Redner(in): Angela Merkel
Datum: 14.05.2010

Untertitel: am 14. Mai 2010 in Karlsruhe
Anrede: Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrter Herr Professor Papier, sehr geehrter Herr Professor Voßkuhle, sehr geehrte Herren Professor Kirchhof und Professor Paulus, sehr geehrte Richterinnen und Richter, sehr geehrte Festversammlung,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/05/2010-05-14-bverfg,layoutVariant=Druckansicht.html


ich möchte Ihnen heute den Gruß der gesamten Bundesregierung zu diesem festlichen Tag überbringen.

Ich möchte auch deutlich machen, dass sich die Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts für unseren Rechtsstaat allein schon in der allgemein üblichen Bezeichnung des Gerichts als "Hüter der Verfassung" widerspiegelt. Ich denke, das Bundesverfassungsgericht hat in den fast 61 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland diesen Ruf gefestigt, und zwar durch die Autorität der Rechtsprechung, durch die Wirkung auf die Bürgerinnen und Bürger, sodass die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts so etwas wie eine Selbstverständlichkeit in unserem Gemeinwesen geworden ist.

Das Zusammenspiel der Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundespräsident, Bundesverfassungsgericht und Bundesrat ich habe sie nicht in der protokollarischen Reihenfolge aufgezählt; das gebe ich zu bildet so etwas wie ein fein gesponnenes Netz von Stabilität auf der Basis unseres Grundgesetzes. Dieses fein gesponnene Netz der Stabilität macht aus meiner Sicht die Grundlage des friedlichen und demokratischen Zusammenlebens in unserem Gemeinwesen aus. Jeder der Richter, der in diesem Bundesverfassungsgericht gedient hat, hat seinen Beitrag dazu geleistet.

Deshalb möchte ich als Erstes Herrn Professor Papier ganz herzlich für seine Arbeit als Präsident des Bundesverfassungsgerichts danken. Herr Professor Papier hat sicherlich die Möglichkeiten, die die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bietet, für das gemeinsame Zusammenleben und Wirken in unserem Lande gut ausgeschöpft und herausragend weiterentwickelt. Dabei ist auf der einen Seite für Sie immer der Zusammenhalt der Gesellschaft von allergrößter Wichtigkeit gewesen, auf der anderen Seite aber auch, zum Beispiel durch die Weiterentwicklung des Grundrechts der informationellen Selbstbestimmung, die Rolle des mündigen Bürgers in unserer Gesellschaft.

Ich möchte Ihnen für diese Tätigkeit ganz herzlich danken. Es geht weit über den Rahmen eines solchen Grußwortes, alle Entscheidungen zu benennen. Sie haben sich ganz intensiv mit den Themen von Gerechtigkeit auseinandergesetzt gerade in einem der letzten Urteile, das unter Ihrer Ägide gefällt wurde, dem Urteil zu den Hartz-IV-Regelsätzen. Sie haben sich mit den Wertegrundlagen unserer Gesellschaft auseinander gesetzt ich denke dabei etwa an das Urteil zum Schutz der Sonn- und Feiertage und Sie haben sich mit den Gefährdungen, denen wir ausgesetzt sind, zum Beispiel dem Terrorismus, intensiv auseinander gesetzt.

Ich will nicht sagen, dass alle Rechtsprechungen, die aus dem Bundesverfassungsgericht kamen, uns nur Freude gemacht haben, sondern sie haben uns manchmal auch Kopfzerbrechen bereitet. Aber wir haben das immer als produktive Aufforderung zum Weiterdenken und zum Umsetzen der Grundrechte der Verfassung verstanden.

Deshalb möchte ich Ihnen ganz herzlich danken für das, was Sie für die Bundesrepublik Deutschland geleistet haben. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich Ihrer zweiten Gabe, die Sie haben, ein passionierter Hochschullehrer zu sein und damit auch in der Öffentlichkeit des Öfteren deutlich zu machen, wie wichtig es ist, ein Grundverständnis für unser Rechtssystem auf breite Grundlagen in der Bevölkerung zu stellen, mehr widmen können und damit auch in Zukunft zur Urteilsbildung in unserem Land beitragen werden. Herzlichen Dank und alles Gute auf Ihrem weiteren Lebensweg.

Sehr geehrter Herr Professor Voßkuhle, ganz herzlich gratuliere ich Ihnen zur Übernahme Ihres wichtigen und ehrenvollen neuen Amtes. Sie haben ja bereits seit 2008 als Vizepräsident und Vorsitzender des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mitgewirkt. Sie haben in dieser Eigenschaft auch schon wegweisende Urteile mitgestaltet, zum Beispiel das Urteil zum Lissabon-Vertrag, das auch der Politik eine Vielzahl von Aufgaben aufgegeben hat.

Ihnen darf ich sagen, dass uns die Rechtsprechung gerade auch in der Europapolitik mit Sicherheit das haben die Worte des Bundespräsidenten deutlich gemacht auch in Zukunft beschäftigen wird; auf der einen Seite das wird in dem Urteil zum Lissabon-Vertrag ja sehr klar herausgearbeitet mit Bezug auf unser Arbeiten im Nationalstaat und auf der anderen Seite auf die Vertiefung der europäischen Integration, zu der es aus meiner Sicht keine Alternative gibt, wenn man in Europa nicht zurückfallen will.

Insofern wünsche ich Ihnen eine gute weitere Arbeit in der hohen Verantwortung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und ein gutes Miteinander mit all Ihren Kolleginnen und Kollegen, was natürlich von außerordentlicher Wichtigkeit ist, wenn wir an die Zukunft der Arbeit des Bundesverfassungsgerichts denken.

Ich möchte genauso Herrn Professor Kirchhof ganz herzlich gratulieren. Nachdem er bereits seit einigen Jahren beim Ersten Senat gewirkt hat insbesondere etwa als Berichterstatter beim Hartz-IV-Urteil, das uns ja noch einige Hausaufgaben aufgegeben hat, wünsche ich ihm auch in seiner weiteren Arbeit nun im Amt des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts alles Gute, viel Erfolg und eine gute Zusammenarbeit, sofern das Miteinander der Verfassungsorgane sie gebietet und so wenig es sie sozusagen verbietet; das will ich mit allem Respekt sagen.

Ich beglückwünsche auch Herrn Professor Paulus zur Wahl zum Richter beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Auch Ihnen sei in Ihrer Amtszeit viel Erfolg beschieden.

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass auch zukünftig die Beziehungen zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der Bundesregierung von gutem und konstruktivem Miteinander geprägt sein werden. Es ist absehbar das zeigt insbesondere die Rede des Bundespräsidenten, dass die Aufgaben, die vor uns liegen, nicht einfacher werden. Es wird nicht einfach sein, im 21. Jahrhundert in einem schärferen Wettbewerb in einer globalisierten Welt die Rolle Deutschlands als ein wichtiges Land, als ein demokratisches Land und als ein Land des Wohlstands weiterzuentwickeln. Wir können das schaffen, und dafür wollen wir als Bundesregierung ein konstruktives Miteinander mit allen anderen Verfassungsorganen, insbesondere mit dem Bundesverfassungsgericht.

So werden wir auch sehr bald bei einem schon fast traditionellen Abendessen im Bundeskanzleramt Gelegenheit haben, uns jenseits der aktuellen Verfahren über die jeweiligen Probleme auszutauschen und damit zu zeigen, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes einen großen Gesprächsbedarf haben.

Bei aller Unabhängigkeit und bei allem Miteinander hat natürlich jeder an seinem Platz seine Aufgaben zu erfüllen. Dennoch finde ich es wunderbar, dass in einer Feststunde wie dieser deutlich wird, dass der Zusammenhalt und die Stabilität unseres Landes dadurch geprägt sind, dass wir uns alle einem verpflichtet fühlen: unserem Grundgesetz und dabei ganz besonders dem Artikel1 des Grundgesetzes über die Würde des Menschen. Das sollte uns auch im 21. Jahrhundert leiten.

Herzlichen Dank.