Redner(in): Angela Merkel
Datum: 02.06.2011

Untertitel: in Singapur
Anrede: Sehr geehrter Herr Vizepremierminister, sehr geehrter Herr Kuratoriumsvorsitzender, sehr geehrter Herr Direktor, Exzellenzen, meine sehr geehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/06/2011-06-02-singapur,layoutVariant=Druckansicht.html


zuerst möchte ich mich sehr herzlich für den freundlichen Empfang hier in Singapur bedanken auch im Namen unserer ganzen Delegation, die aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages und aus Vertretern der Wirtschaft besteht. Wir freuen uns und es ist uns eine Ehre, hier bei Ihnen zu Gast zu sein und ein wenig von der Dynamik Ihres Landes zu spüren. Natürlich freue ich mich ganz besonders, heute zur renommierten Reihe der Singapore Lectures einen Beitrag leisten zu können. Allen Vertretern des Institute of Southeast Asian Studies sage ich herzlichen Dank dafür.

Ich glaube, in Singapur lässt es sich ganz besonders gut über die Zukunft Asiens und seine Verbundenheit mit Europa und Deutschland sprechen. Denn Singapur steht für Dynamik, Singapur steht für Innovation. Von hier gehen wichtige Impulse für die gesamte Region aus. Und so genießt Ihr Land auch weltweit eine außerordentlich hohe Anerkennung.

Die Beziehungen zwischen Singapur und Deutschland haben sich erfreulich gut entwickelt; man kann fast sagen: ideal. Ihr Land ist für uns der größte Wirtschaftspartner in Südostasien. Nach den wirtschaftlichen Einbrüchen im Krisenjahr 2009 ist unser Handelsvolumen im letzten Jahr wieder besonders kräftig gewachsen auf nunmehr rund 10, 6Milliarden Euro. Mehr als 1. 200deutsche Unternehmen sind in Singapur engagiert. Der Bestand der deutschen Investitionen beläuft sich hier auf mehr als achtMilliarden Euro. 7. 000Deutsche leben hier, darunter mehr als 200Wissenschaftler, die Singapur eben auch als außerordentlich attraktiven Forschungsstandort schätzen.

Die Unternehmen unserer beiden Länder vertrauen auf ihre Stärken und sind bereit, sich dem internationalen Wettbewerb zu stellen. Dieser weltoffene Ansatz hat auch immer wieder zu mehr Erfolg geführt. So ist es beiden Ländern auch gelungen, die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise, die die Welt schwer erschüttert hatte, rasch zu bewältigen. Wir sind recht stolz auf unsere Wachstumsraten im letzten Jahr 3, 6Prozent, aber wir müssen natürlich neidlos anerkennen: 14Prozent in Singapur, das ist doch eine andere Größenordnung. Das spornt uns an, uns noch mehr anzustrengen.

Wir haben mit unserem deutschen Wirtschaftswachstum im letzten Jahr dennoch den größten Anstieg seit der Wiedervereinigung vor 20Jahren verzeichnet. Auch für das Jahr 2011 deuten sich recht gute Wachstumsraten an. Sehr interessant ist vor dem Hintergrund weltweiter Diskussionen über Ungleichgewichte, dass der Aufschwung nach der Krise zu Beginn in der Tat exportgetrieben war, aber dass in diesem Jahr jetzt doch sehr schnell rund zwei Drittel unseres Wachstums durch die Binnennachfrage bestimmt sind. Das heißt, wir leisten auch einen Beitrag zu einem weltweit ausbalancierten Wirtschaftswachstum und zur globalen Erholung.

Was ich noch hinzufügen darf, ist, dass wir besonders froh über die Entwicklung des Arbeitsmarktes sind. Wir haben nun die geringste Zahl von Arbeitslosen seit der Wiedervereinigung. Das ist sehr erfreulich, wenngleich Deutschland mit einem Problem zu kämpfen hat, das Sie bei sich nicht kennen, nämlich dass wir eine relativ verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit haben und sehr darauf achten müssen, dass insbesondere junge Leute immer wieder motiviert werden, Arbeit aufzunehmen, und wir dazu die Anreize setzen.

Singapur und Deutschland das hat sich auch gestern in meinen Gesprächen mit Ministerpräsident Lee gezeigt setzen auf eine offene Weltwirtschaft, freien Handel und verlässliche Investitionsbedingungen. Das ist das, was politische Institutionen beitragen können, um zu Wachstum zu verhelfen. Deshalb sind wir auch gemeinsam der Überzeugung: Es muss einen Abschluss der Welthandelsrunde geben. Ein Erfolg der Doha-Runde wäre die beste Garantie für ein weltweites Wachstum. Denn auf anderem Wege ist es nicht denkbar, dass Industrie- , Schwellen- und Entwicklungsländer ohne Diskriminierung die Möglichkeiten eines freien Handels und richtige Wachstumsmöglichkeiten nutzen können. Freier Handel ist die beste Garantie für Wachstum. Deshalb bedauern es unsere beiden Länder außerordentlich, dass wir die Doha-Runde nach zehn Jahren immer noch nicht abgeschlossen haben. Wenn man realistisch ist, weiß man, dass auch jetzt ein schwieriger Weg vor uns liegt. Eigentlich sind nur noch wenige Meter zu gehen. Aber ob die Weltgemeinschaft die Kraft aufbringen wird, das zu schaffen, ist noch nicht entschieden wir haben auf dem G8 -Gipfel in Deauville wieder darüber gesprochen. Auf jeden Fall bin und bleibe ich davon überzeugt: Es wäre ein starker Impuls; und es wäre eigentlich auch die letzte noch zu ziehende Lehre aus der internationalen Wirtschaftskrise.

Die tiefe Wirtschaftskrise in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist damals im Hinblick auf den internationalen Handel falsch behandelt worden. Man ist in Protektionismus verfallen und hat damit die Probleme vergrößert. Eigentlich müssten wir daraus gelernt haben, aber das gestaltet sich eben nicht ganz einfach. Was können wir also tun, um unsererseits einen Beitrag zu leisten? Das können bilaterale Verhandlungen sein. So setzt sich Deutschland sehr engagiert dafür ein, dass wir das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Singapur schnell zu Ende verhandeln können und auch ein Partnerschaftsabkommen abschließen. Ich glaube, das würde unserer gegenseitigen Wirtschaftsbeziehung zusätzliche Dynamik verleihen.

Wir sind gemeinsam davon überzeugt, dass offene Märkte, freier Handel und freie Gesellschaften Innovationen vorantreiben und dass wir uns natürlich im internationalen Wettbewerb besonders dann gut behaupten können, wenn wir bei den Innovationen vorne liegen. Wir wollen in vielen Spitzentechnologien Weltmarktführer sein. Sie wollen das auch. Wir möchten natürlich unsere deutsche Erfolgsgeschichte fortschreiben. Deshalb haben wir uns auch vorgenommen, dreiProzent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben. Wir sind dabei auf einem guten Weg. Wir haben eben darüber gesprochen, dass sich Singapur noch mehr vorgenommen hat: Sie sind schon bei dreiProzent angelangt und wollen 3, 5Prozent erreichen. Aber spannend ist natürlich auch die Frage: Was ist der Anteil des Staates; und wie komplettieren wir ihn mit Mitteln aus der privaten Wirtschaft? In der richtigen Balance liegt dann natürlich die eigentliche Kraft, um Innovationen auch in marktfähige Produkte überführen zu können.

Wir glauben, dass wir technische Innovationen auch brauchen, um eine nachhaltige Entwicklung in unseren Ländern zu garantieren. Nachhaltigkeit wird die große Aufgabe einer Welt sein, in der die Bevölkerung nach wie vor wächst. In diesem Jahr wird der siebenmilliardste Bürger auf der Welt geboren werden. Gerade Deutschland als ein relativ dicht besiedeltes Land, aber auch Singapur als ein Land, das auf Importe von Energie und anderem angewiesen ist, sollte ein immanentes Interesse daran haben, effizient mit Ressourcen umzugehen.

Ich denke, gerade das Thema Elektromobilität ist ein Thema, das für Deutschland und auch für Singapur von allergrößter Bedeutung sein kann. Deshalb freue ich mich, dass ich Ihnen berichten kann, dass Deutschland vor wenigen Wochen ein Regierungsprogramm zur Elektromobilität verabschiedet hat. Es ist ein klares Bekenntnis zu einer zukunftsfähigen Antriebstechnologie. Wir werden zwischen 2011 und 2013 hierfür eineMilliarde Euro für Forschung und Entwicklung bereitstellen.

Wir haben mit Singapur einen ganz starken Partner in diesem Bereich an unserer Seite. Die Technische Universität München und die Nanyang Technological University haben gemeinsam ein Zentrum für Elektromobilität aufgebaut. Singapur stellt für dieses Kooperationsprojekt Mittel in Höhe von 60Millionen Euro bereit. In den nächsten fünf Jahren soll das Zentrum zusammen mit führenden deutschen Unternehmen innovative Lösungen entwickeln ob es nun um Speichertechnologien oder um das Fahrzeugdesign gehen mag. Über 80Doktoranden werden hier viel zu tun haben. Wir werden dieses Projekt natürlich mit sehr viel Interesse verfolgen.

Ich will vielleicht noch eine Bemerkung machen: In Europa wird sehr viel darüber diskutiert, wie wir Elektromobilität fördern können. Wir in Deutschland glauben nicht, dass Kaufprämien für einzelne Fahrzeuge die richtige Antwort sind, aber wir glauben, dass wir vor allen Dingen auf Forschung und Entwicklung setzen müssen und dann auch sehr schnell Anreize dafür schaffen müssen, dass Elektromobilität eingeführt werden kann, zum Beispiel durch einen vernünftigen Aufbau der Infrastruktur. Aber wir sollten nicht auf dauerhafte Subventionierung setzen; das ist jedenfalls nicht unser Ansatz.

Bei der Entwicklung auch vieler anderer Technologien ist Singapur ein wichtiger Partner für uns. Ich will einige Beispiele nennen: Siemens entwickelt hier neue Wassertechnologien, Infineon forscht mit mehr als 200Ingenieuren im Bereich der Mikroelektronik, Bosch arbeitet an neuen Lösungen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Die Liste kann beliebig verlängert werden.

Wir planen als Bundesregierung ein Programm, das Wissenschaftler beider Länder dabei unterstützt, bestehende Kooperationen auszubauen, neue Kontakte zu knüpfen und gemeinsame Projekte zu initiieren. Wir wollen vor allen Dingen junge Nachwuchswissenschaftler ansprechen und ihre langfristige Planung der Zusammenarbeit erleichtern. Ich will auch den hier Anwesenden sagen: In Deutschland gibt es inzwischen eine Vielzahl von Studiengängen, die auch in Englisch angeboten werden. Das heißt, die Sprachbarriere ist kein Grund mehr dafür, nicht nach Deutschland zu kommen. Wir laden Sie alle herzlich ein, in Deutschland zu studieren. Das kann in umfassendem Sinne Spaß machen. Kluge Köpfe sind und bleiben das wichtigste Kapital eines Landes. Das hat Singapur von Anfang an gewusst und ist danach verfahren. Das Thema Innovationsfähigkeit ist natürlich eines, das auch nicht nur uns in Deutschland beschäftigt, sondern das ebenso ein zentrales Thema für Europa insgesamt ist.

Ich weiß, dass Sie hier in Singapur mit äußerster Aufmerksamkeit die Entwicklungen im Euro-Raum verfolgen. Deshalb möchte ich hier noch einmal ganz deutlich sagen: Wir haben kein Problem mit dem Euro an sich. Der Euro ist eine stabile Währung. Er ist im Verhältnis zum Dollar stark. Wir finden manchmal sogar, er ist sehr stark, was unsere Exportkraft ja nicht gerade steigert. Aber wir haben ein Schuldenproblem in einigen Mitgliedstaaten. Die tiefere Ursache dieses Schuldenproblems ist auch ein Wettbewerbsfähigkeitsproblem. Die Wettbewerbsfähigkeit in den Mitgliedstaaten des Euro-Raums ist sehr unterschiedlich. Sie ist zum Teil zu schwach. Deshalb haben wir hinsichtlich der Frage, wie wir diese Krise überwinden können, in der wir uns befinden, auch immer wieder Wert darauf gelegt, dass wir die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und die Solidität der Finanzen in den Vordergrund stellen müssen.

Ich möchte an dieser Stelle ganz klar sagen: Deutschland weiß um die Wichtigkeit des Euro, Deutschland bekennt sich zum Euro, Deutschland hat sehr viel vom Euro profitiert. Wir sind ein Exportland. Der Europäische Binnenmarkt mit der einheitlichen Währung und den nicht vorhandenen Transaktionskosten ist eine große Hilfe für unsere wirtschaftliche Stärke.

Aber wir dürfen auch nicht darum herumreden: Eine gemeinsame Währung erfordert tendenziell auch ein Zusammenwachsen hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder. Diese Wettbewerbsfähigkeit darf nicht irgendwo im Durchschnitt der Schwächeren und der Stärkeren liegen, sondern wenn wir im Vergleich mit Regionen wie etwa den ASEAN-Ländern und anderen wettbewerbsfähig bleiben wollen, dann muss der Beste unter uns oder unter unseren strategischen Partnern der Maßstab sein, nicht der Mittelwert. Das ist das, was wir in Europa diskutieren.

Deshalb haben wir den sogenannten Euro-Plus-Pakt eingeführt einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit, in dem auch Größen und Indikatoren betrachtet werden, die nicht in die Kompetenz der Europäischen Kommission fallen, wie etwa Sozialsysteme, Lohnstückkosten und anderes, das wir einem Vergleich unterziehen, um insgesamt auf einen guten Pfad zu kommen. Wenn Sie heute auf die Europäische Union schauen, dann werden Sie sehen, dass wir im letzen Jahr unglaublich viel geschafft haben. Eine Vielzahl europäischer Länder hat Reformen durchgeführt, von denen man vor zwei Jahren noch gar nicht sprechen konnte auf dem Arbeitsmarkt, im Rentenbereich und in vielen anderen Bereichen.

Dennoch arbeiten wir immer noch die Sünden der Vergangenheit ab und sind sozusagen noch nicht in der Lage, zu zeigen, dass wir für die Zukunft ausreichend Vorsorge getroffen haben. Wir haben inzwischen unseren Stabilitätspakt verschärft. Wir haben einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit geschlossen. Aber das alles entbindet uns nicht von der Aufgabe, erst einmal das, was schon in der Vergangenheit entstanden ist, wiedergutzumachen. Damit beschäftigen wir uns noch. Aber Deutschland ist dabei der Meinung, dass es eine Mischung aus Solidarität und Solidität aller Mitgliedstaaten geben muss. Dann ist Deutschland auch zu Solidarität bereit, wie wir sie ja im letzten Jahr in vielen Fällen gezeigt haben.

Meine Damen und Herren, die Europäische Union und der Euro sind Deutschland ein Herzensanliegen. Es sind jetzt 66Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg vergangen. Der Fall des Eisernen Vorhangs, der Fall der Berliner Mauer und die Teilung Deutschlands liegen 21Jahre zurück. Wir sollten nie vergessen, welch großes Glück es ist, in Frieden, Freiheit und Demokratie zu leben. Die Europäische Union ist eine Friedens- und Wertegemeinschaft, die seit über fünf Jahrzehnten für Wohlstand und Stabilität sorgt.

Die Europäische Union ist in einer immer enger zusammenwachsenden Welt auch eine einheitliche Kraft, um Interessen Europas durchzusetzen. Deutschland ist das größte Land innerhalb der Europäischen Union, aber mit 80Millionen Einwohnern machen wir gegenüber Ländern wie Indien und China mit jeweils mehr als einerMilliarde Einwohnern trotzdem noch keinen besonders großen Eindruck. Als 500Millionen Europäer in 27Ländern, die wir uns zusammengeschlossen haben, können wir viel stärker deutlich machen, wofür wir eintreten und wie wir das tun.

Singapur ist ASEAN-Gründungsmitglied. Es hat sich einen Ruf als Vordenker und Motor der regionalen Integration im südostasiatischen Raum erworben. Ähnlich wie bei der europäischen Einigung nahm ASEAN seinen Weg über die wirtschaftliche Verflechtung. Ich kann Sie nur immer wieder ermuntern, diesen Weg weiter zu gehen. Handelsfreiheit und das Ziel eines gemeinsamen Binnenmarktes brachten die Staaten zusammen. Inzwischen nimmt auch die politische Zusammenarbeit im ASEAN-Raum einen immer größeren Stellenwert ein. Singapur hat daran einen großen Anteil und ist dadurch auch zu einem maßgeblichen politischen Akteur in der Region geworden. Der südostasiatischen Staatenkooperation fühlen wir uns als Europäische Union partnerschaftlich und mit größter Anerkennung verbunden. Gerade auch vor dem Hintergrund der verschiedenen Kulturen der einzelnen ASEAN-Mitgliedstaaten ist eine enge Kooperation eine wichtige, lohnende, aber sicherlich auch nicht immer ganz einfache Aufgabe.

Wir in Europa wissen aus eigener Erfahrung, wie es mit dem Aufbau einer solchen Gemeinschaft ist. Es ist wichtig, dass sich Mitgliedstaaten in Geist und Buchstaben an die Vereinbarungen halten. In Europa haben wir jetzt erlebt, was passiert, wenn der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht von allen eingehalten wird. Es bedarf etablierter Mechanismen, um Interessenkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten beizulegen. Das kann auch bedeuten, dass nationale Kompetenzen auf eine supranationale Ebene abzugeben sind. Es ist vielleicht der qualitativ interessanteste Aspekt, den wir in Europa durchlaufen haben, nämlich dass wir uns daran gewöhnt haben, bestimmte nationale Kompetenzen nicht mehr zu haben. Das ist manchmal nicht einfach, wenn man akzeptieren muss, dass Brüssel Rügen oder Lob ausspricht und man selbst nicht mehr ganz Herr seiner eigenen, nationalen Entscheidungen ist. Aber für das große Gut eines gemeinschaftlichen Handelns haben wir uns dazu entschlossen. Und das hat sich bewährt. Das heißt also: Nationale Egoismen und sicherheitspolitische Differenzen müssen dauerhaft in den Hintergrund treten. Wenn das gelingt, dann macht es sich langfristig für alle Mitgliedstaaten bezahlt.

Vor diesem Hintergrund habe ich natürlich zum Beispiel im Hinblick auf die Diskussion über Myanmars Interesse an der ASEAN-Präsidentschaft Sorgen, solange die neue zivile Regierung in Myanmar noch nicht belegt, dass sie tatsächlich einen demokratischen Weg einschlägt. Deshalb erwarten wir ein klares Bekenntnis Myanmars zu den Menschenrechten, und zwar in Wort und Tat. Die ASEAN-Staaten sollten miteinander über diese Probleme sprechen. Denn das Eintreten für Menschenrechte, für Freiheit und Demokratie ist ja nicht nur eine regionale Verpflichtung. Es ist eine globale Verpflichtung. Singapur ist auch in dieser Hinsicht ein wertvoller Partner für uns.

Wir haben gemeinsam internationale Verantwortung zu tragen, zum Beispiel mit unseren Soldaten in Afghanistan. Sie setzen, aus beiden Ländern kommend, ihr Leben aufs Spiel, um gegen Terrorismus und für eine Stabilisierung des Landes zu kämpfen. Wir sind auch gemeinsam engagiert, wenn es um die Sicherung von Seewegen geht. Singapur und Deutschland leisten dazu einen wichtigen Beitrag sei es an der Straße von Malakka oder beim Einsatz am Horn von Afrika.

Wie Sie, Herr Vizepremierminister, es eben gesagt haben, zählt auch der Umbruch in Nordafrika und im Nahen Osten zu unseren gemeinsamen Herausforderungen. Er wird die politische Landschaft der Region maßgeblich verändern. Es liegt natürlich auch in unserem eigenen Interesse, dass sich möglichst viele Länder auf der Welt in Richtung Offenheit, Transparenz und Demokratie entwickeln.

Wir in Europa sehen allerdings mit Blick auf Nordafrika als unseren Nachbarn eine große Aufgabe auf uns zukommen. Wenn wir uns die Demographie dieser Länder anschauen, sehen wir, dass sie sich anders als in unseren Ländern entwickelt. Dort hat man keine alternde Gesellschaft, sondern dort sind etwa 50Prozent der Menschen unter 25Jahre alt. Das heißt, die große Aufgabe dort besteht in der Ausbildung und der Schaffung von Perspektiven für junge Menschen. Vielleicht können unsere beiden Länder auch hierbei hilfreich sein. Denn wenn es keine wirtschaftlichen Perspektiven gibt das haben Sie bei sich erlebt, das haben wir in Europa erlebt, dann wird es auch keine politische Stabilität geben.

Meine Damen und Herren, ich könnte die Liste dessen, in welchen Bereichen wir uns engagieren, noch fortsetzen etwa der Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen, weltweite Energiesicherheit und viele andere Dinge. Ich glaube, dass Deutschland und Singapur geradezu dazu prädestiniert sind, vieles gemeinsam zu machen und voneinander zu lernen.

Deshalb darf ich mich dafür bedanken, dass ich heute früh bei Ihnen zu Gast sein darf. Ich darf mich auch im Namen aller deutschen Unternehmen dafür bedanken, dass Singapur eine so wunderbare Heimstatt für viele von ihnen ist. Heute früh war ich im Botanischen Garten und konnte mich davon überzeugen, welche Vielfalt von Pflanzen und Blumen es hier gibt. Ich darf sagen: Es gibt hier in Ihrer Region eine wunderschöne Natur. Mit dieser Vielfalt von Blüten können wir in Deutschland nicht mithalten, auch nicht mit den Temperaturen, aber ansonsten können wir gemeinsam viel miteinander unternehmen.

Herzlichen Dank dafür, dass ich diese Lecture halten durfte.