Redner(in): Monika Grütters
Datum: 17. September 2014

Untertitel: Nach einer aufwendigen Überarbeitung und Anpassung an das mobile Web wurde die neue Version des digitalen Geschichtsportals "LeMO" freigeschaltet. Zum Start wünschte Kulturstaatsministerin Grütters der Geschichtsplattform viele interessierte Besucherinnen und Besucher - junge wie auch ältere.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/09/2014-09-18-gruetters-lemo-freischaltung.html


Nach einer aufwendigen Überarbeitung und Anpassung an das mobile Web wurde die neue Version des digitalen Geschichtsportals "LeMO" freigeschaltet. Zum Start wünschte Kulturstaatsministerin Grütters der Geschichtsplattform viele interessierte Besucherinnen und Besucher - junge wie auch ältere.

Anrede,

Es ist nicht immer einfach, junge Leute in Eurem Alter für Museen und Ausstellungen zu begeistern. Ich weiß, wovon ich rede: Ich habe elf Neffen, die zum Teil etwa in Eurem Alter sind, zum Teil auch ein bisschen älter, und die ihre Tante immer wieder gern in Berlin besuchen. Allerdings nicht, weil es hier so tolle Museen zur deutschen Geschichte gibt, nein - sondern weil man in Berlin toll shoppen gehen und um die Häuser ziehen kann. Museen finden meine Neffen zwar dann doch spannend, wenn sie erstmal drin sind, aber sie rein zu bekommen, erfordert ein hohes Maß an Verhandlungsgeschick.

Vielleicht geht es Euch, liebe Schülerinnen und Schüler, ganz ähnlich wie meinen Neffen: Gerade die großen Geschichtsmuseen wirken mit ihrer Fülle an Informationen und Ausstellungsobjekten oft unübersichtlich, ja geradezu einschüchternd. Das Ablaufen der Vitrinen und Schautafeln ist vielen zu langweilig, und auch die geradezu andächtige Stille, auf die erwachsene Besucher oft Wert legen, lädt Jugendliche nicht unbedingt dazu ein, sich auf Entdeckungsreisen durch die deutsche Geschichte zu begeben. Viele Geschichtsmuseen haben deshalb mittlerweile ganz spezielle, spannende Angebote, die sich vor allem an junge Besucherinnen und Besucher richten. Eines davon ist das "Lebendige Museum Online" - kurz "LeMO" genannt.

LeMO macht als digitales Museum etwas möglich, was es in der analogen Museumswelt so nicht gibt: Ihr könnt hier auf Zeitreise durch die deutsche Geschichte gehen: vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Dabei bestimmt Ihr selbst den Ausgangspunkt und das Tempo Eurer Reise, die einzelnen Stationen, die Wege und Umwege, die Ihr einschlagen wollt. Ihr könnt Euch aussuchen, ob Ihr lieber in Zeitzeugenberichten oder in erhaltenen Schriftstücken und Dokumenten schmökern, Fotos anschauen oder Objekte in 360-Grad-Ansicht erkunden wollt. Meistens ist es ja so, dass Fakten und Zusammenhänge, die man sich selbst erschließt, viel mehr im Gedächtnis bleiben als alles, was man stur auswendig gelernt hat. Deshalb kann ich Euch nur empfehlen: Nutzt LeMO für Referate und für die Prüfungsvorbereitung! Genauso wie Ihr profitieren natürlich auch Studierende, die LeMO für Seminararbeiten nutzen können, aber auch Lehrerinnen und Lehrer, die hier eine Fülle von Anregungen, Hintergrundinfos, Dokumenten und didaktischen Materialien finden. All das kommt - ein weiterer Vorteil von LeMO - auch und gerade denen zugute, die fernab der großen Städte leben, und die deshalb nicht so einfach wie Ihr Berliner Schülerinnen und Schüler mal eben einen Ausflug in eines der großen Geschichtsmuseen planen können.

Wenn Ihr mit LeMO auf Zeitreise geht, werdet Ihr auch spüren, was Museen so besonders macht. Museen sind mehr als die Summe ihrer Ausstellungsobjekte. Sie sind unser gemeinsames Gedächtnis. Hier werden unsere Erinnerungen, unsere Werte und letztlich auch unsere Identität sichtbar vieles von dem, was uns ausmacht als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Hier finden wir gemeinsame Bezugspunkte, die Verständigung - die Grundlage einer Demokratie - überhaupt erst möglich machen. Hier werden wir uns unserer Vergangenheit und der uns prägenden Ereignisse und Traditionen bewusst."Zukunft braucht Herkunft", hat der Philosoph Odo Marquard einmal gesagt, und das bringt es auf den Punkt: Nur wer seine Herkunft kennt, hat einen Kompass, um die Zukunft mit zu gestalten.

Deshalb ist es so wichtig, möglichst früh Begeisterung und Interesse zu wecken und dafür zu sorgen, dass Angebote der kulturellen und der historisch-politischen Bildung möglichst viele und gerade junge Menschen erreichen. Dazu braucht es Kreativität, Einfühlungsvermögen, Fingerspitzengefühl und auch eine gute Portion Idealismus, denn vielfach reicht es eben nicht, die Türen zu öffnen. Wer bei anderen das Interesse an unserer Geschichte wecken will, muss oft auch noch Steine aus dem Weg räumen und Brücken bauen. Genau das wollen wir mit LeMO erreichen.

Das Lebendige Museum Online ist ein Kooperationsprojekt von drei Einrichtungen, die allesamt zu 100 Prozent aus dem Etat meines Hauses finanziert werden. Da ist zum einen das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, das die deutsche Geschichte ab 1945 bearbeitet, zum anderen das Deutsche Historische Museum, das die Darstellung der deutschen Geschichte zwischen 1830 und 1945 übernommen hat, und schließlich das Bundesarchiv, unser neuer Kooperationspartner, das beide Häuser mit Dokumenten, Fotografien und Filmmaterial aus seinen Beständen unterstützt hat. LeMO zeigt beispielhaft, wie digitale Medien dazu beitragen können, Interesse zu wecken für die vielen Facetten unserer wechselvollen deutschen Geschichte.

Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Einrichtungen, die sich mit viel Herzblut der Vermittlung unserer Geschichte an ein breites Publikum und gerade an die junge Generation widmen, herzlich für Ihr Engagement! Und wie sie alle hoffe auch ich, dass LeMO unsere großen Geschichtsmuseen in möglichst viele Schulen bringt - und umgekehrt, wenn die Neugier einmal geweckt ist, auch noch mehr Schulklassen in die Museen.

Dass Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, offen für Neues seid, dass Ihr wissbegierig und experimentierfreudig seid, das weiß ich seit meinem Besuch zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an Eurer Schule im Jahr 2007. Eure Aufgeschlossenheit und Eure Bereitschaft, über den Tellerrand zu schauen, hat sicher etwas mit der musisch-künstlerischen Ausbildung Eurer Schule zu tun, vor allem aber auch mit dem Engagement Eurer Lehrinnen und Lehrer. Es ist nicht selbstverständlich, dass sie sich trotz der Fülle an Stoff in den anspruchsvollen Lehrplänen die Zeit für ein vielseitiges, über den Lehrplan hinausreichendes Programm nehmen und bereit sind, LeMO in den Unterricht zu integrieren. Dafür danke ich Ihnen, liebe Frau Müller, und Ihren Kolleginnen und Kollegen - und ich finde, das verdient einen Applaus.

Es ist ein schöner Zufall, dass LeMO ungefähr so alt ist wie Ihr, liebe Schülerinnen und Schüler: LeMO existiert nämlich schon seit 1998. Dass sich seitdem, was die digitale Welt betrifft, unglaublich viel getan hat, wisst Ihr selbst am allerbesten. Es wurde deshalb Zeit für eine grundlegende Überarbeitung und Modernisierung - konzeptionell, grafisch und technisch. Ich bin gespannt, welche Neuerungen uns Frau Dr. Rosenberger und Herr Dr. Scriba als Projektleiter der beiden beteiligten Geschichtsmuseen gleich vorstellen werden, und ich freue mich, das neue LeMO heute gemeinsam mit Euch "eröffnen" und erkunden zu dürfen.

In der analogen Museumswelt würden wir dazu ein rotes Band durchschneiden. In der digitalen Museumswelt verschaffen wir uns Zutritt, indem wir einen roten Vorhang zur Seite wischen. Für mich ist das ziemlich ungewohnt. In solchen Momenten weiß ich dann auch, was Salvador Dali gemeint hat, als er sagte: "Das größte Übel der heutigen Jugend besteht darin, dass man nicht mehr dazugehört." Ihr seht, liebe Schülerinnen und Schüler, auch wir Älteren lernen nie aus. Insofern baut LeMO auch Brücken zwischen den Generationen. Ich wünsche der Plattform jedenfalls viele interessierte Besucherinnen und Besucher - junge wie auch ältere!