Redner(in): Angela Merkel
Datum: 15. April 2013

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Premierminister,sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,sehr geehrte Minister,sehr geehrte Frau Staatssekretärin,meine sehr geehrten Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2013/04/2013-04-16-merkel-forum-katar.html


Ich möchte Sie auch von meiner Seite und im Namen der Bundesregierung, sehr geehrter Herr Premierminister mit Ihrer Begleitung, ganz herzlich bei uns willkommen heißen. Wir haben lange an der Planung dieser Investorenkonferenz gearbeitet. Ich freue mich, dass diese jetzt im Hotel Maritim Realität geworden ist und dass wir die Arbeit hier heute Abend angesichts der uns alle immer wieder beeindruckenden Kulisse von Doha beginnen können. Ich erinnere mich gerne an meinen letzten Besuch in Katar und übersende auch herzliche Grüße an den Emir.

Katar ist ja flächenmäßig betrachtet ein relativ kleines Land ich hoffe, es enttäuscht Sie nicht, Herr Premierminister, wenn ich das so sage; es ist etwa halb so groß wie das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, in dem mein Wahlkreis liegt. Gemessen an der Rolle, die Katar auf der Weltbühne spielt, kann Mecklenburg-Vorpommern dann aber doch nicht ganz mithalten. Deshalb ist es uns natürlich eine besondere Freude, Sie hier zu begrüßen.

Wenn man sich überlegt, welchen Wandel das Land seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1971 vollzogen hat, dann kann man erahnen, was das alles bedeutet hat. Ich erinnere mich gern daran, wie ich mit dem Emir vor einem Bild stand, auf dem Perlenfischer von vor wenigen Generationen am Wasser zu sehen waren und auf dem ansonsten nicht viel von dem zu sehen war, was heute Doha ausmacht. Heute hingegen ist Katar der größte Exporteur von Flüssiggas und einer der wohlhabendsten Staaten der Welt. Das Land übernimmt auch der Premierminister hat eben darauf hingewiesen mittels vielfältiger Initiativen internationale Verantwortung.

Deshalb werden wir morgen auch eine gute Gelegenheit haben, Herr Premierminister, über die von Ihnen angesprochenen internationalen Konflikte zu sprechen. Denn ich stimme mit Ihnen vollkommen überein: Stabilität ist die Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität. Deshalb haben wir gerade auch in Ihrer Region noch eine Vielzahl von Aufgaben zu lösen und deshalb werden wir auch hier immer wieder versuchen, gemeinsame Wege und gemeinsame Lösungsansätze zu finden ob es das Nuklearprogramm des Iran betrifft, ob es um Fortschritte im Nahost-Friedensprozess geht, wobei ich für eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem jüdischen Staat Israel und einem palästinensischen Staat plädiere, oder ob es die schrecklichen menschlichen Katastrophen betrifft, die in Syrien einer Lösung harren und bei denen die internationale Staatengemeinschaft leider nicht so gemeinsam agiert, wie wir uns das vom UN-Sicherheitsrat vorstellen. Ich habe gerade auch bei meinem letzten Treffen mit Präsident Putin darüber gesprochen. Genauso sind wir auch mit China in Kontakt.

Katar hat in letzter Zeit immer wieder internationale Verantwortung übernommen, auch als Gastgeber von großen Konferenzen. Die UN-Klimakonferenz in Doha Ende des vergangenen Jahres war ein Beispiel dafür. In weniger als zehn Jahren wird die FIFA Fußballweltmeisterschaft 2022 für große Aufmerksamkeit sorgen. Ich denke, dass genau dann auch die deutsche Bevölkerung noch sehr viel stärker Katar und seine verschiedenen Seiten kennenlernen wird. Ich erinnere mich immer wieder gerne an unsere gemeinsamen Begegnungen und an die Gastfreundschaft in Ihrem Land.

Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner Katars in der Europäischen Union. Dennoch weiß ich deshalb bin ich auch so erfreut, dass jetzt eine Investorenkonferenz in Deutschland stattfindet, dass Ihre klassischen Beziehungen zu Paris und auch zu London sehr gut ausgeprägt sind, sodass wir durchaus noch Raum haben, unsere Beziehungen zu intensivieren; das sehe ich genauso wie Sie. Katar ist einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands in der Golfregion. Wir haben unser Handelsvolumen immerhin auf zwei Milliarden Euro gesteigert. Aber wir wollen unsere Wirtschaftsbeziehungen noch weiterentwickeln.

Der Regierende Bürgermeister Berlins hat ja gerade auch darauf hingewiesen, wie sich zum Beispiel die Kooperation mit der deutschen Hauptstadt entwickelt. Die Tatsache, dass wir hier in einem Hotel sind, das inzwischen in katarischem Besitz ist, zeigt ja auch, dass unsere Kooperation die verschiedensten Facetten aufweist.

Es gibt eine Vielzahl von Dingen, bei denen sich unsere Wirtschaften wunderbar ergänzen können. Deutsche Unternehmen leisten auf der einen Seite mit ihrem technologischen Know-how und auch ihrer internationalen Erfahrung einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Infrastruktur und der Industrie in Katar. Das Engagement Katars in großen und traditionsträchtigen deutschen Unternehmen zeigt auf der anderen Seite auch, dass Sie glauben, dass wir zuverlässige Partner sind.

Außerdem tragen die Energielieferungen aus Katar in wachsendem Maße zur Erdgasversorgung Deutschlands bei. Der Energieträger Erdgas spielt hierzulande eine zentrale Rolle. Mit unserem Ausstieg aus der Kernkraftnutzung gewinnen natürlich auch die fossilen Energieträger wieder an Bedeutung. Wenn wir an die Klimakonferenz denken, dann können wir konstatieren, dass Erdgas ein CO2 -armer und insofern zukunftsträchtiger Energieträger ist. Wir brauchen fossile Energien beim Umstieg auf die erneuerbaren Energien noch für eine lange Zeit. Deshalb bleibt der Energieträger Gas das will ich ausdrücklich sagen für uns sehr attraktiv. Wir sind dabei natürlich an der Diversifizierung der Lieferquellen interessiert. Deshalb können wir uns sehr gut vorstellen, auch im Bereich des verflüssigten Erdgases enger mit Katar zusammenzuarbeiten. Mit dem Engagement der Wintershall Holding GmbH ist die deutsche Wirtschaft bei der Erdgasförderung in Katar ja bereits erfolgreich aktiv.

Ich glaube aber, wir haben auch bei der Nutzung erneuerbarer Energien durchaus Chancen der Kooperation, denn auch Katar hat sich sehr ehrgeizige Ausbauziele für die erneuerbaren Energien gesetzt. Die deutsche Wirtschaft verfügt diesbezüglich über herausragende Kompetenzen. Es freut mich, dass es bereits eine Reihe anspruchsvoller Gemeinschaftsprojekte gibt. Das Joint Venture von SolarWorld und der Qatar Foundation zur Herstellung von Polysilizium, das für die Produktion von Solarzellen verwendet wird, ist ein Beispiel dafür. Ich denke, an solche Beispiele sollten wir anknüpfen auch mit gemeinsamen Forschungsprojekten im Bereich der erneuerbaren Energien. Ich glaube, morgen werden wir auch darüber sprechen können.

Es wäre nun aber fatal, die Beziehungen zwischen Katar und Deutschland auf Energiezusammenarbeit zu reduzieren. Wir wissen, dass Katar eine Vielzahl von Investitionen plant der Premierminister hat auch darüber gesprochen. Bei einigen Großprojekten spielen deutsche Planungs- und Architekturbüros, Bauunternehmen und etwa auch Siemens und die Deutsche Bahn eine Schlüsselrolle. Wir sind stolz darauf und wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit. Damit kann man sich dann auch in Katar ein genaues Bild vom technologischen Know-how, von der Erfahrung, von der Verlässlichkeit deutscher Anbieter machen. Dies ist auch immer wieder eine Empfehlung für weitere Kooperationen ob es nun um den Ausbau des Schienennetzes gehen mag oder eben auch um das Großprojekt Vorbereitung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Von besonderer Bedeutung für das Engagement deutscher Unternehmen in Katar sind das gilt für Katar wie für alle anderen Länder faire und transparente Ausschreibungsverfahren und verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen. Genau darüber werden wir auch morgen miteinander reden. Gutes lässt sich immer noch verbessern. Und das Wirtschafts- und Investitionsforum davon bin ich überzeugt wird eine sehr gute Gelegenheit bieten, über viele Details zu sprechen.

Die Wahl Berlins als Veranstaltungsort belegt ja auch das katarische Interesse am Investitionsstandort Deutschland. Ich möchte Ihnen hier ausdrücklich versichern, dass katarische Investitionen in unserem Land sehr willkommen sind. Ihre Unternehmen treffen hier auf gute Rahmenbedingungen. Deutschland ist ein attraktiver Investitionsstandort. Ob in traditionellen Industriebereichen wie Maschinenbau oder Automobilwirtschaft, ob in anderen zukunftsträchtigen Branchen wie der Umwelt- oder der Medizintechnologie wir sind stolz darauf, dass zahlreiche deutsche Unternehmen Spitzenpositionen auf den Weltmärkten behaupten.

Die große internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen hat gute Gründe. Einer liegt aus meiner Sicht darin, dass deutsche Unternehmen über eine sehr hohe Innovationskraft verfügen. Bildung, Forschung und Entwicklung werden bei uns großgeschrieben. Hierbei gibt es im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung auch eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft. Wir haben einen Innovationsdialog ins Leben gerufen, in dem wir regelmäßig auch die Synergieeffekte von staatlicher Förderung und privater Förderung miteinander abgleichen. Deutschland ist sehr froh darüber, jetzt einen Anteil der Forschungs- und Innovationsausgaben in Höhe von 2,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu haben. Dieser Anteil beinhaltet sowohl die staatlichen als auch die privaten Investitionen. Ich möchte mich bei allen Investoren bzw. bei allen Unternehmen in Deutschland bedanken, die dazu ihren Beitrag leisten.

Wir haben qualifizierte und hoch motivierte Arbeitskräfte. Das Ausbildungssystem in Deutschland hat sich für den Aufbau einer industriellen Struktur als sehr geeignet erwiesen diese Ansicht teilen wir auch in Diskussionen auf europäischer Ebene. Wir haben eine gute Infrastruktur und eine hohe Rechtssicherheit. Natürlich haben wir in den letzten Jahren auch eine Vielzahl von Anstrengungen unternommen, um Deutschland in eine führende Position bei der Wettbewerbsfähigkeit zu bringen. Dazu haben viele in Deutschland beigetragen. Gerade auch unser System der Mitbestimmung, die Gemeinsamkeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, hat einen Beitrag dazu geleistet, dass sich die Lohnstückkosten vernünftig entwickelt haben.

Dies hat uns dann auch in die Lage versetzt, die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise, in die wir als Exportnation stark hineingezogen wurden, doch einigermaßen gut zu überwinden. Wir hatten einen Wirtschaftseinbruch von fünf Prozent im Jahr 2009 das gab es in der Geschichte der Bundesrepublik vorher noch nicht. Durch eine kluge Mischung aus unternehmerischem Handeln, gewerkschaftlicher Verantwortung und staatlichen Konjunkturprogrammen ist es uns aber gelungen, heute wieder über dem Vorkrisenniveau zu liegen, was noch nicht bei allen europäischen Staaten der Fall ist.

Damit einhergegangen ist eine sehr positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Wir hatten im Jahr 2012 durchschnittlich 41,6 Millionen Erwerbstätige gut 2,6 Millionen mehr als im Jahr 2005, als ich das Amt der Bundeskanzlerin übernommen hatte. Die Zahl der Arbeitslosen ist so niedrig wie vor über 20 Jahren. Und wir haben eine der geringsten Jugendarbeitslosenquoten in Europa.

Allerdings kämpfen wir auch damit, dass die Wachstumsraten nun wieder nicht mehr zu unserer Zufriedenheit sind. Das hängt auch damit zusammen, dass die europäische Entwicklung noch eine ganze Menge von Hürden zu überwinden hat. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, Herr Premierminister, Ihnen und Ihrer Delegation noch einmal zu sagen: Deutschland wird alles tun, damit sich nicht nur Deutschland gut entwickelt, sondern der gesamte Euroraum. Dies ist unsere Verantwortung. Der Euro ist in unserem deutschen Interesse. Und deshalb begleiten wir die vielen Strukturreformen auch mit einer Vielzahl von Solidaritätsmaßnahmen für unsere europäischen Partner, insbesondere die Partner im Euroraum.

Der Euroraum und die Europäische Union können das ist unsere Überzeugung nur dann erfolgreich sein, wenn wir wettbewerbsfähig sind. Auch in guten Zeiten finden heute 90 Prozent des Wachstums weltweit außerhalb Europas statt. Europa ist ein Kontinent, der hochentwickelt ist, aber auch viele demografische Herausforderungen hat. Deshalb müssen wir darauf Wert legen, dass wir Schritt für Schritt wettbewerbsfähiger werden. Dafür setzen sich Deutschland und die gesamte Bundesregierung ein.

Das bedeutet, dass einerseits Wachstum geschaffen werden muss nachhaltiges Wachstum in Kombination mit soliden Finanzen und dass wir auf der anderen Seite unsere Europäische Währungsunion weiterentwickeln. Der nächste Schritt sind eine gemeinsame Bankenaufsicht und eine gemeinsame Verantwortung für unsere Finanzinstitutionen. Wir haben einen Fiskalpakt verabschiedet. Wir brauchen außerdem eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung darüber sprechen wir in diesen Monaten auch auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs.

Ich sage Ihnen das alles, damit Sie wissen: Sie sind bei uns in Deutschland herzlich willkommen, aber wir betrachten uns immer auch als ein Stück Europa und glauben genauso an die europäische Zukunft wie an unsere eigene. Das sind sozusagen zwei Seiten einer Medaille.

Katar und Deutschland haben vor 40 Jahren diplomatische Beziehungen aufgenommen. In diesen vier Jahrzehnten ist viel gegenseitiges Vertrauen gewachsen. Unsere Partnerschaft geht weit über die wirtschaftliche Zusammenarbeit hinaus. Ich sprach bereits außenpolitische Herausforderungen an. Es gibt auch einen kulturellen und einen wissenschaftlichen Austausch. Das ist ein gutes Fundament, auf dem wir aufbauen können. Deshalb findet diese Investorenkonferenz wirklich zu einem günstigen Zeitpunkt statt.

Ich danke jedem Einzelnen von Ihnen, der sich Zeit genommen hat, der sich aufgemacht hat, um hier dabei zu sein, und wünsche Ihnen außerordentlich gute Beratungen. Soweit die Politik hilfreich sein kann, will sie es auch sein. Ich freue mich, Herr Premierminister, auf unser Gespräch morgen um die Mittagsstunde und werde dann vielleicht schon erste Eindrücke von diesem Investitionsforum von Ihnen mitgeteilt bekommen.

Gute Beratungen und alles Gute. Herzlichen Dank dafür, dass ich bei dieser Eröffnung dabei sein konnte.