Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 21.03.2001

Untertitel: Nicht Jubel, aber Optimismus ist angesagt, Optimismus in einer Branche, die der Wachstumsmotor entwickelter Volkswirtschaften bleiben wird. Zu Pessimismus gibt es keinen Anlass. Europa ist stärker geworden und Deutschland auch.
Anrede: Herr Ministerpräsident! Herr Oberbürgermeister!Herr Präsident Dr. Jung!Verehrte, liebe Frau Jung!Verehrte, liebe Frau Fiorina!Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/61/34261/multi.htm


Erinnern wir uns, vor einem Jahr auf dieser Messe: Grenzenloser Jubel allenthalben und die Analysten überboten einander mit immer neuen Rekordmeldungen; die New Economy als Antrieb einer Weltwirtschaft, die keine Grenzen des Wachstums und erst recht keine Rückschläge kennt.

Heute sieht man gelegentlich gramgebeugte Analysten, die längst vergessen haben, was sie vor einem Jahr noch für ganz sicher hielten, und man sieht 25-jährige Yuppies, die unter gewaltigen Ängsten deshalb leiden, weil ihre Szenezeitungen immer weniger sagen, dass und wie man binnen Halbjahresfrist Millionär wird.

Mein Rat ist: Geht es nicht ein bisschen rationaler? Nicht Jubel, aber Optimismus ist angesagt, Optimismus in einer Branche, die der Wachstumsmotor entwickelter Volkswirtschaften bleiben wird. Es ist Ihre Branche, von der ich rede. Ich denke, gerade jetzt ist es nötig zu sagen: Zu Pessimismus gibt es keinen Anlass. Sicher - Herr Präsident Dr. Jung hat darauf hingewiesen - , die Konjunktur in Amerika schwächelt ein wenig und Japan ist in ernsten Schwierigkeiten. Aber Europa ist stärker geworden und Deutschland auch. Der Osten dieses alten Kontinents wächst überproportional und wir, wir werden dieses Europa zusammenbringen. Wir, diese Generation, haben die einmalige Chance, diesen alten Kontinent, auf dem so viel Blut so vieler Völker vergossen wurde, zu einem Ort dauerhaften Friedens und der Wohlfahrt seiner Menschen zu machen. Dazu brauchen wir Optimismus und die Kraft der Tüchtigen. Wir brauchen aber auch die Erkenntnis, dass wirtschaftlicher Erfolg auf Dauer nur durch harte Arbeit und weniger durch schnelle Spekulationen zu erzielen ist.

Das Signal, das von dieser CeBIT ausgehen muss, heißt: Die New Economy ist erwachsener geworden und die Häutungen, die es gibt, scheiden die Spreu vom Weizen. Sie sind deshalb durchaus zu begrüßen. Das war in der Wirtschaftsgeschichte immer so und das mag das Wachstum verlangsamen. Aber es schafft eine solidere Basis für neues Wachsen und darauf sollten wir alle bauen. Wir jedenfalls werden darauf bauen. Wir haben nicht vor, Wachstumsziele zurückzunehmen, sondern wir haben vor, um jedes Zehntelprozent zu kämpfen; denn wir wissen: Wenn man kämpft, kann man zwar verlieren. Aber wenn man nicht kämpft, hat man schon verloren.

Diejenigen von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die nicht zum ersten Mal an dieser Messe teilnehmen, wissen, dass es mir ein ganz besonderes Vergnügen ist, hier bei der Eröffnung in Hannover dabei sein zu können, in Hannover - der Oberbürgermeister hat darauf hingewiesen - , einer Stadt, die sich als weltoffen und gastfreundlich begreift und die das auch in diesen Tagen wieder unter Beweis stellen will und unter Beweis stellen wird.

Ich denke, dass es zu Pessimismus auch deshalb keinen Anlass gibt, weil - auch darauf ist hingewiesen worden - die CeBIT Jahr um Jahr neue Messerekorde erzielt. Allein in diesem Jahr werden wieder 8.000 Aussteller aus 60 Ländern erwartet. Ich denke, die hier präsentierten Produkte - die Chefin von Hewlett-Packard hat, wie ich finde, eindrucksvoll darauf hingewiesen - und Verfahren werden unsere Zukunft prägen wie nur wenige andere technische und wissenschaftliche Entwicklungen. Information und Kommunikation - das ist hier sichtbar - auf weltweit höchstem technischen Niveau: Internet, Mobilfunk und E-Commerce, das heißt eben auch vernetzte Rechner und vernetztes Denken. Das alles wird immer mehr zum selbstverständlichen Bestandteil unseres täglichen Lebens und Arbeitens. Information und Kommunikation haben uns alle ein Stück internationaler gemacht, haben die Menschen in dieser Welt durchaus näher zusammenrücken lassen.

Das alles heißt natürlich nicht, dass nicht noch große Anstrengungen vor uns lägen. Der Zugang zu den Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten ist - das ist ein ernstes Problem - weltweit immer noch sehr ungleich verteilt. Das hat ökonomische Gründe - allemal - , bisweilen aber auch politische Gründe. Gründe und Ursachen, die wir miteinander ändern müssen, wenn wir wollen, dass alle Menschen die Chance bekommen, an diesen Fortschritten und damit an den Möglichkeiten für ein besseres Leben umfassend teilzuhaben. Auch das ist Verantwortung der Industriegesellschaft. In manchen Industriestaaten - mein eigenes Land nicht ausgenommen - müssen wir auf dem Gebiet der Ausbildung, aber auch in puncto Internationalität noch einiges aufholen, um nicht Gefahr zu laufen, den Anschluss zu verlieren.

Ich möchte an dieser Stelle die Bemerkung machen: Das Internet ist ein demokratisches Medium. Es steht für Meinungsfreiheit und Chancengleichheit. Prinzipiell hat jeder Mensch die Möglichkeit des gleichen Zugangs zu den Daten und Informationen im weltweiten Netz der Netze. Aber - auch das darf uns nicht kalt lassen - es gibt Missbrauch. Über das Internet werden auch Menschen verachtende Aufrufe zu Gewalt, Rassenhass und zu Feindlichkeit gegenüber anders Aussehenden und anders Denkenden verbreitet. Ich denke, es ist auch unsere gemeinsame Verantwortung, dagegen vorzugehen. Ich hielte es für ein wichtiges und ein ermutigendes Signal, wenn noch mehr Unternehmen sich an Aktivitäten wie der hier vertretenen Initiative "IT-Unternehmen gegen rechte Gewalt" auch und gerade als Signal von dieser Messe beteiligen.

Trotz der Entwicklung des letzten Jahres - ich meine vor allen Dingen die Entwicklung an den Börsen - gibt es keinen Anlass, die Perspektiven der Informations- und Kommunikationstechnik insgesamt skeptisch zu sehen oder herunterzureden. Dagegen sprechen zum einen die Zahlen; Präsident Jung hat darauf hingewiesen. Schätzungen zufolge wird die Zahl der Mobilfunkteilnehmer im kommenden Jahr die Milliardengrenze überschreiten. In Deutschland wird es einer BITKOM-Studie zufolge im Jahr 2003 erstmals mehr Mobiltelefone als Einwohner geben. Weltweit sind mittlerweile rund eine halbe Milliarde PCs in Gebrauch. Seit 1997 ist allein der deutsche IT-Markt im Jahresdurchschnitt um neun Prozent gewachsen. Damit verbunden ist - das freut mich natürlich besonders - ein kräftiger Beschäftigungsaufschwung. 800.000 Menschen sind inzwischen in der Informations- und Kommunikationswirtschaft tätig. Das ist ein Zuwachs von mehr als 130.000 innerhalb von vier Jahren.

Vor allem aber entfalten sich die enormen Wachstumschancen der New Economy in dem Maße, wie sie mit der so genannten Old Economy zusammenwächst, wie beide einander durchdringen und neue Verfahren in den klassischen Industrien und Dienstleistungen zum Einsatz kommen. Es liegt auf der Hand, dass die Informations- und Kommunikationstechnik ein kräftiger Motor sowohl der New als auch der Old Economy ist. Dennoch müssen wir feststellen, dass die Beschäftigungs- und Wachstumspotenziale noch nicht überall wirklich ausgeschöpft werden.

Wir haben mit unserer Steuerreform, mit der wir gleichzeitig die Kaufkraft der Haushalte und die Investitionskraft der Unternehmen nachhaltig stärken, die Voraussetzungen geschaffen, Innovations- und Investitionshemmnisse abzubauen. Auch das Zukunftsinvestitionsprogramm, mit dem wir nicht nur Investitionen im Bereich Bildung und Forschung vornehmen, sondern auch in die Infrastruktur und in den Klimaschutz, wirkt in diese Richtung. Ich bin sicher und weiß, dass diese Signale gerade in den IT-Branchen verstanden und aufgenommen worden sind. Aber in vielen - nicht in allen - Regionen Deutschlands bleiben IT-Arbeitsplätze unbesetzt, weil nicht genügend qualifizierte Bewerber zur Verfügung stehen. Diesen Missstand, den es immer noch gibt, wollen wir mit einer zweigleisigen Strategie beheben.

Zum einen haben sich Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften im Bündnis für Arbeit auf eine IT-Offensive verständigt, und zwar mit beachtlichem Erfolg; man soll das ruhig einmal sagen. Das eigentlich erst für das Jahr 2003 vereinbarte Ziel, 40.000 Ausbildungsplätze in den IT- und Medienberufen bereitzustellen, wurde bereits im jetzt laufenden Ausbildungsjahr nicht nur realisiert, sondern übertroffen. Die Wirtschaft hat inzwischen zugesagt - ich bin dankbar dafür - , bis zum übernächsten Jahr weitere 20.000, dann also insgesamt 60.000 modernste Ausbildungsplätze in diesen Berufen bereitzustellen.

Allerdings wäre es schon aus Gründen der demographischen Entwicklung sicher verfehlt, bei der Suche nach qualifizierten Fachkräften allein auf die jüngere Generation zu bauen. Anfang März haben sich daher die Partner im Bündnis für Arbeit darauf verständigt, initiativ zu werden, um die Beschäftigungschancen auch älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern. Mein Eindruck ist, dass diese Vereinbarung gerade den Betrieben der IT-Branche, die Fachkräfte suchen, einen guten Ansatzpunkt bietet, verstärkt über die rechtzeitige und fortlaufende Weiterbildung auch und gerade älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachzudenken.

Die Arbeitsämter haben ihre Maßnahmen zur Weiterbildung in diesen Bereichen noch einmal erheblich ausgeweitet und im vergangenen Jahr 46.000 Personen in diesem Bereich qualifiziert. Auch das ist ein erfreuliches Signal: 50.000 Arbeitslose haben inzwischen unser Angebot genutzt, einen "Internetführerschein" zu erwerben, um damit ihre Beschäftigungschancen - so schwierig es sein mag - doch signifikant zu erhöhen. Das Internet kann im Übrigen auch bei der Jobsuche helfen. Darum wollen wir, dass Arbeitslose künftig viel stärker das Internet nutzen. Wir werden deshalb flächendeckend in allen 181 Arbeitsämtern Internetcenter errichten, die alle im Internet vorhandenen Jobangebote zugänglich machen.

Parallel dazu hat der Staat seine Anstrengungen verstärkt, um den Engpass bei IT-Fachkräften mit akademischem Abschluss so rasch wie möglich zu beseitigen. Wir haben dazu viel Geld für die Weiterentwicklung des Informatikstudiums bereitgestellt. Aus dem, was Präsident Jung gesagt hat, ersehen Sie, dass das Wirkungen zeitigt. Unsere Anstrengungen werden dafür sorgen, dass die Zahl der neu immatrikulierten Studenten in Informatikstudiengängen - im vergangenen Jahr war es bereits ein Drittel mehr als 1999 - weiter steigen wird.

Zugleich müssen wir aber die akute Knappheit an IT-Fachkräften überbrücken. Wenn wir nicht den Anschluss verlieren wollen, können wir nicht warten, bis genügend inländische Bewerber ausgebildet sind und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Deshalb habe ich - das ist die zweite Schiene unserer Strategie - vor einem Jahr angekündigt, für ausländische IT-Spezialisten aus Nicht-EU-Ländern die Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland durchgreifend zu verbessern. Inzwischen haben die zuständigen Behörden rund 6.000 der so genannten Green Cards vergeben. Jede Woche kommen 200 weitere hinzu.

Übrigens: Fast zwei Drittel dieser Arbeitserlaubnisse kommen Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten zugute. Es ist also keineswegs nur die Großindustrie, die da gute Leute bekommt, sondern es sind gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, denen wir damit geholfen haben. Dies zeigt, dass der Mittelstand von dieser Regelung besonders profitiert - eine für mich erfreuliche und auch beabsichtigte Entwicklung; denn die kleinen und mittleren Betriebe - wir wissen es - sind es vor allem, die in unserer Volkswirtschaft neue Arbeitsplätze schaffen. Deshalb hat sich dort die Green Card als ein gutes Instrument erwiesen.

Neueste Studien zeigen, dass durch die Beschäftigung eines zugewanderten IT-Experten hier im Land im Durchschnitt etwa drei Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Deshalb war die Greencard ein erster wichtiger Schritt, um dem Arbeitsmarkt in Deutschland weitere Impulse zu geben. Ich spreche ganz bewusst von einem ersten Schritt, weil ihm weitere folgen müssen. Wenn wir in Deutschland im Wettbewerb um die besten Köpfe in der Welt nicht verlieren wollen, benötigen wir bei uns eine sachliche und sachkundige Diskussion über eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung und entsprechende Entscheidungen. Es ist meine Auffassung, dass in Deutschland hervorragend ausgebildete ausländische Studenten, zum Beispiel im Maschinenbau und in den Naturwissenschaften, die Möglichkeit haben sollen, in unserem Land auch zu arbeiten.

Die vom Bundesinnenminister eingesetzte Zuwanderungskommission wird im Sommer ihre Ergebnisse vorstellen. Wir werden dann die entsprechenden Entscheidungen noch in dieser Legislaturperiode treffen, so dass wir ein Zuwanderungsrecht bekommen, das modernen Anforderungen genügt.

In diesem Zusammenhang wird auch über die derzeitige Fünfjahresfrist bei der Erteilung dieser so genannten Green Cards zu reden und zu entscheiden sein. Wir werden und wollen dem dann jedenfalls nicht ausweichen, wenn das nicht als Ausrede dafür benutzt wird, auf die Qualifikation und die Qualifizierung unserer Leute hier in Deutschland zu verzichten. Aber nach dem, was ich von Ihnen gehört habe, haben Sie ohnehin nicht vor, einen solchen Weg zu gehen.

Irritationen hat es in der Vergangenheit auch beim Thema Urheberrechtsabgabe auf Computer und sonstige IT-Geräte gegeben. Ich begrüße deshalb, dass die IT-Branche und die Verwertungsgesellschaften den Dialog fortsetzen, um in dieser Frage zu einer Lösung zu kommen - wo die Bundesregierung hilfreich sein kann, um das mit Nachdruck zu betreiben, werden wir das tun, so man um Vermittlung einkommt - , einer Lösung, die der weiteren Verbreitung und der Wettbewerbsfähigkeit der Produktion von IT-Geräten in Deutschland ebenso Rechnung trägt wie dem selbstverständlichen Schutz des geistigen Eigentums. Wir möchten dazu beitragen, dass so schnell wie möglich ein für beide Beteiligten tragfähiges Ergebnis erzielt wird.

Mit der Versteigerung der UMTS-Lizenzen hat Deutschland im vergangenen Jahr eine Brücke zum Einstieg in die Mobilfunkstrukturen der dritten Generation geschlagen. Nun kommt es darauf an, die Infrastruktur für dieses zukunftsweisende System aufzubauen, damit die großen Potenziale von UMTS für Wachstum und Beschäftigung auch tatsächlich umgesetzt werden können. Bis Ende 2003 sollen 25 Prozent der Bevölkerung UMTS nutzen können und bis Ende 2005 schon 50 Prozent.

Wie wir wissen, stehen Überlegungen für einen gemeinsamen Aufbau von Teilen der UMTS-Infrastruktur im Raum. Wenn Kostenvorteile, etwa durch einen gemeinschaftlichen Betrieb von Sendeanlagen oder durch andere wettbewerbskonforme Kooperationen zu erzielen sind, dann meine ich, dass sie auch genutzt werden sollten. Ich glaube, das sind wir den Investoren, die ja nicht wenig Geld für den Erwerb der Lizenzen ausgegeben haben, auch schuldig. Wir sehen das jedenfalls so. Dies liegt im Übrigen auch im Interesse der Endbenutzer.

Das dynamische Wachstum der Informations- und Kommunikationswirtschaft in unserem Land zeigt, dass immer mehr Deutsche die auch im internationalen Vergleich exzellente IT-Infrastruktur intensiv nutzen. Die Zahl der Mobilfunkteilnehmer ist auf 48 Millionen angestiegen, mehr als doppelt so viel wie 1999. Zehn Millionen Deutsche haben im Jahr 2000 erstmals das Internet erkundet. Wir, die Bundesregierung, werden und wollen alles daran setzen, diese positive Entwicklung weiter voranzubringen. Wir glauben nämlich, dass die Kompetenz möglichst vieler Menschen in der Anwendung der Informations- und Kommunikationstechniken von entscheidender Bedeutung für sie selber ist, aber auch für die Wettbewerbsfähigkeit unserer, der deutschen Wirtschaft, aber auch für die aktive und gleichberechtigte Teilhabe der Menschen an den Chancen, also am Haben und am Sagen in unserer Gesellschaft. Beides zu sichern ist das Ziel des Programms "Internet für alle", das die Bundesregierung vor einem halben Jahr vorgestellt hat. Die Umsetzung dieses Programms ist gut vorangekommen.

Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen.

Erstens: Die Ausstattung der Schulen mit Computern und Internetanschlüssen ist weit fortgeschritten. Noch in diesem Sommer werden praktisch alle Schulen in Deutschland über einen Internetzugang verfügen.

Dieser Erfolg wäre nicht erreicht worden ohne das Engagement der privaten Wirt-schaft in der Initiative, die wir "D 21" nennen, also Deutschland im 21. Jahrhundert. Dafür möchte ich allen Beteiligten an dieser Stelle ganz herzlich danken. Aber Gerechtigkeit muss sein: Besonders danke ich der Deutschen Telekom AG, Herr Sommer, die sich hier wirklich massiv eingebracht hat. Übrigens zeigt dieses Beispiel, dass die Deutsche Telekom nicht nur ein dynamisches und zukunftsträchtiges, sondern auch ein verantwortungsbewusst handelndes Unternehmen ist. Ein Unternehmen, von dem wir wissen, das es national und international gut aufgestellt ist, und mit dessen selbstständiger und selbstbewusster Führung einer Aktiengesellschaft wir vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Mit diesem Dank verbinde ich die Bitte, in dem Sponsoring für Schulen nicht nachzulassen; denn gerade bei der Ausstattung der Schulen mit hochwertigen Computern besteht in vielen Fällen noch Nachholbedarf. Was spräche zum Beispiel dagegen, die Hard- und Software, die Sie, meine Damen und Herren, hier in Hannover in den kommenden Tagen ausstellen, nach dem Ende der CeBIT einmal an die Schulen weiterzugeben?

Zweitens: Mit der Öffnung des Marktes für Telekommunikationsdienste und der effizienten Tätigkeit der Regulierungsbehörde hat sich die Wettbewerbsdynamik in diesem Bereich enorm verstärkt. Das Ergebnis sind marktorientierte Preise und ein moderner, weil kundenorientierter Service. So ist das Surfen im Internet innerhalb des vergangenen Jahres um bis zu 60 Prozent preiswerter geworden und inzwischen hierzulande günstiger als in vielen anderen europäischen Ländern.

Drittens: Auch in steuerlicher Hinsicht haben wir die Nutzung von Internet und moderner Informationstechnik attraktiver gemacht. Beschäftigte, die ihren privaten Computer überwiegend beruflich nutzen, können inzwischen auch dann Werbungskosten steuerlich geltend machen, wenn dieser Computer einen Internetanschluss hat. Die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz haben wir seit dem vergangenen Jahr steuerfrei gestellt. Ich füge hinzu: Das wurde auch hohe Zeit.

Viertens: Die internationale Führungsrolle Deutschlands beim Internethandel wird weiter ausgebaut. Wir unterstützen das. Herr Präsident Jung hat darauf hingewiesen: In diesem Jahr werden das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung ersatzlos gestrichen. Ich bin ganz sicher, verehrte Frau Präsidentin, Sie wissen gar nicht, was das ist; viele von uns im Übrigen auch nicht. Wir werden es deswegen auch streichen.

Damit verbessern wir nicht nur die Wettbewerbsposition von Internetunternehmen in Deutschland. Das im vergangenen Monat vom Bundestag verabschiedete Gesetz über die Rahmenbedingungen für die elektronische Signatur verbessert die Sicherheit und stärkt damit das unerlässliche Vertrauen in Geschäftstransaktionen im Internet.

Fünftens: Selbstverständlich darf und wird auch der Staat sich nicht vom Zug ins Informationszeitalter abkoppeln. Besser, er wird sogar zu einer Lokomotive. Wir werden deshalb bis 2005 alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung - nur für die, Herr Ministerpräsident, sind wir zuständig - online bereitstellen. In ein paar Jahren wird kein Student mehr vor dem BAföG-Amt Schlange stehen müssen und es wird sich niemand mehr einen Tag Urlaub nehmen müssen, um beim Straßenverkehrsamt sein Auto anzumelden. Jetzt müssen Sie mir nur noch sagen, dass diejenigen, die hier sind und jetzt geklatscht haben, ihr Auto ständig selber anmelden.

Ich nenne ein weiteres Thema, das für die technologische Wettbewerbsfähigkeit Europas von beachtlicher Bedeutung sein könnte. Ich spreche vom europäischen Satellitennavigationssystem Galileo. Studien der Europäischen Kommission und der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA schätzen den volkswirtschaftlichen Nutzen dieses Projektes sehr hoch ein. Dies beinhaltet auch große Chancen für das Entstehen neuer, hochqualifizierter Arbeitsplätze. Galileo - das muss ich sagen - kann allerdings nur in einer gemeinsamen Anstrengung von Wirtschaft und Staat realisiert werden. Die Bundesregierung ist hierzu bereit.

Was uns bis heute noch fehlt, ist ein eindeutiges Signal der deutschen und auch der europäischen Wirtschaft. Wir müssen wissen, ob auf der Unternehmerseite eine wirkliche Bereitschaft besteht, in fairem Wettbewerb zu GPS in diese Zukunftstechnologie zu investieren und damit den Wettbewerb mit den verehrten und ja wettbewerbsgewohnten Freunden in Amerika wirklich aufzunehmen. Der beste Weg für eine schnelle Verwirklichung von Galileo wäre eine umgehende Ausschreibung. Wenn sich infolgedessen die Wirtschaft klar zu diesem Projekt bekannt hat, wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene entsprechend - das heißt bedauerlicherweise für uns auch immer materiell - engagieren.

In der Informationsgesellschaft stellt das Wissen und das Können der Menschen das dar, was für die Agrargesellschaft der Boden war und für die Industriegesellschaft Kapital und vielleicht natürliche Rohstoffe. Investitionen in Bildung und Forschung sind deshalb ohne Frage der Schlüssel zu Wohlstand, sozialer Sicherheit und Chancengerechtigkeit.

Der vor zwei Wochen vorgelegte Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands zeigt auf - dies ist ein ermutigendes Signal, finde ich - , dass das deutsche Innovationssystem zu neuer Stärke gefunden hat. Fast wäre ich bemüht zu sagen: Darauf bin ich stolz.

Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft wurden seit 1997 kräftig ausgeweitet. Die Bundesregierung hat den Bildungs- und Forschungsetat trotz der Zwänge zur Haushaltskonsolidierung, der Zwänge aus ökonomischen Gründen auch, auf die Rekordhöhe von inzwischen fast 16 Milliarden DM gesteigert. Wir setzen jetzt im Sommersemester eine BAföG-Reform in Kraft, die diesen Namen auch verdient. Dadurch erhalten zusätzlich mehr als 80.000 junge Menschen eine Förderung und entsprechende Möglichkeiten zu studieren.

Allerdings: Gerade die deutschen Hochschulen müssen sich wieder stärker zu Werkstätten der Zukunft entwickeln. Aufgabe der Politik ist es deshalb, dafür moderne und wettbewerbsfähige Strukturen zu schaffen. Deshalb werden wir noch in dieser Legislaturperiode eine umfassende Reform des Hochschuldienstrechtes auf den Weg bringen. Für die Besoldung der Hochschullehrer, der Professoren also, sollen künftig nicht mehr in erster Linie Lebensalter, sondern vor allen Dingen Engagement und auch Leistung der Maßstab sein.

Wir werden damit auch beginnen. Mit der Einführung der so genannten Juniorprofessur wollen wir angehenden Hochschullehrern die Möglichkeit bieten, bereits im Alter von 30 Jahren und nicht erst mit 40 oder noch später selbstständig zu forschen und auch zu lehren. Es darf uns eben nicht gleichgültig lassen, wenn befähigte junge Wissenschaftler ins Ausland gehen, weil sie noch nicht alt genug sind, um bei uns voranzukommen.

Ich habe eingangs von den glänzenden Wachstums- und Beschäftigungschancen der Informations- und Kommunikationsbranchen gesprochen. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir - im Inland wie weltweit - noch eine Menge vor uns haben, diese Chancen auch wirklich umfassend zu nutzen. Die CeBIT, diese Messe hier in Hannover, als ein Schaufenster der besten Ideen, als Forum und als Kontaktbörse internationaler Zusammenarbeit bietet eine hervorragende Möglichkeit, auf diesem Weg weitere Fortschritte zu erzielen. Deshalb, meine Damen und Herren, wünsche ich Ihnen hier in Hannover einen in jeder Hinsicht Gewinn bringenden Aufenthalt, in dieser schönen Stadt, die so berühmt ist, dass Kurt Schwitters, einer der großen Künstler des vergangenen Jahrhunderts, auf die Frage, was ihn in Hannover hält, geantwortet hat: "Was soll ich in New York, wenn ich Hannover kenne?"

Das ist zurückhaltender hannoverscher Patriotismus. Ich finde es schön, dass Sie hier sind. Ich wünsche Ihnen nicht nur gute Geschäfte, sondern auch einen angenehmen Aufenthalt.

In diesem Sinne erkläre ich die CeBIT 2001 für eröffnet.