Redner(in): Julian Nida-Rümelin
Datum: 27.01.2001

Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/87/29887/multi.htm


Berlin fasziniert nicht nur seine Einwohnerinnen und Einwohner. Mich hat die Stadt jedenfalls vom ersten Tag an für sich eingenommen. Berlin besitzt einen ganz eigenen Ruf in Europa und in der Welt. Der Reiz der Stadt hat für mich viel mit ihrer Fähigkeit zu tun, Disparatheiten zu vermitteln, ohne sie zu verkleistern. Berlin ist ebenso durch seine Geschichte als Hauptstadt Preußens geprägt wie durch die Berliner Mauer; durch die Gegend am Wannsee und den Kiez im Prenzlauer Berg, durch das Olympiastadion und die Love Parade, durch Kreuzberg und Unter den Linden. Hier entwickelte sich eine spezifische Kultur. Damit meine ich nicht die weit über die Landesgrenzen verbreiteten Berliner Operettenmelodien, sondern eine sehr selbstbewusste Lebensart, eine produktive Form, Fremdes zu integrieren und mit Konflikten umzugehen. Jeder, der schon einmal mit der Schlagfertigkeit und dem Humor der Berlinerinnen und Berliner konfrontiert war, weiß, wovon ich spreche.

Der Umzug von Regierung und Parlament nach Berlin hat die Stadt 1999 auch de facto zur Bundeshauptstadt gemacht, obwohl sie ja bereits einige Jahre zuvor Hauptstadt des vereinten Deutschlands geworden war. Seitdem ist des Öfteren über eine besondere Verantwortung der Bundesregierung für die Kultur in der Hauptstadt gesprochen worden. Und tatsächlich hat das Land Berlin, das nur noch aus der Stadt Berlin besteht, meiner Meinung nach einen berechtigten Anspruch auf eine faire Unterstützung durch den Bund und durch die anderen Bundesländer. Nur so kann Berlin sein vielgestaltiges kulturelles Erbe entwickeln und bewahren. Ich versichere Ihnen, dass die Bundesregierung dafür auch in Zukunft sorgen wird. Wir stehen zu unserem finanziellen Engagement in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Schwerpunkt Masterplan Museumsinsel sowie zur vollständigen finanziellen Trägerschaft der Berliner Festspiele, des Jüdischen Museums, des Hauses der Kulturen der Welt und des Holocaust-Mahnmals. Hinzu kommen jährlich 20 Millionen Mark für den Hauptstadtkulturfonds, dessen unabhängiges Kuratorium Kulturprojekte in der Hauptstadt unterstützt.

Die eigentliche Hauptstadtkultur ist für mich jedoch die Kultur, die von den Menschen getragen wird, die heute in Berlin leben - die Kultur der Hauptstädter sozusagen. Sie lebt auch - aber nicht nur - von den kontinuierlichen Angeboten in den Opern, Theatern und Konzertsälen, den Clubs, Museen, Bibliotheken und Parks. Diese kulturelle Infrastruktur stimuliert und schafft Angebote, sie lädt zum Austausch ein. Sie kann ihr Potenzial aber nur entfalten, wenn es auch genutzt wird. Umso mehr freue ich mich über das große Interesse der Berlinerinnen, Berliner und ihrer Gäste an der "Langen Nacht der Museen", die das Wort "Museum" und "museal" in einem neuen Licht erscheinen lassen. Wenn inzwischen viele Städte in ganz Deutschland - auch in München, dessen Kulturreferent ich bis vor wenigen Wochen war - diese Idee aufgegriffen haben, wird deutlich, was auch zur Berliner Kultur gehört: die gelungene Verbindung von Kunst und Unterhaltung."Love Parade", der "Karneval der Kulturen" oder die "Lange Nacht der Museen" sind Zeichen für die große kulturelle Vitalität dieser Stadt.