Redner(in): Angela Merkel
Datum: 02.05.2010
Anrede: Sehr geehrter Herr Präsident Calderón, verehrte Ministerinnen und Minister, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/05/2010-05-02-rede-petersberger-klimadialog,layoutVariant=Druckansicht.html
lieber Norbert Röttgen als Veranstalter,
auch ich möchte Sie im Namen der ganzen Bundesregierung ganz herzlich hier in Bonn auf dem Petersberg willkommen heißen. Wir haben einen der schönsten Orte ausgesucht, um das Klima in anderem Sinne, das Klima zwischen Ihnen, gut zu gestalten. Das Wetter scheint sich auch aufzuhellen. Als ich eben gesehen habe, dass Sie morgen noch eine Rheinfahrt mit der "MS Loreley" machen, bin ich richtig neidisch geworden, weil ich dann wieder im arbeitsreichen Berlin sitze und Sie die Natur hier genießen können.
Wir haben zu dieser Konferenz in der Tat mit dem Anspruch eingeladen, nach dem für viele nicht zufriedenstellenden Ergebnis von Kopenhagen unser aller Wunsch auszudrücken, den Klimaprozess voranzubringen, Erfolge zu erzielen, vielleicht auch einen Rückblick auf das zu werfen, was in Kopenhagen geschehen ist, es zu bewerten und vor allen Dingen einen Beitrag dazu zu leisten, was Cancún erreichen soll.
Ich möchte mich auch ganz herzlich bei dem mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón bedanken, der seinen Deutschland-Besuch umdatiert hat, der hierhergekommen ist, obwohl wir schon in wenigen Wochen wieder eine EU-Lateinamerika-Konferenz haben werden, um einfach deutlich zu machen: Mexiko möchte und wird alles daransetzen, dass Cancún wirklich ein Erfolg wird auf dem Weg hin zu einem uns dann wieder weiterführenden Klimaabkommen.
Wir wissen einerseits: Kopenhagen und seine Ergebnisse waren nicht zufriedenstellend. Auf der anderen Seite haben wir ein Ergebnis, das hoffen lässt: 120 Staaten haben sich inzwischen mit dem so genannten Kopenhagen-Accord assoziiert. Diese 120 Staaten repräsentieren 80Prozent der weltweiten CO2 -Emissionen. Wir haben dadurch zum ersten Mal einen Überblick, was im Rahmen der verpflichtenden und der freiwilligen Maßnahmen bis zum Jahr 2050 möglich zu sein scheint.
Dabei müssen wir erkennen, dass wir von der Erfüllung des Zwei-Grad-Ziels, dem sich ja sehr, sehr viele verpflichtet fühlen, also des Ziels, nicht mehr als zwei Grad Klimaerwärmung bis 2050 zu haben, doch noch ein ganzes Stück entfernt sind. Je nachdem, wie man rechnet, würde es nach derzeitigem Stand eine Erwärmung zwischen drei und vier Grad geben. Wer den Stern-Bericht gelesen hat die, die hier sind, haben das sicherlich getan, der weiß, welche Anpassungsleistungen wir erbringen müssten, wenn es zu einer solchen Erwärmung käme. Deshalb wird die Aufgabe darin bestehen, bei dem jetzt Erreichten immer wieder zu überlegen, wie wir unsere Ziele noch schärfen können, noch effizienter und ambitionierter gestalten können.
Ich glaube, einer der Punkte, der uns beschäftigen wird, ist die Transparenz. Wie erreichen wir das, was wir uns vorgenommen haben? Hat jeder die gleiche Messmethode? Dazu gibt es erste Vorschläge, die ich sehr begrüße. Aber daran wird sicherlich noch weiter zu arbeiten sein. Wenn man nicht sofort eine einheitlich festgelegte Messmethode hat, kann man sich dafür ja einen Diskussionszeitraum vornehmen. Irgendwann muss man dann aber in der Lage sein, die Dinge international vergleichbar zu messen. Wir wissen ja heute auch, was zwei Grad sind. Zwei Grad Celsius können wir umrechnen, wenn jemand in Fahrenheit rechnet. Also müssen wir auch wissen, wann jemand CO2 -Emissionen verringert hat. Und wir müssen vor allen Dingen lernen ich denke, das ist noch schwieriger, wie man die Verbesserung der Energieeffizienz quantifiziert. Ich würde mich freuen, wenn Sie hier auch darüber sprechen.
Wir wissen, dass das Oberprinzip unserer Diskussion das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung ist. Das wird auch so bleiben. Das heißt, die, die reicher und höher entwickelt sind, müssen natürlich mehr leisten als diejenigen, die weniger entwickelt sind. Ich wiederhole aber auch, dass die heute hochentwickelten Länder alleine das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen können. Das heißt, wir brauchen mehr Teilnehmer bei der Verfolgung dieses ambitionierten Ziels.
Die Industriestaaten das wird sich auch auf dieser Konferenz zeigen sind dazu bereit, neue oder ambitionierte Verpflichtungen zu übernehmen. Wir werden natürlich auch das Thema der Finanzierung zu besprechen haben. Der mexikanische Präsident und ich haben auch darüber geredet. Bei der Finanzierung geht es um "fast start" also darum, mit schnellen Startprojekten deutlich zu machen: Es kommt etwas in Gang.
Auf der einen Seite bleibt das bindende Zwei-Grad-Ziel mein Ziel für ein neues Abkommen. Aber auf der anderen Seite hat es keinen Sinn, die ganze Zeit über eine Theorie zu diskutieren und sich dabei die Köpfe heiß zu reden und derweil Jahr um Jahr verstreichen zu lassen, ohne irgendetwas zu beginnen. Das heißt,"top down" und "bottom up" sind zwei Ansätze, hier das Zwei-Grad-Ziel und dort Projekte von unten wachsen lassen, die auch Zutrauen dazu schaffen, dass man Klimaschutz umsetzen kann.
Ich glaube, ein wichtiges Thema ist der Forstbereich, in dem in Cancún vielleicht etwas erreicht werden könnte, wozu Vorbereitungsarbeiten laufen und wobei auch gerade die Länder, die Armut als wesentliches Problem ihrer täglichen Arbeit haben, sehen, dass Armutsbekämpfung und Klimaschutz durchaus Hand in Hand gehen können. Ich glaube, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt.
Deutschland ergreift viele praktische Maßnahmen und ist bei vielen Projekten dabei. Wir fördern zum Beispiel in Ghana die Einführung von Mikroversicherungen zur Absicherung von Kleinbauern gegen die steigenden Risiken des Klimawandels. Das ist ein klassisches Projekt, das Klimaschutz und Armutsbekämpfung sehr, sehr eng zusammenbringt. Vielleicht müssten wir mehr solche Projekte haben. Wir werden auch in der multilateralen Zusammenarbeit für den Anpassungsfonds in einem ersten Schritt demnächst zehnMillionen Euro zur Verfügung stellen.
Immer wieder ist es wichtig, dass wir Wirtschaftsentwicklung und Klimaschutz zusammen sehen und uns auch immer wieder vor Augen führen das sage ich immer den Skeptikern des Klimawandels, dass wir 2050, also in 40Jahren, neun Milliarden Menschen auf der Welt sein werden und nicht mehr nur sechs oder sieben. Alle diese Menschen haben ein Recht auf Wohlstand, einen Anspruch auf Wohlstand. Das heißt, selbst wenn jemand gar nicht an den Klimawandel glauben sollte, was ja in diesem Raum wahrscheinlich nicht vorkommt, dann wird Ressourceneffizienz dennoch ein ganz wichtiger Punkt sein, mit dem wir leben müssen, denn bei dem heutigen Ressourcenverbrauch wird es nicht gelingen, neun Milliarden Menschen zu Wohlstand zu führen. Deshalb ist es sinnvoll und vernünftig, sich mit einer besseren Energieversorgung und mit dem Einsparen von Ressourcen zu beschäftigen. Man tut damit also definitiv nichts Falsches, wenn man eine gute Entwicklung der Welt möchte.
Ich glaube, dass wir durch Technologietransfer viel erreichen können. Ich glaube, dass wir über die Finanzierungszusagen sprechen müssen. Ich glaube, dass wir über die Messmethoden sprechen müssen. Wir müssen konkrete Projekte entwickeln. Und wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass das Zwei-Grad-Ziel mit den jetzt eingegangenen Verpflichtungen noch nicht zu erreichen ist. Wenn jeder daran arbeitet und Sie hieraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, dann wird das ein wertvoller Beitrag für eine erfolgreiche Konferenz in Cancún sein.
Ich denke, dass wir es vor allen Dingen schaffen müssen, die Arbeit hier mit den eingeladenen 45Ministern im Anschluss an diese Bonner Konferenz auch in die regionalen Gruppen zu tragen. Denn in Kopenhagen haben wir die nicht so gute Erfahrung gemacht, dass ein kleinerer Kreis zusammengesessen hat und die regionalen Gruppen sich überhaupt nicht in die Debatte einbezogen fühlten. Eine der Vorbereitungsarbeiten für Cancún wird deshalb sein, mit allen Ländern, die am UN-Prozess teilnehmen, eine gute Ausgangsbasis zu finden, damit sich keiner ausgeschlossen fühlt.
Ich glaube, dass es zu dem UN-Prozess im Klimabereich keine Alternative gibt. Man kann Vorbereitungen treffen, einige können untereinander sprechen, aber zum Schluss muss es in einen UN-Prozess münden. Und dort darf sich niemand ausgeschlossen fühlen.
Fühlen Sie sich wohl hier bei uns in Deutschland, im Rheinland, in einer Region, in der der Frühling schon etwas besser sichtbar ist als im Norden dieses Landes. Wenn Sie sich richtig wohlfühlen, seien Sie auch noch erfolgreich. Ich werde mir von unserem Umweltminister berichten lassen.
Ganz herzlichen Dank noch einmal an den mexikanischen Präsidenten dafür, dass er heute bei uns ist.