Redner(in): Monika Grütters
Datum: 06. Oktober 2014

Untertitel: In ihrer Rede sprach Monika Grütters über Qualität und Vielfalt im Journalismus und wie man sie erreichen kann. Dabei ging es unter anderem um Netzneutralität und modernes Urheberrecht.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/10/2014-10-07-gruetters-kas-mediendiskurs.html


In ihrer Rede sprach Monika Grütters über Qualität und Vielfalt im Journalismus und wie man sie erreichen kann. Dabei ging es unter anderem um Netzneutralität und modernes Urheberrecht.

Anrede

Es hat etwas wohltuend Anachronistisches, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung wie in guten, alten analogen Zeiten zu einem "Medien-Diskurs" einlädt, zu einem ganz klassischen Gesprächsformat also, bei dem Menschen anderen Menschen zuhören ohne Twitterwall, ohne eigenes Hashtag, ohne Tweets, in denen in 140 Zeichen alles gesagt sein muss, ohne Smartphones im Dauerbetrieb, über die in Echtzeit Informationen und Kommentare aus dem Veranstaltungsraum in die virtuellen Diskursräume des Internets hinaus getwittert und gepostet, retweetet und geliked werden.

Ich beobachte diese noch jungen Kulturtechniken und die Veränderungen, die damit einhergehen, mit Interesse, gestehe aber freimütig, dass ich bisher der Versuchung widerstanden habe, mir selbst einen Twitter-Account oder ein Facebook-Profil zuzulegen. Erfreulicherweise habe ich mich damit nicht von vornherein als Rednerin beim Medien-Diskurs der Konrad-Adenauer-Stiftung über Medienpolitik im digitalen Zeitalter disqualifiziert. Das verstehe ich durchaus auch als Einladung, meinen Impulsvortrag etwas grundsätzlicher zu gestalten und den argumentativen Bogen etwas weiter zu spannen als nur eine technische Betrachtung vorzunehmen, allein schon deshalb, weil die Themen, um die es heute gehen soll, in einem größeren kultur- und gesellschaftspolitischen Kontext stehen, den wir bei der Arbeit am Detail nicht aus den Augen verlieren sollten.

Mir ist wichtig, dass im Rausch des technisch Machbaren die Frage nach der Qualität und Vielfalt der Inhalte nicht zweitrangig wird. Dabei geht es mir nicht darum, einer bornierten Technik- oder Marktfeindlichkeit das Wort zu reden und die großen Internetkonzerne zu dämonisieren, wie das in der öffentlichen Debatte häufig zu beobachten ist. Das hilft niemandem weiter, und es wird den Herausforderungen, vor denen wir stehen, auch nicht gerecht. Immerhin waren es ja technischer Fortschritt, Unternehmertum und marktwirtschaftliche Kräfte, die die Entwicklung einer eigenständigen, von staatlicher Macht emanzipierten, demokratischen Öffentlichkeit überhaupt erst möglich gemacht haben.

Das gilt schon für die letzte, in ihrer Bedeutung mit dem Aufkommen des Internets vergleichbare Medienrevolution, nämlich die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg - Voraussetzung dafür, dass Informationen, Gedanken und Ideen eine große Zahl von Menschen erreichen konnten. Sie entfaltete ihre Wirkung im Zuge der Revolutionierung der Nachrichtenbeförderung durch die Post: Eine umfassende Nachrichtenversorgung wäre in vormodernen Zeiten unmöglich gewesen, allein schon deshalb, weil der Transport von Briefen so teuer war. Ein Zimmergeselle hätte Anfang des 16. Jahrhunderts für einen Schnell-Brief von Nürnberg nach Venedig ( Laufzeit vier Tage ) mehr als zwei Jahre arbeiten müssen.

Um den technischen Fortschritt in gesellschaftlichen Fortschritt zu übersetzen, bedurfte es dann aber unternehmerischen Handelns, in diesem Fall in Gestalt des hoch verschuldeten Buchbinders Johann Carolus, der im Jahr 1605 als erster die geniale Geschäftsidee hatte, mit dem Verkauf von Nachrichten an ein breites Publikum Geld zu verdienen. Statt seine Neuigkeiten aus aller Welt wie bisher für einen recht überschaubaren Kreis von Interessierten mühsam von Hand abzuschreiben, begann er sie zu drucken. Betriebswirtschaftlich ausgedrückt: Er senkte die Herstellungskosten, um die Auflage zu steigern.

Auch das Bewusstsein für den kulturellen Wert der Zeitung entwickelte sich. So schrieb der Göttinger Historiker und Publizist August Ludwig Schlözer 1805: "Zeitungen mit einem Gefühl von Ehrfurcht schreibe ich dieses Wort nieder. Zeitungen sind eines der großen Kulturmittel, durch die wir Europäer Europäer geworden sind, wert, dass sich noch jetzt Franzosen und Deutsche über die Ehre der Erfindung streiten." Doch erst, als sich mit der Revolution 1848 die Fesseln der Zensur zu lösen begannen, als die Abschaffung des staatlichen Anzeigenmonopols den Verlegern neue Geschäftsmodelle eröffnete, als in Augsburg die Erfindung der Rotationsmaschine und Schriftsetzmaschine das Zeitalter der vielfältigen Reproduzierbarkeit einläutete und als im Zuge der Industrialisierung schließlich mehr und mehr Bürger lesen konnten und die Nachfrage nach dem gedruckten Wort dementsprechend stieg, war der Weg frei für den Siegeszug der Zeitung als Massenmedium.

Ich könnte diese Geschichte weiter erzählen für die Entwicklung des Rundfunks, des Fernsehens und schließlich des Internets, aber ich denke, dieser kurze historische Exkurs reicht aus, um zu sehen, dass die Medien- und Kommunikationsnetze, über die wir heute reden, ihre Existenz dem Zusammenspiel von technischem Fortschritt und den Kräften des Marktes, des Unternehmertums verdanken. Beides zusammengenommen hat den von Immanuel Kant beschworenen "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit", die Entwicklung einer informierten und interessierten Öffentlichkeit und die Entstehung eines vielstimmigen, von Meinungsvielfalt geprägten, öffentlichen Diskurses überhaupt erst möglich gemacht.

Dass die Gedanken der Aufklärung Wirklichkeit werden konnten, dass Emanzipation und Demokratie nicht mehr aufzuhalten waren, ist also ein Verdienst eben jener Kräfte des Marktes und des technischen Fortschritts, die uns heute vielfach als Bedrohung erscheinen. Und auch die digitale Revolution ist, wie es der Journalist Matthias Müller von Blumencron kürzlich in der FAZ formuliert hat,"ein Segen für den Journalismus" - wenn auch nicht für jeden einzelnen Journalisten oder Verlag. Es ist an uns, aus den neuen technischen Möglichkeiten auch im Sinne des gesellschaftlichen Fortschritts etwas zu machen: die Medienunternehmen, indem sie neue Geschäftsmodelle für Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter entwickeln, die Politik, in dem sie der digitalen Welt Regeln und Strukturen gibt, die unsere kulturellen Errungenschaften aus dem analogen Zeitalter - die Rechte des Einzelnen und die demokratische Teilhabe aller - auch in der digitalen Welt zur Geltung bringen.

Jürgen Habermas hat vor einiger Zeit in einem Essay mit dem Titel "Medien, Märkte und Konsumenten Die seriöse Presse als Rückgrat der politischen Öffentlichkeit" auf den Punkt gebracht, wo die medienpolitische Herausforderung liegt."Der Markt", schreibt er,"hat einst die Bühne gebildet, auf der sich subversive Gedanken von staatlicher Unterdrückung emanzipieren konnten. Aber der Markt kann diese Funktion nur so lange erfüllen, wie die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten nicht in die Poren der kulturellen und politischen Inhalte selbst eindringen, die über den Markt verbreitet werden." Der Markt, meine Damen und Herren, konnte seine Funktion im analogen Zeitalter deshalb erfüllen, weil er eine dienende Rolle hatte, weil unsere in Recht und Regeln kondensierten Wertmaßstäbe dafür sorgten, dass die Medien im Sinne von Jürgen Habermas das "Rückgrat der politischen Öffentlichkeit" in unserer pluralistischen Gesellschaft sein konnte. Nicht umsonst sprechen wir von der "4. Gewalt".

Unser Grundgesetz garantiert das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, die Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit, um die Grundversorgung der Bevölkerung mit Informationen sicher zu stellen, die für eine funktionierende Demokratie notwendig sind. Dahinter steht die auch aus unseren Erfahrungen mit der Diktatur des Nationalsozialismus gewonnene Überzeugung, dass eine freie Presse, eine vielfältige Medienlandschaft, eine kritische, informierte Öffentlichkeit und ein lebendiger Diskurs die stärksten Garanten sind für Demokratie und gegen staatliche Willkür die Überzeugung, dass Leser, Hörer, Zuschauer und Internet-Nutzer eben nicht nur Konsumenten auf einem Markt sind, auf dem die Nachfrage das Angebot bestimmt, sondern Bürgerinnen und Bürger, die einen Anspruch haben auf das, was Qualitätsmedien zu leisten imstande sind.

An diesen Überzeugungen hat sich im Übergang vom analogen ins digitale Zeitalter nichts geändert. Geändert haben sich aber im digitalen Zeitalter die Bedingungen der Durchsetzbarkeit entsprechender Regeln. Das ist zweifellos eine große Herausforderung aber kein Grund zu kapitulieren. Lassen Sie mich beispielhaft einige Maßnahmen nennen, wie Medienpolitik dazu beitragen kann, die digitale Revolution in den Dienst unserer demokratischen Werte zu stellen.

Erstens: Qualität und Vielfalt brauchen Nachfrage.

Wenn man liest, dass am 20. Februar dieses Jahres, als die Krim-Krise gerade eskalierte, der meist geklickte auf Spiegel Online die Fotostrecke "Grimassen beim Eiskunstlauf" war, stimmt das nicht gerade optimistisch, dass journalistische Qualität sich im digitalen Zeitalter allein über die Nachfrage behaupten wird. Umso wichtiger ist es, die Medienkompetenz zu fördern, die Fähigkeit, in den Weiten des Netzes Relevantes von Irrelevantem, Wahres von PR und Propaganda zu unterschieden. Junge Leute müssen deshalb möglichst früh die Erfahrung machen, dass guter Journalismus und gute Inhalte im Netz viel mehr bieten als "Breaking News" : dass guter Journalismus in der Flut der Informationen den Weg weisen kann, dass guter Journalismus die reine Sachinformation in Zusammenhänge einordnet, auf individuelle Geschichten eingeht und damit die Grautöne zwischen Schwarz und Weiß sichtbar macht. Um die Vermittlung dieser Erfahrungen geht es im Rahmen der Nationalen Initiative Printmedien, die mein Haus gemeinsam mit Verbänden und Verlagshäusern ins Leben gerufen hat. Darüber hinaus versuchen wir auch, mit modernsten digitalen Angeboten wie zum Beispiel "Lebendiges Museum Online" kurz: LeMO bei Jugendlichen, aber auch Erwachsenen das Interesse an der Kultur, der Geschichte und der Politik unseres Landes zu wecken, und damit auch den Wunsch, über das aktuelle Weltgeschehen differenziert informiert zu werden. Ein weiteres Beispiel ist unsere Initiative "Ein Netz für Kinder" : Es bietet in einem sicheren Surfraum qualitativ hochwertige Angebote, verknüpft also Kinderschutz und Medienerziehung - über zwei Millionen Klicks verzeichnen wir im Monat.

Zweitens: Qualität und Vielfalt brauchen Schutz vor Marktmacht.

Das betrifft zum Beispiel die Auffindbarkeit von Inhalten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Konzerne darüber entscheiden, wie die Welt aussieht, die wir wahrnehmen. Suchmaschinen sind "Gatekeeper" in der digitalen Welt, ihre Algorithmen entscheiden über Aufmerksamkeit und Wahrnehmung von Inhalten und damit auch über deren publizistischen und wirtschaftlichen Erfolg. Datenmonopole sind Deutungsmonopole, und Deutungsmonopole werden leicht zu Meinungsmonopolen. Insofern sehe ich die marktbeherrschende Stellung von Google mit über 90 Prozent Marktanteil äußerst kritisch und habe großes Verständnis für die Forderung, dass Suchmaschinen eigene Dienste in den Suchergebnissen nicht unangemessen bevorzugen dürfen. Die Internetnutzer erwarten zu Recht, dass die Reihenfolge der Treffer etwas mit Relevanz und nicht mit wirtschaftlichen Eigeninteressen zu tun hat. Deshalb ist es gut, dass das laufende EU-Kartellverfahren gegen Google nicht vorschnell ad acta gelegt wird, und ich hoffe auch, dass die neue Wettbewerbskommissarin die Praktiken und Vergleichsvorschläge von Google einer kritischeren Prüfung unterziehen wird als ihr Vorgänger. Gerade hier erwarte ich auch Unterstützung der Anbieter. Im Bereich des Datenschutzes gibt es schon jetzt eine freiwillige Selbstverpflichtung der Anbieter von Geodatendiensten; das muss auch für Suchmaschinen möglich sein. Ein wichtiges Signal wäre auch, wenn sich mehr Online-Anbieter zu den ethischen Grundsätzen des Pressekodex des Deutschen Presserates bekennen würden.

Handeln im Sinne kultureller und medialer Vielfalt ist auch dort gefragt, wo die Vielfalt des Angebots unter die Räder zu kommen droht, weil Unternehmen den Kampf um Marktanteile auf dem Rücken von Autoren und Lesern austragen. Deshalb habe mich öffentlich hinter die Autorinnen und Autoren des offenen Briefes gegen Amazon gestellt und kürzlich auch in einem persönlichen Gespräch mit der Geschäftsführung von Amazon Deutschland deutlich gemacht, dass die Bundesregierung dieses Gebaren unter keinen Umständen akzeptieren wird. Es hat mich gefreut zu hören, dass der deutliche Protest Wirkung gezeigt hat und Amazon den Verlagen und Autoren mittlerweile entgegen zu kommen scheint.

Drittens: Qualität und Vielfalt erfordern Netzneutralität.

Netzneutralität ist eine wichtige Voraussetzung für journalistische und publizistische Chancengleichheit und damit für Meinungs- und Medienvielfalt. Sie stellt sicher, dass jeder Inhalteanbieter die gleiche Chance hat, seine Inhalte an den Endkunden zu bringen, ist also gewissermaßen das digitale Pendant zum Presse-Grosso. Durch den technischen Fortschritt gerät das Prinzip der Netzneutralität zunehmend unter Druck. Zugangsanbieter haben mittlerweile die Möglichkeit, eigene Inhalte mit höherer Qualität und Geschwindigkeit zu befördern oder die Inhalte zahlungswilliger Unternehmen gegen Aufpreis zu bevorzugen. Auf EU-Ebene werden derzeit die Einzelheiten für eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität verhandelt. Mir ist wichtig, dass markt- und finanzstarke Anbieter nicht die Möglichkeit haben dürfen, eine höhere Wahrnehmung ihrer Inhalte im Internet zu erkaufen. Überholspuren im Netz darf es nicht geben! Ansonsten droht ein Zwei-Klassen-Internet, in dem die Inhalte weniger finanzstarker Anbieter abgehängt werden unabhängig von ihrer Qualität.

Das üblicherweise vorgebrachte Argument, dass wir für den Breitbandausbau zusätzliche Mittel benötigen, kann ich gut nachvollziehen. Das erfordert aber nicht zwingend die Aufweichung des Prinzips der Netzneutralität. Mein Haus prüft gerade eine Idee, die vorsieht, dass Zugangsanbieter von denjenigen Inhalteanbietern, die die Netzinfrastruktur überdurchschnittlich in Anspruch nehmen, ein zusätzliches Entgelt erheben können. Anders als bei den Spezialdiensten soll die Zahlung aber nicht mit einer Privilegierung der Inhalte verbunden sein. Auf diese Weise könnten wir das Ziel, finanzielle Mittel für den dringend notwendigen Breitbandausbau zu gewinnen und die großen Anbieter an den Kosten zu beteiligen, konform mit den medienpolitischen Grundsätzen der Sicherung medialer Qualität und Vielfalt erreichen.

Viertens: Qualität und Vielfalt brauchen faire Wettbewerbsbedingungen.

Davon kann im Moment häufig keine Rede sein. Der Rundfunk beispielsweise unterliegt besonderen rechtlichen Vorgaben - etwa die Notwendigkeit von Lizenzen oder Werbebeschränkungen betreffend - , während die Internetkonzerne auf den gleichen Markt drängen, ohne diese Regeln beachten zu müssen. Das kann nicht in unserem Sinne sein! Unser Ziel muss es sein, dass auf ein und demselben Markt gleiche Regeln für alle herrschen - oder dass zumindest eine faire Regulierung mit einem Ausgleich der Rechte und Pflichten stattfindet. Dazu gehört auch, dass wir, wie im Koalitionsvertrag verabredet, das Kartellrecht überprüfen, ob es angesichts der Konvergenz der Medien auch wirklich dem fairen Wettbewerb dient und niemanden benachteiligt. Wenn deutsche Gerichte deutsche Video-on-Demand-Portale untersagen, sich dann aber mit Netflix ohne Weiteres ein amerikanischer Anbieter auf dem deutschen Markt breit machen kann, dann erfüllt das Kartellrecht ganz offensichtlich nicht seinen Zweck! Deshalb begrüße ich einen Vorstoß meines Kollegen BM Gabriel, der zum Umgang mit Internetplattformen eine kartellrechtsähnliche Regelung ins Spiel gebracht hat.

Einen fünften und letzten Punkte will ich noch hervorheben: Qualität und Vielfalt brauchen ein modernes Urheberrecht.

Wir müssen dafür sorgen, dass man auch im Zeitalter des Internets von geistiger Arbeit leben kann. Das geht nur, wenn Kreative angemessen an der Wertschöpfung aus ihrer intellektuellen oder künstlerischen Leistung beteiligt werden. Der Koalitionsvertrag sieht für die 18. Wahlperiode eine Anpassung des Urheberrechts an das digitale Zeitalter vor. Aus kulturpolitischer Sicht ist darauf zu achten, dass eine Modernisierung keine Schwächung der urheberrechtlichen Positionen zur Folge hat, denn dies würde die Kreativen und Künstler ebenso wie Leistungsschutz- berechtigte benachteiligen und damit mittelfristig auch die kulturelle Vielfalt und die Vielfalt medialer Inhalte schwächen. Derzeit sondieren wir auch, wie Diensteanbieter, deren Geschäftsmodell auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaut, stärker in die Verantwortung genommen werden können. Die Federführung für das dazu notwendige Gesetz liegt beim BMWi.

Mit Blick auf die Uhr will ich es mit diesen Beispielen bewenden lassen, meine Damen und Herren. Über den konkreten gesetzgeberischen Regelungsbedarf hinaus ist mir persönlich sehr daran gelegen, dass wir über die Auswirkungen des digitalen Wandels eine breite gesellschaftliche Debatte führen - und viele Zeitungen widmen sich diesem Thema ja auch intensiv. Umfragen zeigen aber, dass sich die meisten Bürgerinnen und Bürger außerhalb der so genannten Netz-Gemeinde sich bisher kaum für die Debatten über die gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge des digitalen Wandels interessieren - ein Befund, der uns nicht gleichgültig lassen kann.

Deshalb bin ich dankbar, dass es kürzlich einen über die üblichen Kreise hinaus laut vernehmlichen Anstoß zum Nachdenken über den digitalen Wandel gab, und zwar von einem amerikanischen Schriftsteller, Dave Eggers, mit seinem gerade auf Deutsch erschienenen Bestseller "Der Circle". Man kann über die literarische Qualität dieses Romans sicherlich streiten, aber es ist zweifellos ein Buch, das viele Menschen zum Nachdenken und Diskutieren anregt: ein Roman über die totale Überwachung durch ein Unternehmen, das mit der Abschaffung jeglicher Privatsphäre im Netz und durch Sammeln und Vernetzen aller verfügbaren Daten mehr Sicherheit, Bequemlichkeit, weniger Kriminalität und Krankheit - kurz: die Verbesserung der Welt - verheißt und damit letztlich auch Politik überflüssig macht: Wer braucht noch den anstrengenden Austausch von Argumenten, die mühevolle Suche nach Kompromissen - kurz: Demokratie - , wenn die verfügbaren Daten die unmittelbare Ausführung des Mehrheitswillens garantieren? Das wäre tatsächlich der Sieg des digitalen Totalitarismus, meine Damen und Herren. Wer das nicht will, muss die Verteidigung unserer demokratischen und kulturellen Errungenschaften ganz oben auf die medienpolitische Agenda setzen. Dafür stehe und werbe ich als Kultur- und Medienpolitikerin, und dabei hoffe ich auf Ihre Unterstützung!