Redner(in): Angela Merkel
Datum: 15.04.2010

Untertitel: in Palo Alto
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/04/2010-04-16-rede-standford-university,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrter Herr President Hennessy,

sehr geehrter President Emeritus Casper,

sehr geehrter Chair of the Board of Trustees Leslie Hume,

verehrte Gäste,

Mitglieder der Fakultäten,

vor allen Dingen natürlich liebe Studenten,

zu Beginn unserer Zusammenkunft hier haben wir daran gedacht, dass heute vier deutsche Soldaten im Einsatz in Afghanistan gefallen sind in einem Einsatz, um unsere Freiheit und Sicherheit zu garantieren. Die traurige Erfahrung, die wir heute in Deutschland machen müssen, machen Sie in den Vereinigten Staaten genauso. Wir sind heute gemeinsam in vielen Bereichen dabei, uns Verantwortung zu teilen.

Ich möchte heute mit Ihnen darüber sprechen, dass wir im 21. Jahrhundert viele Verantwortungen haben, bezüglich derer nur ein gemeinsames Herangehen eine Chance auf Erfolg in sich birgt, und dass wir gemeinsam versuchen und jede Anstrengung unternehmen müssen, um die wirklich wichtigen Fragen unserer Zeit auch erfolgreich lösen zu können. Dies möchte ich Ihnen an drei Beispielen deutlich machen.

Mein erstes Beispiel hat etwas mit der gemeinsamen Verantwortung zu tun, die wir übernehmen müssen, um die große Herausforderung der Sicherheit zu bewältigen. Sicherheit ist die Voraussetzung dafür, dass wir in Freiheit leben können. Wenn ich wieder den Einsatz in Afghanistan als Beispiel nehme, dann weiß ich, dass sowohl hier, in den Vereinigten Staaten von Amerika, als auch bei uns zu Hause viele Menschen Zweifel haben, ob dieser Einsatz notwendig und richtig ist. Ich respektiere diese Zweifel; das will ich ausdrücklich sagen. Aber ich will auch hinzufügen, dass ich ganz bewusst hinter diesem, unserem gemeinsamen Einsatz in Afghanistan stehe, damit das Land stabilisiert wird, bis es selbst für seine Sicherheit sorgen kann.

Sie wissen, dass der 11. September sehr viel damit zu tun hat, dass wir heute in Afghanistan sind. Damals war unsere Sicherheit in Gefahr geraten. Wir hatten schreckliche terroristische Angriffe, unter denen die Vereinigten Staaten in diesem Falle besonders gelitten haben. Damals haben wir uns gemeinsam entschlossen, für Stabilität und Sicherheit in Afghanistan einzustehen, damit wir in Sicherheit und Freiheit leben können.

Nach Jahren unseres massiven dortigen Einsatzes wissen wir: Wir werden nur Erfolg haben, wenn wir die Menschen dort überzeugen, dass wir an der Seite der Afghanen stehen. Wir haben eine neue Strategie in unserem Bündnis, der NATO, entwickelt. Diese Strategie stellt die Afghanen ins Zentrum und macht sie zu unseren Partnern. Denn wir müssen und wollen ihnen die Verantwortung übergeben, aber wir müssen sie dazu auch befähigen.

Wir haben sehr lange manch einer mag sagen: zu lange gebraucht, um gemeinsam zu verstehen, dass ein militärischer Einsatz allein das Problem nicht lösen wird, dass militärischer Einsatz mit Entwicklung kombiniert werden muss, um gegen Gegner vorzugehen, die nicht wie in den herkömmlichen Kriegen agieren, sondern die asymmetrisch auftreten. Das heißt: Anders als zu den Zeiten des Kalten Krieges, als die Abschreckung eine Möglichkeit war, Frieden zu erhalten, weil jeder der Gegner davon abgesehen hat, sich selbst zu vernichten, haben wir es heute mit asymmetrischen Konflikten zu tun, in denen die Angreifer um ihr Leben nicht fürchten.

Das zeigt uns: Um solche neuen Herausforderungen zu bewältigen, müssen wir mehr wissen. Wir müssen mehr forschen. Wir müssen mehr über Länder und Kulturen wie zum Beispiel Afghanistan wissen, über die Wechselbeziehungen von Ethnien, Stämmen und Religionen, über die Einbettung in die Region, die Sorgen der Menschen und die Wurzeln von Gewaltbereitschaft, die für uns ganz schwer eindämmbar zu sein scheinen. Wenn wir an die zahlreichen Länder und Regionen auf der Welt denken, denen wir schon allein um unserer eigenen Sicherheit Willen große Aufmerksamkeit widmen müssen, dann muss ich zu Afghanistan noch hinzufügen, dass es Länder wie Somalia, den Sudan, zentrale Teile von Afrika, den Nahen und Mittleren Osten ebenso wie Teile Lateinamerikas oder Asiens gibt.

Wir haben es mit anderen, neuen Herausforderungen im Sicherheitsbereich zu tun. Ich war in dieser Woche auf der Konferenz, die der amerikanische Präsident Barack Obama einberufen hat, die sich damit befasst hat, wie wir nukleare Sicherheit gewährleisten können. Eine der großen Herausforderungen, die wir nicht mehr ausschließen können, ist, dass einzelne Staaten Nuklearmaterial an terroristische Gruppen weitergeben und damit eine bisher nicht gekannte Bedrohung heraufbeschwören. Es war sehr gut zu sehen, dass sich 47Länder dem gleichen Anliegen verpflichtet haben, entschieden dagegen vorzugehen. Aber es ist völlig offensichtlich, dass eine solche Herausforderung keiner allein bewältigen kann, nicht die Vereinigten Staaten von Amerika allein, nicht Europa allein, aber eben auch nicht China und Indien allein.

Das heißt, unsere Freiheit hängt heute viel stärker als früher davon ab, dass wir eine Sicherheitspolitik betreiben, die auf globale Gefahren ausgerichtet wird, die um eine glaubwürdige, strategisch angelegte und von den Menschen vor Ort getragene Entwicklungspolitik ergänzt wird. Freiheit, Solidarität und Partnerschaft gehören heute untrennbar zusammen. Nur so können wir die Herausforderungen, vor denen wir stehen, bewältigen.

Neben der Sicherheit möchte ich eine zweite Herausforderung nennen. Es ist die Bewältigung der internationalen Wirtschafts- und Finanzmarktkrise. Diese Krise ist vor eineinhalb Jahren über uns hereingebrochen. Ihre Auswirkungen sind über den gesamten Globus hinweg zu spüren. Exzesse an den Märkten haben dazu geführt, dass viele Menschen, die nichts damit zu tun haben, betroffen sind. Es wurden in Windeseile unermessliche Werte vernichtet. Unzählige Ersparnisse und Arbeitsplätze gingen verloren, und dies genauso in den Vereinigten Staaten wie in Europa, Asien und anderswo.

Wir wissen: Die Folgen dieser Finanzmarktkrise werden uns noch lange begleiten. Rekordverschuldungen der öffentlichen Haushalte, sinkende Wachstumsprognosen, steigende Arbeitslosenzahlen das alles ist eine schwere Hypothek. Wir sollten auch nicht vergessen: Die Auswirkungen der Krise sind in den Entwicklungsländern und die haben diese Krise nun wirklich nicht verursacht noch weit verheerender, als es bei uns zu Hause, in den Industrieländern, der Fall ist.

Deshalb, weil wir diese Krise in unseren Ländern hervorgerufen haben, haben wir jetzt auch die Pflicht und die Verantwortung dafür, alles zu tun, damit die Folgen dieser Krise möglichst schnell überwunden werden und damit sich solche Krisen nicht wiederholen. Das heißt, wir brauchen eine neue und zwar weltweite Finanzarchitektur. Wir müssen alles tun, damit nicht Protektionismus und Abschottung die Antwort auf diese Krise sind. Wir müssen vor allen Dingen weltweit für einen freien Handel sorgen.

Wir spüren, dass es gerade in solchen schwierigen Situationen oft vorkommt, dass jedes Land erst einmal an sich denkt. Aber ich bin überzeugt: Das wäre genau die falsche Antwort. Wenn wir aber jetzt verhindern wollen, dass sich eine solche Krise noch einmal wiederholt, und das müssen wir, dann müssen wir viel mehr als das leisten, was ich bislang gesagt habe. Dann brauchen wir nämlich eine neue Balance zwischen wirtschaftlicher Freiheit und transparenten Regeln. Dann brauchen wir Regeln, die verhindern, dass eine ganze Gemeinschaft von Völkern Schaden erleidet, weil einzelne diesen verursacht haben. Diese Krise hat eben in besonderer Weise gezeigt: Solche Regeln können nur weltweit geschaffen werden. Sie hat auch gezeigt: Freiheit braucht immer Verantwortung. Freiheit braucht Solidarität.

Man muss auch das ist eine Aussage an die ökonomischen Wissenschaften ganz ehrlich sagen: Die Wissenschaft hat dieses Problem nicht ausreichend erkannt. Wir sind oft sehr prognosegläubig. Aber die Prognosen, die es gab, haben uns nicht geholfen, eine solche Krise frühzeitig zu erkennen. Deshalb wird die Forschung über die Mechanismen der internationalen Finanzmärkte sicherlich intensiviert werden müssen.

Wir müssen in der Krise allerdings dazu stehen, dass wir offene Märkte brauchen, dass wir die Regeln der Freiheit nicht aufgeben dürfen. Wir stehen also vor der großen Herausforderung, ein System für die globalen Märkte zu schaffen, das Freiheit, Solidarität und weltweite Partnerschaft verbindet. Dabei wird die Gruppe der G8 -Staaten die großen Industrieländer plus Russland, die in der Vergangenheit sehr eng zusammengearbeitet haben, sicherlich weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Aber gerade diese Finanzmarktkrise hat uns gezeigt: Das reicht nicht mehr aus. Wir brauchen genauso die aufstrebenden Wirtschaftsländer wie China, Indien, Brasilien, Südafrika und müssen mit ihnen gemeinsam unsere Zukunft gestalten. Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass globale Zusammenarbeit unabänderlich notwendig ist, um die richtigen Antworten für unsere Sicherheit und unseren Erfolg jeweils im eigenen Land zu finden.

Die dritte große Herausforderung neben der Sicherheitspolitik und der Finanzkrise ist der Klimaschutz. Professor Casper ist darauf eingegangen. Ich bin davon überzeugt, dass das eine der großen Herausforderungen der Menschheit ist. Klimapolitik und Energiepolitik im umfassenden Sinne sind heute Friedenspolitik für die Welt.

Es war enttäuschend, was bei der Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen das Ergebnis war. Wir sind wenig weitergekommen und haben wieder einmal gesehen, wie schwer es ist, zwischen mehr als 100Staaten gemeinsame Antworten auf eine Herausforderung zu finden, die unbestritten ist. Wir haben die objektiven wissenschaftlichen Ergebnisse vor uns gehabt und es trotzdem nicht geschafft, daraus die richtigen politischen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Ich bin sehr froh, dass die Diskussion in den Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Hinsicht etwas an Fahrt gewonnen hat. Aber ich will auch ganz ohne Umschweife sagen: Richtig zufrieden bin ich noch nicht. Ich hoffe, dass vielleicht gerade die junge Generation die, die hier in Stanford studiert und viel besser weiß, wie begrenzt unsere Ressourcen weltweit sind ein bisschen Druck auf die ausüben wird, die politische Verantwortung tragen. Denn saubere Energie, erneuerbare Energie das sind nicht nur spannende Forschungsfelder, sondern das sind sind Notwendigkeiten, um unseren Kindern und Enkeln im 21. Jahrhundert nicht eine untragbare Bilanz zu hinterlassen.

Meine Damen und Herren, gerade beim Klimaschutz dürfen sich Europa und die Vereinigten Staaten möglichst nicht auseinanderdividieren lassen. Denn je gemeinsamer wir auftreten, umso besser können wir auch Länder wie China und Indien überzeugen. Eines ist nämlich auch richtig: Wir, die Industrieländer, sind verantwortlich für den wesentlichen Teil der Erwärmung der Erdatmosphäre. Diejenigen, die ihre wirtschaftliche Entwicklung, die wir schon hinter uns haben, jetzt erst vor sich haben, haben natürlich die Sorge, dass ihnen diese Entwicklung vielleicht verwehrt wird. Auch deshalb sind Forschung und Innovation so wichtig, um eben deutlich zu machen: Wir können unseren Energiebedarf weiterhin decken, wir müssen nur andere Methoden anwenden. Wir können eine nachhaltige Entwicklung schaffen. Wir können neue Ressourcen erschließen.

Ich glaube, dass der Schutz unseres Klimas und der Zugang zu Energie zu einer zentralen Bewährungsprobe in Bezug darauf werden wird, ob und wie wir als freiheitliche, hochentwickelte Gesellschaften bereit sind, Freiheit und Solidarität partnerschaftlich über die Kontinente hinweg zu verbinden. Das sind wir uns schuldig; ich bin davon überzeugt. Aber das sind wir nicht nur uns schuldig, sondern mindestens so sehr auch den armen Regionen dieser Welt. Wenn wir dies nicht verstehen, werden wir es weltweit wieder mit Konflikten zu tun haben, die unsere Sicherheit zu Hause bedrohen. Das heißt, wir müssen es verstehen.

Meine Damen und Herren, immer wieder zeigt es sich, dass unsere gemeinsamen Herausforderungen, die keiner allein bewältigen kann, angegangen werden müssen, und zwar so, wie wir es von unseren Grundwerten her verstehen. Das ist das Wunderbare, was Europa insbesondere Deutschland, das Land, das ich vertrete und die Vereinigten Staaten verbindet, nämlich die Vorstellung, dass der einzelne Mensch etwas zählt. In unserer deutschen Verfassung, dem Grundgesetz, steht: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Daraus ergibt sich unser Verständnis von Freiheit. Das ist nicht eine Freiheit von irgendetwas, sondern das ist eine Freiheit in Verantwortung.

Um diese Freiheit geht es ja in so vielen Bereichen. Zum Beispiel geht es für die Wissenschaftler um die Freiheit, zu forschen und immer wieder Wissensgrenzen zu verschieben. Es geht um die Freiheit des Gedankens und der Meinungen. Für junge Studenten geht es sicherlich erst einmal darum, ein Leben in Eigenständigkeit zu führen, außerhalb des Elternhauses Freiheiten zu genießen, aber eben auch Verantwortung zu übernehmen. Für uns Politiker schließlich ist die Freiheit vielleicht das wichtigste und zentrale politische Gut, das uns anvertraut wird und anvertraut ist. Wir müssen es schützen, wir müssen es hegen und pflegen und fördern.

Um diesen Auftrag, die Freiheit zu bewahren, müssen wir uns alle gemeinsam bemühen. Deshalb sind Solidarität und Verantwortung füreinander für mich so unverzichtbare Teile der Freiheit. Beides gehört zusammen. So wie uns alle hier in Kalifornien, in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Deutschland und in Europa ja, auf allen Kontinenten die Sehnsucht nach Freiheit eint, so eint uns ebenso auch das Bedürfnis nach Zusammenhalt und Solidarität.

Meine Damen und Herren, die wenigen Beispiele, die ich aus den Bereichen der Finanzkrise, der Klima- und Energiepolitik, der Sicherheitspolitik aufgezeigt habe, machen deutlich: Es steht viel auf dem Spiel, weil uns all diese Herausforderungen gleichermaßen betreffen. Einfach die Augen davor zu verschließen, wäre falsch. Sie zeigen eben auch: Wir schaffen es nur gemeinsam.

Zum Beispiel werden wir die Klimaerwärmung ohne China als verantwortungsvollen Partner nicht kontrollieren können. Regeln für die Finanzmärkte werden wir ohne Länder wie Brasilien oder Indien nicht schaffen können. Auch das iranische Nuklearprogramm wird sich ohne China und Russland nicht wirksam stoppen lassen. Wir wissen aber: Wir müssen es stoppen, denn es bedroht nicht nur die Sicherheit des Staates Israel, es bedroht uns alle.

Das heißt also: Wenn wir von Partnerschaften sprechen, dann hat dies die Konsequenz, dass Europa und Amerika füreinander natürliche und damit die besten denkbaren Partner sind, weil wir uns in nahezu allen Zukunftsfragen einig sind. Wir haben eben gemeinsame Werte. Ich habe über die Würde des Menschen gesprochen. Sie steht im Kern unseres politischen Handelns.

Manch einer von Ihnen wird meinen, wir Europäer seien ziemlich kompliziert: 27Mitgliedstaaten in einer Europäischen Union, jeder selbstbewusst, und das Entscheiden dauert lange. Richtig, aber es kommt ja in Amerika auch vor, dass Entscheidungen lange dauern. Meine Damen und Herren, der europäische Kontinent hat etwas geschafft, was über Jahrhunderte nicht möglich war. Die Nationalstaaten Europas haben über Jahrhunderte hinweg Kriege gegeneinander geführt. Die Europäische Union ist der Garant dafür, dass dies nicht mehr passieren wird.

Bei der Suche nach Partnern zeigt sich natürlich auch, dass wir den Blick weit über unsere transatlantischen Grenzen hinaus richten müssen. Sie an der Westküste Amerikas verstehen das sehr gut. Deshalb ist der Ausbau eines guten Verhältnisses zu China für Amerika genauso wie für Europa eine echte Zukunftsfrage. Wir müssen China in seiner kulturellen Größe und mit seinem enormen Zukunftspotenzial verstehen lernen.

Gestern war ich im Getty Center in Los Angeles. Dort waren mittelalterliche europäische Handschriften ausgestellt, die schon damals unser Wissen in den arabischen Raum hineingebracht haben. Dort ist mir wieder bewusst geworden: Im 10. Jahrhundert war China führend in der Mathematik. Wenn man mit Chinesen spricht, dann sagen sie: Wir wollen an diese Periode anknüpfen. Wir wollen wieder das Land sein, das das führende auf der Welt ist. Das gab es schon einmal in der Geschichte. Das heißt, wir müssen viel mehr von anderen Ländern wissen.

Für uns Europäer gilt genauso wie für die Amerikaner, dass wir auch Russland in unsere euroatlantischen Strukturen einbinden. Ich glaube, dass das jüngst zwischen Präsident Obama und dem russischen Präsidenten unterschriebene START-Abkommen ein wichtiger Meilenstein war, um zu zeigen: Jawohl, hier ist eine Bereitschaft zur Abrüstung vorhanden!

Wir werden ganz neue Partnerschaften in den verschiedenen Weltregionen aufbauen müssen, damit Probleme, die sich aus den dortigen Krisen ergeben, nicht in Windeseile wieder zu unseren eigenen werden. Diese Partnerschaften davon bin ich überzeugt werden nur gelingen, wenn wir die Menschen in anderen Kulturen wirklich überzeugen, dass wir nicht gegen sie stehen, dass wir nicht einfach unser Leben weiterführen wollen und nur sie sich ändern müssen, sondern dass wir an ihrer Seite stehen.

Jonathan Sacks, ein britischer Gelehrter, hat einmal in einem anderen Zusammenhang einen Begriff geprägt, den ich für die globalen Zukunftsfragen für besonders treffend halte. Er hat von der "dignity of difference" gesprochen, von der Würde der Unterschiedlichkeiten. Um diese Würde der Unterschiedlichkeiten zu erkennen, müssen wir uns damit beschäftigen. Das heißt, wir müssen Respekt und vor allen Dingen erst einmal Kenntnis von anderen Kulturen haben.

Dies bringt mich zu Forschung und Innovation zurück. Ihre Universität ist das Zentrum, das bei den Spitzentechnologien in vielen Bereichen führend ist. Meine Gespräche hierzu in der Bay und im Silicon Valley haben mich heute sehr beeindruckt. Ich glaube, Ihre Region ist eines der wichtigsten Laboratorien für die globale Zukunft.

Dafür sprechen viele Gründe: die enge Vernetzung und Kooperation zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, eine hervorragende Infrastruktur, ein pulsierender Markt für Wagniskapital sowie die vielen Menschen, die ihr Können, ihre Kreativität und ihr Engagement in innovative Firmen und Produkte einbringen. Mich hat auch beeindruckt, welch enge Zusammenarbeit es mit deutschen Forschungseinrichtungen und mit der deutschen Wirtschaft gibt.

Sie sollten wissen: Deutschland sind Erfindergeist und Ideenreichtum immer sehr wichtig gewesen. Wir sind stolz darauf, dass Deutsche das Automobil erfunden haben, den Computer, das Faxgerät, den MP3 -Player und vieles mehr. Ja, wir haben den Computer erfunden, ob es Ihnen passt oder nicht! Ich lade Sie sehr gerne in das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik in Berlin ein. Sie können ja froh sein, dass Sie heute mit der Computerindustrie so viel Geld verdienen es ärgert uns manchmal, dass wir nicht so dabei sind, und deshalb versuchen wir auch, stärker zu werden, aber nichtsdestotrotz: Denken Sie nicht, dass die Amerikaner alles erfunden haben!

Meine Damen und Herren, Bildung, Forschung und Innovation darüber sind wir uns, glaube ich, einig sind essenziell für nachhaltiges Wachstum, sichere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand. Wir wissen, dass nicht nur wir miteinander im Wettbewerb stehen. Aufstrebende Volkswirtschaften wie China haben inzwischen den Sprung vom Wissenschaftsimporteur zum Wissenschaftsproduzenten geschafft. Sie spielen eine immer wichtigere Rolle. Wenn man sich hier in Kalifornien umhört, dann erfährt man auch, wie viele Chinesen inzwischen nach China zurückgegangen sind, um ihre Zukunft in ihrem Herkunftsland zu suchen. Auch in dieser Hinsicht ist es so: Wenn wir Innovationsvorsprünge behaupten wollen, dann müssen Europa und die Vereinigten Staaten sehr intensiv miteinander zusammenarbeiten.

Als wir die Präsidentschaft der Europäischen Union inne hatten, haben wir dem damaligen Präsidenten Bush die Gründung des Transatlantischen Wirtschaftsrats vorgeschlagen und ihn ins Leben gerufen. Er wird unter Präsident Obama auch fortgesetzt. Dabei geht es darum, dass wir nicht untereinander Barrieren bei der Normung, bei Standards und vielen anderen Fragen aufbauen, sondern dass wir unsere Kräfte bündeln und versuchen, damit unsere innovativen Vorsprünge zu halten.

Meine Damen und Herren, ich glaube auch, dass wir noch sehr viel mehr in der Wissenschaftskooperation tun könnten. Ein gemeinsamer Raum von Wissenschaft und Forschung im transatlantischen Bereich könnte eine sehr gute Idee für die Zukunft sein, auch wenn sich das nicht sofort verwirklichen lässt.

Ich glaube, dass es ein sehr großes Interesse gerade beim wissenschaftlichen Nachwuchs in unseren jeweiligen Ländern gibt. Die Zahl deutscher Studenten in den USA ist im akademischen Jahr 2008/2009 um 9Prozent angestiegen. Es gibt wieder mehr Interesse daran, nach Amerika zu gehen. Wir freuen uns auch über jeden amerikanischen Auslandsstudenten. Auch dabei gibt es erhebliche Wachstumsraten.

Es gibt mehr als 50 bilaterale Kooperationsvereinbarungen. In der Raumfahrt, der Umwelttechnik, der Medizin, derAstrophysik und bei der gemeinsamen Nutzung großer wissenschaftlicher Geräte gibt es sehr enge Kooperationen. Gerade hier in Stanford möchte ich darauf hinweisen, dass zum Beispiel das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg und das SLAC National Accelerator Laboratory Ihrer Universität ihre Zusammenarbeit immer weiter intensivieren. Es soll zum Beispiel eine gemeinsame Graduiertenschule entstehen, was für unsere beiden Ländern natürlich von großem Interesse ist. Wir haben also eine gute Grundlage, unsere Kooperationsmöglichkeiten auszuweiten, dies natürlich auch unter Einbeziehung der Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Prof. Hennessy, Herr Prof. Casper, I would like to end with a personal remark: Speaking to you here in Stanford today makes me think back to my own years as a student of physics and as an academic assistant. In what was then the access to American scientific research was quite limited and controlled by the ruling communists. Even if we managed to read some papers produced by Stanford scientists,"Stanford" for us was just far, far away, a scientific paradise unreachable from behind the Iron Curtain. Then, when the wall fell down 20 years ago, my husband and I did what we had dreamed about for so long: we came to and traveled around this beautiful state. Today, as the Chancellor of Germany I feel honored and privileged to be your guest.

Therefore I would like to thank not only your current President John Hennessy or your former President Gerhard Casper. I would like to thank the very first president of Stanford, David Starr Jordan, who made the wise decision to choose a very special quote as the motto of your university: "Die Luft der Freiheit weht!" Note that I pronounced it correctly. What a great quote from the philosopher Ulrich von Hutten! The wind of freedom " this is what I felt when 20 years ago the wall came down, when, when my divided country and my continent Europe were reunited after decades of painful separation, and when I finally could visit. That your University is still proudly displaying this ‑originally Latin‑ motto in German in its seal is very moving for me.

So I end my remarks with the motto of your University, which is as European as it then became American: "Die Luft der Freiheit weht!" To me this motto is filled with live whenever our common American and European values are translated into reality through a shared sense of responsibility and partnership, through knowledge and innovation and respect for human dignity. Thank you very much for the invitation.