Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 14.03.2010
Untertitel: "Die Tage der Chor- und Orchestermusik und die jährliche Verleihung der Zelter- und Pro Musica-Plaketten zeigen die Spitze und die Breite der Laienmusik in Deutschland", so Staatsminister Bernd Neumann in seiner Rede im Stadttheater Lippstadt.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/03/2010-03-14-neumann-zelter-plaketten,layoutVariant=Druckansicht.html
es gibt kaum einen Termin im Musikleben unseres Landes, den ich so häufig wahrgenommen habe, wie die Verleihung der Zelter- und der Pro Musica-Plaketten.
Ich möchte die vielen Millionen Menschen würdigen, die als Laien musizieren, insbesondere den 4 Millionen in der Bundesvereinigung deutscher Chor- und Orchesterverbände.
Die Tage der Chor- und Orchestermusik und die jährliche Verleihung der Zelter- und Pro Musica-Plaketten zeigen sozusagen die Spitze und die Breite der Laienmusik in Deutschland.
Lieber Ernst Burgbacher, Ihrer Abgeordneten-Homepage haben Sie das Motto von Erich Kästner "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" vorangestellt und Sie sind das beste Beispiel dafür, dass das stimmt! Stellvertretend für alle Aktiven danke ich Ihnen, lieber Ernst Burgbacher sowie Ihnen, lieber Hans-Willi Hefekäuser für Ihr ausdauerndes, ehrenamtliches Engagement!
Die großen Leistungen, die wir hier auszeichnen und die jeden Tag überall im Land in der Laienmusik erbracht werden, sind allesamt ehrenamtlich.
Das finde ich gerade in der heutigen Zeit überaus verdienstvoll, in der so oft Kosten und Nutzen spitz aufgerechnet werden! Das Ehrenamt ist das Fundament für ein lebenswertes Deutschland. Darum hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Förderung des Ehrenamtes auf die Fahnen geschrieben. Schon in der vergangenen Legislaturperiode konnten wir auf dem Gebiet des Ehrenamtes einiges an Verbesserungen erreichen. Ich denke da nur an die Übungsleiterpauschale, die erhöht wurde, aber auch an die Verdoppelung der Spenden-Abzugsfähigkeit und die Absetzbarkeit von Mitgliedsbeiträgen. Es gibt aber noch Einiges zu tun:
Die Förderung der Laienmusik ist eine unverzichtbare Investition in die Zukunft der Kultur in Deutschland das muss noch stärker im öffentlichen Bewusstsein verankert werden.
Bei aller hohen Wertschätzung, gerade für ehrenamtliche Leistungen, ist mir allerdings eines ganz wichtig: Der hohe private Einsatz darf nicht dazu führen, dass der Staat die Kulturförderung reduziert. Gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise müssen vielmehr öffentliche Förderung und privates Engagement Hand in Hand gehen und einander ergänzen. Wenn heute Kommunen und Länder anfangen, bei der Kultur zu sparen, haben wir bald nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch ein geistige Krise im Land!
Darum appelliere ich an alle Verantwortlichen: Schont die Kultur! Nicht nur Theater und Museen würden in ihrem Bestand gefährdet, sondern letztendlich auch die Laienkultur. Es ist doch so:
Chöre und Orchester leisten gerade in der Nachwuchsarbeit Hervorragendes, aber Vereine können die städtische Musikschule nicht ersetzen, die erst die Grundlagen für das Musizieren legt. Doch die Sparwut grassiert ja Gott sei dank nicht überall. Gerade ein großes Flächenland wie Nordrhein-Westfalen zum Beispiel braucht eine starke Kulturszene. Sie haben das hier in NRW erkannt, lieber Kollege Grosse-Brockhoff. Es gibt kein anderes Bundesland, das wie Nordrhein-Westfalen in den letzen Jahren den Kulturhaushalt verdoppelt hat.
Das grenzt schon fast an ein Wunder, denn ich weiß, wie schwer Haushälter davon zu überzeugen sind, bei der Kultur nicht zu kürzen! Erst vor rund einer Woche habe ich selbst die Haushaltsverhandlungen für mein Ressort durchgefochten. Und ich kann heute sagen: Auch mit dem Haushalt 2010 setzt der Bund ein Zeichen gegen die Sparwut im Kulturbereich. Wir konnten den Etat erneut, wenn auch moderat - seit Amtsbeginn 2005 - kontinuierlich erhöhen! Vor allem war mir wichtig, die Mittel im Bereich der kulturellen Bildung aufzustocken. Und das ist uns auch gelungen: Mehrere Millionen Euro stehen im Jahr 2010 zur Verfügung - Geld, das in vorbildliche Projekte im ganzen Land fließen soll.
Der Löwenanteil der Mittel für kulturelle Bildung wird zwar von Ländern und Kommunen erbracht, aber auch der Bund hat hier einen Schwerpunkt gesetzt, der den Charakter von Pilotprojekten hat. Denn die Begegnung mit Kunst und Kultur, möglichst schon im Kindesalter, ist nicht nur entscheidend für die Herausbildung einer reifen Persönlichkeit, sondern auch grundlegend für die Vermittlung kultureller Werte.
Aus diesem Grund haben wir im vergangenen Jahr mit der Stiftung Genshagen einen Ort für den fachlichen Dialog über kulturelle Bildung geschaffen, besonders mit unseren Nachbarn Polen und Frankreich. Dort finden auch interessante Musikprojekte statt. Gerade gestern gingen die Proben für die Konzertoper "Noahs Flut" von Benjamin Britten zu Ende, die das Staatsorchester Brandenburg mit 70 Kindern aus Frankfurt / Oder und Słubice in Polen und in Frankfurt / Oder aufführen wird. Die Begeisterung der Kinder ist riesig!
In diesem Jahr wird in Genshagen zum zweiten Mal der "Preis für kulturelle Bildung" durch mich vergeben, der innovative Projekte auszeichnet. Beim letzen Mal war das im Musikbereich beispielsweise die Württembergische Philharmonie Reutlingen, die im Projekt "Accompagnato die Kunst des Begleitens" behinderte Laienmusiker in die professionelle Arbeit mit einbezieht. Ich möchte Sie alle ermutigen, selbst gute Projekte vorzuschlagen! Bewerben können sich Laienchöre und Orchester zum Beispiel über die Bundesvereinigung Deutscher Chor- und Orchesterverbände, die vorschlagsberechtigt für den Preis ist. Die Anmeldefrist läuft noch bis zum Ende dieses Monats, Bewerbungen sind also noch möglich!
Wir zeichnen aber nicht nur aus, sondern fördern auch vorbildliche Projekte.
Bundesweit zahlreiche Nachahmer hat mittlerweile unser Projekt "Jedem Kind ein Instrument" gefunden."JeKI", wie es kurz genannt wird, gibt allen Grundschulkindern im Ruhrgebiet unabhängig von der sozialen Herkunft und den finanziellen Möglichkeiten der Eltern die Chance, ein Instrument zu erlernen. Zum Ende des Schuljahres 2010/2011 werden rund 70.000 Schüler an insgesamt 522 Grundschulen mitmachen.
Mein Haus beteiligt sich an "JeKI" im Rahmen der Förderung des Kulturhauptstadtjahres mit 10 Millionen Euro, die Nordrhein-Westfälische Landesregierung unterstützt es mit 15,4 Millionen Euro. Dazu kommen noch über 2 Millionen aus den Kommunen und weitere Mittel aus Elternbeiträgen und Spenden. Bei "JeKI" geht es nicht nur um das rein technische Erlernen eines Instrumentes. Es geht es vor allem auch um das Miteinander. Wer ein Instrument spielt oder in einem Chor singt, der lernt auch, auf andere zu hören und zusammen auf ein Ziel hin zu arbeiten. Das sind Charakter- und Umgangsformen, auf die unsere Gesellschaft dringlich angewiesen ist.
Gemeinsames, generationenübergreifendes Musizieren und Singen schlägt auch kulturelle Brücken das erleben Sie täglich, liebe Musikfreunde. Eines der Schlüsselthemen unserer Gesellschaft ist und bleibt die Integration von Migranten. Die Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände haben mit ihrer Initiative "Integration durch Musik" schon einen großen Beitrag zur Bewältigung dieser wichtigen Zukunftsaufgabe geleistet. Derzeit beschäftigt sich die Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände im Rahmen des Forschungsprojekts "Musik kennt kein Alter" mit dem demografischen Wandel als Herausforderung für Musikvereine.
Der Bund fördert dieses wichtige Projekt mit 100.000 Euro, denn ein aktives Musikleben ist nicht nur der beste Weg zu einem erfüllten Alter, sondern auch ein Weg, um die Generationen einander näher zu bringen!
Meine Damen und Herren,
die Tage der Chor- und Orchestermusik können heute eine brillante Bilanz ziehen. Über 800 Musikerinnen und Musiker haben sich hier in Lippstadt präsentiert. Eine solche Mammutveranstaltung ist eine logistische Meisterleistung, und nichts ginge ohne großzügige und musikbegeisterte Gastgeber!
Lippstadt erfüllt diese Rolle perfekt mit seinen verschiedenen Kirchen und dem Stadttheater als zentralem Veranstaltungsort und das alles im glanzvollen Rahmen des 825-jährigen Stadtjubiläums! Allen aktiven Sängern und Musikern sowie den vielen Helfern sei Dank gesagt und der Stadt Lippstadt meinen herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!