Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 06.09.2011

Untertitel: Staatsminister Bernd Neumann ging in seiner Rede auf die Geschichte von P.E.N. Deutschland und das Programm "Writers in Exile" ein, verwies auf die Schicksale von Liao Yiwu und Ai Weiwei und kritisierte Menschrechtsverletzungen sowie die Einschränkung von Kunstfreiheit in China.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/09/2011-09-06-neumann-pen,layoutVariant=Druckansicht.html


schon 2008 hat das deutsche P. E. N. Zentrum seine Wiederbegründung nach dem Zweiten Weltkrieg gefeiert gerne erinnere ich mich an den festlichen Anlass, den wir in der Stiftung Brandenburger Tor begangen haben! Im Rahmen des Jubiläums vor nunmehr fast drei Jahren entstand die Idee zu der Ausstellung, die wir heute eröffnen. Die durch den Bund finanzierte Ausstellung dokumentiert in eindrucksvoller Weise die Geschichte des deutschen P. E. N. seit

1948, die immer auch ein Spiegelbild des Zeitgeschehens ist.

Von Beginn an war die Arbeit des P. E. N. Deutschland getragen von dem Wissen, dass die Durchsetzung des Freiheitsgedankens Zähigkeit, Ausdauer und eines langen Atems bedarf. Das hat sich in den letzen 62 Jahren leider, muss man sagen nicht verändert.

Noch immer und in manchen Regionen der Welt auch zunehmend mehr geraten Schriftsteller unter Druck. Besonders Deutschland mit seinen zwei Diktaturen, die Künstler und Autoren verfemt und verfolgt haben, trägt nicht nur eine lebendige Erinnerung an die schrecklichen Folgen von Intoleranz und Terror, sondern auch besondere Verantwortung.

Aus dieser Verantwortung heraus hat die Bundesregierung gemeinsam mit dem deutschen P. E. N. -Zentrum vor zehn Jahren ein Stipendienprogramm für weltweit bedrohte Schriftsteller ins Leben gerufen, welches mit Bundesmitteln in Höhe von 340.000 Euro finanziert

wird. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dem P. E. N. für seine engagierte Arbeit im Programm "Writers in Exile" und vor allem für den uneigennützigen Einsatz für die Stipendiaten zu danken!

Es war mir ein Anliegen, im vergangenen Jahr die Zahl der Stipendienplätze auf insgesamt sieben zu erhöhen. Sehr herzlich begrüße ich die Stipendiaten des "Writers in Exile-Programms", von denen sechs heute anwesend sind.

Deutschland wird Ihnen jederzeit eine sichere Zuflucht sein herzlich willkommen!

Darüber hinaus freue ich mich insbesondere, Liao Yiwu hier in Berlin zu begrüßen! Sie sind hierzulande wohl einer der bekanntesten chinesischen Schriftsteller, und es ist für uns eine Ehre, dass Sie hier sind herzlich willkommen!

Liao Yiwu hat die unmenschliche Härte der chinesischen Staatsmacht in seiner Gefängnishaft erlebt und in seinem gerade erschienen Buch "Für ein Lied und hundert Lieder" auf das Eindringlichste beschrieben.

Und es ist bereits jetzt deutlich absehbar: Liao Yiwu wird nach China, in sein Heimatland, nicht mehr zurückkehren können. Es erwarten ihn dort Inhaftierung, Folter und Demütigung.

Das Schicksal von Liao Yiwu oder auch von Ai Weiwei der zum Glück wieder frei ist und sich nicht mundtot machen lässt führt uns vor Augen, dass grundlegende Menschenrechte und vor allem die Freiheit der Kunst in China nach wie vor missachtet werden. Statt Toleranz und Freiheit erleben wir in China eklatante und systematische Menschrechtsverletzungen.

Das müssen wir immer wieder thematisieren und dürfen es nicht kleinreden oder relativieren lassen auch nicht mit Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Interessen. Man mag einwenden, dass die chinesische Sicht auf den Menschen sich von der westlichen unterscheidet.

Willkürliche Verhaftung und Verschwindenlassen sind aber selbst mit dem chinesischen Recht nicht vereinbar. Auch darauf müssen wir immer wieder hinweisen.

Im Fall Ai Weiwei wurde immer wieder versucht, die Inhaftierung des Künstlers als singulären Fall anzusehen und die Notwendigkeit einer öffentlichen Auseinandersetzung zu relativieren.

Sie, lieber Liao Yiwu, und viele Ihrer Schriftstellerkollegen, die unter der Unterdrückung leiden, sind der beste Beweis, dass dies völlig inakzeptabel ist.

Wir müssen eindeutig und mit Nachdruck auch auf allen politischen Ebenen Flagge zeigen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Und wo es um die Freiheit von Kunst und Kultur geht, sind Kultur und Künstler besonders gefordert. Die Inhaftierung so vieler chinesischer Künstler und Intellektueller zeigt etwas, woran wir vielleicht selbst nicht mehr ganz glauben, obwohl wir bei den Ereignissen in Nordafrika und im arabischen Raum eines anderen belehrt wurden:

Kunst und Kultur haben gesellschaftsverändernde Kraft. Und darum werden sie von Diktaturen gefürchtet und bekämpft oder streng reglementiert.

Wie schon im April in der Akademie der Künste, ist erneut und mit Nachdruck der Appell an die chinesische Regierung zu richten: Lassen sie alle Künstler frei, die aufgrund ihrer politischen Haltung inhaftiert sind!

Meine Damen und Herren,

in der aufwühlenden Rede von Herta Müller, die sie kürzlich auf Liao Yiwu gehalten hat, heißt es: "Für gerettete Verfolgte ist Heimat der Ort, wo man geboren ist, lange gelebt hat und nicht mehr hin darf. Diese Heimat bleibt der intimste Feind, den man hat. Man hat alle, die man liebt, zurückgelassen. Und die sind weiter so ausgeliefert, wie man selber war." Über diesen Schmerz können wir kaum hinweghelfen, aber wir können denen zuhören, die darüber berichten.

Dafür zu sorgen, dass sie, die verfolgten Autoren und Schriftsteller, Künstler und Menschenrechtler, ihre Stimme nicht verlieren, muss uns allen ein zentrales Anliegen sein.