Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 25.03.2001

Untertitel: Wir hatten nach langen Jahren eines wirtschaftlichen Wachstums von deutlich unter 2 Prozent in Deutschland im letzten Jahr ein wirtschaftliches Wachstum von 3 Prozent, wenn man die Ölpreisentwicklung heraus rechnet und die exorbitanten Steigerungen, dann sogar darüber.
Anrede: Verehrter Herr Präsident Hauser! Herr Oberbürgermeister! Herr Minister! Liebe Jungmeisterinnen und Jungmeister! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/08/34708/multi.htm


Ich bin ganz glücklich darüber, dass diese Veranstaltung ins Internet gestellt wird; denn anlässlich meines letzten Besuchs in China bin ich schon gefragt worden: "Wann schafft ihr das, diese Veranstaltung ins Internet zu bekommen, damit wir endlich Hansheinz Hausel sehen können?" Ich weiß ja, dass er "Hauser" heißt, aber ihr wisst, die Chinesen haben Schwierigkeiten mit dem R. Also, das Problem ist gelöst; ich muss mich darüber nicht mehr weiter verbreiten, will aber ein paar Bemerkungen zu dem machen, was der Präsident gesagt hat.

Wahr ist, dass die Hälfte - so sagt man - der Wirtschaftspolitik Psychologie sei. Und Psychologie, verehrter Herr Präsident, ist natürlich nicht nur die eine oder andere harte Entscheidung - die hat auch psychologische Auswirkungen - , Psychologie ist vor allen Dingen die Art und Weise, wie man über Wirtschaft und die ökonomische Situation in einem Land redet. Man kann ein Glas bekanntlich halb voll, man kann es aber auch halb leer nennen. Da muss man aufpassen, dass man, wenn ein Glas mehr als halb voll ist, nicht sagt, dass es halb leer ist. Wir hatten nach langen Jahren eines wirtschaftlichen Wachstums von deutlich weniger als zwei Prozent in Deutschland im letzten Jahr ein wirtschaftliches Wachstum von drei Prozent, wenn man die Ölpreisentwicklung herausrechnet und die exorbitanten Steigerungen, dann sogar darüber. Nach allem, was wir heute wissen und wissen können, hat die DIHT-Umfrage, die im Januar abgeschlossen worden ist, auf der Basis von Unternehmensangaben ein Wachstum von 2,8 Prozent in diesem Jahr prognostiziert. Wir haben zweidreiviertel gesagt; das bezeichnet eine Marge zwischen 2,6 und 2,8 Prozent.

Es gibt Institute - das weiß ich sehr wohl - , die ihre Wachstumsaussichten und Prognosen nach unten korrigiert haben, aber immer noch allemal mehr vorhersagen - und das gilt selbst für die pessimistischste Variante - , als wir im Durchschnitt der 90er Jahre je hatten. Das meine ich, wenn ich davon rede, dass das auch ein Teil von Psychologie ist und man als Verantwortlicher in Politik oder in den Verbänden mindestens auch auf diesen Tatbestand hinweisen muss, zumindest hinweisen sollte, weil es sonst Entwicklungen geben könnte, die diesem positiven Trend, den es nachgerade in Deutschland und in Europa gibt, entgegengesetzt sein könnten, und das sollten wir miteinander nicht wollen.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass wir in der Weltwirtschaft heute Probleme haben, die vor einem Jahr so nicht absehbar waren.

Erstens: Wenn Sie sich einmal erinnern, wie die Prognosen für die amerikanische Volkswirtschaft noch im August letzten Jahres lauteten, dann wurde da von Wachstum zwischen vier und fünf Prozent geredet. Heute diskutiert man in Amerika bereits als Erfolg, wenn es ein Wachstum von 0,7 bis maximal ein Prozent gibt. Wir hoffen, dass es das gibt. Gar kein Zweifel, da gibt es Schwierigkeiten! Vielleicht macht es auch Sinn, sich einmal mit den Ursachen der Konjunkturschwäche in Amerika zu befassen, auch und gerade hier.

Ich denke, eine der wesentlichen Ursachen - so jedenfalls die Meinung derer, die sich professionell damit beschäftigen - ist auch, dass sich die Einkommensentwicklung und damit die Entwicklung der Konsumnachfrage in Amerika sehr stark verschoben hat: Weg von der Entwicklung realer Einkommen hin - angesichts der Tatsache, die an sich zu begrüßen ist, dass 60 Prozent der Amerikaner über Aktienvermögen verfügen - zur Bewertung eben dieses Aktienvermögens. Das hat nur ein Problem, was die Nachfrageseite angeht: In Zeiten einer Explosion auf den Märkten, an den Börsen hat das positive Auswirkungen auf die amerikanische Konsumgüter-industrie, weil die Konsumgüternachfrage und die Nachfrage nach bestimmten Investitionsgütern - nehmen Sie Lastkraft- oder Personenkraftwagen - steigen. In Zeiten, wie wir sie jetzt nicht zuletzt auch in den Vereinigten Staaten erleben, wo Dow Jones und Nemax nach unten gehen, hat das negative Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, und zwar negative Auswirkungen in einem Maße, wie wir sie in Europa, in Deutschland zumal nicht kennen.

Hier liegt einer der Gründe für die punktuelle - und ich hoffe, es bleibt eine punktuel-le - Wachstumsschwäche in den Vereinigten Staaten. Eine Wachstumsschwäche, die natürlich Europa und speziell Deutschland berührt. Man kann übrigens sehen, dass diese Wachstumsschwäche, die etwas mit der eben gekennzeichneten Nachfrageschwäche zu tun hat, nicht durch noch so große Flexibilität auf den Arbeitsmärkten aufzuheben ist.

Zweitens haben wir Probleme in Japan, das ist gar keine Frage - übrigens in dem Japan, das uns über ein ganzes Jahrzehnt in Deutschland als das Vorbild für die wirtschaftliche Entwicklung dargestellt worden ist. Als das Vorbild! Man kann nicht unbedingt davon reden, dass wir uns das, wenn man das über einen längeren Zeitraum betrachtet, unbedingt zum Vorbild nehmen sollten; denn die japanische Wirtschaft ist in enormen Schwierigkeiten nicht zuletzt deshalb, weil man dort eine Verschuldensquote bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt von 130 Prozent hat. Wir haben weniger als die Hälfte. Nicht ganz unwichtig!

Ich denke, dass beide Beispiele zeigen, dass Deutschland und mit Deutschland Europa auf einem soliden, auf einem robusten Wachstumspfad ist und dieser robuste Wachstumspfad etwas mit der Art und Weise zu tun hat, wie wir wirtschafts- und finanzpolitisch in der letzten Zeit agiert haben. Wir sollten das nicht preisgeben.

Zwei Entwicklungen, die Deutschland betreffen, will ich noch kurz skizzieren.

Erstens: Da wird gesagt, die portugiesische Wirtschaft wächst mit vier Prozent, die irische sogar mit fünf oder mehr Prozent; nehmt euch daran ein Beispiel. - Liebe Leute, die ihr uns so was empfehlt - man muss sich einmal die Struktur der portugiesischen und der irischen Wirtschaft anschauen und sie mit der deutschen vergleichen. Wenn eine so entwickelte Volkswirtschaft, eine der entwickeltsten der Welt, in den Größenordnungen wie letztes und dieses Jahr wächst, hat das natürlich für ganz Europa eine ganz andere Bedeutung, als wenn die irische und die portugiesische Wirtschaft, die beide noch gewaltigen Nachholbedarf haben, um vier Prozent wachsen. Das darf man nicht außer Acht lassen, denke ich, wenn man sich über ökonomische Tatbestände unterhält.

Ein Zweites: Ich war in der letzten Woche bei der Eröffnung der CeBIT-Messe. Das war auch interessant, Herr Präsident, weil man dort auch eine Rede hören konnte -die Rede des Bitcom-Präsidenten war in Ordnung - , die hieß: Jetzt geht das wirtschaftliche Wachstum in dieser Branche von 11,5 auf 9,8 Prozent zurück; wir sind nah an der Katastrophe. - So ist das gelegentlich in Deutschland. Ich meine, die 0,2 Prozent, um zweistellig zu bleiben, sollten die noch zusammen bekommen - zur Not statistisch; man weiß ja, wie das geht.

Im Ernst: Wenn sich in einer boomenden Branche das Wachstum von 11,5 auf 9,8 Prozent reduziert, und das angesichts der weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten, die ich eben gekennzeichnet habe, dann kann man doch wahrlich nicht von dunklen Wolken am Konjunkturhorizont reden. Wenn Sie sich anschauen, was wir in den Biotechnologien hinbekommen haben: Wir haben den Rückstand in Europa bei weitem aufgeholt, was die Start-up-Unternehmen angeht. Wir müssen da weitermachen, gar keine Frage!

Übrigens ist der Bereich hier ein gutes Beispiel. Ich will - das tue ich an sich selten - jemanden durchaus loben, mit dem ich parteipolitisch nicht viel am Hut habe: Die Initiative zur Förderung der Biotechnologie, die Herr Rüttgers seinerzeit gemacht hat, war in Ordnung, die hat geholfen. Sie hat hier geholfen, sie hat in Deutschland geholfen. Das kann man ja ruhig einmal sagen. Wenn ich mir die Nebenbemerkung erlauben darf: Auf diese Leistung darf er mit meiner Zustimmung stolz sein. Also, auch da bewegt sich was.

Übrigens, das wollte ich noch abschließend zur wirtschaftlichen Lage sagen: Denjenigen, die Angst haben, weil jetzt die Kurse am neuen Markt purzeln, jenen Leuten, denen in den Szene-Zeitungen versprochen worden ist, wenn ihr es nur schlau genug anstellt, könnt ihr durch gute Spekulationen innerhalb eines halben Jahres Multimillionär werden, die das geglaubt haben und jetzt ihre Ziele nicht mehr ganz erreichen, denen möchte ich sagen, dass ich nur begrenztes Mitgefühl mit ihnen habe; das muss ich ehrlich sagen. Was da im Moment passiert, ist eine Häutung, ist das Trennen der Spreu vom Weizen. Das kennen wir aus der Wirtschaftsgeschichte. Das ist übrigens nicht so schlecht, sondern ein notwendiger Prozess. Das wird die Branche, wird die neuen Märkte, die so genannte New Economy, mittel- und langfristig nicht schwächen, sondern es wird sie stärken. Ich bin fest davon überzeugt, und es vermittelt eine Erkenntnis, die jedenfalls alte wie junge Meisterinnen und Meister immer schon hatten: Auf Dauer gibt es wirtschaftlichen Erfolg nur durch harte Arbeit und nicht durch Spekulation.

Also, wir haben guten Grund, davon auszugehen, dass wir in diesem Jahr Wachstumsziele, wie wir sie uns wünschen, erreichen können. Wir haben keinen Grund, angesichts jenes berühmten Satzes, die Hälfte ist Psychologie, in Sack und Asche herumzulaufen. Ganz im Gegenteil, Europa und Deutschland mittendrin ist zurzeit der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft. Und wir sollten diese Verantwortung wahrnehmen und uns entsprechend verhalten.

Was sind die Ursachen dafür? Ich stelle mich hier nicht hin und sage, es ist alles richtig gemacht worden. Aber ich will zu ein paar Fragen doch etwas sagen, weil sie auch in der Rede des Präsidenten angesprochen worden sind.

Erstens: Ich habe von Japan und dessen Schwierigkeiten geredet -130 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt ist Staatsverschuldung. Das bedeutet, dass man, wenn man aus Schwierigkeiten heraus will - besser: gar nicht hinein will - , eine Konsolidierungspolitik in den öffentlichen Haushalten braucht. Konsolidierung heißt Zwang zum Sparen - nicht weil einem das so einfällt, weil man das so gern hat, sondern weil es wirtschaftlich nötig ist. Wir tun das; wir wollen 2006 - und wir werden das schaffen - einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, also einen Haushalt, der auf weitere Neuverschuldung nicht mehr angewiesen ist. Das hat Auswirkungen auf die Finanzmärkte, auch Auswirkungen auf die Möglichkeiten, zu vernünftigen Zinsen für private Investitionen Geld zu bekommen. Wenn der Staat nicht mehr in dem Maße wie in der Vergangenheit auf den Finanzmärkten konkurriert, kann das für die Zinsentwicklung nur gut sein.

Wir machen diese Konsolidierungspolitik, und das hat Konsequenzen. Es wird nicht gehen, zu sagen: Ihr sollt einerseits sparen, andererseits für Bildung und Wissenschaft, für Infrastruktur aber mehr ausgeben, und ihr sollt die Steuerreform vorziehen. Irgendwo ist da ein Denkfehler drin, über den man gerade in solchen Veranstaltungen einmal offen reden muss.

Deswegen sagen wir: Konsolidierung ist unser Ziel. Das bedeutet, dass wir bei den Investitionen Schwerpunkte setzen müssen. Wir tun das bei Bildung und Wissenschaft. Da haben wir die entsprechenden Haushalte zweistellig nach oben gefahren, inzwischen fast 16 Milliarden, obwohl wir für weite Teile der Bildung gar nicht zuständig sind, aber wir machen das. Wir haben, um die Konsolidierungsziele nicht zu gefährden, jene 100 Milliarden, die wir aus den UMTS-Lizenzen erlöst haben, nicht in Politik umgesetzt, an niemanden Geschenke verteilt, sondern in die Schuldenreduzierung gesteckt. Die dadurch ersparten Zinsen, etwa fünf Milliarden, stecken wir in Bildung und Wissenschaft, in Infrastruktur - und zwar bei Bahn und Straße, damit das völlig klar ist - und in bestimmten Bereichen in den Wohnungsbau. Das ist vernünftig, stärkt die Investitionsquote und baut trotzdem Schulden ab.

Zweitens: Was haben wir bei der Steuerpolitik gemacht? Das muss ich noch einmal kurz sagen, weil wir da besser sind, als selbst der Präsident es mitbekommen hat. - Ja, das muss man einmal sagen, weil immer wieder erzählt wird: Ihr habt eine Unternehmenssteuerreform gemacht. - Übrigens: 45 Milliarden werden bereits dieses Jahr mobilisiert, der Rest bis 2005 über die Stufen, die wir gemacht haben.

Was ist der Kern dieser Unternehmenssteuerreform? Wir haben gesagt - und das ist richtig - , wir wollen die insbesondere internationalem Wettbewerb ausgesetzten Körperschaften, also die Kapitalgesellschaften, was den Körperschaftsteuersatz angeht, mit 25 Prozent besteuern. Das soll dem Staat genügen. Darauf kommen im Bundesdurchschnitt 13 Prozent Gewerbeertragsteuer. Wenn der Oberbürgermeister das reduziert, ist das gut für die Wirtschaft, das ist seine Verantwortung; wenn er das kann, soll er das tun. Wir haben nichts dagegen. Wenn er das nicht tut, müssen Sie sich bei ihm oder bei jedem anderen Oberbürgermeister beschweren, nicht bei uns; denn wir haben auf die kommunalen Steuern keinen Einfluss; das steht so in der Verfassung. Also, diese Kapitalgesellschaften zahlen 38 Prozent im Durchschnitt des Landes, weil Sie die kommunalen Steuern draufrechnen müssen.

Wie ist das bei den Personengesellschaften? Die Personengesellschaften, das weiß hier jeder, werden nach Einkommensteuerrecht veranlagt. Ab 1. Januar dieses Jahres gilt ein Spitzensteuersatz von 48,5 Prozent. Jetzt muss man aber eines wissen: Wir haben eine uralte Forderung des Handwerks realisiert. Wir, die Sozis, haben das gemacht! Wir haben nämlich die Gewerbeertragsteuer faktisch abgeschafft. Sie können sie bis zu einem Pauschalsatz von 360 Punkten voll von der zu zahlenden Einkommensteuer abziehen. Wenn Sie jetzt einmal 48,5 Prozent minus 13 Prozent rechnen, sind Sie unter dem, was die Kapitalgesellschaften zu versteuern haben.

Jetzt kommt noch eines, Herr Präsident, da müssen wir noch gemeinsam auf den gleichen Boden kommen: Jeder hier weiß oder sein Steuerberater kann es ihm sagen, dass die Körperschaftsteuer eine so genannte Definitivbesteuerung ist. Das heißt, was Sie zahlen müssen, die 38 Prozent, werden von der ersten Mark Gewinn an fällig. Das ist so, das kann keiner bestreiten, da beißt die Maus keinen Faden ab. Die Einkommenbesteuerung ist eine Grenzbesteuerung. Jene 48,5 Prozent minus Gewerbeertragsteuer werden nicht von der ersten Mark Gewinn fällig, sondern entsprechend den Proportionen, die es bei dieser Form der Besteuerung gibt. Es ist also ein Unterschied, und zwar einer zugunsten des Mittelstandes.

Jetzt kommt der zentrale Einwand - das sagen mir die Herren Philipp und Schleyer auch immer: Ja, mit diesen 13 Prozent, das ist ja wahr. Aber viele unserer Unternehmen zahlen diese Steuer gar nicht oder haben sie gar nicht gezahlt, weil die Freibeträge so hoch sind. - Ich sehe Sie nicken. Ich kann Ihnen doch keine Steuer erlassen, die sie nicht gezahlt haben. Das ist selbst für mich schwer.

Ich verstehe, dass der eine oder andere sich über die Ökologisierung des Steuersystems ärgert. Aber ich muss hinzufügen: Wir haben das voll zur Senkung der Lohnnebenkosten, nämlich in die Rente, gegeben, um die Rentenbeiträge nicht steigen zu lassen. Erinnern wir uns, ich war ja dabei: Unter der vorherigen Regierung - das kann und wird Herr Rüttgers nicht bestreiten - haben wir im Bundesrat eine Übereinkunft getroffen, dass wir seinerzeit, um einen Anstieg der Rentenabgaben auf über 21 Prozent zu verhindern, ein Prozent Mehrwertsteuererhöhung machten. Das trifft das Handwerk mehr als die mit vielen Ausnahmen für die produzierenden Betriebe unterlegte Ökosteuer, die voll in die Rentenkassen gegangen ist und zur Reduzierung der Beiträge deutlich unter 20 Prozent - auf exakt zurzeit 19,2 Prozent, es werden wohl 19 Prozent werden - geführt hat, was den Unternehmen hilft, vor allen Dingen den lohnintensiven, und dazu gehört das Handwerk, und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Das ist keine falsche Marschrichtung.

Nur, um Ihre Frage zu beantworten: Ich habe gegenüber Forderungen, die es da von den Grünen, meiner Partei und Teilen meiner Partei gibt, gesagt - da ist ja alles ganz ordentlich, da wird viel diskutiert, und später entscheidet der Vorsitzende. Na, ganz so ist es auch nicht; Michael Müller sitzt hier, sonst macht er mir wieder eine Presseerklärung, aber wir haben eine gemeinsame Position - : Wir mobilisieren über die Ökosteuer enorme Beträge und geben sie in die Rente. Diese entziehen wir partiell dem Konsum; das ist wahr.

All denjenigen, die mehr, die Erhöhungen fordern, muss ich allerdings sagen, das hat ökonomisch Grenzen, auch was die Nachfrageseite angeht, hat konjunkturpolitisch und, was die Belastung der Unternehmen angeht, Grenzen. Also sage ich, es gibt keine Erhöhung - aus und vorbei. - Ich darf ein anderes Wort nicht mehr benutzen; ich kriege viel zu viel Ärger damit, und das will ich nicht. Aber das ist die Position, die ich zu vertreten habe, und dabei bleibt es.

Jetzt ein paar Bemerkungen zu dem, was wir neben den Steuern und Abgaben für das Handwerk gemacht haben!

Erstens: Ich fand es in Ordnung, dass Sie noch einmal die Frage "Großer Befähigungsnachweis" angesprochen haben. Ich finde es auch richtig, das gerade hier zu tun. Da haben sich Leute gequält, haben häufig neben der Arbeit Meisterlehrgänge besucht, abends geklotzt und etwas zuwege gebracht. Die haben Anspruch darauf, zu wissen, wohin die Reise geht. Wohin die Reise geht, haben wir nicht nur in Deutschland klargemacht. Das ist nämlich interessant, das ist nicht genügend beachtet worden, auch nicht von denen, die ihre Politik in Berlin machen. Ich nehme an, die haben es nicht so richtig mitbekommen - ich kann ja nicht unterstellen, dass sie es nicht mitbekommen wollten - , was wir hinbekommen haben.

Die Europäische Kommission hatte eine Veränderung in einem bestimmten Paragraphen des Amsterdamer Vertrages vorgeschlagen. Der Inhalt hatte mit den Berufsordnungen in den Mitgliedsländern zu tun. Deutschland hatte seinerzeit unter der Ägide meines Vorgängers immer darauf geachtet, dass dieses interpretationsfähig war, sodass man sagen konnte, aus Europa droht dem "Großen Befähigungsnachweis" keine Gefahr. Dieses war aber nur möglich, wenn man das in der Einstimmigkeit hielt; denn in keinem unserer Nachbarländer gibt es eine ähnliche Veranstaltung, wie wir sie mit dem "Großen Befähigungsnachweis" haben. Deswegen sagen die anderen natürlich, das muss in die Nicht-Einstimmigkeit, in die Mehrheitsentscheidung kommen; denn über solche Fragen müssen wir mit Mehrheit entscheiden können, wenn es ganz Europa angeht.

Wir haben da gesagt - ich erinnere mich genau, es war in der letzten Nacht in Nizza: Nein, das wollen wir nicht. Wir haben den Handwerksmeistern versprochen, dass es in Deutschland beim "Großen Befähigungsnachweis" bleibt. Soweit das mit nationaler Politik zu machen ist, halten wir das ein. Es wird am "Großen Befähigungsnachweis" nach unserer Auffassung nicht gerüttelt. Was wir jetzt zwischen Bund und Ländern vereinbart haben, gilt; daran wird nicht weiter herumgemacht. Da hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Recht, und gemeinsam werden wir das dann auch wohl durchsetzen. Aber Europa war schon wichtig, weil wir da das Tor zugemacht haben. Diese Frage der Veränderung von Berufsordnungen mit dieser Tradition blieb und bleibt in der Einstimmigkeit, sodass uns sozusagen - von wem auch immer - in der Kommission keine Gefahr droht.

Übrigens, ich will hier - weil das ja im Internet übertragen wird - für diejenigen, die nicht so versiert sind, was diese Diskussion um den "Großen Befähigungsnachweis" angeht, zwei Dinge sagen. Man muss fair sein: Die Attacken kommen vor allen Dingen von jenen, die auf diese Weise, durch Abschaffung des "Großen Befähigungsnachweises", hoffen, 18 Prozent zu erhalten, wenn Sie wissen, was ich meine. - Es lacht keiner, also muss ich mich wohl missverständlich ausgedrückt haben; sei's drum, macht nichts. Ich sage: Da kommt das her, wie Sie wissen.

Zweitens ist mir wichtig für die Menschen, die nicht mit den handwerklichen Debatten vertraut sind - und das ist die Mehrheit in Deutschland - : Es geht hier nicht nur um Wünsche des Handwerks, der Meisterinnen und Meister, sondern die Aufrechterhaltung des "Großen Befähigungsnachweises" ist ein gutes Stück Verbraucherschutz in Deutschland. Das muss man einmal ganz klar sagen. Denn die Qualifikation, die sich Meister und Meisterinnen erworben haben, haben etwas mit Garantien für Leistungen zu tun, für die man gutes Geld bezahlen muss. Und weil das so ist, gibt es eine Begründung aus den Traditionen heraus, die man nicht klein schreiben soll. Aber es gibt eben auch eine sehr moderne Begründung, und die heißt: für ein Stück beispielhaften Verbraucherschutz, den man in Deutschland nicht preisgeben sollte. Wir wollen das jedenfalls nicht, und da haben Sie uns an Ihrer Seite.

Drittens: Eine Bemerkung vielleicht noch zu dem, was wir mit dem Meister-BAföG vorhaben. Ich habe jetzt die Einzelheiten des gefundenen Kompromisses nicht im Kopf, aber zwei Ihrer Forderungen, nämlich eine kontinuierliche, verbesserte materielle Förderung und ein vereinfachtes Antragsverfahren werden wir erreichen. Übrigens - ich kann es auch nicht ändern; die Sozialdemokraten werden es mir verzeihen, wenn ich wieder daran erinnere - , wir haben das mal durchgesetzt, da war er noch Bildungsminister und ich Ministerpräsident. Da haben wir dies gegen große Schwierigkeiten seinerzeit auf den Weg gebracht. Und jetzt sind wir in der Lage, was die Verfahren und die materiellen Bedingungen angeht, Verbesserungen zu erreichen. Das werden wir auch tun. Man muss reden, wo man vor allen Dingen noch vereinfachen kann.

Was die materielle Seite angeht, haben wir alle zusammen den "eisernen Hans" im Nacken. Da ist natürlich wenig Bewegung wegen der Ziele, die er mit der Konsolidierung hat, die in sich auch vernünftig sind. Ich glaube aber, dass wir da weiterkommen und auch auf eine gute Basis miteinander kommen werden.

Ich will eine letzte Bemerkung machen zu dem, was ich für notwendig und richtig halte, wenn man über Zukunftsfähigkeit redet. Das soll zwei Teile haben.

Einmal finde ich es gut - und da muss ich ein großes Lob an das Handwerk sagen - , wie sehr sich nach wie vor um die Ausbildung gekümmert wird.

Wir haben ja eine sehr interessante Entwicklung. Diejenigen, die oft genug Trittbrettfahrer des Handwerks waren, weil die Handwerksmeister ausgebildet und andere die ausgebildeten Kräfte dann abgeworben haben, diejenigen, die oft genug Trittbrettfahrer beim Handwerk waren, weil sie in ihren Industriebetrieben selber nicht ausgebildet haben - soweit sie das getan haben, sind sie jetzt nicht angesprochen - , aber dann gut ausgebildete Kräfte vom Handwerk abgezogen haben, die vor allen Dingen jammern jetzt über Mangel an Facharbeitern. Das passt nicht zusammen! Wer Facharbeiter braucht - und jede Gesellschaft braucht Facharbeiter - , der muss sich ähnlich tapfer und ordentlich wie das Handwerk auch um die Ausbildung kümmern und darf die damit verbundenen Kosten nicht scheuen und sie nicht anderen aufbürden. Das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt.

Zweitens: Es gibt internationale Arbeitsmärkte - Informations- und Kommunikationstechnologie, Biotechnologie nur als Beispiele; andere internationalisieren sich auch immer mehr - , da braucht man die Begegnung mit Kenntnissen, die andere haben, da braucht man den Austausch auch mit anderen Kulturen. Also brauchen wir ein Zuwanderungsrecht, das in diesen Bereichen uns auch die Möglichkeit gibt, im Wettbewerb um die besten Köpfe, die weltweit zur Verfügung stehen, zu konkurrieren. Das dürfen wir weder den Amerikanern noch den europäischen Partnern überlassen. Täten wir dies, würden wir wirtschaftlich einen Fehler begehen und als Folge des Fehlers zurückfallen. Das sollten wir den Menschen in Deutschland nicht zumuten.

Aber jetzt kommt ein entscheidender Punkt: Ich habe mit der Green Card und dem, was damit zusammenhängt - ich will in dem Zusammenhang, weil wir heute Sonntag haben, nichts über Herrn Rüttgers sagen - , für diese Form der Internationalisierung gesorgt. Aber diejenigen, die glauben, man könne sich auf ausländischen Arbeitsmärkten bedienen und dürfe deswegen versäumen, eigene Ausbildung zu machen, die irren; das muss man sehr deutlich sagen. Die Kehrseite der Medaille, die Zuwanderung heißt, ist genauso wichtig zu nehmen. Und diese Kehrseite heißt erstens Ausbildung und zweitens Qualifizierung, also lebenslanges Lernen.

Wir müssen - und ich bin froh darüber, dass wir das im Bündnis für Arbeit hinbekommen haben - dazu übergehen, dass auch diejenigen, die 50 und älter sind und deren Kenntnisse und Fähigkeiten durch die dynamische Entwicklung auf den Weltmärkten entwertet worden sind, bei der Qualifizierung noch eine Chance haben. Ich sage hier klipp und klar: Wer 50 und darüber ist, darf nicht einfach zum alten Eisen geworfen werden - und das sage ich nicht, weil ich im nächsten Monat 57 werde. Das darf nicht sein. Wir können es uns übrigens auch nicht leisten.

Es kommt ein zweiter Punkt hinzu: Wir können es uns noch weniger leisten, glänzend ausgebildete, unglaublich kreative und leistungsbereite Frauen in unserem Wirtschaftsleben nicht zum Zuge kommen zu lassen. Wir können es uns buchstäblich ökonomisch nicht leisten. Die Frauenerwerbsquote in Deutschland ist zu gering. Sie muss nach oben, wenn wir wirtschaftlich weiter erfolgreicher sein wollen als andere.

Mit Bezug auf das, was jetzt schon wieder über die Zeitungen diskutiert wird: Ich möchte, dass wir die Frauenerwerbsquote nach oben bekommen, wir das zu einem der wesentlichen Punkte in den Debatten im Bündnis für Arbeit machen und mit der Wirtschaft zu Vereinbarungen kommen, wie man das auf freiwilliger Basis rasch und im Interesse der gesamten Volkswirtschaft wirklich nach oben bringt - aber nicht durch Reden, sondern ich erwarte da wirklich auch Handeln von denjenigen, die in den Betrieben das Sagen haben. Mein Eindruck ist, was im Handwerk selbstverständlich ist, muss auch in den Großbetrieben zu einer blanken Selbstverständlichkeit werden, was diese Frage angeht.

Jetzt einen letzten Punkt, der mir wichtig ist! Das betrifft weniger Düsseldorf, weil die Handwerker in den alten Bundesländern das alle schon gewöhnt sind, die haben sich darauf eingerichtet. Das betrifft vor allen Dingen die neuen Bundesländer.

Wir werden Europa erweitern, weil das nötig ist. Man muss sich das einmal vorstellen: Sie haben die 52. Meisterfeier! Es war interessant zu sehen, wer in all den Jahren so da war. Nur Hauser war immer dabei. Das ist ja ein interessanter Rückblick gewesen. Ich sage, bezogen auf Europa, man stelle sich das einmal vor: Die Generation derer, die jetzt aktiv handeln - politisch, wirtschaftlich, kulturell - , also die wirtschaftlichen, kulturellen, politischen Eliten unseres Landes, haben eine Riesenchance, die Chance nämlich, durch einen gelungenen Erweiterungsprozess dieses alte Europa, auf dem in der Geschichte des Kontinents so unglaublich viel Blut so vieler Völker vergossen worden ist, zu einem Ort des dauerhaften Friedens und der dauerhaften Wohlfahrt seiner Menschen zu machen! So was hat es in der Historie selten gegeben, dass man eine solche Chance bekommt. Daran haben viele gearbeitet; da muss man gar nicht parteiisch sein.

Wir müssen das jetzt nutzen und dürfen es nicht aus den Augen verlieren. Das ist das Ziel, und um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir ganz viele Leute, die mitmachen, insbesondere auch aus Handwerk und kleinen und mittleren Betrieben. Die haben längs der Grenzen zu Polen und Tschechien nicht nur Hoffnungen, sondern gelegentlich auch Ängste. Wir müssen jetzt miteinander dafür sorgen - ich bin da sehr im Gespräch mit den Handwerkskammern längs der Grenze, ob in Bayern oder in den neuen Ländern, ist egal - , über die Frage zu reden: Wie bekommen wir Übergangsfristen so hin, dass zwei Dinge nicht eintreten, die das Handwerk besonders interessieren? Wir können nicht brauchen, dass der Handwerksmeister zum Beispiel auf dem Bau, der seine Maurer und seine Poliere anständig tarifgebunden bezahlt, im wahrsten Sinne des Wortes für seine Tariftreue bezahlt, weil andere ihm die Preise kaputt machen durch Preis- und Lohndumping. Das müssen wir verhindern.

Das Gleiche muss bei der Dienstleistungsfreiheit geschehen, wo derjenige, der vernünftig kalkulieren muss, weil er anständige Löhne bezahlt, nicht kaputt konkurriert werden kann durch Leute, die nur drei oder fünf Mark Lohn bezahlen müssen. Das ist, wenn man die Zustände auf einigen Baustellen leider kennt, ja schon viel - in Anführungsstrichen; Sie verstehen, wie ich das meine. Das geht nicht; das sind beides Entwicklungen, denen wir politisch begegnen müssen. Da sollte man miteinander vorgehen und arbeiten.

Ich habe mich sehr, sehr gefreut über das, was Herr Präsident Hauser als Quote derer genannt hat, die ihren Meisterbrief benutzen wollen und werden, um unmittelbar in die Selbstständigkeit zu gehen. 57 Prozent, das lässt sich schon hören. Ich wünsche vor allen Dingen denen, aber auch allen, die als Meister dafür sorgen, dass die Geschäfte auch laufen, wenn ihnen das Geschäft nicht gehört, ich wünsche ihnen persönlich und ihren Angehörigen für ihr künftiges Leben von Herzen alles Gute.

Es ist schon was dran: Deutschland hat Glück, weil wir eine wirtschaftliche Basis haben, die vor allen Dingen auf der Bereitschaft von kleinen und mittleren Unternehmen in den unterschiedlichen Branchen basiert, im eigenen Interesse, aber auch im Interesse der gesamten Volkswirtschaft und damit des Landes, wirklich Leistung zu zeigen. Leistung, die wir brauchen, die wir dort bekommen - das wissen wir - und für die wir deswegen auch gemeinsam dankbar sein können. Wir haben deshalb auch gemeinsam einen Rahmen setzen können und müssen, in dem diese Leistungsbereitschaft auch ihren gerechten Lohn erhält. Auch das ist, denke ich, wichtig.

In diesem Sinne herzliche Gratulation an alle diejenigen, die ihre Prüfungen bestanden haben, und beste Wünsche auf dem künftigen Lebensweg!