Redner(in): Michael Naumann
Datum: 28.09.2000
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/87/19287/multi.htm
Max: Gigantomanie pur: Mehr als 380.000 Bücher auf 190.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche - verkommt die Buchmesse da zur riesigen Show?
Naumann: Jede Messe ist Show. Was ist falsch daran? Die Buchmesse in Frankfurt ist einfach die bei weitem größte Veranstaltung für und um das Buch auf der Welt, für Verleger aus über 150 Ländern, für Autoren und Agenten. Ich freue mich, dass die Anziehungskraft des Buches trotz aller Unkenrufe unverändert groß ist und sogar zunimmt.
Was erwarten Sie von dieser Buchmesse, gerade mit dem diesjährigen Schwerpunkt Polen?
Ich hoffe, dass die Geschäfte auf der Buchmesse für möglichst viele deutsche Verleger und Autoren gut verlaufen. Ein vom Europarat und mir organisiertes internationales Kulturministertreffen wird in Frankfurt über die Zukunft des Büchermarktes debattieren. Außerdem treffe ich Verleger und Autoren.
Die Wahl Polens als Gastland wird uns in Deutschland, außer mit dem Besuch der beiden Nobelpreisträger Czeslaw Milosz und Frau Wislawa Szymborska und so bekannter Autoren wie Hanna Krall und Zbigniew Herbert, auch mit zahlreichen - etwa 70 - neuen und interessanten Schriftstellern Polens bekannt machen.
Auf welchen Autor freuen Sie sich am meisten? Oder, anders gefragt: Wem würden Sie gerne auf der Buchmesse begegnen?
Die leben alle nicht mehr, leider.
Elektronische Bücher sind weiter auf dem Vormarsch - steckt das "klassische" Buch in der Krise?
Die elektronischen Bücher haben bisher einen deutlich abgegrenzten und kleinen Anwendungsbereich, z. B. Lexika, Sammlungen usw. Insgesamt ist aber der Anteil des elektronischen Buches am Gesamtumsatz des deutschen Verlagswesens verschwindend gering. Er liegt bei einem Prozent. Auch der Internet-Buchhandel bewegt sich mit einem Umsatz von 60 Mio. DM, das sind ca. zwei Prozent des Gesamtumsatzes, weit hinter den hohen Erwartungen. Der Anteil des elektronischen Buches wird in Zukunft weiter steigen, aber eben nur langsam in dem eben aufgezeigten Rahmen. Und bei Literatur wird zum Beispiel kaum jemand darauf verzichten wollen, das Buch auch in die Hand zu nehmen und es zu fühlen.
Warum braucht Deutschland ( oder: die Bücher ) einen Kulturstaatsminister?
Damit Sie irgendjemandem Ihre Fragen stellen können..... Aber ernsthaft: Denken Sie z. B. an die Verteidigung der Buchpreisbindung in Brüssel und in Deutschland durch das Gesetz zur Verstärkung der Buchpreisbindung. Auch in vielen anderen Bereichen gibt es in der föderalistisch aufgebauten Bundesrepublik Deutschland die Notwendigkeit einer Koordinierung der Kulturpolitik. Im Übrigen umfasst mein Etat für 2001 rund 1,65 Milliarden Mark. Für deren Verwendung bin ich verantwortlich: dem Parlament, der Öffentlichkeit - früher wurde das Geld eher stillschweigend vergeben.
Lernen Sie immer noch Gedichte auswendig? Wenn ja, welches zur Zeit?
Inzwischen habe ich keine Zeit mehr dafür. Das ist bedenklich.