Redner(in): Angela Merkel
Datum: 31.05.2011

Untertitel: in Neu Delhi
Anrede: Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrter Herr Premierminister, sehr geehrter Herr Präsident des Indian Council for Cultural Relations, Exzellenzen, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/05/2011-05-31-merkel-nehru-preis,layoutVariant=Druckansicht.html


den Nehru-Preis für internationale Verständigung entgegennehmen zu dürfen, ist wahrhaftig eine hohe Ehre. Ich möchte mich herzlich für dieses Zeichen der Wertschätzung und des Vertrauens bedanken.

In dieser Preisverleihung sehe ich eine Bestätigung dafür, dass es ein guter Weg war, den unsere beiden Länder gemeinsam gegangen sind. 1951 haben Indien und die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen aufgenommen. Wir können heute dankbar und durchaus auch stolz auf diese 60Jahre diplomatische Beziehungen zurückschauen.

Der Nehru-Preis unterstreicht aber nicht nur bereits aufgebautes Vertrauen. Er verbindet uns auch als Partner, die in die Zukunft blicken. Er ist Ansporn, um Kräfte zu bündeln und gemeinsame Herausforderungen zu meistern, zum Beispiel den tiefgreifenden Umbruch, der in Nordafrika und in einigen arabischen Ländern stattfindet. Dort ringen Menschen um einen politischen Wandel, der ihnen Freiheit und Selbstbestimmung ermöglicht.

Es wird sehr deutlich: Wer internationale Verständigung ernst nimmt, der muss auch jenseits klassischer zwischenstaatlicher Diplomatie Verantwortung übernehmen, und zwar indem wir den Menschen bei ihrem Bemühen um einen Neuanfang konkret zur Seite stehen mit den vielfältigen Formen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, mit konkreten Maßnahmen zur Ausbildung, mit Unterstützung für Beschäftigung. Dabei können unsere beiden Länder sehr viel voneinander lernen.

Damit nicht genug. In unserer globalisierten Welt sind die Herausforderungen wahrlich vielfältig. So müssen wir genau hinschauen, ob und wo Rückzugsräume für Terrorismus entstehen, und müssen diese Rückzugsräume entschlossen eindämmen. Dafür steht auch der Einsatz der internationalen Staatengemeinschaft in Afghanistan, an dem Deutschland mit fast 5. 000Soldaten beteiligt ist. Indien ist ein Partnerland von Afghanistan, das in vielfältiger Weise genauso versucht, dieses Land zu stabilisieren und auf einen friedlichen Weg zu bringen. Wir wissen auch, dass Staaten, die im Kampf gegen die organisierte Kriminalität oder den Drogenhandel scheitern, unsere gemeinsame Unterstützung brauchen.

Darüber hinaus müssen wir immer im Auge behalten, dass wir auch die Verbreitung von Atomwaffen verhindern. Das sehen wir in dringlicher Aktualität im Fall des Iran. Es ist wichtig, dass Deutschland und Indien den UN-Sicherheitsrat dazu nutzen, deutlich zu machen, dass der Iran umdenken muss. Iran muss die Zweifel an der friedlichen Natur seines Nuklearprogramms ausräumen.

Im Geiste von Nehru, dessen Namen dieser Preis trägt, den ich heute in Empfang nehmen darf, ist es wichtig, dass wir heute die Vielzahl der globalen Fragen gemeinsam in den Blick nehmen. Dazu gehören der Klimaschutz, die weltweite Nahrungsmittelversorgung, der Zugang zu Wasser oder der Schutz vor Krankheiten. Wenn wir die globale Ordnung gestalten wollen darin sind sich Deutschland und Indien einig, dann brauchen wir funktionierende internationale Formen der Kooperation. Wir arbeiten eng im Rahmen der G20 zusammen und haben dort richtige Lehren aus der Weltwirtschaftskrise und der Finanzkrise gezogen.

Gleichzeitig müssen wir darauf achten auch hierbei arbeiten Indien und Deutschland sehr eng zusammen, dass unsere Strukturen und die internationalen Strukturen mit den Herausforderungen zusammenpassen, vor denen wir heute stehen. Deshalb sind wir uns einig: Wir brauchen dringend eine Reform des UN-Sicherheitsrats. Der Sicherheitsrat spiegelt heute nicht mehr die wahre Kräfteordnung und Situation der Welt des 21. Jahrhunderts wider.

Eine Voraussetzung dafür, dass wir das schaffen, sind enge und freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Indien. Deshalb werden wir weiter daran arbeiten, den Austausch zwischen unseren beiden Ländern voranzubringen.

Heute gab es die ersten Regierungskonsultationen zwischen Deutschland und Indien eine neue Form des Lebens in der strategischen Partnerschaft. Wir werden zwischen unseren Ländern auch nicht nur die politischen und die wirtschaftlichen, sondern auch die wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Verbindungen stärken.

Deshalb freue ich mich sehr, dass ich das Preisgeld des Nehru Award für den Aufbau eines Stipendienprogramms einsetzen kann. Es soll indischen Nachwuchskräften ein Masterstudium in Deutschland auf dem Gebiet des deutschen und europäischen Rechts ermöglichen. Damit werden jungen Menschen Chancen gegeben, etwas zu einem freundschaftlichen und intensiven Verhältnis unserer beiden Länder beizutragen.

So rücken unsere Länder mit jedem solcher konkreten Projekte ein Stück weit näher zusammen. So lernen sich die Menschen in unseren Ländern ein wenig besser kennen. Genau das ist doch die Aufgabe: in einer globalisierten Welt voneinander zu lernen, miteinander zu reden und Lösungen zu finden, indem wir unsere Prinzipien einbringen, aber auch immer wieder bereit sind, Kompromisse zu schmieden. Das ist das, was die Welt zusammenführt. Dafür ist eine enge, verlässliche, freundschaftliche Partnerschaft zwischen Deutschland und Indien eine gute Voraussetzung. Sie ist mir deshalb in meinem politischen Handeln eine Verpflichtung.

Ich bedanke mich nochmals für die hohe Auszeichnung, die ich heute erhalten habe.