Redner(in): Michael Naumann
Datum: 27.10.2000

Anrede: Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/38/22938/multi.htm


ich hoffe, Sie hatten einen erfolgreichen ersten Tag Ihrer Generalversammlung mit einer interessanten und ergiebigen Diskussion. Das Präsidium des Deutschen Musikrates hatte den Tagungsort Berlin ja mit Bedacht gewählt, um auch einmal in der neuen Bundeshauptstadt präsent zu sein. Bisher jedenfalls haben wir ungeachtet der räumlichen Trennung zwischen Bonn und Berlin die Gespräche auf allen Ebenen in bewährter Weise geführt. So wird es, wie ich hoffe, auch bleiben. Der Deutsche Musikrat mit seinen Mitgliedsverbänden war der Bundesregierung stets ein wichtiger und kompetenter Berater in musikpolitischen Fragen.

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur in Deutschland zu verbessern. So haben wir das Spendenrecht neu geregelt und konnten die Übungsleiterpauschale anheben - das dürfte auch die Arbeit Ihrer Ehrenamtlichen erleichtern. Natürlich bleibt noch eine Menge zu tun - dabei denke ich vor allem an das Urheberrecht und die neuen Medien, die Novellierung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und des zivilen Stiftungsrechts. Das sind alles komplizierte Fragen, an deren Lösung wir derzeit arbeiten. Dafür brauchen wir auch Ihre Erfahrungen.

Ein Thema, das auch bei dieser Generalversammlung eine große Rolle spielt, liegt uns gemeinsam besonders am Herzen: Wie schafft es diese Gesellschaft, ihre Musikkultur zu erhalten und weiterzuentwickeln? Dabei geht es auch - aber nicht in erster Linie - um die Frage, wer künftig noch in Konzerte oder Opernaufführungen geht, wer noch Noten und Instrumente kauft und sie auch selbst gebrauchen kann. Es geht schlicht darum, ob diese Gesellschaft die Musik, insbesondere die musikalische Bildung und Erziehung, weiterhin als einen unverzichtbaren Teil ihres kulturellen Selbstverständnisses versteht oder lediglich als schmückendes Beiwerk. Es geht - wie der Bundespräsident anlässlich der Abschlussveranstaltung zu "Jugend musiziert" sagte - um die Hefe im Teig und nicht um das Sahnehäubchen. Es geht um die "Hauptsache: Musik" !

Dieses Motto, das sich der Musikrat auf seine Fahnen geschrieben hat klingt etwas spröde, aber es trifft den Kern. Ich bin sehr gespannt, welche Ergebnisse Ihre Diskussion zeitigen wird und welche Projekte Sie jetzt anpacken wollen. Auch wenn hier nicht nur der Bund, sondern auch die Länder angesprochen sind, möchte ich Ihr Anliegen als Schirmherr der Aktion mit meinen Möglichkeiten unterstützen und voranbringen.

In diesem Zusammenhang begrüße ich es sehr, dass die Vertreter der unterschiedlichen Bereiche der Musikindustrie und der Medien mit dem Deutschen Musikrat zusammenarbeiten. Deren Interessen sind - das darf man nicht vergessen - unmittelbar betroffen. Und deren Möglichkeiten, gute Projekte mit Kindern und Jugendlichen finanziell zu unterstützen, sind größer und oft flexibler als die der öffentlichen Hand. Auch die Verwertungsgesellschaften will ich aus dem Kreis der wünschenswerten Förderer nicht ausnehmen. Für heute aber danke ich zunächst einmal für die Möglichkeit, in diesem Haus zusammenzukommen und miteinander reden zu können.

Auf die Bundesregierung können Sie sich weiterhin verlassen. Lassen sie mich zwei besondere Projekte des Deutschen Musikrates erwähnen, die wir unterstützen.

Als erstes möchte ich das "Konzert des Deutschen Musikrates" nennen. Hinter diesem Namen verbirgt sich, wie Sie alle wissen, eine Vielzahl von Konzerten überall in Deutschland; es besteht nun 20 Jahre. Seine große Bedeutung für die Wiederaufführung und Akzeptanz zeitgenössischer Musik in Deutschland ist unbestritten. Dennoch wünsche ich mir eine unbefangene Diskussion darüber, ob die Förderung in dieser Form auch im 21. Jahrhundert unverändert fortgesetzt werden soll oder ob die Akzente anders gesetzt werden müssten. Schließlich sind es namhafte Mittel, die der Bund hier zur Förderung zeitgenössischer Musik einsetzt.

Zweitens möchte ich den Herausgebern der CD-Dokumentation "Musik in Deutschland" herzlich zum bisherigen Erfolg ihrer Reihe gratulieren. Ich will nicht verschweigen, dass ich selbst zunächst einige Zweifel hatte, ob der Bund ein solches ja auch kommerziell verwertbares Projekt unterstützen sollte. Aber das Konzept mit dem Ziel, die Musikgeschichte in beiden Teilen Deutschlands wissenschaftlich aufzuarbeiten, ist überzeugend und findet allenthalben Anerkennung. Ohne öffentliche Gelder ist ein solches Projekt nicht realisierbar.

Im übrigen finde ich bemerkenswert, wie sachlich und kooperativ die Zusammenarbeit von Musikwissenschaftlern aus dem Osten und dem Westen Deutschlands bei der Arbeit an diesem Projekt bisher vonstatten gegangen ist. Musik hat eben auch etwas mit Harmonie zu tun - aber ich weiß wohl, dass die Dissonanz erst das Salz in der Suppe ist. Der Deutsche Musikrat hat diesen Prozess des Zusammenwachsens sehr frühzeitig durch die schnelle Hilfe beim Aufbau der Landesmusikräte in den neuen Bundesländern unterstützt und deren Arbeit in die Projekte des Deutschen Musikrates einbezogen. Zehn Jahre ist das nun her, und das ist einen Moment des Rückblicks wert.

Ich möchte Ihnen allen, die Sie zumeist ehrenamtlich für die Belange der Musik in Deutschland eintreten und streiten, an dieser Stelle herzlich für Ihr unermüdliches Engagement und Ihre Arbeit danken. Sie haben den Musikrat zum stärksten Kulturverband in Deutschland gemacht. Mein Wunsch wäre: Halten Sie ihn kritisch gegenüber den gesellschaftlichen Entwicklungen, gegenüber der Politik und gegenüber der eigenen Arbeit. Vor allem aber: Möge Ihnen über die Verbandstätigkeit die Zeit und die Freude an der Musik nicht abhanden kommen.