Redner(in): Monika Grütters
Datum: 25. Februar 2016

Untertitel: "Es ist mir ein persönliches Anliegen, die Kraft der Kultur zu fördern - mit unserer Initiative "Kultur öffnet Welten" zum Beispiel, und natürlich immer wieder, immer weiter durch die Förderung vieler Künstlerinnen und Künstler." sagte Monika Grütters in ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/02/2016-02-25-gruetters-villa-massimo-stipendiaten.html


Es ist mir ein persönliches Anliegen, die Kraft der Kultur zu fördern - mit unserer Initiative "Kultur öffnet Welten" zum Beispiel, und natürlich immer wieder, immer weiter durch die Förderung vieler Künstlerinnen und Künstler." sagte Monika Grütters in ihrer Rede. Es gilt das gesprochene Wort. -

Anrede,

Der Träger des Preises der Leipziger Buchmesse 2015, Jan Wagner, meint, in Rom könne nach Goethe kein Dichter mehr unbefangen Gedichte schreiben. Und Lutz Seiler, der 2014 den Deutschen Buchpreis bekam, hätte in Rom fast aufgegeben, an seinem ersten Roman zu arbeiten. Dass die beiden Schriftsteller, die vor fünf Jahren Stipendiaten der Villa Massimo waren, es dann doch fertig gebracht haben, das leere Papier mit klugen Worten zu füllen, wissen wir - nicht erst seit den "Regentonnenvariationen" und "Kruso".

Von Schreibblockaden oder Ehrfurchtsstarren möchte man ja eigentlich nichts wissen, wenn man als Künstler in den Genuss kommt, ein Jahr an der Deutschen Akademie Rom, in der Villa Massimo zu verbringen. Aber solche Phasen des intellektuellen Ringens und Zweifelns gehören zum Künstlersein genauso dazu wie die Momente der Inspiration und Schöpfung.

Da wir heute Abend ja glücklicherweise nicht mehr schöpferisch tätig werden müssen, dürfen wir einen kurzen Moment, eine kunstvolle Nacht lang, ein wenig ehrfürchtig innehalten. Die Geschichte der Villa Massimo, die wir heute wieder mit dieser notte italiana feiern, gibt dazu Anlass: Die Villa Massimo, das deutsche Künstlerhaus in Italien, war ein Geschenk Eduard Arnholds. Ein wahrer Glücksfall für die deutsche Künstlerförderung! Auch heute noch, mehr als 100 Jahre später, können Künstlerinnen und Künstlern in diesem Schutzraum in Rom ungestört, fernab des Alltags an ihren Ideen arbeiten. Was in dieser Zeit entsteht, welche künstlerische Vielfalt die unterschiedlichen Disziplinen - bildende Kunst, Komposition, Literatur und Architektur - hervorbringt, werden wir gleich sehen - und hören. Ich bin mir sicher, dass Sie, liebe Künstlerinnen und Künstler, auch in diesem Jahr wahre Glücksmomente bei uns Gästen auslösen werden - denn wo sonst bekommt man an einem Ort, in einer Nacht so viele wunderbare, unterschiedliche und inspirierende Arbeiten zu sehen?

Ja, Kunst macht glücklich. Aber sie macht auch nachdenklich, sie stellt Fragen, provoziert und kann verstören. Als gesellschaftliches Korrektiv ist sie genauso wichtig wie als Brückenbauerin und Türöffnerin. Die Kunst schafft Verbindungen, wo tiefe Gräben klaffen. Ob Poesie, ob Malerei, ob Film, Musik, Theater oder Tanz: Kunst kann gemeinsame Sprache sein, wo unterschiedliche Begriffe Missverständnisse verursachen. Kunst kann gemeinsame Erfahrungen bescheren, wo unterschiedliche Herkunft ab- und ausgrenzt. Kunst kann uns helfen zu verstehen, was uns ausmacht, wer wir sind - als Individuen, als Deutsche, als Europäer. Kunst kann uns aber auch nötigen, die Perspektive zu wechseln und die Welt aus anderen Augen zu sehen. Gerade Literatur, Theater und Film sind imstande, den Bereich das Denk- und Vorstellbaren zu vergrößern, Gebiete jenseits unseres Erfahrungshorizonts zu erschließen und eben dadurch auch die Grenzen unserer Empathie zu weiten - indem sie uns Fremdes vertraut machen und uns auf diese Weise zum Mitgefühl befähigen. Nicht zuletzt in diesem Sinne ist es eine wahrhaft staatstragende und zukunftsweisende Aufgabe, Kunst und Kultur zu fördern.

Im Übrigen sollten wir auch nicht vergessen: Eine Gesellschaft, die mit ihren kulturellen, auch religiös begründeten Eigenheiten ihre eigene Identität pflegt, kann dem Anderen, dem Fremden Raum geben, ohne sich dadurch bedroht zu fühlen. Nur wo es keinen kulturellen Kern gibt, pflegt man Feindbilder, um sich der eigenen Identität zu vergewissern. Gerade deshalb brauchen wir Kunst und Kultur als gesellschaftliche Kräfte.

Es ist mir ein persönliches Anliegen, die Kraft der Kultur zu fördern - mit unserer Initiative "Kultur öffnet Welten" zum Beispiel, und natürlich immer wieder, immer weiter durch die Förderung vieler Künstlerinnen und Künstler. Mein besonderer Dank gilt daher heute Abend den Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, die sich immer wieder dafür einsetzen, der Villa Massimo eine gute Zukunft zu sichern. Sie tragen maßgeblich auch dazu bei, dass junge und etablierte Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Komponisten, bildende Künstler, Architektinnen und Architekten diese inspirierenden und schöpferischen Monate in Rom erleben können.

Dass dies ohne finanzielle Engpässe gelingt und sich die Künstlerinnen und Künstler ganz und gar auf das kreative Schaffen konzentrieren können, verdanken wir besonders dem jahrelangen Engagement des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Ihnen lieber Herr Fahrenschon! Ihr Engagement spricht natürlich auch für die Strahlkraft der Villa Massimo, die ohne Zweifel zu den herausragenden Einrichtungen der individuellen Künstlerförderung Deutschlands gehört.

Jean Paul sagte einmal: "Solang ein Mensch ein Buch schreibt, kann er nicht unglücklich sein." Ob das für alle Schaffensphasen gilt, könnten nicht nur Jan Wagner und Lutz Seiler sicher beantworten. Ich jedenfalls denke, dass alle Kunst großes Glück ist und wünsche Ihnen in diesem Sinne einen schönen Abend voller künstlerischer Glücksmomente!