch unter Arbeitsmarktgesichtspunkten natürlich. Dieser Gegensatz existiert also nicht. Es geht vielmehr um die gegenseitige Befruchtung des einen wie des anderen Bereiches. Wie gesagt, Deutschland war immer Weltmeister in der Integration neuer Produktionstechniken in den herkömmlichen Industrien. Ich finde, das sollte auch so bleiben. Im Übrigen liegen darin ja riesige Geschäftschancen für Sie.
Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt nicht wiederholen, was Herr Staudt zu den Aspekten des Zuwachses an Internetnutzern in Deutschland gesagt hat. Das, was in der letzten Zeit geleistet worden ist, ist wirklich beachtlich. Beachtlich ist auch, was von der Wirtschaft bei der Durchdringung der Gesellschaft, speziell des jüngeren Teils der Gesellschaft - also Schulen, Berufsschulen, Universitäten - mit den modernen Technologien geleistet worden ist. Aber genau so klar ist: Von der Wirtschaft kann man leider noch nicht reden. Da fehlt noch etwas. Hier sind "Leuchttürme" von Firmen genannt worden, die sich wirklich engagieren. Aber was wir tatsächlich brauchen - darum ist zum Beispiel die Initiative von Herrn Gabriel so wichtig - , ist, dass wir etwa in den Bereichen der Industrie- und Handelskammern dafür sorgen, dass auch kleine und mittlere Unternehmen solche Patenschaften an "ihren" Schulen übernehmen, also dass das nicht auf die großen Produzenten von Hard- oder Software oder die Telekommunikationsunternehmen beschränkt bleibt, sondern dass wir wirklich eine breite Angelegenheit der Wirtschaft daraus machen. Da fehlt noch etwas. Das kann geliefert werden. Das muss geliefert werden. Meine Bitte ist, zu begreifen, dass das auch eine ureigene Sache der Wirtschaft ist, jedenfalls werden muss über das hinaus, was bisher geleistet worden ist.
Das heißt für uns natürlich, dass wir sicherzustellen haben und sicherstellen werden, dass die kostenlose Überlassung von PCs an Schulen, Bildungseinrichtungen oder gemeinnützige Vereine ohne Belastung mit Umsatzsteuer erfolgen kann. Das ist ein Punkt, den man den Finanzbeamten in den Finanzverwaltungen, in den Finanzministerien bei Bund und Ländern immer wieder deutlich machen muss, weil es da gelegentlich eine rein fiskalpolitisch orientierte Herangehensweise gibt und diese gesellschaftspolitischen Anforderungen gelegentlich nicht so sorgfältig bedacht werden, wie es nötig wäre.
Auf dem auszuruhen, was wir geschafft haben, ist uns nicht erlaubt. Darauf hat Herr Staudt zu Recht hingewiesen."Internet für alle" sollte unser Ziel sein. Ich möchte Ihnen dazu zehn Punkte sagen. Das ist kurz; Sie müssen keine Angst bekommen.
Grundlage des Programms ist die Überzeugung, dass der Übergang zur Informationsgesellschaft nur gelingen kann, wenn der Zugang zu neuen Technologien allen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land, die das wollen - das sollten alle wollen - , offen steht. Das heißt, wir wollen keine in Nutzer und Nichtnutzer gespaltene Gesellschaft. Das können wir uns übrigens nicht leisten. Denn wenn es so ist, dass Lernen und Wissen die Grundbedingungen für wirtschaftlichen Erfolg sind, können wir in Deutschland keine einzige Begabung unausgeschöpft lassen, sondern müssen wir das volle Potenzial unserer Gesellschaft ausschöpfen. Nicht nur aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch aus schlicht ökonomischen Gründen müssen wir das hinkriegen.
Der Zugang zu den neuen Medien betrifft die Berufs- und Lebenschancen aller Kreise der Bevölkerung. Deswegen müssen wir im Übrigen auch miteinander Sorgen und Ängste vor den technischen Innovationen ausräumen, die in diesen wie in anderen Sektoren stattfinden.
Die Inhalte des Zehn-Punkte-Programms sind:
Erstens. Wir wollen, dass die Beherrschung des Internet Teil der Allgemeinbildung wird. Die Bundesregierung wird deshalb gemeinsam mit Wirtschaft und Ländern die Anwendung moderner Informationspolitik im Bildungswesen vorantreiben. Vorrangig ist dabei: Alle Schulen - das müssen wir miteinander erreichen - werden bis zum nächsten Jahr mit PC und Internetzugang ausgestattet. Also das, was bereits angegangen worden ist, muss bis zum Ende nächsten Jahres erfolgreich zum Abschluss gebracht werden.
Genau so wichtig ist: Alle öffentlichen Büchereien, deren wichtige Funktion man nicht klein schätzen sollte, müssen gleichfalls einen Internetzugang erhalten.
Zweitens. Das Sponsoring von PCs an Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen müssen wir fördern.
Drittens. Steuerliche Unklarheiten bei der Nutzung des Internet am Arbeitsplatz und zu Hause müssen wir beseitigen und werden wir auch beseitigen. Ich will die freundschaftliche Auseinandersetzung mit den Abteilungsleitern der Steuerbehörden gewinnen. Das müsste eigentlich möglich sein, meine Damen und Herren. Das ist wirklich ein wichtiger Kreis. Das sind die Steuerexperten in Bund und allen Ländern. Die setzen sich zusammen und denken über solche Fragen nach: Was ist ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil? Da sind sie darauf gekommen, dass auch die private Nutzung eines Internetzugangs am Arbeitsplatz ein geldwerter Vorteil ist - sicher nicht für den Arbeitgeber. Ob das, was die da gelegentlich mit dem Moorhuhn machen, ein geldwerter Vorteil ist, weiß ich auch nicht. Aber jedenfalls widerspricht das dem Ziel, das wir haben. Deswegen sage ich: Die private Nutzung des Internet am Arbeitsplatz ist steuerfrei, weil wir auch nicht zumuten können, das zu kontrollieren. Wie soll das denn geschehen? Mir ist das nicht recht klar zu machen. Ich gehe davon aus, dass der Staatsminister, der das hier hineingeschrieben hat, inzwischen auch mit dem Finanzministerium einig ist. - Er nickt. Es wird so sein. Er kennt das Risiko, wenn es anders ist.
Meine Damen und Herren, Arbeitnehmer, die ihren privaten PC überwiegend beruflich nutzen, können selbstverständlich auch dann Werbungskosten steuerlich geltend machen, wenn der PC einen Internetanschluss hat. Das ist auch wichtig.
Viertens. Besondere Anstrengungen werden wir für die Menschen unternehmen, die heute keine Arbeit haben. Die Arbeitsämter - auch das ist vereinbart - werden ab Oktober dieses Jahres jedem Arbeitslosen anbieten, kostenlos durch einen "Internetführerschein" die erforderlichen Grundkenntnisse zu erlangen.
Fünftens. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, aber auch die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger hängen davon ab, wie gut und wie schnell der Staat Dienstleistungen erbringen kann. Diese Servicefunktion wollen wir grundlegend verbessern. Sie werden darüber unter anderem mit Frau Staatssekretärin Zypries und Herrn Staatssekretär Tacke reden.
Die Bundesregierung will alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung bis zum Jahr 2005 online bereitstellen. Sie wird gemeinsam mit den Ländern die Einführung elektronischer Dienstleistungen auf Bund- , Länder- und Gemeindeebene beschleunigen. Das heißt, wir müssen dazu kommen, dass die Daten laufen, nicht die Bürger. So wird beispielsweise die gesamte BAföG-Abwicklung von der Antragstellung bis zur Rückzahlung online erfolgen können. Auch die Justiz soll das machen. Vor kurzem hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Reform des Zivilprozesses beschlossen, der - Herr Staudt, passen Sie jetzt auf - auch die Möglichkeit vorsieht, Klagen online einzureichen. Das ist noch nicht die totale Abschaffung des Aktenwagens, aber es wird.
Die Einrichtung eines gemeinsamen Internet-Portals ist ein wichtiger Schritt bei der Modernisierung der Verwaltung. Es gilt nämlich: Je besser die Behörden bestimmte Dienstleistungen online anbieten können, desto effizienter können sie natürlich auch den Bürgern gegenüber treten. Das nutzt den Beschäftigten und übrigens auch der Politik, die das zu verantworten hat.
Sechstens. Der elektronische Handel, der so genannte e-commerce, bietet gewaltige Chancen. Das gilt insbesondere für den "business-to-business" -Bereich, also für den Austausch zwischen den Unternehmen. Geschäfte via Internet müssen aber genau so sicher sein wie Geschäfte auf konventionellem Weg. - Es ist übrigens ein Irrtum, zu glauben, meine Damen und Herren, dass die Gewerkschaften nur deshalb gegen die Veränderungen beim Ladenschluss seien, weil sie dem Internethandel aufhelfen wollen. Das ist nicht der Kern der Diskussion. Das nur nebenbei gesagt.
Die Bundesregierung wird die rechtlichen Rahmenbedingungen für Internetgeschäfte umfassend modernisieren, indem wir zum Beispiel sicherstellen, dass die elektronische Unterschrift im Geschäftsverkehr die gleiche Rechtswirkung erhält wie die handschriftliche. - Das ist, denke ich, ein ganz wichtiger Punkt. Sie werden das mindestens so gut wissen wie wir auch. - Hier muss, insbesondere beim grenzüberschreitenden Verbraucherschutz, sicher auch im europäischen Rahmen noch Etliches passieren. Aber es ist auch jetzt schon so, wie Herr Staudt gesagt hat: Ohne Vertrauen läuft nichts in diesem Bereich. Die Initiativen der D-21 -Mitgliedsunternehmen zum Geschäftsgebaren im elektronischen Handel müssen wirklich unterstützt werden.
Modernisiert werden müssen die Vorschriften zum Schutz geistigen Eigentums und zur Vermeidung unlauteren Wettbewerbs.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine Bemerkung zu dem auch von Ihnen angesprochenen Thema machen, nämlich zu der aktuellen Diskussion um die urheberrechtliche Vergütung bei der Nutzung von Informationstechnologien. Das Internet - das wissen Sie besser als ich - lebt nicht alleine von der Technik, sondern vor allem von attraktiven Inhalten. Diese attraktiven Inhalte werden von kreativen Menschen geschaffen. Dies weiterzuentwickeln und auf hohem Level zu halten, wird nur möglich sein, wenn wir geistiges Eigentum dieser Menschen wirksam schützen und die Nutzung dieses geistigen Eigentums von kreativen Menschen auch anständig vergüten. Ich denke, dafür wird hier jeder Verständnis haben.
Bei dem, was zu überlegen ist, darf es also nicht um die Erzielung von Staatseinnahmen gehen - das ist überhaupt nicht im Vordergrund bei dem, was wir machen müssen - , sondern es geht um eine angemessene Vergütung für Autoren, für Künstler ebenso, wie sie durch die entsprechenden Verwertungsgesellschaften in den klassischen Medien - Wort, Bild und Musik - gang und gäbe ist.
Eine der wesentlichen Aufgaben des Staates ist es natürlich, seine Bürger vor Kriminalität zu schützen. Wir sind fest entschlossen, mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Verfasser rassistischer, jugendgefährdender und sonstiger krimineller Inhalte im Internet vorzugehen. Meine Damen und Herren, es ist wichtig, wenn man Vertrauen für diese Technologie bzw. Technik schaffen will, dass man da kein Pardon gibt. Für mich war es befriedigend, in den Vereinigten Staaten zu hören, dass man dort inzwischen sieht, dass wir mit dem Verbannen solcher Inhalte aus dem Internet ernst machen, soweit wir das überhaupt können. Ich denke, in diesem Bereich sollte die Wirtschaft im ureigenen Interesse stärker Gesicht zeigen und den Staat durch geeignete technische Maßnahmen unterstützen. Denn manchmal ist es besser, auf lange Regularien zu verzichten, wenn es technische Möglichkeiten gibt, das Ziel gemeinsam zu erreichen. Da sind wir offen für eine Diskussion, die nur aus Ihren Bereichen kommen kann, weil Sie sozusagen den letzten Stand der Technik aus Ihrer Arbeit jeden Tag heraus kennen und wir ihn in diesem Ausmaß nicht kennen können.
Ich glaube, dass wir gemeinsam noch eine Menge zu tun haben, um Anstrengungen bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität auch in diesem Bereich zu verstärken. Hier haben die Unternehmen, die oft selbst Opfer krimineller Aktionen sind, noch eine Menge Phantasie aufzubieten, um zu machbaren technischen Lösungen zu kommen.
Meine Damen und Herren, Deutschland zukunftsfähig zu machen, ist ein ehrgeiziges Ziel."D 21" und die dahinter stehenden Unternehmen - aber nicht nur sie - sowie auch gesellschaftliche Gruppen haben sich dafür im ersten Jahr des Bestehens wirklich ins Zeug gelegt. Deswegen will ich mich bei allem, was noch offen ist und was wir noch schaffen müssen, für dieses Jahr ganz herzlich bedanken. Das gilt für den Vorstand, das gilt für den Beirat und das gilt insbesondere - da hat er auch Beifall verdient - für Herrn Staudt.
Wir haben - lassen Sie mich das abschließend sagen - ein wirklich ehrgeiziges Ziel. Wir wollen mit den Vereinigten Staaten gleichziehen. Ich benutze hier nicht den etwas diskreditierten Begriff des Überholens ohne einzuholen. Der kommt aus einem anderen Zeitalter. Aber ich denke, wir sollten damit ernst machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das zu realisieren, was wir in Lissabon als Europäer beschlossen haben, nämlich uns nicht vor denen zu verstecken, die aktuell noch weiter sein mögen. Wenn ich über Europa rede, macht es durchaus Sinn, wenn Deutschland als stärkste Volkswirtschaft - die sind wir in Europa - mit Augenmaß, aber mit Ehrgeiz sagt: Wenn Europa das Ziel erreichen will, dann muss Deutschland vorneweg sein. Das ist die Aufgabe, die wir uns in den nächsten Jahren vorgenommen haben, und das ist das, was wir bei D 21 wollen.
Ich kann nur möglichst viele aus Ihrem Unternehmen einladen, mitzumachen, aber vor allen Dingen in dem Sinne, wie es aufgezeigt worden ist, dafür zu sorgen, dass das nicht nur auf einer Ebene wie dieser, nicht nur auf der Ebene des Bundes und der Länder passiert, sondern wirklich an der Basis, an der wirtschaftlichen Basis passiert. In den kleinen Städten, in den Gemeinden muss es die gleiche Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik zu Gunsten der Durchdringung der Gesellschaft mit diesem Medium geben, wie wir sie hier exerziert haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit und wünsche uns einen erfolgreichen Kongress. Vielen Dank und alles Gute!