Redner(in): Angela Merkel
Datum: 17. September 2014

Untertitel: im Bundeskanzleramt
Anrede: Lieber Herr Baszio,liebe Frau Wanka,meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/09/2014-09-17-merkel-jugend-forscht.html


Aber vor allem: liebe Preisträgerinnen und Preisträger von "Jugend forscht",

Ich habe Ihnen einen der spannenden Termine im Kalenderjahr zu verdanken. Zwar liegt meine Zeit als Physikerin schon lange zurück, aber ich freue mich immer wieder, von ganz erstaunlichen Forschungsprojekten zu hören. Sie haben es bei "Jugend forscht" sehr weit gebracht: Sie wurden Bundessieger, Platzierte oder Sonderpreisträger. Das spricht dafür, dass Sie das Motto des diesjährigen Wettbewerbs verinnerlicht haben: "Verwirkliche Deine Idee." Ideen mag wohl jeder haben. Aber nicht jeder versteht es, sie auch umzusetzen, zu verwirklichen, daraus etwas Sichtbares oder Spürbares zu machen. Deshalb darf ich davon ausgehen, dass alle, die heute hier sind, sich ihre Auszeichnung wirklich verdient haben.

Der Bundeswettbewerb hat wieder einen reichhaltigen Fundus an Wissen und Können offenbart. Ich kann, wie immer, nur ganz wenige Beispiele nennen es gibt ja so unglaublich viele. Einige dieser Beispiele haben mit einem nutzbringenden Einsatz von Bakterien zu tun. Ob es nun um Bodensanierung und Förderung von Pflanzenwachstum, um die Entschwefelung von Biogas oder um den mikrobiellen Abbau von Plastik geht bei all dem können, wie einige bewiesen haben, Bakterien etwas Gutes bewirken. Es wurde auch eine neue Maschine entwickelt, mit der schnellwachsende Baumarten auf verschiedenstem Gelände geerntet und als Energieholz wirtschaftlich genutzt werden können. Es wurden Computeranimationen und Computersimulationen entwickelt, die Bewegungsabläufe realitätsgetreu wiedergeben z. B. die komplexen Bewegungen eines Doppelpendels oder das Lichtspiel einer Discokugel.

Hinter jedem dieser und vieler anderer Projekte stecken Wissen, Können, Neugier, Ausdauer und Beharrlichkeit. Ich glaube, viele von Ihnen haben auch erfahren, dass Forschung ein ziemlich mühsames Geschäft sein kann. Wenn man aber den Durchbruch geschafft hat, scheint plötzlich alles ganz einfach zu sein. Und dann wundert man sich, warum man so lange nicht darauf gekommen ist. Aber bis dahin dauert es manchmal. Und weil es manchmal dauert, ist es wirklich eine freudige Erfahrung, wenn der Sprung von einem Entwickler von Ideen zu einem Verwirklicher von Ideen gelingt. Wenn dann noch ein Preis dabei herausspringt, ist die Freude vermutlich noch größer.

Es gab eine starke Konkurrenz im Bundeswettbewerb: Mehr als 12.000 junge Leute das ist ein Rekord haben in diesem Jahr an "Jugend forscht" teilgenommen. Es gab über 6.000 Projekte, an denen gearbeitet wurde.

Dieser Wettbewerb ist ja nicht neu: Er findet seit 1965 statt, um engagierte Jugendliche im Bereich der MINT-Fächer zu fördern. Ich glaube, damals hat man sie noch nicht so genannt; aber auch damals ging es um mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer, also um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Es haben bisher insgesamt über 220.000 junge Forscherinnen und Forscher bei diesem Wettbewerb mitgemacht.

Für viele war die Teilnahme der Auslöser, sich auch beruflich für die Wissenschaft zu entscheiden. Bei Ihnen weiß man das noch nicht genau. Aber auch für viele von Ihnen wird vielleicht ein Studienfach oder eine Ausbildung im Bereich der Naturwissenschaften, der Mathematik oder Informatik interessant sein. Eines darf man auch feststellen: Seit 1965 sind die Karrierechancen in diesem Bereich nicht gesunken; im Gegenteil. Wenn man sieht, welche Möglichkeiten es für Absolventen von MINT-Fächern heute gibt, kann man sagen, dass die Chancen wirklich sehr, sehr gut sind.

Es gibt auch hervorragende Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung im Ausland. Wir wünschen uns aber, dass, wenn Sie einmal ins Ausland gehen was ich gut finde, möglichst viele von Ihnen dann auch wieder zurückkehren. Wir haben diesbezüglich auch sehr erfreuliche Entwicklungen, gerade weil das Forschungsministerium in den letzten Jahren deutlich machen konnte, dass bei uns auch in der Forschungsförderung, in der Förderung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in der Unterstützung der Universitäten zum Beispiel durch den Hochschulpakt Kontinuität herrscht. Darauf, dass viele wieder zurückkommen, sind wir sehr stolz.

Ich glaube, wir sind uns mit Ihnen sehr schnell einig, dass unser künftiger Wohlstand gerade auch von der Neugier und vom Erfinderreichtum in den technischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereichen abhängig sein wird. Wenn wir nicht in vielen Bereichen besser als andere sind, werden wir auch nicht mit den besten Wohlstand haben können. Insofern besteht ein gesamtgesellschaftliches Interesse daran, dass es möglichst viele gibt, die sich für diesen Weg entscheiden.

Mit der neuen Hightech-Strategie, die wir vor kurzem beschlossen haben, fördern wir sehr konzentriert Höchstleistungen. Unser Anspruch ist, zur Weltspitze zu gehören also nicht, irgendwo mitzulaufen und die fünfte Variation von etwas Bekanntem zu machen, sondern immer wieder in Neuland vorzustoßen.

Deshalb ist natürlich das gesamte Thema "Bildung und Ausbildung" für uns ein sehr wichtiges Thema. Der Etat des Bundesbildungs- und -forschungsministeriums ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Der Bund übernimmt auch weitere Aufgaben, weil wir sehen, dass die Länder Unterstützung brauchen. So werden wir zum Beispiel ab 2015 das BAföG ganz finanzieren. Ich sage allerdings auch: Wir hoffen, dass die Länder dann die freiwerdenden Mittel auch dazu nutzen werden, die Ausgaben im universitären Bereich zu steigern. Denn die Qualität der Universitäten muss so hoch wie die der außeruniversitären Forschungseinrichtungen sein. Wir wollen in Zukunft auch die Kooperation von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen verbessern.

Die jungen Leute, die an "Jugend forscht" teilnehmen, brauchen sicher auch ein bisschen Anleitung, Unterstützung und Hilfe. Deshalb möchte ich denjenigen, die helfen den Lehrerinnen und Lehrern, den Ausbildern und Betreuern, den Wissenschaftlern, Preisstiftern, Förderern und auch den Eltern, natürlich genauso wie denen danken, die teilgenommen haben. Vielleicht würden an einigen Schulen sogar noch mehr teilnehmen, wenn es noch bessere Rahmenbedingungen gäbe. Denn auch was schon sehr gut ist, kann ja immer noch besser werden.

Nun kommt mein Part; alle Preise sind vergeben, nur meiner noch nicht, der Sonderpreis der Bundeskanzlerin. Diesmal ist Leonard Bauersfeld derjenige, der ausgezeichnet wird. Sie kommen aus Lörrach in Baden-Württemberg. Sie haben eine Frage erfolgreich beantwortet, über die sich Physiker wohl schon seit langem die Köpfe zerbrochen haben. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich hatte ihn mir in meiner Physik-Zeit noch nicht darüber zerbrochen, aber immerhin ist die Frage ja auch erst jetzt gelöst worden. Sie haben das Drehverhalten eines invertierten Wassersprinklers untersucht, der also Wasser nicht versprüht, sondern einsaugt. Welche besondere Bewandtnis es damit hat, werden wir von Ihnen gleich selbst erfahren. Das ist Grundlagenforschung, die Respekt verdient. Den Sonderpreis vergeben wir für so eine spannende Sache gerne. Deshalb bin ich jetzt auch gespannt auf die Präsentation.

Herzlichen Dank. Alles Gute. Ihnen auch eine weitere gute Entwicklung auf Ihrem wissenschaftlichen Pfad. Und weiterhin viel Spaß und Freude am Forschen.