Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 30.05.2011
Untertitel: In seiner Tischrede anlässlich des Mittagessens zu Ehren der Mitglieder des Ordens Pour le mérite in Berlinbetont Kulturstaatsminister Bernd Neumanndie Bedeutung der Filmförderung und insbesondere des Erhalts von Kinos im ländlichen Raum.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/05/2011-05-30-neumann-ordenpourlemerite,layoutVariant=Druckansicht.html
als bekennender Cineast habe ich mich ganz besonders gefreut, dass Sie, lieber Herr Wenders, es in diesem Jahr übernommen haben, das Essen mit einer kleinen Betrachtung über Ihren jüngsten Filmerfolg "PINA" zu würzen und geschmacklich abzurunden.
Ich habe Ihren Weg über viele Jahre, ja eigentlich sogar Jahrzehnte verfolgt, kenne all Ihre großen Filmerfolge, die Ihren Ruf als einer der wichtigsten und kreativsten deutschen Regisseure begründet haben. Filme wie "Alice in den Städten","Der Himmel über Berlin" oder "Paris, Texas" sind zu Klassikern avanciert. Mit unverwechselbarer Handschrift bereichern Sie seit Jahren den deutschen Film. Dabei erfinden Sie den Film für sich und die Kinogänger immer wieder neu. Mit Ihrem jüngsten Film PINA haben Sie die dritte Dimension - also 3D-Format - für den Arthousefilm erobert. Ich bewundere Ihre Entschlossenheit, immer neue, immer andere Wege zu gehen und Ihren Mut, dabei nie von Ihrem hohen künstlerischen Anspruch abzurücken.
Ich konnte PINA schon während der Berlinale sehen, und ich will Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie den Film heute Nachmittag gemeinsam mit Herrn Wenders anschauen werden, nur so viel verraten: Der Film ist nicht nur eine Liebeserklärung an eine wunderbare Künstlerin, die leider viel zu früh verstorben ist, sondern auch eine an die Künste selbst. Tanz, Musik, Theater und Film korrespondieren darin auf Augenhöhe miteinander und über alle Mediengrenzen hinweg.
Meine Damen und Herren,
der Film, und zwar besonders der Film als Kunstwerk, liegt mir als Kulturstaatsminister sehr am Herzen.
Die Geburtsstunde des Films ist die Erfindung der Fotografie im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Im letzten Drittel dieses Jahrhunderts fingen diese Bilder dann an zu laufen. Die belichtete Glasplatte fixiert einen einzigen Moment, auch wenn der am Anfang Stunden dauern konnte. Der Film aber konserviert eine im Prinzip unendliche Anzahl von Momenten, er ist Bild-Kunst, die sich in der Zeit entfaltet. Wir alle wissen natürlich, Film ist mehr als Dokumentation. Der Film, insbesondere der Kinofilm, ist ein ästhetisches Gebilde. Im Kino können wir die Welt sinnlich erfassen. Der Film macht Ungehörtes hörbar, Ungesehenes sichtbar und diffus Gefühltes fühlbar. Das bewegte Bild ist mächtig und magisch zugleich.
Auf der Leinwand erhalten unsere Zeit und unsere alltäglichen Lebensumstände eine ganz neue, eben eine ästhetische Präsenz. Der Kinofilm, also der Film für die "Große Leinwand", weist gegenüber anderen Formaten der Wiedergabe wie dem Fernsehbildschirm besondere Qualitäten auf; er ist von größerer visueller Eindringlichkeit. Das macht die Faszination des Kinos aus.
Der Kinofilm ist und bleibt ein Kulturgut besonderer Art - und das gemeinschaftliche Erleben des Films im Kino ebenso. Das Kino in der Fläche, im ländlichen Raum, ist häufig das einzige Zentrum kultureller Kommunikation, und deshalb muss es erhalten werden. Ohne öffentliche Förderung ist der deutsche Film nicht lebensfähig - genauso wie die Mehrzahl der Theater nicht.
Beide haben die öffentliche Förderung verdient. Die Filmförderung der Bundesregierung hat eine lange Tradition. Sie konzentriert sich ausschließlich auf den Kinofilm, und zwar mit zweierlei Perspektive: einerseits um den künstlerischen Rang des deutschen Films zu festigen, andererseits um die Rahmenbedingungen für die deutsche Filmwirtschaft zu stärken. Hier setzt auch die finanzielle Förderung der Digitalisierung der Kinos an. Angesichts der sehr zügig voranschreitenden technischen Umrüstung der Kinos gilt es vor allem, die kleineren nicht so finanzstarken Kinos zu unterstützen. Filmförderung ist und bleibt eine wichtige Aufgabe und Herausforderung jeder Kulturpolitik.
Meine Damen und Herren,
lieber Herr von Matt, Sie haben Ihre Ausführungen in Ihrer letztjährigen Tischrede mit einem Beispiel zum kollektiven Gedächtnis geschlossen, das - so sagten Sie - von den meisten unserer Generation verstanden wird, positive gemeinsame Emotionen auslöst und damit in gewisser Weise die Nation eint und zusammenbindet. Ich meine Ihren damaligen knappen Hinweis auf -Zitat- "Bern, Stadion Wankdorf, 1954". Es ist schon wichtig, auch den nachwachsenden Generationen ein gemeinsames Gedächtnis der Geschichte zu ermöglichen, an dem viele teilhaben können.
Dem Film kommt hierbei eine wichtige Rolle zu, denn viele Filme oder Filmsequenzen gehen ein in dieses kollektive Gedächtnisses, indem sie Fixpunkte im unaufhörlichen Strom unserer Erinnerungen sind.
Verehrte Ordensmitglieder, Sie sind es, die als unermüdliche Arbeiter in den Wissenschaften und den Künsten die Tiefen unseres kollektiven Gedächtnisses ausloten und kartieren oder ganz neue Räume erobern und damit unsere Sicht auf die Welt auf unschätzbare Art bereichern.