Redner(in): Rolf Schwanitz
Datum: 15.03.2001
Untertitel: Unter das Motto "Banken schlagen Brücken" hatte Ihr Verband am 22. Mai 1999 die Jubiläumsveranstaltung zum 50jährigen Bestehen Ihres 1949 in Westberlin gegründeten und 1990 auf die nL ausgeweiteten Verbandes gestellt.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/64/35964/multi.htm
Unternehmensfinanzierung in den neuen Ländern: Gemeinsame Verantwortung für den Aufbau Ost ".
Ich freue mich über die große Resonanz auf die von Ihnen, Herr Most, ausgesprochene Einladung.
Dies zeigt, dass das Thema "Unternehmensfinanzierung in den neuen Ländern: Gemeinsame Verantwortung für den Aufbau Ost" auf den Nägeln brennt. Ein Aspekt des Themas - den zur Zeit laufenden Konsultationsprozess über die vermutlich ab dem Jahre 2004 geltenden neuen Eigenkapitalunterlegungsvorschriften von Banken ( Basel II ) haben Sie, Herr Most, in der Pressekonferenz des Verbandes heute vormittag schon angesprochen. Ich werde auf die Thematik noch eingehen.
1. Banken müssen Brücken schlagen.
Unter das Motto "Banken schlagen Brücken" hatte Ihr Verband am 22. Mai 1999 die Jubiläumsveranstaltung zum 50jährigen Bestehen Ihres 1949 in Westberlin gegründeten und 1990 auf die nL ausgeweiteten Verbandes gestellt. Ich hatte damals meinen Festvortrag unter das leicht abgewandelte Motto "Banken müssen Brücken schlagen" gestellt, da die Banken nicht aus ihrer Finanzierungsverantwortung entlassen werden können und es zum Hausbankprinzip bei der öffentlichen Förderung keine Alternative gibt ( Hinweis: Die EU würde kein Programm genehmigen, bei dem die öffentliche Hand mehr als 80 % des Finanzierungsrisikos übernimmt ) .
Gemeinsames Grundverständnis war damals bereits, dass nach Möglichkeit kein sinnvolles und zum Beispiel von den Kammern als tragfähiges eingeschätztes Vorhaben an fehlender Finanzierung scheitert. Hierzu hatte ich damals angekündigt, dass der Bund entsprechend dieses Ziels seine Wirtschaftsförderung neu ausrichtet und z. B. den Aufbau innovativer Netzwerke unterstützt ( z. B. Förderprogramme ProInno, InnoRegio )
2. Was hat der Bund getan?
Beispielhaft nennen möchte ich die Neuregelung bei der Investitionszulage und das DtA-Startgeld.
Die Investitionszulage beträgt nunmehr bei kleinen und mittleren Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes im Regelfall 25 % und in den Grenzregionen zu Polen und Tschechien sogar 27,5 % .
Ökonomisch bedeutet die Investitionszulage, auf die ein Rechtsanspruch besteht, eine direkte Stärkung der Eigenkapitalbasis. Durch die Förderung wird das zumeist nicht oder nicht in hinreichendem Umfang vorhandene private Eigenkapital des Unternehmensinhabern entscheidend verstärkt. Die Investitionszulage wird unabhängig vom Unternehmensalter auch für Modernisierungs- und Erweiterungsinvestitionen gewährt. Damit besteht in den neuen Ländern die Möglichkeit, eine ggf niedrige Eigenkapitalbasis durch Wachstumsinvestitionen zu verbessern. In den alten Ländern, wo dieses Förderinstrument nicht zur Verfügung steht, verschlechtert sich demgegenüber durch Expansion die Eigenkapitalquote, wenn kein externes Eigenkapital hinzugeführt wird. Ein bemerkenswertes Ergebnis vieler "Runde Tisch-Beratungen" unter Moderation der Kammer ist es, dass durch Wachstumsinvestitionen unter Nutzung dieses Förderinstruments und ggf. ergänzender GA-Förderung die Schieflage des Unternehmens abgewendet werden kann und zugleich die Eigenkapitalquote deutlich verbessert wird.
Die erfreulichen Entwicklungen im verarbeitenden Gewerbe - mit Umsatzzuwächsen von 15 % auf Jahresbasis - wären ohne diese Förderhilfen nicht realisierbar gewesen. Allerdings wird die Gesamtentwicklung durch den unvermeidlichen Kapazitätsabbau im Baugewerbe überschattet.
Im Hinblick auf das zur Zeit diskutierte Konsultationspapier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht erhalten die eigenkapitalstützenden Förderinstrumente, zu denen neben der Investitionszulage insbesondere auch die GA-Investitionszuschüsse, das Eigenkapitalhilfeprogramm, das Eigenkapitalergänzungsprogramm, das von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank bereitgestellte Beteiligungskapital für Technologieunternehmen sowie der Konsolidierungsfonds der Deutschen Ausgleichsbank zählen, besondere Bedeutung. Die Eigenkapitalquote ist ein wichtiger Faktor für die Bonitätseinschätzung eines Unternehmens und dürfte daher für die Verfügbarkeit und die Konditionen von Fremdkapital noch stärkere Bedeutung erhalten.
Gelegentlich werde ich gefragt, wieviel Mittel für die Investitionszulage in diesem und ggf. in den Folgejahren zur Verfügung stehen. Die Antwort ist einfach: Wegen des Rechtsanspruches gibt es keine betragsmäßige Begrenzung. Gemeinsames Ziel muss es daher sein, dass möglichst viele Vorhaben realisiert werden und die Banken ihrer Verantwortung bei der Mitfinanzierung gerecht werden.
Beipiel 2:
Das DtA-Startgeldprogramm wurde entwickelt, um Gründungen mit geringem Kapitalbedarf zur Realisierung zu verhelfen. Bei Gründungsvorhaben bis zu 100.000 DM erhalten die Banken eine 80 % ige Haftungsfreistellung und zudem eine einmalige Bearbeitungsgebühr von 1.000 DM. Gerade für Gründer im Dienstleistungsbereich, die oft nur ein Notebook und eine Büroausstattung benötigen, ist dies eine zunehmend in Anspruch genommene Finanzierungsquelle. Monatlich gehen über 100 Anträge aus den neuen Ländern in diesem Programm bei der Deutschen Ausgleichsbank ein.
Das Potenzial dieses Programms ist nach meinem Eindruck jedoch bei weitem noch nicht ausgeschöpft. So erreichen das Bundeskanzleramt Klagen von Antragstellern, dass der Wunsch um ein Finanzierungsgespräch mit dem Hinweis auf zu geringes Kreditvolumen bereits telefonisch abgelehnt wird. Nach Angaben von Existenzgründern sollen Filialmitarbeiter vor Ort einzelner hier vertretener Banken die Auskunft gegeben haben, dass man nur bei Vorhaben ab 200.000 DM - gelegentlich werden auch 300.000 DM oder 500.000 DM genannt - an einer Finanzierung interessiert sei. Fragt man in den Niederlassungsleitungen nach, wird diese Grundsatzaussage nicht bestätigt.
In einem mir vorliegenden aktuellen Fall aus Sachsen-Anhalt ( Nothilfe bei Computerproblemen ) , bei dem es sich um einen Kreditwunsch aus dem DtA-Startgeld-Programm von DM 40.000 gehandelt hat, wurde der Wunsch um ein Beratungsgespräch von der Filiale einer großen Privatbank zweimal telefonisch abgelehnt. Auf schriftliche Nachfrage hat der Gründer die Auskunft erhalten, dass man mit Kreditmitteln nicht zur Verfügung stehen könne.
Wir haben uns an die für die Koordination des Firmenkundengeschäftes dieser Bank zuständige Stelle in Berlin gewandt. Von dort erhielten wir Ende Februar diesen Jahres ein Antwortschreiben, aus dem ich zitieren möchte: "Ausschlaggebend für die Beurteilung ist nicht das Finanzierungsvolumen, sondern die zukünftigen Erfolgsaussichten dieser Branche. Aufgrund unserer Erfahrungen in der Computerbranche wurde in dem Informationsgespräch das Vorhaben eher ablehnend beurteilt". Jedoch: Der Gründer hat nie einen Gesprächstermin in der Bank erhalten. Auch wurde die Filiale vor Ort von der zentralen Konzernniederlassung in Berlin zunächst nicht gebeten, das Verhalten zu korrigieren und nunmehr einen Termin anzubieten. Erst nach nochmaliger Intervention meiner Mitarbeiter auf o. a. Schreiben ist nun ein Gesprächstermin vereinbart. Wir werden den Fall weiter beobachten.
Es geht bei Gründungen um Lebensperspektiven von Menschen, es geht um Investitionen und Arbeitsplätze in unserem Land. Hier haben wir alle eine gemeinsame Verantwortung. Es darf nicht sein, dass von Niederlassungsleitungen das Verhalten von Filialen vor Ort gedeckt wird, die Gründern keinen Termin anbieten. Dies gilt umsomehr, als im DtA-Startgeldprogramm dem Anliegen der Banken nach Risikoentlastung ( 80 % ) und Bearbeitungsgebühr ( immerhin 1.000 DM pro Fall ) bereits größtmöglich Rechnung getragen worden ist.
In Sachsen-Anhalt, wo der von mir genannte Beispielsfall handelt, ist am 3. Mai 2000 die ego-Gründungsinitiative gestartet worden. Die gemeinsame Erklärung der Partner zählt 23 Unterschriften ( u. a. Kammern, Sparkasse, DtA, Hochschulen ) , jedoch sind die Privatbanken dieser Initiative bislang nicht beigetreten. Lassen Sie mich die Bitte äußern, dass Ihr Verband, Herr Most oder die Mitgliedsinstitute selbst z. B. im Rahmen der Veranstaltung zum 1-jährigen Bestehen von ego am 3. 5. 2001 der Initiative beitreten.
4. Basel II
Hintergrund für die vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht derzeit überarbeiteten internationalen Eigenkapitalstandards der Banken, die zum Beispiel auch in den USA und Japan gelten werden ( geplantes Inkrafttreten 1. Januar 2004 ) ist es, dass leider international die Bankhäuser nicht eine derartige Stabilität haben, wie die in Deutschland ansässigen Institute. Zwar geraten auch in Deutschland gelegentlich Kreditinstitute in Schlagzeilen. Ich denke an einen aktuellen Fall hier in Berlin, bei dem der zurückgetretene Vorstandssprecher noch Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus in Berlin ist. Jedoch hat bislang nicht die Sicherheit der Spareinlagen auf dem Spiel gestanden.
Nach meiner Einschätzung ist daher die deutsche Kreditwirtschaft gegenüber manchen Banken in Japan und in den USA gut gerüstet. Ein diesbezügliches Indiz ist für mich auch, dass z. B. Ihr Haus, Herr Most, im letzten Jahr den Gewinn von 5 auf knapp 10 Mrd. DM nahezu verdoppeln konnte und auch die anderen namhaften Großbanken eine positive Ergebnisentwicklung aufwiesen. Wie mir berichtet wurde, können zumindest die in Ihrem Verband vertretenen Großbanken bei der derzeitigen Eigenkapitalsituation noch ein deutlich größeres Kreditvolumen darstellen. Hieran wird sich auch durch Basel II nichts ändern.
Erfreulich ist, dass im nun vorliegenden zweiten Konsultationspapier wichtige deutsche Anliegen aufgenommen wurden. Beispielhaft nennen möchte ich die Anerkennung eines auf bankinternen Ratings gestützten einfachen Ansatzes. Ferner ist nunmehr eine Sonderregelung für Kredite an Privatkunden, Freiberufler und kleinere Gewerbetreibende vorgesehen. So kann auf einer Bonitätsbeurteilung auf der Ebene des Einzelschuldners verzichtet werden. Stattdessen sollen die Banken Kredite zu mehr oder minder homogenen Gruppen ( Segmenten ) zusammenfassen können und mit ihrer Risikoüberwachung auf der Ebene dieser Gruppen ansetzen können.
Viele wichtige Details der neuen Vorschriften sind noch offen, wobei die Kreditwirtschaft intensiv in den Konsultationsprozess eingebunden ist.
5. Bitten an das Bankgewerbe:
Damit nach Möglichkeit jedes von den Kammern als tragfähig eingeschätztes Vorhaben nicht an fehlender Finanzierung scheitert, erlauben Sie mir, drei Bitten zu äußern.
Meine erste Bitte an die hier vertretenden Institute ist, jeden Finanzierungsantrag intensiv zu prüfen und sich Zeit für Beratungsgespräche z. B. mit Existenzgründern zu nehmen. Den Antragstellern sollten die Entscheidungsgründe ausführlich erläutert werden ( keine pauschale Ablehnung ) .
Meine zweite Bitte ist, öffentliche Finanzierungshilfen des Bundes und der Länder in das Finanzierungskonzept einzubeziehen. So werden im Rahmen des bewährten Eigenkapitalhilfe-Programms die eigenen Mittel des Gründers mit eigenkapitalähnlichen Mitteln auf 40 % der Investitionssumme aufgestockt. Dieses ist ein wesentlicher Beitrag zur Investitionsfinanzierung, bei dem der Bund das Spitzenrisiko übernimmt. Ich verweise auf das Vorabbefriedigungsrecht der Hausbanken. Gerade auch vor dem Hintergrund von Basel II hat dieser Wunsch besondere Bedeutung, da die Beantragung von Eigenkapitalhilfe und anderen eigenkapitalähnlichen Fördermitteln in der späteren Phase der Unternehmensentwicklung nicht nachgeholt werden kann.
Meine dritte Bitte wäre, Unternehmen auch in schwierigen Situationen zu begleiten, ihnen Beratungshilfen zuteil werden zu lassen und sie ggf. frühzeitig an den Runden Tisch der Kammern und der Deutschen Ausgleichsbank zu verweisen. Sagen sie dem Unternehmer bereits jetzt, in welche Ausfallklasse sein Unternehmen eingestuft wird und wie er sich verbessern kann. In mehreren Fällen haben die hier vertretenen Institute durch teilweisen Forderungsverzicht bzw. Umwandlung von Darlehen in stille Beteiligungen die Überschuldung von Unternehmen, z. B. wenn Förderungsausfälle eingetreten sind, abgewendet. Gehen Sie weiter auf diesen Weg!!
Mein konkreter Vorschlag wäre, sich künftig auch mit den beiden anderen Bankengruppen, dem BMWi, dem BMF und den Förderbanken des Bundes in regelmäßigen Abständen zu treffen, um die im Rahmen der Unternehmensfinanzierung in den neuen Bundesländern anstehenden Fragen gemeinsam zu erörtern und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.