Redner(in): Angela Merkel
Datum: 18.08.2011

Untertitel: in Wiesbaden
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/08/2011-08-18-merkel-bka,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrter Herr Minister und Kollege, lieber Hans-Peter Friedrich,

sehr geehrter Herr, lieber Herr Ziercke,

sehr geehrter Herr Vorbeck,

liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskriminalamts,

liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,

Frau Vizepräsidentin, Herr Vorsitzender des Innenausschusses,

liebe ehemalige Kollegin Hannelore Rönsch,

Herr Landesminister Rhein,

und damit auch alle Vertreter der Innenministerien der Länder,

Herr Oberbürgermeister,

meine und Herren,

Sie können in diesem Jahr den stolzen 60. Geburtstag des Bundeskriminalamts feiern. Dazu bin ich ausgesprochen gerne heute zu Ihnen nach Wiesbaden gekommen, denn dieser Festakt gibt Gelegenheit, allen, die daran mitgewirkt haben, dass dies 60 erfolgreiche Jahre geworden sind, von Herzen zu danken.

Dieser Dank ist umso wichtiger, als es die Aufgaben des Bundeskriminalamts mit sich bringen, dass zuweilen Misserfolge auf mehr Interesse in der öffentlichen Berichterstattung und Diskussion stoßen als Erfolge. Denn Erfolg heißt häufig schlicht, einen Zustand ohne besondere Ereignisse zu gewährleisten. Dahinter verbirgt sich oft härteste Arbeit, aber darüber fallen gewöhnlich eher wenige Worte.

Das Jubiläum bietet deshalb Raum und Gelegenheit, den Blick der Öffentlichkeit einmal auf das Wirken des Bundeskriminalamts in all seinen Facetten zu lenken. Dazu zunächst auch von mir ein kurzer Rückblick:

Die Einrichtung des Bundeskriminalamts im Jahre 1951 war eine wichtige Etappe in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands. Die Polizeihoheit ist seit jeher exklusiv staatliches Vorrecht. Dass die Alliierten sie der jungen Bundesrepublik gewährten, das war ein besonderes Zeichen des Vertrauens. Sie zeigten damit, dass sie auf die freiheitlich-demokratische Entwicklung des Landes setzten, und damit machten sie den Neuanfang nach den Schrecken des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs überhaupt erst möglich. Dieser Neuanfang verlief dann auch sehr erfolgreich.

Das darf, wenn man heute zurückblickt, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es über diese Anfangsjahre auch Kritisches zu sagen gibt. Denn sie waren beim BKA zum Beispiel davon überschattet, dass für die Behörde auch Personen tätig waren, die schon während des Nationalsozialismus in Deutschland Karriere gemacht hatten. Dies ist nicht einfach nur so hinzunehmen, sondern die Geschichte unserer Sicherheitsbehörden umfassend zu erforschen, diese Geschichte schonungslos anzunehmen, das war unerlässlich. Sie, Herr Ziercke, haben sich dieser Aufgabe für das Bundeskriminalamt angenommen.

Warum sage ich, dass es unverzichtbar ist, dass die eigene Geschichte ein wichtiges Thema auch beim Jubiläum des Bundeskriminalamts darstellt? Ich bin der Überzeugung, nur wer sich offen und ehrlich der Vergangenheit stellt, der kann dauerhaft Glaubwürdigkeit und Vertrauen für die Zukunft festigen. Genau darauf kommt es bei einer Behörde wie dem Bundeskriminalamt an.

Sie bewegt sich immer in dem zentralen Spannungsfeld, von dem heute auch schon die Rede war, zwischen Sicherheit und Freiheit. Diese Pole sind keine Gegensätze, vielmehr bedingen sie einander. Wer beispielsweise seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung oder seines Eigentums nicht mehr sicher ist, wer gar um sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit bangt, der fühlt sich gewiss kaum als freier Mensch. Genauso gilt: Wer in einer Diktatur lebt, die ihn schützt, wenn er nur schön still ist, die ihn aber gängelt und bevormundet oder gar verfolgt, für den wird eine solche vermeintliche Sicherheit nur zum Käfig und nicht etwa zur Freiheit.

Freiheit und Sicherheit, das ist die Botschaft, verbinden sich also nur in einer freiheitlichen Demokratie und im demokratischen Rechtsstaat zum Wohle des Einzelnen und zum Wohle der Gemeinschaft. Der oberste Maßstab ist immer die Menschenwürde. Von ihr leiten sich die grundlegenden Freiheitsrechte ab das ist auch Artikel1 unseres Grundgesetzes. In ihr wurzelt gleichzeitig aber auch die Schutzpflicht des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Das Gefühl von Sicherheit gehört zu einem menschenwürdigen Dasein.

Die Grundrechte entfalten deshalb ihre Wirkung nicht nur als Abwehrrechte gegen staatliche Gewalt, sondern sie erteilen dieser staatlichen Gewalt gleichzeitig einen Schutzauftrag. Das heißt, sie gewähren Sicherheit vor dem Staat und Sicherheit durch den Staat.

Polizistinnen und Polizisten bewegen sich stets genau in diesem Spannungsfeld. Sie kennen das Abwägen zwischen Übermaß- und Untermaßverbot. Sich in jedem Einzelfall dieser Aufgabe zu stellen, also der Wahrung der Verhältnismäßigkeit, genau das heißt im Alltag verantwortlich handeln. Dass dies geschieht, darauf vertrauen die Menschen in unserem Land, ganz gleich, um welche konkrete Situation es geht. Dass die Menschen darauf vertrauen, das ist vielleicht das größte Lob, das man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeskriminalamts, aber auch vieler anderer Behörden machen kann.

Wenn man sich einmal die Herausforderungen anschaut, dann sieht man, sie sind unglaublich vielfältig. Da ist der islamistische Terrorismus, der heute in besonderer Weise das Bild der Sicherheitslage in Deutschland prägt. Von ihm gehen Gefahren für unsere Interessen im In- und Ausland aus. Das ist längst traurige Gewissheit. Um dies zu verdeutlichen, genügen wenige Schlagworte wie Hamburger Zelle, Kofferbomber oder Sauerlandgruppe. Erinnert sei auch an das Attentat am Frankfurter Flughafen im März dieses Jahres. Zwei US-Soldaten kamen ums Leben, zwei weitere wurden schwer verletzt.

Diese verschiedenen Fälle haben längst klargemacht: So viel wir auch tun, um Anschläge zu verhindern, absolute Sicherheit ist nicht möglich. Denn gerade im Hinblick auf Einzeltäter bleibt immer ein gewisses Restrisiko bestehen. Personen, die sich unbeobachtet selbst radikalisieren, sind nur sehr schwer zu entdecken und aufzuhalten. Das gilt für jede Form von Terrorismus.

Gerade die schrecklichen Bilder aus Norwegen haben wir alle noch vor Augen. Sie haben uns gezeigt, dass Verblendung und Hass viele Ursachen haben können. Unerwartet treten solche Fanatiker dann ans Tageslicht, rücksichtslos und brutal. Der Terror von heute hat viele Gesichter.

Aber wir werden unsere freiheitliche Lebensweise gegen Gewalt und Extremismus aus jeder Richtung verteidigen. Das gilt im Übrigen für alle, nicht nur für diejenigen, die im Bereich der Sicherheit tätig sind. Dazu müssen wir wachsam sein und uns noch stärker um Prävention bemühen.

Das gilt genauso auch mit Blick auf die organisierte Kriminalität. Die Bedrohung, die von ihr ausgeht, ist unverändert hoch. Sie wird in der öffentlichen Wahrnehmung zum Teil unterschätzt. Der wirtschaftliche Schaden im Jahr übersteigt die Milliardengrenze. Ausländischen Gruppierungen der organisierten Kriminalität dient Deutschland als Flucht- , Ruhe- und auch als Investitionsraum. Delikte der Rauschgift- , Eigentums- und Wirtschaftskriminalität kommen dazu.

Die Täter nutzen auch auf vielfältige Weise moderne Informations- und Kommunikationstechnik. Das jüngste Bundeslagebild Cybercrime zeigt ein hohes Gefährdungs- und Schadenspotenzial. Da geht es um Computerbetrug, Computersabotage, Datenfälschung, das Ausspähen und Abfangen von Daten. Hinzu kommen der Diebstahl digitaler Identitäten, digitale Erpressung und vieles mehr.

Der deutsche Staat stellt sich diesen Herausforderungen. Aber wir müssen uns immer gewahr sein: Angesichts des Technologieschubs, den wir in diesen Jahren erleben, ist dieses Sich-der-Herausforderung-Stellen eine unglaublich anspruchsvolle Aufgabe im Übrigen nicht nur für diejenigen, die mit der Behandlung der einzelnen Kriminalitätsdelikte direkt beschäftigt sind, sondern vor allem auch für diejenigen, die den gesetzlichen Rahmen dafür schaffen. Denn jede einzelne Herausforderung muss durchdrungen werden, und es ist dann wieder die Abwägung zwischen dem rechten Maß an Freiheit und Sicherheit zu schaffen.

Das Bundeskriminalamt realisiert auf vielfältige Weise die staatliche Schutzpflicht. Die Behörde hat deshalb zentrale Bedeutung für die Kriminalitätsbekämpfung in Deutschland. Sie ist ein wichtiger Anker im föderalen Gefüge.

Es erfüllt mich mit großer Freude, dass hier nicht nur ein notwendiges Grußwort von einem Landesminister gesprochen wurde, sondern dass daraus hervorgeht, wie auch aus den Worten von Herrn Ziercke, dass dies eine lebendige, gewollte Zusammenarbeit zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land ist.

So unterstützt das BKA die Polizeien des Bundes und der Länder, wenn es darum geht, Straftaten zu verhüten und zu verfolgen. Die Behörde ist die Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen. Bei ihr laufen die wichtigsten Meldungen zusammen. Das BKA sammelt, bewertet und steuert die Informationen.

Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei auch die elektronischen Fahndungs- und Informationssysteme. Sie sind eine unverzichtbare Basis moderner Polizeiarbeit geworden. Die Dimension des Materials, um das es geht, verdeutlichen folgende Zahlen: Die Personenfahndungsdatei enthält weit über eine halbe Million Registrierungen wie Festnahmeersuchen oder Aufenthaltsermittlungen. Die Sachfahndungsdatei beinhaltet über zehn Millionen Gegenstände, die im Zusammenhang mit Straftaten stehen. Da geht es um Hunderttausende Autos, Fahrräder, Ausweispapiere oder Schusswaffen. Diejenigen, die sich nicht jeden Tag mit Ihrer Arbeit beschäftigen, müssen sich das immer wieder vor Augen führen. Sie alle wissen das natürlich. Um solche Datenmengen vernünftig zu verwalten, bedarf es eines hohen Aufwands und auch einer vernünftigen technischen Ausstattung.

Dazu kommen noch viele weitere Aufgaben, die das Bundeskriminalamt als Zentralstelle wahrnimmt: der Erkennungsdienst mit der Fingerabdruckidentifizierung oder der DNA-Analyse, die Kriminalstrategie, die Beobachtung und Auswertung technologischer Entwicklungen oder die wissenschaftliche Kriminaltechnik, für die das Bundeskriminalamt hohes Ansehen genießt. Daneben existieren eigenständige Zentralstellen und Einrichtungen wie die Forschungsstelle Terrorismus / Extremismus, die Financial Intelligence Unit oder die Zentralstelle für anlassunabhängige Recherchen in Datennetzen.

Mit seinen verschiedenen Diensten unterstützt das Bundeskriminalamt aber nicht nur die Polizeien von Bund und Ländern, sondern es übernimmt in vielen Fällen auch selbst die Ermittlungen. Bereits seit Ende der 60er Jahre kann der Generalbundesanwalt das Bundeskriminalamt mit Aufgaben der Strafverfolgung betrauen. Heute steht die Behörde mit ihrem Know-how für alle Ermittlungsaufträge bereit, sei es bei Terroranschlägen im In- und Ausland, bei Spionage gegen Deutschland oder bei großen Erpressungsdelikten. Bei global organisierten Verbrechen wie illegalem Rauschgift- und Waffenhandel oder Geldwäsche hat das Bundeskriminalamt eine eigene Ermittlungskompetenz.

Das gilt auch beim Thema Terrorismus. Bereits Mitte der 70er Jahre richtete das Bundeskriminalamt eine eigene Abteilung dazu ein. Damals war die veränderte Bedrohungslage durch die RAF dafür ausschlaggebend. Wir sollten uns heute, am 60. Geburtstag des BKA, noch einmal daran erinnern: Die RAF ermordete über 30Menschen. An sie und ihre Familien denken wir auch gerade im Rahmen einer solchen Feierstunde. Der Terror der RAF bis zu ihrer Selbstauflösung 1998 war damals sicher die größte Herausforderung des Bundeskriminalamts.

Aber mit dem 11. September 2001 bekam das Thema Terrorismus eine neue Dimension. Die furchtbaren Anschläge in den USA führten zu einer neuen Bewertung der Bedrohungslage, und zwar weltweit. Spätestens seither ist jedem klar, was mit dem etwas sperrigen Wort der asymmetrischen Bedrohung gemeint ist, die auch und gerade davon lebt, dass Attentäter ihr eigenes Leben für einen Anschlag wegwerfen. Das ist die völlig neue Dimension, die auch die Auseinandersetzungen völlig verändert hat gegenüber den Auseinandersetzungen, die wir aus dem Kalten Krieg kennen.

Noch am 11. September 2001 bildete das Bundeskriminalamt eine Sonderkommission. Sie ermittelte ab dem 13. September im Auftrag der Bundesanwaltschaft zu den Tatbezügen nach Deutschland. Damals ist uns auch auf schmerzliche Weise die Integration Deutschlands in das internationale System des Terrors bewusst geworden.

Das BKA ist immer im Einsatz, wenn es um große Strafverfahren geht, die die innere Sicherheit Deutschlands berühren. Dabei ist das Wort Kooperation das A und O. Das betrifft die Zusammenarbeit mit den anderen deutschen Sicherheitsbehörden. Das betrifft insbesondere die Tatsache, dass alle Kompetenzen zusammenwirken müssen und dass sich dafür sehr spezielle, aber wirksame Formate etabliert haben: das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum, das Gemeinsame Internetzentrum, der Austausch zur Vorbereitung der nachrichtendienstlichen Lage im Bundeskanzleramt. Das ist tägliches Geschäft, aber das bietet eben auch viel Sicherheit.

So ist der zuverlässige Fluss von Informationen immer garantiert, und die Aufgaben der verschiedenen Behörden bleiben getrennt. Herr Ziercke hat schon darüber gesprochen, dass nicht die Größe einer Behörde schon Ausdruck ihrer Funktionsfähigkeit ist, sondern die Zweckmäßigkeit der Organisation und natürlich der Wille zur Kooperation. Jede der verschiedenen Behörden erhält das Wissen, das sie benötigt, um ihren Auftrag entsprechend durchzuführen und die Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

Dazu ist die Kooperation auf nationaler Ebene die eine Seite, die auf internationaler Ebene die andere. Der Grundstein dafür wurde bereits im Juni 1952 gelegt. Damals trat die Bundesrepublik der internationalen kriminalpolizeilichen Organisation Interpol bei, und das BKA wurde als nationales Zentralbüro bestimmt. Die gleiche Funktion hat es später auch für Europol und das Schengener Informationssystem übernommen. Denn Kriminalität macht nicht nur an Ländergrenzen nicht halt, was der erste Gründungsimpuls für das BKA war, sondern auch nicht an Staatsgrenzen. Heute liegt sogar bei den meisten Verfahren der organisierten Kriminalität eine internationale Tatbegehung vor. 2010 war dies in über 80Prozent der Fälle gegeben, das heißt in der überwältigenden Mehrheit.

Die globale Vernetzung ist also sowohl bei der organisierten Kriminalität als auch bei der Terrorbekämpfung gegeben. Sie besteht aber darüber hinaus auch noch bei anderen Delikten. Heute können zwischen dem Ort, an dem jemand die Straftat begeht, und dem Ort, an dem der Schaden eintritt, ganze Kontinente liegen. Eine moderne Strafverfolgung funktioniert deshalb überhaupt nicht mehr ohne internationale Kooperation.

Das BKA ist weltweit vernetzt. Es pflegt mit nahezu allen Polizeizentralen Beziehungen. Verbindungsbeamte sitzen in nahezu allen Ländern und beschaffen dort wichtige Informationen. Von meinen Reisen weiß ich, das Bundeskriminalamt ist weltweit nicht nur präsent, sondern auch anerkannt. Und das ist auch etwas Wichtiges. Umgekehrt sind beim BKA auch Verbindungsbeamtinnen und -beamte ausländischer Polizeipartner akkreditiert. Das heißt, das BKA nimmt einen wichtigen Platz im Kreis der Sicherheitsbehörden ein sowohl in der nationalen als auch in der internationalen Kooperation.

Deshalb muss das Bundeskriminalamt stark sein, und es muss die richtigen Befugnisse haben. Gefahrenabwehr und Strafverhütung im Bereich des internationalen Terrorismus sind dafür ein Beispiel. Auf Vorschlag von Bund und Ländern in der Föderalismuskommission übernahm das BKA 2009 genau diese Kompetenz. Das war wichtig und richtig. Ich erinnere mich noch an die Diskussionen, die aber immer davon bestimmt waren, dass wir zweckmäßig vorgehen wollen. Dafür sei auch den Ländern ein herzliches Dankeschön gesagt.

Das noch relativ neue Instrumentarium hat die ersten Bewährungsproben erfolgreich bestanden. Ein Erfolg war im April dieses Jahres die Festnahme von drei jungen Männern, die einen Anschlag in Deutschland geplant hatten. Das war der Fall der sogenannten Düsseldorfer Zelle.

Die Diskussion über das Instrumentarium der Sicherheitsbehörden geht aber weiter. Das darf auch nicht verwundern, denn die Entwicklung weltweit geht weiter. Wir konnten in den vergangenen Monaten einige Themen voranbringen: die Verlängerung der Antiterrorgesetze gestern im Kabinett oder auch die Verständigung über die Visawarndatei. Das, was der Bundesinnenminister schon zart angesprochen hat, will ich durchaus aussprechen: Wir sind uns gewahr, dass im Bereich der Vorratsdatenspeicherung noch eine Liefernotwendigkeit besteht, wenn ich die Erwartungen des BKA richtig verstehe.

Die Erkenntnisse des BKA zeigen: An den segensreichen Entwicklungen moderner Technologien haben auch jene teil, die sie missbrauchen wollen, sei es in betrügerischer Absicht oder für terroristische und extremistische Zwecke. Kriminelle dürfen sich aber nirgendwo vor Verfolgung sicher fühlen. Sonst klappt genau das nicht mehr, was Sie für die Bürgerinnen und Bürger immer geschafft haben: dass sie sich sicher fühlen können.

Wer im Zeitalter der Flatrates die nachträgliche Analyse von Verbindungsdaten nicht in Gänze zur Disposition stellt, der muss eben schauen, wie er die Vorratsdatenspeicherung regelt. Das hört sich einfach an, ist politisch nicht ganz so einfach, aber trotzdem notwendig.

Das Instrumentarium der Sicherheitsbehörden ist stets in ein angemessenes Verhältnis zu den Gefahren unserer Zeit zu setzen. Ermittler müssen mit Tätern Schritt halten können. Am besten ist es natürlich, sie haben eine oder zwei Längen Vorsprung. Dann ist die Abschreckungswirkung noch größer. Da sind jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden mit ihrem Können gefragt und die Politik genauso. Wir haben das Prinzip, ausgewogen vorzugehen, und deshalb ringen wir auch um viele Entscheidungen.

Das Instrumentarium der Sicherheitsbehörden anzupassen und zu erweitern, muss nicht unweigerlich als Bedrohung der Freiheitsrechte wahrgenommen werden. Maßstab sollte vielmehr stets die Frage sein: Ist der Staat in der Lage, seine Schutzpflicht für eben diese Freiheitsrechte seiner Bürgerinnen und Bürger zu garantieren? Wenn sich die Art der Straftaten verändert, wenn sich technische Rahmenbedingungen wandeln, dann müssen wir darauf reagieren. Der Staat tut dies, wie es auch in der Vergangenheit schon der Fall war. Und davon zeugt die Geschichte des Bundeskriminalamts in besonderer Weise.

Von Veränderungen kann man auch sprechen, wenn wir uns einmal anschauen, wie sich das Verhältnis von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verändert hat. Von Mitarbeiterinnen kann man tatsächlich schon fast von Anfang an sprechen. 1955 nahm die erste Frau den Kriminaldienst im BKA auf. Heute machen die Mitarbeiterinnen 37Prozent der 5.500 Beschäftigten aus.

Die Frauen und Männer beim BKA haben sich in den vergangenen 60 Jahren immer wieder neuen Herausforderungen gestellt. Wie letztlich für alle Polizistinnen und Polizisten gehören für Sie schreckliche Bilder, traurige menschliche Schicksale zum Arbeitsalltag. Viele von Ihnen müssen immer wieder gefährliche Situationen bewältigen. Bei Ihnen realisieren sich nahezu alle Gefahren des gesamten öffentlichen Lebens. Sie sind es, die mit Ihrem engagierten Einsatz oft genug buchstäblich den Kopf hinhalten, um andere vor Schaden zu bewahren. Wir sind uns gewahr, dass das sowohl den Körper als auch die Seele belasten kann. Jede konkrete Herausforderung erfordert erneut eine kluge wie konsequente Antwort, oft in Sekundenschnelle.

Ich hoffe und ich bin einigermaßen zuversichtlich, dass wir in Deutschland von Ereignissen, wie wir sie jüngst in London und anderen Städten Großbritanniens gesehen haben, verschont bleiben. Dennoch schaue ich mit großer Sorge zum Beispiel auf mutwillig in Brand gesteckte Autos wie jetzt in Berlin. Was ist das für ein Verhalten, Kinderwagen in den Fluren von Mietshäusern in Flammen aufgehen zu lassen? Menschenleben werden kaltblütig aufs Spiel gesetzt. Dazu kommen häufig der Mangel an Respekt und die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizistinnen und Polizisten. Deshalb heißt es, in aller Öffentlichkeit den Sicherheitskräften den Rücken zu stärken. Dafür setzt sich die Bundesregierung ein.

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, ich kann und ich will diese Rede nicht schließen, ohne auch ein Wort gleichsam in eigener Sache gesagt zu haben, ein persönliches Wort des Dankes an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, die tagein, tagaus auch für meine Sicherheit sorgen. Wohin ich meinen Fuß setze, da haben Sie in der Regel das Terrain bereits geprüft. Sie begleiten mich auf Schritt und Tritt, auch hierher. Nicht immer ist das für alle Betroffenen einfach, für Sie wie für mich. Aber nichts davon kann meinen Respekt für Ihre Arbeit schmälern.

Konrad Adenauer war es, der im September 1950 die Weisung zur Errichtung eines Begleitkommandos erteilte. Etwa 100Mann, so hieß es damals, sollten fortan für den Schutz des Bundespräsidenten und der Mitglieder der Bundesregierung zur Verfügung stehen. Das war noch vor der formellen Gründung des BKA, die erst ein halbes Jahr später erfolgt ist. Die Personenschützer gehörten zu seinen ersten Mitarbeitern. Das BKA ist auch für den Schutz der anderen Verfassungsorgane und ausländischer Staatsgäste da.

Ich danke deshalb Ihnen allen von Herzen für Ihren täglichen Einsatz. Sie wie auch alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, wie alle Polizistinnen und Polizisten, auch in den Ländern, halten auf vielerlei Weise Ihre schützenden Hände über das Leben in unserem Land. Sie haben sich entschieden, es mit den Schattenseiten unserer Gesellschaft aufzunehmen. Sie tun dies professionell und mit hohem persönlichen Einsatz, ja unter Einsatz Ihres Lebens. Dafür gebühren Ihnen unser Dank und unsere Anerkennung.

Mit Stolz können Sie auf 60Jahre Ihres BKA zurückblicken. Weil die Behörde im Dienst aller steht und Ihre Arbeit uns alle angeht, ist es auch unser BKA, das wir zu schätzen wissen. Ich wünsche Ihnen und uns, dass Sie mit Ihrer Arbeit weiterhin viel Erfolg haben.

Herzlichen Dank.