Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 15.03.2011

Untertitel: In seiner Rede würdigte Staatsminister Bernd Neumann die Arbeit von Professor Dr. Hans Ottomeyer und begrüßte als Nachfolger deninternational erfahrenen Museumsmann Professor Dr. Alexander Koch.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/03/2011-03-15-neumann-ottomeyer,layoutVariant=Druckansicht.html


ich habe mich immer gefragt, zu welchem Ereignis eigentlich die traurigen Masken der Titanenkrieger passen sollen, mit denen Andreas Schlüter den Hof des Zeughauses dekoriert hat. Jetzt weiß ich es: Sie sind allein einem Abschied angemessen! Ende des Monats verlässt mit Professor Hans Ottomeyer ein Direktor das Haus, der das bedeutendste historische Museum unseres Landes in den letzten elf Jahren entscheidend geprägt hat. Jeder, der ihn kennt, weiß dass sein Ruhestand voraussichtlich eher ein Unruhestand sein wird, denn Tatendrang und Begeisterungsfähigkeit verlöschen nicht mit dem 65. Geburtstag!

Geradezu enzyklopädisches Wissen und leidenschaftlicher Forscherdrang kennzeichnen Ihren gesamten Lebensweg, lieber Herr Ottomeyer. So mag es nicht erstaunen zu hören, dass Sie bereits im zarten Alter von zehn Jahren begannen, komplette Lexika zu lesen von A bis Z. Stutzig hat mich allerdings gemacht, dass Sie es vor ein paar Jahren für notwendig befunden hatten, auch das zwölfbändige "Lexikon des Aberglaubens" von Anfang bis Ende durchzuarbeiten. Ich glaube, dass Sie das Wissen daraus niemals als Wissenschaftler oder Museumsmann einsetzen mussten. Aber vielleicht waren darin ja gute Ratschläge für die Abwehr möglicher "böser Geister" aus der Bundesverwaltung enthalten.

Bekannt ist Hans Ottomeyer einem breiten Fernsehpublikum durch die Sendung "Kunst und Krempel".

Was vor 25 Jahren im Bayerischen Rundfunk als ein Fernsehflohmarkt begann, hat sich längst zur Kultsendung entwickelt: die Antiquitätenberatung Kunst und Krempel. Herr Professor Ottomeyer ist einer der Experten der Sendung. Diese Sendung wird auch durch die Deutsche Welle ausgestrahlt und hat Fans in der ganzen Welt. Professor Ottomeyer wurde hierauf schon von Leuten angesprochen, die die Sendung in Sibirien und in Brasilien sehen!

Hübsch ist die Anekdote, dass der mehrmalige Formel-1 -Weltmeister Michael Schuhmacher auch ein großer Fan sei und Professor Ottomeyer mitteilte, die Sendung bei Formel-1 -Rennen im Ausland stets aufzeichnen zu lassen. Das zeigt, dass Sie sich nicht in den Elfenbeinturm der Wissenschaft zurückgezogen haben, sondern immer auch bemüht waren, Wissenschaft allgemein zugänglich zu machen und auch zu popularisieren."Kunst und Krempel" steht für diese populäre Sendung, aber nicht für die Sammlung des DHM. Hier standen für Sie immer nur die Kunst und die Qualität der Exponate im Mittelpunkt.

Man sagt Ihnen ja nach, sich immer als erster auch unmittelbar mit den Exponaten des Hauses befasst zu haben. Sie pflegten also nicht nur die abstrakte Arbeit, sondern auch die "Handarbeit" an der Sache selbst. Es gibt Kritiker, die deshalb meinen, Sie hätten sich zu sehr auf die Exponate und Sammlungen konzentriert. Aber denen muss man entgegenhalten, dass die Qualität der Sammlungen der Grundstock eines Museums ist und gerade durch sie ein Museum für den normalen Zuschauer attraktiv wird. Und diese Attraktivität des DHM wird von keinem bestritten.

Nach einem wahrhaft polyglotten Studium der

Kunstgeschichte, Archäologie und Literaturgeschichte, das Hans Ottomeyer auch nach London und Paris geführt hat, konnte er sich in München seit 1988 als stellvertretender Direktor des Stadtmuseums mit dessen Umbau und Sanierung erstmals profilieren. Ab 1995 wurde er Leitender Direktor der Staatlichen Museen Kassel und somit unter anderem Herr über eine der größten Sammlungen Alter Meister in Europa.

Der wohl größten Herausforderung Ihrer Karriere, lieber Herr Ottomeyer, stellten Sie sich jedoch, als Sie im Oktober 2000 die Leitung des Deutschen Historischen Museums übernahmen. Sie erbten von Professor Stölzl ein Haus im Aufbruch, dessen Dauerausstellung konzipiert und dessen Gebäude hergerichtet werden mussten. Sonderausstellungen sollten zusätzlich das Haus in der öffentlichen Wahrnehmung verankern. Ein Blick auf das Museum heute zeigt, dass Sie dieser Herausforderung erfolgreich gerecht geworden sind.

Bei seiner Gründung 1987 wurde dem Deutschen Historischen Museum mit der Gründungsvereinbarung folgender Auftrag ins Stammbuch geschrieben: Die Darstellung der gesamten deutschen Geschichte sollte in ihren europäischen Zusammenhängen erfolgen der Fokus sollte also nicht eng auf Deutschland begrenzt werden, sondern bewusst auf die europäische Dimension unserer Geschichte geweitet werden. Ausstellungen wie "Mythen der Nationen" und "Holocaust" zeigen, wie die Umsetzung eines so hohen Anspruchs gelingen kann. Die Dauerausstellung des DHM, die Pfingsten 2006 eröffnete, wurde besonders wegen dieser breiten Perspektive zum unbestrittenen Erfolg.

Das schwierige Unterfangen, aus der 800.000 Objekte umfassenden Sammlung eine verständliche Präsentation unserer Geschichte zu konzipieren, ist geglückt. Die Attraktion liegt nicht zuletzt auch in der Faszination der Objekte. Die Authentizität und Aura der rund 8.000 Exponate der Dauerausstellung vom Hut Napoleons bis zum Bruchstück der Berliner Mauer sprechen im wahrsten Sinne des Wortes für sich.

Der anhaltende Erfolg des DHM zeigt sich nicht zuletzt in seinen Besucherzahlen, die im vergangenen Jahr auch aufgrund der erfolgreichen Hitler-Ausstellung mit 915.000 den Höchststand seit Bestehen des DHM erreichten. Gerade vor dem Hintergrund von Klagen über die angebliche Geschichtsverdrossenheit bei Jugendlichen finde ich es ein gutes Zeichen, dass rund ein Viertel der Besucher unter 18 Jahren ist. Zudem ist das DHM eine Art "historische Visitenkarte" unseres Landes: Jeder dritte Besucher kommt aus dem Ausland. Das bedeutet auch ein hohes Maß an Verantwortung, denn hier wird das Bild Deutschlands in der Welt maßgeblich geformt.

Meine Damen und Herren,

die von Bundeskanzler Helmut Kohl initiierten Geschichtsmuseen das Deutsche Historische Museum in Berlin und das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn sind prägend für die Identität unseres Landes und gelten international als vorbildlich. Beide Einrichtungen sind mittlerweile Modell für zahlreiche in Gründung befindliche Nationalmuseen. Die Stimmen sind verstummt, die jahrelang vor einer angeblich gefährlichen nationalen und regierungsgesteuerten Geschichtsschau gewarnt hatten.

Auch als Zeichen für die Selbstständigkeit des Museums wurde im Jahr 2009 das DHM in eine Stiftung umgewandelt. Wir haben mit dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, das seit seiner Gründung 1990 eine Stiftung ist, und auch mit dem Jüdischen Museum Berlin gesehen, wie gut das funktionieren kann vom Sponsoring bis zur Öffentlichkeitsarbeit.

Lieber Herr Ottomeyer, selbst, wenn Sie in Ihrem Abschiedsinterview von der Entwicklung eines Idealkonstrukts für ein Museum träumen und das ist zulässig, glaube ich, dass auch in den gegebenen Strukturen Eigenverantwortung und wirtschaftliches Denken möglich, ja sogar gefordert sind. Und mit Steuergeldern finanzierte, öffentliche Museen sind nun mal Haushaltsplänen unterworfen, die vom Parlament kontrolliert werden. Mit der Überführung in eine Stiftung wurde überdies der Wissenschaftliche Beirat besetzt mit 18 hochrangigen Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland deutlich aufgewertet.

Er ist nun ein eigenes Organ der Stiftung und steht damit für die inhaltliche Qualität und vor allem auch die Unabhängigkeit von äußerer Einflussnahme auch wenn diese, in meinen Augen, ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist. Dabei dürfen wir allerdings nicht vergessen: Ein nationales Geschichtsmuseum hat zwar keinen politischen Auftrag, aber immer eine gesellschaftliche Aufgabe: Es ist ein Ort der kritischen Selbstvergewisserung.

Ich bin der Überzeugung: Der Umgang mit der eigenen Geschichte und ihre Darstellung ist der Lackmustest für unsere freiheitliche Demokratie! Dieses ist im DHM überzeugend gelungen. Sie, lieber Herr Ottomeyer, tragen dafür seit 11 Jahren als Direktor besondere Verantwortung. Dafür spreche ich Ihnen im Namen der Bundesregierung meinen herzlichen Dank aus!!

Natürlich wird gefragt, wer nun die Nachfolge von Hans Ottomeyer antritt. Durch die Bundestagswahl und die daraus resultierende Neubesetzung aller Gremien war ein bestimmter Zeitablauf nicht zu verkürzen. Im Übrigen wollten wir keinen Schnellschuss riskieren, sondern sorgfältig abwägen. Ich freue mich nun, Ihnen mitteilen zu können, dass das Kuratorium heute Morgen Herrn Professor Dr. Alexander Koch einstimmig zum neuen Direktor des DHM gewählt hat. Ich begrüße ihn herzlich!

Herr Professor Koch ist seit 2005 Direktor und Geschäftsführer der Stiftung Historisches Museum der Pfalz in Speyer.

Mit Professor Koch konnte ein auch international erfahrener Museumsmann gewonnen werden, der zudem seine wissenschaftliche Qualifikation in Forschung und Lehre unter Beweis gestellt hat. Ich freue mich, dass mit ihm nun eine junge und innovative Persönlichkeit die Geschicke des Deutschen Historischen Museums leiten, an die bisherigen Erfolge anknüpfen und neue Impulse setzen wird. Ein Schwerpunkt wird die Aktualisierung der Dauerausstellung mit der lebendigen Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart sein. Ich wünsche ihm einen guten Start.

Ihnen, lieber Herr Ottomeyer noch einmal herzlichen Dank für Ihre Leistung im DHM und alles Gute zu Ihrem neuen und hoffentlich erfüllten Lebensabschnitt!