Redner(in): Michael Naumann
Datum: 10.03.1999

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/07/11807/multi.htm


Frage: Rot-Grün will den Staat mehr als die frühere Regierung in die Pflicht nehmen, wenn es um die Sicherung kulturhoheitlicher Förderungsaufgaben geht: Es wird gebündelt, konzentriert. Brauchen wir denn in Deutschland Fördermodelle nach dem Prinzip "Private Public Partnership" nicht mehr?

Naumann: Natürlich brauchen wir die. Wir wollen die kulturpolitischen Zuständigkeiten und Kompetenzen des Bundes bündeln, um mehr Transparenz und Effektivität für Kunst und Kultur zu erzielen. Dies schließt eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Trägern nicht aus.

Frage: In Baden-Baden hat ein Unternehmen - der Autoprüfkonzern Dekra - mit seinen Investitionen in das neue Festspielhaus spektakulär Schiffbruch erlitten. War dies der erste Beweis, daß das viel zitierte neue Modell einer gemeinschaftlichen Kulturförderung von Staat und Wirtschaft,"Private Public Partnership", gar nicht funktionieren kann, weil Unternehmer Gewinne machen wollen, staatliche Kulturförderung aber zuerst einmal auf selbstlose Subvention setzt?

Naumann: Wenn wir zu mehr Partnerschaften im Kulturbereich in einem nachhaltigeren Sinne kommen wollen, müssen wir größten Wert darauf legen, daß Kooperationsabsprachen und vertragliche Regelungen präzise formuliert sind. Dabei müssen unterschiedliche Interessen zwischen dem privaten Bereich und dem öffentlichen Sektor berücksichtigt werden.

Frage: Welche Rolle spielt die finanzielle Größe eines Projektes für die Chancen einer Realisierung?

Naumann: Prinzipiell macht es keinen Unterschied, ob es sich um kleine oder größere Projekte handelt. Auch hier kommt es vor allem auf eine vertraglich solide Basis an. Wir müssen lernen, Beziehungen zwischen Kooperationspartnern zu regeln. Wenn Sie so wollen, handelt es sich dabei um einen kulturpolitischen Aushandlungsprozeß.

Frage: Halten Sie den Schulterschluß von öffentlicher Hand und privater Initiative beim Kultursponsoring für einen guten Weg, der Erfolg verspricht und zukunftssicher ist?

Naumann: Wir haben es mit unterschiedlichen Interessen zu tun. Es wäre ein Fehler, diese Unterschiede zu übergehen. Im Gegenteil: Kooperative Kulturpolitik heißt, die unterschiedlichen Interessen zu akzeptieren und ernst zu nehmen, um auf dieser Basis vernünftige Arrangements und auch Kompromisse zu formulieren.

Frage: Wird die Vermischung von öffentlichen Aufgaben und privaten Interessen nicht eine "Amerikanisierung" der Kulturförderung bringen, d. h. muß sich ein Dirigent gefallen lassen, daß auf seinem Frack das Logo einer Automarke prangt?

Naumann: Nicht wirklich! Wir müssen uns darüber klar werden, was öffentliche Aufgaben sind und wo private Interessen anfangen. Wenn schon von "Amerikanisierung" in der Kulturförderung die Rede ist, sollte dies auch mit dem uneigennützigen Engagement, das viele Unternehmen in den Vereinigten Staaten im Kulturbereich an den Tag legen, in Verbindung gebracht werden. Diese Verantwortung für das kulturelle Leben könnte auch der Bundesrepublik Deutschland nicht schaden. Ich kenne keinen amerikanischen Dirigenten mit einem "Logo" auf der Brust.

Frage: Künstler um Klaus Staeck haben verlangt, daß es beim Kultursponsoring so etwas wie einen "Ethos" -Katalog geben sollte, also eine Orientierungshilfe dafür, daß Sponsoring nichts mit einer reinen Produktdekoration zu tun haben darf und die geförderte Kunst nicht in ihrer Autonomie beeinträchtigen darf. Was halten Sie davon?

Naumann: Eine gute Idee! Sie müßte nicht unbedingt "Ethos" -Katalog heißen. Aber allen beteiligten Partnern muß klar sein, was sie selbst wollen und was sie von ihrem Gegenüber erwarten können.

Frage: Welche Rolle sollte die öffentliche Hand beim System "Private Public Partnership" übernehmen?

Naumann: Die öffentliche Hand könnte eine Art Moderatoren-Rolle übernehmen, indem sie die vorhandenen privaten Initiativen, die sich für die Kulturförderung verantwortlich fühlen, in ihrem Vorhaben ermutigt, bekräftigt und auch dazu befähigt.

Frage: Würde damit der Einfluß von kommerziell Interessierten auf die Kunst nicht zu groß? Bliebe die Unabhängigkeit der Kunst bei einem solchen privaten Finanzengagement gewahrt?

Naumann: Die Gefahr der Einflußnahme auf die Kunst ist leider immer gegeben, ob das Geld nun aus öffentlichen oder aus privaten Kassen fließt. Im öffentlichen Bereich akzeptieren wir inzwischen den Primat der Freiheit der Kunst. Dies war nicht immer so. Und deshalb bleibt es eine wichtige Aufgabe von Künstlerinnen und Künstlern, aber auch von Kunstinteressierten, sich für diese Freiheit zu engagieren.

Frage: Wird durch das System "Private Public Partnership" Kunstförderung nicht zu einem sehr zufälligen System der Förderung, ausgeliefert den subjektiven Überlegungen eines individuellen Mäzens?

Naumann: "Private Public Partnership" heißt ja nicht, das öffentliche System der Kunst- und Kulturförderung durch ein privates zu ersetzen. Es geht darum, das bisherige System zu ergänzen und damit leistungsfähiger, auch bunter zu machen. Die Kunst selbst lebt von individuellen und damit immer subjektiven Eindrücken und Ausdrucksformen. Ich wüßte im übrigen nicht, wer sich in der Lage sähe, im Bereich Kultur "objektive Überlegungen" zu formulieren.

Frage: Das Desaster von Baden-Baden hat einen immensen Vertrauensverlust der Öffentlichkeit in solche Projekte des privaten Kulturengagements zur Folge gehabt. Wie kann man diesen Verlust ausgleichen?

Naumann: Indem man Beispiele öffentlich diskutiert, die gut gelaufen sind, und aus den schlechten Erfahrungen lernt.

Frage: Es gibt den Vorwurf, privates Kulturengagement im öffentlichen Raum setze bevorzugt populistisch auf "High Culture", wolle den oberflächlichen "Event" und mißachte das unbequeme Experiment.

Naumann: Diese Einwände mögen im Einzelfall durchaus berechtigt sein. Doch machen sie deswegen privates Kulturengagement im öffentlichen Raum nicht überflüssig. Es gibt genug Möglichkeiten, mit öffentlichem Geld unbequeme Experimente zu wagen.

Frage: "Private Public Partnership" ist nicht mit selbstlosem Mäzenatentum zu verwechseln, sondern ist immer auch interessengebunden: Kulturförderung als schnöder Imagegewinn?

Naumann: Das muß nicht so sein, und im übrigen gilt: Auch der geförderte Künstler kann "Nein" sagen!

Frage: Warum überhaupt soll die Industrie dort einspringen, wo der öffentlichen Hand das Geld für die Kultur ausgegangen ist?

Naumann: Zunächst einmal ist der öffentlichen Hand das Geld für die Kultur nicht ausgegangen. Es werden Jahr für Jahr immerhin rund 18 Milliarden DM für kulturelle Zwecke investiert. Und es ist sicher auch nicht so, daß die Industrie einspringt, weil der öffentlichen Hand Geld fehlt. Vielmehr haben die privaten Unternehmen selbst ein Interesse daran, aktiv zu werden. Hier liegt eine große Herausforderung für die öffentliche Kulturpolitik. Dieses Engagement kann ich im Sinne einer partnerschaftlichen Kulturförderung nur begrüßen.

Frage: Heutzutage wird von jedem einzelnen, aber auch von Unternehmen mehr Eigeninitiative verlangt. Der Staat zieht sich aus wichtigen Bereichen mehr und mehr zurück und setzt auf privates Engagement und aufs Ehrenamt. Bedeutet das nicht auch, daß die Kulturförderung davon betroffen ist?

Naumann: Der Staat wird nicht alle Einrichtungen des kulturellen Lebens finanzieren können als gäbe es die bekannten Haushaltsnöte nicht. Dies bedeutet aber nicht, daß er zum Nichtstun verdammt ist. Seine Aufgabe wird in Zukunft vielmehr auch darin bestehen, privates Engagement zu aktivieren und möglichst viele Menschen für ein ehrenamtliches Engagement zu qualifizieren oder zu ermuntern.

Frage: Wenn es der Wirtschaft schlechter geht, müssen als erste immer Kunst und Kultur daran glauben. Warum gibt es diese Automatik?

Naumann: Ich weiß nicht, ob diese Schlußfolgerung richtig ist. In den letzten 20 Jahren ist der Kulturbereich enorm gewachsen. Daran haben konjunkturelle Einbrüche nicht allzu viel ändern können. Allerdings begünstigte die bisherige Logik der Kulturförderung einen gewissen strukturellen Konservatismus. Eine aufgeklärte Kulturpolitik muß dieser Entwicklung entgegenarbeiten, um dem Neuen eine Chance zu geben.

Frage: Der Trend beim Kultursponsoring geht eindeutig in Richtung des projektbezogenen Förderns. Pauschale Unterstützung - etwa für ein Theater oder ein Museum, das ganz generell unter Geldnot leidet - wird mehr und mehr abgelehnt. Warum?

Naumann: Es ist naheliegend, daß es vielen privaten Unternehmen attraktiver erscheint, ein spezielles Projekt zu fördern, als beispielsweise ein Museum zu unterstützen. Deshalb wird die öffentliche Hand auch in Zukunft dafür verantwortlich sein, eine gewisse kulturelle "Grundversorgung" der Bevölkerung zu gewährleisten. Aber wir müssen auch darauf achten, daß hieraus kein Automatismus in der Arbeitsteilung zwischen öffentlicher Hand und privater Kulturförderung entsteht. Insgesamt gilt: Wir brauchen ein modernes Mäzenatentum genauso, wie wir eine lebendige, phantasievolle Kultur brauchen.