Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 20.08.2010
Untertitel: "Am Beispiel der geteilten Region Eichsfeld wird die Geschichte der deutschen und europäischen Teilung mit modernen museumspädagogischen Mitteln verständlich präsentiert und erlebbar gemacht", so Staatsminister Bernd Neumann in seiner Rede in Teistungen.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/08/2010-08-20-neumann-teistungen,layoutVariant=Druckansicht.html
20 Jahre nach der Wiedervereinigung schauen wir in diesem Jubiläumsjahr zurück. Wir erinnern uns an die Vorgänge der Jahre 1989/1990. Die DDR war Ende politisch und moralisch am Ende. Wirtschaftlich war sie bankrott.
Nach wochenlangen friedlichen Protesten und Demonstrationen gelang es den Menschen, die 40 Jahre währende SED-Diktatur zu überwinden. Es waren Bürger, die den Mut aufbrachten, der Diktatur die Stirn zu bieten."Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut" formulierte einst der athenische Staatsmann Perikles. Dieser Mut zeichnet die Menschen aus, die Geschichte geschrieben haben ob die Bürger auf den Straßen der DDR oder bedeutende Staatsmänner wie George Bush und Michail Gorbatschow, aber insbesondere Bundeskanzler Helmut Kohl, die damals wegweisende Entscheidungen fällten. Dies alles ist mittlerweile 20Jahre her. Die Erinnerungen an die ungeheure historische Dimension und Einzigartigkeit der Vorgänge verblassen;
die meisten der jungen Leute wissen nur noch wenig darüber. Das gibt zu denken.
Es sind Einrichtungen wie das Grenzlandmuseum Eichsfeld, die die Erinnerung an unsere so bewegte jüngste Vergangenheit lebendig halten. Vor gut drei Jahren, am 15. Juni 2007, habe ich das Grenzlandmuseum Eichsfeld das erste Mal besucht. Manfred Grund, mein Kollege aus dem Deutschen Bundestag, hatte mich eingeladen, hier nach Teistungen zu kommen. In der schriftlichen Vorbereitung meines Hauses wurde entschieden von einer Förderung des Grenzlandmuseums durch den Bund abgeraten mit der Begründung, es würde ja bereits die Gedenkstätte Mödlareuth im einstmals geteilten Dorf in Bayern gefördert und darüber hinaus mehrere Einrichtungen in Berlin; im Übrigen habe die Ausstellung keine nationale Relevanz. Ich wurde dann von den Verantwortlichen des Museumsvereins durch die damalige Ausstellung des Grenzlandmuseums geführt; auch die Grenzanlagen wurden besichtigt. Ich muss sagen, ich war tief beeindruckt. Diese Anlagen zeigen auf beklemmende Art und Weise die Brutalität der Grenze. Sie demonstrieren unmissverständlich den Diktatur-Charakter des SED-Regimes. Beeindruckt hatte mich aber auch das Ausmaß des bürgerlichen Engagements vor Ort, hier im Eichsfeld, die Arbeit, die weitgehend auf ehrenamtlicher Basis geleistet wird. Ein mit Engagement, Kompetenz und Liebe aufgebautes Museum. Ich danke in diesem Zusammenhang insbesondere Horst Dornieden, Wolfgang Nolte, Paul Schneegans und Ben Thustek.
Meine Damen und Herren, es war natürlich die Sache als solche, aber insbesondere dieses Engagement, das mich überzeugt hat, ostentativ eine Unterstützung des Bundes für den Aufbau einer neuen Dauerausstellung zuzusagen. Danach hatte ich dann außerdem veranlasst, dass das Grenzlandmuseum in die Gedenkstättenkonzeption des Bundes ausdrücklich aufgenommen wird.
Der Bund kann in der Tat nur national bedeutsame Einrichtungen fördern alles andere ist laut Grundgesetz Sache der Länder und Kommunen. Was aber kann vorbildlicher für unser ganzes Land sein, als das vereinte Engagement eines östlichen Bundeslandes "Thüringen ‘ und eines so genannten" alten "Bundeslandes" Niedersachsen ‘ gemeinsam mit dem Bund? Was kann wegweisender für unser Land sein, als das Bewusstsein der Bürger für die Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte? Die menschenverachtende Grenze teilte eben nicht nur Berlin, obwohl die 43 km lange Mauer in Berlin am absurdesten war und ihre Brutalität im Alltag besonders deutlich zeigte.
Der Todesstreifen zog sich 1378 km mitten durch ganz Deutschland. Und deshalb ist es wichtig, mit Einrichtungen wie dem Grenzlandmuseum an diese schrecklichen Dimensionen zu erinnern. Dieser Erinnerung und Aufarbeitung wird in der neuen Dauerausstellung vorbildlich Rechnung getragen. Am Beispiel der geteilten Region Eichsfeld wird die Geschichte der deutschen und europäischen Teilung jetzt mit modernen museumspädagogischen Mitteln verständlich präsentiert und erlebbar gemacht. Hierfür gilt mein Lob der Projektleiterin Stefanie Wahl.
Das Gedenken an die deutsche Teilung und die Opfer der SED-Diktatur ist ein besonderes Anliegen der Bundesregierung. Erinnern und Gedenken brauchen authentische Orte, die Geschichte erfassbar machen. Darum haben wir im Gedenkstättenkonzept, dem der Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit am 13. November
2008 zugestimmt hat, besonderen Wert auf die Erhaltung dieser Orte gelegt. Hier in Teistungen wird das perfide "System Grenze" offen gelegt, das weit mehr als Tausend Menschen das Leben kostete. In den Räumen der alten Grenzanlage, in denen noch vor 21 Jahren Unrecht und Willkür herrschten, wird am heutigen Tag eine neue, moderne und informative Ausstellung präsentiert. Hier tragen authentische Zeugnisse dazu bei, der jungen Generation deutlich zu machen, was für eine unmenschliche Grenze das war, die Deutschland und den Kontinent teilte. Die SED-Diktatur sperrte ihre eigenen Bürger hinter Mauern und Stacheldraht ein.
Wer sich ernsthaft und an authentischen Orten mit der Geschichte auseinandersetzt, der kann betroffen und, ja, auch zornig werden. Betroffen über den Kummer und das Leid, das die kommunistische Diktatur in Deutschland verursacht hat. Zornig aber auch darüber, dass es heute immer noch Menschen und sogar eine Partei gibt, die von diesen Verbrechen nichts mehr wissen wollen, die sich und anderen das System der DDR schön reden: Eine Studie der Freien Universität Berlin von Professor Klaus Schröder macht erschreckend deutlich, wie dramatisch die Kenntnis über die DDR abnimmt und sich Verklärung und Verharmlosung Bahn brechen.
Danach wissen heute sehr viele junge Menschen nicht einmal mehr, dass die DDR kein demokratischer Staat war, sondern eine Diktatur.
Eine Diktatur, die ihren Bürgern fundamentale Rechte wie Reisefreiheit, Meinungs- , Versammlungs- und Pressefreiheit vorenthielt, die keine unabhängige Justiz kannte und in der niemand eine Handhabe gegen die allmächtige staatliche Bevormundung hatte.
Eine derartige Unkenntnis kann auf Dauer gefährlich werden. Wer die Vorzüge einer freiheitlichen Gesellschaft nicht zu benennen weiß, wer totalitäre Systeme nicht mehr von Demokratien unterscheiden kann, der ist leicht Beute für ideologische Rattenfänger jeglicher Couleur!
Wir müssen immer erneut alles dafür tun, dass ein ideologischer Nährboden der Diktatur niemals mehr gedeihen kann. Darum sind geschichtliche Erfahrungen unverzichtbar und Aufklärung tut Not. Im Hinblick auf die heutige Eröffnung
sage ich ganz klar: Wir müssen und werden unsere Anstrengungen zur Aufarbeitung des SED-Unrechts weiter verstärken.
Dazu leistet das Grenzlandmuseum Eichsfeld einen wichtigen Beitrag, aber auch andere Museen, die an die deutsche Teilung erinnern wie Point Alpha, dessen Trägerstiftung auch in Thüringen sitzt und an der sich der Bund ebenfalls beteiligt.
In Bayern erinnert die Gedenkstätte Mödlareuth an das geteilte Dorf und seine Geschichte. Auch hier fördert der Bund. In Marienborn, dem meist genutzten Grenzübergang zu DDR-Zeiten, werde ich am kommenden Montag eine neue Wanderausstellung eröffnen, die die friedliche Revolution in der DDR und den Prozess zur Deutschen Einheit dokumentiert. Alle diese Einrichtungen sind Beispiele für den kooperativen Föderalismus im Bereich der Kultur, der auch für das Erinnern und Gedenken eine fundamentale Rolle spielt.
Durch unser gemeinsames Engagement ist es gelungen, für die Neukonzeption des Grenzlandmuseums Eichsfeld eine Fördersumme von mehr als 2,7 Millionen Euro aufzubringen. Der Bund konnte dazu rund 1,2 Millionen Euro beitragen. Das Projekt der Neukonzeption des Grenzlandmuseums steht beispielhaft für die Wahrnehmung von staatlicher und gesellschaftlicher Verantwortung im Bereich der Gedenkstättenförderung.
Ohne den gemeinsamen Einsatz aller am Projekt Beteiligten wäre dieses Werk nicht gelungen. Dazu gehören nicht nur der Bund und die Länder Thüringen und Niedersachsen, sondern auch die Stiftung Aufarbeitung, die Kommunen Teistungen und Duderstadt, die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Mitarbeiter sowie ehrenamtlichen Helfer des Museums, die Mitglieder des Beirates, der extra für das Projekt ins Leben gerufen wurde und viele andere mehr.
Ihnen allen meinen aufrichtigen Dank!
Ich wünsche dem Museum viele Besucher und seinen ehrenamtlichen Unterstützern weiterhin Tatkraft und Erfolg bei ihrer für unser Land so wichtigen Arbeit.