Redner(in): k.A.
Datum: 03.02.2001

Untertitel: Die Vertiefung und Erweiterung des Europäischen Einigungsprozesses, die Nordatlantische Allianz und die Freundschaft mit den USA, die Ausweitung von Demokratie und Marktwirtschaft in ganz Europa, die Kooperation und Partnerschaft mit Russland - dies alles sind feste Konstanten deutscher Politik geworden, dies macht uns Deutsche zu einem verlässlichen Partner.
Anrede: Meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/33/30433/multi.htm


Redemanuskript ) Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik zu Beginn des neuen Jahrtausends

I. Der historische Umbruch von 1989 hat uns Deutschen das Glück der Einheit unseres Vaterlandes geschenkt. Für Deutschland bedeutet dies Normalisierung und Neuorientierung zugleich. Als wirtschaftlich und politisch bedeutendste Macht in der Mitte eines freien und zusammenwachsenden Europas haben wir eine neue Dimension außenpolitischer Verantwortung übernommen.

Es ist gut für unser Land, dass die rot-grüne Regierung im Kern den bisherigen außenpolitischen Kurs der alten Bundesregierung fortsetzt - getragen von einem breiten Konsens in unserer Bevölkerung. Die Vertiefung und Erweiterung des Europäischen Einigungsprozesses, die Nordatlantische Allianz und die Freundschaft mit den USA, die Ausweitung von Demokratie und Marktwirtschaft in ganz Europa, die Kooperation und Partnerschaft mit Russland - dies alles sind feste Konstanten deutscher Politik geworden, dies macht uns Deutsche zu einem verlässlichen Partner.

II. Am 20. Januar hat eine neue amerikanische Administration die Amtsgeschäfte übernommen, in der sich viele herausragende Kenner und Freunde Deutschlands und Europas finden. Dies bietet hervorragende Chancen für die Fortentwicklung und Vertiefung des transatlantischen Verhältnisses. Wir wünschen uns nicht nur eine fortgesetzte politische und signifikante militärische Präsenz der USA in Europa. Wir wollen, dass die Bush-Cheney-Administration ein aktiver Partner in Europa ist und insbesondere für die Entwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur neue Impulse gibt.

In historischen Entscheidungen haben sich die USA dreimal in der Nachkriegsgeschichte zu einem europäischen Engagement verpflichtet: Zur Wahrung von Frieden und Freiheit in Europa in der Zeit des Kalten Krieges, bei der Wiedererlangung der deutschen und europäischen Einheit und seitdem beim Aufbau eines geeinten und freien Europa. Gerade wir Deutschen werden zudem die entscheidende Rolle der USA und insbesondere des damaligen Präsidenten George Bush und seines Außenministers James Baker bei der Wiedergewinnung der Deutschen Einheit nicht vergessen.

Das transatlantische Verhältnis ist in einem langen geschichtlichen Prozess gewachsen. In mehr als 50 Jahren hat sich die Nordatlantische Allianz als das erfolgreichste Bündnis der Geschichte erwiesen. Europäer und Amerikaner verbinden gemeinsame Wertvorstellungen, politische Ideale und Ziele. Freundschaft und Partnerschaft prägen ein Verhältnis mit ungebrochenem Zukunftspotential.

Zugleich werden unsere Beziehungen gekennzeichnet durch eine merkwürdige, doppelte Ambivalenz. Außen- und sicherheitspolitisch wünschen sich viele Europäer eine starke und aktive USA, zugleich fürchten sie deren Dominanz. Auf der anderen Seite des Atlantiks stehen sich der Wunsch nach einem starken europäischen Partner und die Sorge vor Macht- und Einflussverlust spannungsvoll gegenüber. So wirkungsmächtig solche Topoi auch sein mögen, so fest ist andererseits das reale Fundament des transatlantischen Verhältnisses.

Die USA sind aus eigenem Willen und im eigenen Interesse eine "europäische Macht". Europa ist der wichtigste ökonomische Partner der USA. Der bilaterale Handel konnte auch im vergangenen Jahr kräftige Zuwächse verzeichnen, die Kooperation von Unternehmen wird enger. Eine positive politische und wirtschaftliche Entwicklung in Europa liegt im ureigensten Interesse der USA.

Die USA und auch die neue Administration wollen und brauchen starke europäische Partner und Freunde. Sie erwarten zu Recht, dass die Europäer eine größere außenpolitische Verantwortung übernehmen, die unserem wirtschaftlichem Gewicht entspricht. Europa soll und muss mit einer einheitlichen Position in der Außen- und Sicherheitspolitik ein gleichberechtigter und in gleicher Weise verpflichteter Partner der USA werden.

Der Aufbau einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist ein historischer Prozess, bei dem in den vergangenen Jahren substanzielle Fortschritte erzielt worden.

In Übereinstimmung mit der NATO und im Interesse der USA haben die Europäer ihre Handlungsfähigkeit deutlich gestärkt. Das Projekt einer europäischen Armee hat eine klare, aber auch äußerst ehrgeizige Perspektive: im Jahr 2003 sollen 60 000 Mann als Eingreiftruppe innerhalb von 60 Tagen einsatzbereit sein. Bereits heute werden Teile des Eurokorps auf dem Balkan eingesetzt.

Unser Ziel ist der Aufbau europäischer Streitkräfte, die das gesamte Spektrum der Petersberger Beschlüsse abdecken können. Der Aufbau von militärischen Strukturen und Fähigkeiten darf dabei jedoch nicht zu Lasten des Atlantischen Bündnisses gehen. Die NATO bleibt unverzichtbar für die gemeinsame Sicherheit und voll handlungsfähig. Um dieses Ziel zu stärken, brauchen wir zukünftig eine noch engere Verzahnung von NATO und EU - von der Harmonisierung der Streitkräfteplanungen bis hin zu regelmäßigen politischen Konsultationen. Auch die baldige Verabschiedung des NATO-EU-Rahmenabkommens wäre ein wichtiges Signal.

Die USA müssen akzeptieren, dass jeder Schritt zu mehr Selbständigkeit und Übernahme von Verantwortung den Europäern zugleich ein größeres Gewicht gibt, ob politisch, in strategischen Fragen oder auch bei der Besetzung von Dienstposten. Und es gilt: Der Beitrag zu Frieden und Sicherheit lässt sich nicht auf die Ausgaben für den Verteidigungshaushalt reduzieren, die sich naturgemäß für eine globale Nuklearmacht anders berechnen. Die Beiträge zur Sicherung von Demokratie und Marktwirtschaft, die Unterstützung der Streitkräfte in den jungen Demokratien Mittel- und Osteuropas, das Verhältnis zu Russland, dieAufnahme von Kriegsflüchtlingen vom Balkan und vieles mehr gehören in eine Gesamtbilanz eines transatlantischen Burden-Sharings, die dem neuen Sicherheitsbegriff gerecht wird.

Der frühere amerikanische Präsident George Bush hat 1991 in seiner bemerkenswerten Mainzer Rede Deutschland eine weitreichende Partnerschaft angeboten: "Germany and the United States are partners in leadership. But leadership has a constant companion, responsibility."

Wenn wir dies ernst nehmen, ist gerade Deutschland gefordert, die Streitkräfte in die Lage zu versetzen, die politisch vorgegebenen Aufgaben auch tatsächlich erfüllen zu können. Die geplante Reform der Bundeswehr in Deutschland ist nur machbar, wenn sie eine ausreichende finanzielle Grundlage hat. Die Bundeswehr hat unter der gegenwärtigen Regierung mit fast 20 Mrd. DM in vier Jahren die größte Kürzung des Verteidigungsetats in der Geschichte unseres Landes erfahren müssen.

Unsere Bündnispartner sehen mit großer Sorge, dass zwischen dem politischen Anspruch und den eingegangenen Verpflichtungen in NATO, EU und UNO einerseits und den realistischen Perspektiven für Strukturen und Fähigkeiten der Bundeswehr andererseits eine immer größere Lücke klafft. Dass diese Sorgen nicht ganz unberechtigt sind, zeigt sich unter anderem daran, dass die Haushaltsplanung für die Einsatzfähigkeit deutscher Streitkräfte zentrale Beschaffungsvorhaben wie das Transportflugzeug und den im Juni vergangenen Jahres beschlossenen deutschfranzösisch-italienischen Aufklärungssatelliten nicht ausreichend abbildet.

Immer mehr werden leider auch rüstungswirtschaftliche und technologische Kernkompetenzen in Frage gestellt. Nach Jahren des Kapazitätsabbaus sind Kooperations- und Integrationsfähigkeit gefährdet. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn wir heute zu neuen europäischen Strukturen der wehrtechnischen Industrie kommen wollen und müssen, um die globale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und als eine der Grundlagen für die gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, für gemeinsame Beschaffung und Ausrüstung. Deutsche Unternehmen müssen sich am realen Bedarf der Streitkräfte orientierten, aber zugleich brauchen sie von der Politik eine verlässliche finanzielle Planung als Grundlage erfolgreichen unternehmerischen Handelns. Und sie benötigen eine staatliche Rüstungsexportpolitik, die sich nachvollziehbar an den Sicherheitsinteressen unseres Landes und nicht jedoch an ideologisch begründeten, willkürlichen Koalitionsbeschlüssen orientiert.

III. Die Frage, wie Frieden, Sicherheit, Freiheit und Wohlstand für die Mitgliedsstaaten der NATO gesichert werden können, stelltsich heute ganz anders, als bei der Gründung des Atlantischen Bündnisses 1949. Abschreckung und militärische Verteidigung bleiben wichtig, doch in einer multipolaren und globalisierten Welt gewinnen zunehmend auch andere Faktoren an Bedeutung.

In der Sicherheitspolitik geht es nicht mehr um alte Bedrohungsszenarien, sondern um die Analyse von Konfliktrisiken in einem neuen strategischen Umfeld. Hierzu zählen die klassischen militärischen Potentiale, Massenvernichtungsmittel und Proliferationsrisiken, ethnische und religiöse Konfliktpotentiale, Terrorismus, aber auch die gewachsene Bedeutung von Konfliktursachen wie Ressourcenknappheit, Bevölkerungsentwicklung, Armut und Hunger.

Sicherheitspolitik muss daher von einem erweiterten Sicherheitsbegriff und der stetig zunehmenden Vernetzung der Politikfelder Sicherheit, Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft ausgehen.

Die USA und Europa bleiben auch in Zukunft aufeinander angewiesen. Aber vor dem Hintergrund des veränderten strategischen Umfelds müssen wir die gemeinsame Agenda neu definieren, damit diese Partnerschaft zukunftsfähig bleibt.

Die transatlantische Debatte über Sicherheits- und Verteidigungspolitik muss weitaus mehr als bisher eine Debatte über die neuen Risiken für unsere Werte und politischen Interessen sein. Gemeinsam gilt es, umfassende, regionale Konzepte für Frieden und Sicherheit wie beispielsweise auf dem Balkan zu entwickeln. Die Sicherung des Friedens und die Mithilfe beim Aufbau tragfähiger politischer und wirtschaftlicher Strukturen in Südosteuropa bleibt in den kommenden Jahren eine militärische und politische Kernaufgabe für das gesamte Bündnis.

Auch im Umgang mit sogenannten Problemstaaten brauchen wir die richtige Mischung zwischen politischem und wirtschaftlichem Druck einerseits und Kooperationsperspektiven andererseits. Sanktionen selektiv dort einzusetzen, wo sie wirklich wirksam sind zur Erreichung der politischen Ziele, dieser Ansatz des neuen Außenministers Colin Powell scheint mir den richtigen Weg zu weisen.

Die weitere Anpassung der NATO an die neue strategische Situation muss sich gründen auf einen gelebten strategischen Konsens über die Ziele der Allianz. Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis über die Implizierung des neuen Strategischen Konzeptes der NATO vom April 1999 und die Prioritäten der Verteidigungspolitik. Wir brauchen eine Verständigung auch über die Frage neuer Mitglieder der NATO und darüber, wie wir die Erweiterungsprozesse von NATO und EU sinnvoll miteinander abstimmen.

Die Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union müssen zugleich bewältigt werden. Sie dürfen nicht in Widerspruch zueinander geraten. Nach dem Europäischen Gipfel von Nizza geht es um die weitere Vertiefung der Integration mit dem Ziel eines europäischen Verfassungsvertrags. Die Aufnahme neuer Mitglieder muss sich in diesem Kontext immer auch orientieren an der Handlungsfähigkeit der EU. Es spricht daher viel dafür, innerhalb der Gruppe der Beitrittsländer zu differenzieren, um die EU nicht zu überfordern.

Wir wollen eine zügige Erweiterung und könnten bis Ende 2002 die Verhandlungen abschließen mit den Ländern, die dann die vereinbarten politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Kriterien erfüllen.

Jede Erweiterung der NATO um neue Mitglieder muss sich wiederum letztendlich strategisch begründen. Und ohne Zweifel kommt dabei der Region Südosteuropa eine besondere Bedeutung zu. Im Kern handelt es sich bei NATO und EU um komplementäre Prozesse, diein einem engen Wirkungszusammenhang stehen. Und sie haben ein gemeinsames Ziel: die Sicherheit und Stabilität in Europa zu erhöhen.

Wenn für diebaltischen Staaten eine NATO-Mitgliedschaft auf absehbare Zeit nicht möglich ist, so bietet doch die erkennbare Perspektive einer Aufnahme in die EU zugleich die Integration in die europäische Sicherheitsarchitektur. Die EU-Mitgliedschaft hat nicht nur eine politische und wirtschaftliche, sondern auch eine zutiefst sicherheitspolitische Dimension. Auf der anderen Seite geht es um eine realistische europäische Perspektive für das NATO-Mitglied Türkei, die ausgehen muss von der strategischen Bedeutung dieses Bündnispartners in Vorderasien und im Schwarzmeerraum. Warum öffnen wir dann nicht die Entscheidungsverfahren der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik für eine Beteiligung der Türkei?

so sehr sich das Projekt der National Missile Defense ( NMD ) als Konzeption schlüssig aus der Analyse der nationalen Sicherheitsinteressen der USA herleiten lässt, so wichtig ist die Ergänzung dieser Konzeption um eine Bündnisdimension, die auch die Europäer einbezieht. Die Risiken, auf die NMD eine Antwort zu geben versucht, sind nicht auf die USA beschränkt. Raketenabwehr ist ein zentrales und nicht neues Thema des Atlantischen Bündnisses, das die Handlungsfähigkeit der Allianz als Ganze betrifft. Wir haben ein gemeinsames Interesse an einem Mehr an Sicherheit vor der militärischen und politischen Bedrohung durch ballistische Raketen, an der Verhinderung von Proliferationsrisiken und der Stärkung einer effektiven Rüstungskontrollpolitik, nicht aber an neuen Rüstungswettläufen. An der südlichen und südöstlichen Peripherie Europas sind gleich mehrere Staaten zu nennen, die Raketentechnologie und Massenvernichtungswaffen bereits besitzen. Diese Potentiale können in sehr naher Zukunft unsere militärische Sicherheit, aber auch unsere politische Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit bedrohen.

Wir brauchen daher dringend einen transatlantischen Dialog, der auf einer gemeinsamen Risikoanalyse und -bewertung basiert. Dies führt - zusammen mit einer nüchternen Analyse der militärischen und technologischen Grundlagen der Raketenabwehr - zu einer zielführenden Diskussion über mögliche Lösungen innerhalb des Bündnisses. Ob und, wenn ja, wie dieses sensible militärische Projekt für Dritte geöffnet werden kann, muss Teil eines transatlantischen Verständnisses sein.

Deutschland ist aufgefordert, dieses Thema ohne ideologische Vorurteile und Einseitigkeit aktiv aufzugreifen. Dies giltim Hinblick auf einen europäische Raketenschutz wie für die Zukunft des ABM-Vertrages und die Proliferation. Abwarten würde der großen sicherheitspolitischen Bedeutung dieser Fragen für unser Land nicht gerecht.

Meine Damen und Herren,

das Verhältnis zu Russland bleibt zu Beginn des neuen Jahrtausends eine der zentralen Aufgabe dessen, was früher "westliche" Außenpolitik hieß. Daraus ist heute Kooperation und Partnerschaft geworden. Unsere Ziele sind klar: die Förderung von Demokratie und wirtschaftlicher Entwicklung und die Einbindung Russlands in die internationalen Strukturen, insbesondere in die europäischen Sicherheitsarchitektur. Schuldenfrage, die Zukunft der nuklearen und konventionellen Rüstungskontrolle, die Proliferation von Massenvernichtungswaffen und Know-how, aber auch der Umgang mit Menschenrechten in und durch Russland sind konkrete Herausforderungen an unsere Politik, die wir umso überzeugender beantworten können, je geschlossener wir dies im Bündnis tun.

Russland bleibt vermutlich eine Jahrhundertaufgabe für unsere Politik. Wir sollten einerseits unmissverständlich die Forderung nach Respektierung der Menschenrechte im Kaukasus und anderswo formulieren, den Rückfall in früheres sowjetisches Denken kritisieren und die notwendigen Reformen für eine marktwirtschaftliche Entwicklung in Russland einfordern. Andererseits geht es darum, die Beziehungen Russlands zu EU und NATO kontinuierlich so auszubauen, dass wir Russlands Größe, seiner Stellung in Europa und seinem Selbstverständnis Rechnung tragen. Nur wenn beides gelingt, kann eine für Frieden, Demokratie und Wohlstand in Europa förderliche Partnerschaft Realität gewinnen.

Die Zusammensetzung der neuen amerikanischen Administration spiegelt den tiefgreifenden Wandel in den USA wieder. Für uns in Europa macht dies zugleich deutlich, dass wir als Freund der USA auch Partner einer globalen Macht in anderen Regionen der Welt sein müssen. Die strategische Entwicklung in Zentralasien, die politische und wirtschaftliche Dynamik Südostasiens, aber auch die zukünftigen politischen Großmächte China und Indien bedürfen eines höheren politischen Gewichtes in der deutschen und europäischen Außenpolitik. In der globalisierten und digitalen Welt von heute heißt es Abschied nehmen vom Eurozentrismus. Hongkong und Berlin sind im Internet nur Sekunden voneinander entfernt. Die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten, in Südostasien und Lateinamerika müssen stärker in den Fokus der deutschen Politik gestellt werden. Die ökonomische Großmacht Deutschland muss auch politisch zum globalen Akteur werden dort, wo seine nationalen Interessen involviert sind. Damit gehören diese Themen aber auch auf die transatlantische Agenda des neuen Jahrtausends.

IV. In den vor uns liegenden Jahren wird es darauf ankommen, die transatlantische Tagesordnung um neue Themen zu ergänzen: Die Reform der Vereinten Nationen zu einem effektiven Instrument des globalen Krisenmanagements bleibt unverzichtbar, auch wenn sie allen Beteiligten mutige und zukunftsweisende Entscheidungen abverlangt. Wir brauchen einen neuen Anlauf für eine Welthandelsrunde, die insbesondere Fortschritte bei der Integration der neuen Themen Wettbewerb, Investition und Umwelt, geistiges Eigentum und bei der Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels bringt. Internet und New Economy markieren eine historische technologische Zäsur mit weitreichenden Konsequenzen für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft - vergleichbar nur mit der ersten industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Umweltschutz schließlich ist kein Selbstzweck, sondern eine Kernaufgabe der Zukunftssicherung. Umwelt- und Klimaschutz, Ressourcenverbrauch und die Nutzung moderner Technologien für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen müssen integriert werden in eine überzeugende Gesamtstrategie, damit das transatlantische Verhältnis zum Motor einer auch ökologisch orientierten Weltordnungspolitik und eines globalen Umweltmanagements wird.

Die USA und Europa müssen die treibenden und damit gestaltenden Kräfte der Weltpolitik nach dem historischen Umbruch von 1990 sein - nicht zuletzt für die G8, WTO und die Vereinten Nationen. Die USA sind gegenwärtig die einzige verbliebene Weltmacht nach dem Ende des Kalten Krieges, aber sie sind keine " einsame Supermacht'' . Auf der Grundlage unserer gemeinsamen Geschichte, derselben Grundwerte und politischen Ziele sind und bleiben die USA und Europa natürliche und einzigartige Partner, die gemeinsam die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen und so die neuen Chancen nutzen werden.