Redner(in): Angela Merkel
Datum: 08. Juni 2016

Anrede: Sehr geehrter Herr Kempmann,sehr geehrter Herr Kapferer,liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundestags,meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/06/2016-06-08-rede-merkel-bdew.html


Sehr geehrter Herr Kommissionsvizepräsident, lieber Herr Šefčovič ,

Ihr diesjähriger Kongress steht unter dem Motto "Change" kein amerikanisches Wahlkampfmotto, sondern ein deutsches Kongressmotto. Es ist in der Tat so, dass sich für die Branche sehr viel verändert. Das liegt zum einen an der Vorreiterrolle Deutschlands beim Umstieg auf erneuerbare Energien. Das liegt aber auch am neuen Verständnis der Rolle des Verbrauchers, der inzwischen auch Maßstäbe für Ressourcen- und Energieeffizienz setzt. Und das liegt auf Ihrem Kongress ja auch ein ganz wichtiges Thema am digitalen Wandel, der die Branche ergriffen hat.

Ich finde es sehr wichtig, dass der BDEW kürzlich eine eigene digitale Agenda für seine Mitgliedsunternehmen veröffentlicht hat. Diese Agenda zeigt Wege für die Energie- und Wasserwirtschaft auf, die sich sozusagen von einem Getriebenen des Wandels hin zum Treiber des Wandels bewegt. Ich glaube, dass es richtig ist, die Gestaltungsaufgabe des digitalen Wandels anzunehmen und dies gegebenenfalls auch anzumahnen.

Der globale Prozess des digitalen Wandels findet statt ob wir das wollen oder nicht. Wir müssen ihn mitgestalten; und das bedeutet letztendlich auch Globalisierung mitzugestalten. Das heißt, Globalisierung und Digitalisierung oder Globalisierung getrieben durch Digitalisierung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Wenn zum Beispiel Menschen in geografisch fernen Regionen dieser Welt Zugang zu sauberem Wasser fehlt, wenn sie Gewalt ausgesetzt sind und keine Perspektiven haben, dann geht uns das das haben wir vor allem im letzten Jahr erfahren eben auch etwas an. Denn wir wissen davon dank moderner Informationstechnologien. Und wir werden mit den Folgen direkt konfrontiert, wenn wir nur an die vielen Menschen denken, die vor Krieg, Verfolgung und auch vor wirtschaftlicher Notlage bei uns Zuflucht suchen. Das ist eine riesige Herausforderung. Das haben wir erlebt. Das erleben wir noch. Ich finde, die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, genauso auch die Hauptamtlichen, haben vieles und Großartiges im letzten Jahr geleistet und tun das heute noch. Hierfür kann ich nur danke sagen.

Mein Dank geht auch ganz konkret an den BDEW und an viele Mitgliedsunternehmen, die geholfen haben, wenn es zum Beispiel darum ging, Liegenschaften für die Unterbringung bereitzustellen, Energie- und Wasserversorgung von Unterkünften zu gewährleisten und Informationen zu erteilen. Ich erinnere an das Faltblatt für Flüchtlinge über die Trinkwasserversorgung in Deutschland. Ein Teil des Erlöses ging als Spende an die "Aktion Deutschland hilft". Also tolle Initiativen dafür herzlichen Dank.

Sie wissen, dass hinter uns Monate liegen, in denen die Bundesregierung zusammen mit den Ländern mit Hochdruck daran gearbeitet hat, den Zuzug von Flüchtlingen besser zu steuern, zu ordnen und ihre Zahl zu reduzieren. Wir haben in kürzester Zeit mit Kommunen und Ländern zusammen eine Vielzahl von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die mehr und mehr Wirkung entfalten.

Ich will mich auch ausdrücklich bei der Kommission bedanken, bei Kommissar Šefčovič , der nicht nur in seiner Eigenschaft als energiepolitisch Verantwortlicher, sondern eben auch als Vizepräsident hier ist. Die Agenda, die gestern vorgestellt wurde zur Bekämpfung von Fluchtursachen und zur Kooperation mit afrikanischen Staaten, ist genau das, was in die Zukunft weist. Die Abmachung mit der Türkei ist nur ein erster Schritt gewesen. Im Hinblick auf die Fluchtroute Libyen-Italien müssen wir genau auf diesem Weg weitergehen. Deshalb sind wir der Kommission sehr dankbar dafür, dass sie diesen Stein jetzt ins Wasser geworfen hat. Es wartet noch viel Arbeit auf uns.

In Deutschland geht es jetzt um die Integration derer, die dauerhaft oder für eine bestimmte Zeit bei uns bleiben. Wir müssen natürlich nicht nur Gesetze entwerfen, sondern wir müssen sie auch mit Leben erfüllen. Und dabei ist bürgerschaftliches Engagement natürlich auch wieder von allergrößter Bedeutung.

Derzeit haben wir ein anderes Thema, das Ihren Aufgabenstellungen schon etwas näher liegt. Wir haben es mit verheerenden Folgen von Hochwasser zu tun lokal, aber doch in vielen Bundesländern. Ich möchte ausdrücklich sagen wir haben gerade auch vorhin im Kabinett darüber gesprochen, dass unsere Gedanken bei den Menschen sind, die völlig unerwartet Hab und Gut verloren haben. Wir denken natürlich auch an diejenigen, die in den Fluten sogar ihr Leben verloren haben.

Wir sind ein Land, in dem die Katastrophenhilfe schnell anläuft. Bundeswehr, Technisches Hilfswerk und Bundespolizei helfen neben den Verantwortlichen aus den Ländern mit. Für die Energie- und Wasserversorger war und ist es natürlich wieder ein Kraftakt, in den überfluteten Orten die Strom- und Wasserversorgung sicherzustellen. Dafür ein großer Dank denen, die da rund um die Uhr im Einsatz sind.

Wenn wir uns mal von unseren heimischen Problemen lösen und auf die Wasserversorgung weltweit blicken, dann sehen wir, dass gerade der Zugang zu sauberem Wasser ein zentraler Punkt des Mangels ist. Es sind weltweit über 660 Millionen so schätzt man, die keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Deshalb ist in der im Herbst letzten Jahres verabschiedeten Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung das Thema "sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen" als eigenständiges Ziel verankert. Das Thema hat auch im Kreis der G7 an Bedeutung gewonnen. Denn auch und besonders die Mithilfe der G7 -Länder ist gefragt, wenn es darum geht, in den ärmsten Ländern für eine bessere Wasserversorgung zu sorgen.

Wir in Deutschland haben diese Sorgen nicht. Bis auf Ausnahmen wie Hochwasser können wir sagen, dass der Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser gewährleistet ist. Aber: Für die Instandhaltung und Modernisierung der Infrastruktur zur Wasserversorgung und Wasserentsorgung sind erhebliche Investitionen notwendig. 2014 waren es immerhin 7,3 Milliarden Euro. Man vergisst leicht, dass das permanent zu erfolgen hat. Aber das ist natürlich ein Riesenthema. Diese Investitionen müssen finanziert werden. Das heißt, sie müssen möglichst so finanziert werden, dass die Gebühren und Beitragszahler nicht überfordert werden. Wasser muss auch in Zukunft bezahlbar sein und trotzdem eine hohe Qualität haben. Deshalb arbeitet die Branche an der Gestaltung differenzierter Tarife und Gebühren. Es ist immer wieder eine Gratwanderung, Qualität und Bürgerfreundlichkeit gleichermaßen im Auge zu haben.

Es gibt auch Handlungsbedarf mit Blick auf Schadstoffeinträge. Zu bekannten Substanzen kommen immer wieder neue hinzu neben Mikroplastik etwa auch Arzneimittel. Hinsichtlich der europäischen Vorgaben zur Nitratbelastung müssen wir eine Lösung finden, die einerseits die Umwelt schützt, andererseits für die Landwirtschaft praktikabel bleibt. Hierbei sitzt die Bundesregierung schon eine ganze Weile auf einem ungelösten Problem. Aber zur Schaffung von Rechtssicherheit ist es wichtig, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Wir haben als Bundesregierung bereits ein umfangreiches Regelungs- und Maßnahmenpaket zum Gewässerschutz geschnürt. Dazu gehört zum Beispiel die Oberflächengewässerverordnung, die unter anderem Umweltqualitätsnormen festlegt. Zudem achten wir darauf, dass die Kommunen die Aufgaben der Daseinsvorsorge wie bisher wahrnehmen können. Dazu gehört explizit die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung.

Auch internationale Übereinkommen müssen so gestaltet sein, dass sie diesem Ziel nicht entgegenstehen. Das ist aber kein Argument gegen internationale Abkommen an sich, denn in unserer eng vernetzten Welt müssen wir entsprechend eng kooperieren. Globale Herausforderungen können wir nur global am besten bewältigen. Das heißt, wir müssen in allen Bereichen immer wieder die Weichen für mehr Nachhaltigkeit stellen. Das ist sozusagen ein Motto, unter dem auch Ihr Verband arbeitet und arbeiten muss. Manchmal finden Sie die Auflagen, die wir machen, sicherlich nicht so toll, aber ich glaube, langfristig sind sie doch richtig.

Das globale Jahrhundertprojekt der nachhaltigen Entwicklung zwingt uns, vieles von der Art, wie wir leben, schrittweise zu verändern. Wir haben hierbei durchaus internationale Erfolge zu verzeichnen. Trotz aller Konflikte, die wir im letzten Jahr hatten, ist nicht nur die Nachhaltigkeitsagenda mit den Entwicklungszielen für 2030 verabschiedet worden, sondern auch das internationale Klimaschutzabkommen. Wir wollen die Erderwärmung möglichst unter zwei Grad halten und damit wenigstens die schlimmsten Folgen des Klimawandels beherrschbar machen. Alle Staaten haben sich entschieden, dazu beizutragen, dieses Ziel zu erreichen, auch wenn es natürlich unterschiedliche Verantwortlichkeiten gibt. Wir wollen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Treibhausgasneutralität erreichen. Das betrifft natürlich auch den Energiesektor. Ich weiß, dass die verschiedenen Branchen natürlich mit mehr oder weniger Freude diese Zielsetzung sehen, aber wir müssen sie als Zielsetzung erst einmal gemeinsam annehmen.

Wir wissen, dass wir als Industriestaaten vorangehen müssen. Ich denke, dass Kommissar Šefčovič hier die europäischen Prioritäten schon genannt hat. Ich finde es sehr, sehr gut, dass der Kommissar hier auf dieser Branchentagung anwesend ist, weil das die Kommunikation darüber, was die Vorgaben auf europäischer Ebene sind und was wir national tun, verbessert.

Wir wollen eine Energieunion in Europa. Auf dem Weg dahin sind Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Bezahlbarkeit gleichermaßen die Leitlinien. Dieses Zieldreieck Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Bezahlbarkeit leitet uns auch hierzulande. Wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt mit Blick auf die Energiewende und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir wollen 2025 einen Anteil der erneuerbaren Energien von 40 bis 45 Prozent unseres Bruttostromverbrauchs haben. Diesem Ziel nähern wir uns mit großen Schritten. Der Korridor beim Ausbau der erneuerbaren Energien wurde in den letzten Jahren eher überschritten, was uns vor Augen führt, dass die regelmäßigen Kassandrarufe, mit der nächsten Gesetzesnovelle würde der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland zum Erliegen kommen, absolut falsch sind. Wir haben immer das Ergebnis gehabt, dass der Zubau erneuerbarer Energien, insbesondere im Windbereich, größer war als vorausgesagt.

Wir haben bereits einen Anteil von rund einem Drittel erreicht. Wir müssen jetzt also von etwa 33 Prozent auf 45 Prozent im Jahr 2025, also in knapp zehn Jahren, kommen. Mit diesem Anteil von einem Drittel sind die erneuerbaren Energien längst dem Nischendasein entwachsen und bereits zur wichtigsten Stromquelle geworden. Das heißt natürlich, dass wir sie zum Markt hinführen müssen. Hierbei geht es um das Thema Bezahlbarkeit. Die Akzeptanz und das Gelingen der Energiewende hängen eben wesentlich von einer bezahlbaren Energieversorgung ab.

Heute komme ich und später auch der Wirtschaftsminister frisch aus dem Kabinett, in dem wir die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verabschiedet haben ein Paradigmenwechsel von staatlich festgelegten Preisen für die Erzeugung erneuerbarer Energien hin zur Ausschreibung der Energiemengen. Das heißt, wir werden einen Schritt in Richtung wettbewerblich generierter Fördersätze und fester Ausschreibungsmengen machen. Sie können sich vorstellen, dass hierbei natürlich ein sehr großes Ringen stattfindet, was die verschiedenen Formen der Energieerzeugung und den Zugriff zu bestimmten Ausschreibungsmengen anbelangt.

Am härtesten umkämpft ist immer noch die Frage der Windkraftanlagen an Land. Wir werden von 2017 bis 2019 jedes Jahr 2.800 Megawatt, also 2,8 Gigawatt, ausschreiben. Ab 2020 dann 2,9 Gigawatt. Bei Offshore-Anlagen erwarten wir für 2020 einen Zuwachs von 7,7 Gigawatt und dann einen kontinuierlichen Ausbau von 2021 bis 2030 um jährlich 730 Megawatt. Bei Photovoltaik sollen es 600 Megawatt pro Jahr für Freiflächen und große Anlagen sein. Die Diskussion darüber, was eine große Anlage ist, war eine schwierige Diskussion. Wir haben uns dann auf einen Schwellenwert von 750 Kilowatt bezogen, unterhalb dessen keine Ausschreibung notwendig ist. Für Biomasse startet 2017 die erste Ausschreibungsrunde.

Das zentrale Thema neben der Ausschreibungsfrage bei den einzelnen Energiearten war auch die Verknüpfung des Ausbaus erneuerbarer Energien mit dem Netzausbau. Ich zweifle ja selten an der Weisheit der Europäischen Kommission, aber die Tatsache, dass wir sozusagen zum Unbundling verpflichtet wurden, macht uns das Thema Synchronisation von Netzausbau und Ausbau erneuerbarer Energien noch sehr viel schwieriger. Darauf muss ich einfach hinweisen, weil wir völlig unterschiedliche Akteure haben, die auf den Staat warten, der sie irgendwie zusammenbringen muss. Wir haben die Situation, dass wir Windstrom aus dem Norden das wird mit dem Ausbau der Offshore-Anlagen noch sehr viel dramatischer werden nicht dorthin leiten können, wo der Strom auch wirklich gebraucht wird. Deshalb haben wir zum ersten Mal eine Verknüpfung mit dem Netzausbau vorgenommen. Diese Verknüpfung ist bei denen, die Windstrom sehr effizient erzeugen können, nicht besonders beliebt, aber sie war absolut richtig. Wir haben jetzt sogenannte Netzausbaugebiete definiert, in denen der Ausbau der Windenergie reduziert werden muss. Im parlamentarischen Verfahren werden wir uns noch sehr intensiv mit der Frage der Anbindung der Offshore-Windenergieparks an das Gesamtstromnetz beschäftigen müssen. Wir haben es jetzt geschafft, dass von der Plattform bis zur Küste die Netzanbindung gut klappt. Aber von dort an gibt es ja praktisch einen Einspeisezwang; wenn allerdings keine Leitung da ist, kann nichts weitergeleitet werden. Wir können und dürfen nicht beliebig hohe Kosten per Erneuerbare-Energien-Gesetz erzeugen, wenn der Strom praktisch überhaupt nicht genutzt werden kann.

Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien sind neue Anforderungen an den Strommarkt verbunden. Er muss den wachsenden Anteil von Strom aus Sonne, Wind und Biomasse aufnehmen können. Unsere Planungszeiten, unsere Bauzeiten sind lang wir haben in diesen Tagen neue Daten zur Fertigstellung von bestimmten Energieleitungen gesehen, auch weil wir in einigen Bereichen Erdleitungen präferieren. Das war allerdings einer ernüchternden Abwägung geschuldet, ob Gerichtsverfahren bei Klagen länger dauern als lange Bauzeiten bei der Erdverkabelung. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass es zum Schluss schneller geht, wenn man sich nicht bei jeder Leitung durch alle Instanzen durchklagen muss. Trotzdem müssen wir schauen, wie wir schneller werden.

Die gesamte Frage der Verknüpfung schlägt sich dann auch im Strommarktgesetz nieder. Wir müssen auch die Frage der Versorgungssicherheit beantworten. Hierbei haben wir uns entschieden, in begrenzter Weise Reserven zur zusätzlichen Absicherung vorzuhalten. Auch bei dieser Frage wurden immer wieder harte Kämpfe ausgefochten. Unser Strommarktgesetz sieht die schrittweise Stilllegung von Braunkohlekraftwerken mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt vor. Sie werden zunächst für vier Jahre in eine Sicherheitsbereitschaft überführt und dann endgültig stillgelegt. Das ist ein wichtiger Beitrag, um einerseits Klimaziele zu erreichen und auf der anderen Seite Versorgungssicherheit sowie eine gewisse Abpufferung bei dem zu erreichen, was Energieversorger durch den Wandel zu stemmen haben.

Es wird nicht nur eine Kapazitätsreserve geben, sondern es wird auch eine Netzreserve geben. Diese spielt wiederum eine zentrale Rolle, um eine zuverlässige Stromversorgung in Süddeutschland zu gewährleisten. Ich sprach schon über die zusätzlichen Kosten; diese liegen im Augenblick bei über einer Milliarde Euro, weil der Netzausbau nicht Schritt gehalten hat mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Hierbei geht es um Übertragungsnetze.

Oft unterschätzt wird die Frage der Verteilernetze. Auch hierbei brauchen wir Anpassungen, denn der Großteil der dezentral erzeugten Strommengen aus erneuerbaren Energien muss von den Verteilernetzen aufgenommen werden. Wir haben in der letzten Woche im Bundeskabinett die Neufassung der Verordnung zur Anreizregulierung beschlossen. Die Betreiber von Verteilernetzen sollen die für die Energiewende notwendigen Investitionen vornehmen und zeitnah refinanzieren können. Dabei setzen wir verstärkt Anreize für möglichst effiziente Investitionen. In Zukunft werden wir auch Besonderheiten besser berücksichtigen können zum Beispiel den unterschiedlichen Ausbaubedarf von Netzen auf dem Land und in der Stadt.

Am Ende jedes Verteilernetzes steht der Verbraucher. Er ist auch in die Energiewende einbezogen. Anstelle des passiven Konsumenten, der Energie zum Einheitspreis bezieht, tritt der bewusste Energienutzer, der seinen Verbrauch mithilfe digitaler Technologien kontrolliert und steuert. Dennoch sind auch Zweifel angebracht, was selbstbewusstes Verbraucherverhalten anbelangt. Wir hatten neulich den estnischen Ministerpräsidenten zu Gast, der uns erzählt hat, wie Estland von verschiedensten digitalen Möglichkeiten Gebrauch macht. Bei uns hingegen überwiegt zumeist die Frage, was zum Beispiel der Versorger über mein Verhalten zu Hause weiß also die Frage des Datenschutzes gegenüber der Frage, welchen Nutzen ich von digitalen Möglichkeiten habe. Ich glaube, wir müssen in Deutschland noch ein bisschen mehr die Chancendiskussion führen, statt uns zu sehr auf die Risikodiskussion zu konzentrieren.

Also, die sogenannten Smart Meter sind nicht als neueste Attacke des Staates auf den Kunden zu verstehen, sondern als intelligente, kommunikationsfähige Stromzähler zu belobigen, die man endlich zu Hause haben will. Es ist ja unstrittig, dass wir dadurch Angebot und Nachfrage flexibler zusammenführen können also Erzeugung, Verteilung und Verbrauch von Strom besser aufeinander abstimmen können. Das ist dann genau das, was wir wollen, wenn wir von Energieeffizienz sprechen. Die Effizienzgewinne, die wir noch machen können, sind natürlich immer besser, als wenn man überhaupt erst einmal Strom erzeugen muss. Alles, was man nicht erzeugen muss, ist ein mit Blick auf Nachhaltigkeit sinnvolles Verhalten. Deshalb muss Energieeffizienz sozusagen eine neue Säule im gesamten Versorgungsbereich werden.

Deshalb haben wir einen Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz entwickelt. Viele Maßnahmen sind bereits umgesetzt, viele brauchen auch ihre Zeit, um sich durchzusetzen. Die Energieeffizienz-Netzwerke zum Austausch von Unternehmen sind gut angelaufen. Sie dienen dazu, sich gegenseitig beim Festlegen und Umsetzen konkreter Einsparziele zu unterstützen. Wir haben gerade erst das Förderprogramm "STEP up!" gestartet. Es richtet sich an Betriebe aller Branchen. Über wettbewerbliche Ausschreibungen sollen die Maßnahmen mit den höchsten Einsparungen pro Euro Förderung ermittelt werden; und dann bekommen diese Projekte den Zuschlag. Ich möchte auch das Projekt erwähnen, das unter dem Motto "Deutschland macht ' s effizient" läuft. Das ist eine breit angelegte Informationsoffensive rund um das Energiesparen einschließlich Fragen der Förderung. Ob Unternehmen, Kommunen oder Privathaushalte Adressat dieser Informationskampagne ist im Grunde jeder. Das Gelingen der Energiewende, so ist auch der Grundgedanke, hängt ja auch von jedem Einzelnen ab.

Meine Damen und Herren, unser Handeln auf nationaler Ebene ist als Teil des europäischen und internationalen Engagements zu sehen. Ich weiß nicht, was der Kommissar gesagt hat, ob er über die Klagen unserer Nachbarländer gesprochen hat, die manchmal der Meinung sind, wir gehen einen zu eigensinnigen Weg. Wenn es aber um die Verteilung von CO2 -Einspartonnen geht, dann findet man es immer ganz toll, dass Deutschland ehrgeizige Klimaziele hat. Wenn es hingegen um die Frage geht, wie man es findet, dass wir unsere erneuerbaren Energien sehr schnell ausbauen, ist die Begeisterung nicht ganz so groß. Aber beim Burden-Sharing innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union werde ich daran erinnern, wie gerne wir da in Anspruch genommen werden, um gute Ziele auf europäischer Ebene einzugehen.

Die Agenda 2030 ich will daran nochmals erinnern steht unter dem Titel "Transformation unserer Welt". Das ist im Grunde mit Ihrem Motto "Change" vergleichbar, nur dass wir das irgendwie noch auf Deutsch übersetzt haben. Wir haben künftige Generationen im Blick. Was Ihren Verband anbelangt, so sind Sie ja sozusagen zweifach dabei, indem Sie zum einen Energiefragen und zum anderen Wasserfragen in den Blick nehmen, die in Deutschland angesichts aktueller Diskussionen vielleicht ein bisschen im Schatten zu sein scheinen, die aber weltweit extrem sensible Fragen sind und ganz klar mit dem Klimawandel verknüpft sind. Wenn wir uns etwa nur an die Trockenheit in vielen afrikanischen Staaten erinnern, dann wissen wir, dass auch das eine Fluchtursache ist, die es zu bekämpfen gilt. Es war im Grunde ziemlich weitsichtig, dass Sie mit Ihrer Verbandskonstruktion Energieversorgung und Wasserversorgung zusammen betrachten.

Wir werden Ihnen weiter Wandel zumuten; daran geht kein Weg vorbei. Wir müssen aber schauen, dass diejenigen, die die Grundversorgung sichern, nicht zusammenbrechen unter den Lasten, die sich aus der Energiewende ergeben. Gleichermaßen müssen wir dafür Sorge tragen, dass nicht manch einer zu sehr vom Ausbau der erneuerbaren Energien profitiert. Sozialverträglichkeit wird wichtig sein. Wenn Sie als Verband auch Ihren Teil dazu tun, Menschen zu überzeugen, dass wir für die Energiewende, die im Grundsatz sehr populär ist, auch irgendwie auf absehbare Zeiten noch eine Leitung brauchen, um Strom zu transportieren, dann bin ich Ihnen sehr dankbar. Man kann es zwar durch Induktion schaffen, ganz geringe Übertragungen ohne Leitung vorzunehmen, aber bis wir damit Hunderte von Kilometern überbrücken, vergeht, glaube ich, noch ein bisschen Zeit um nicht zu sagen, das wird wahrscheinlich nicht möglich sein. Insofern wird die Leitung also weiterhin eine Hauptrolle spielen.

Ich wünsche Ihnen gute Beratungen. Herr Präsident und auch Herr Kapferer, halten Sie schön die unterschiedlichen Interessen zusammen. Ich stelle mir die Präsidentschaft und Geschäftsführung in so einem Verband ganz munter vor. Da ist eine Koalitionsregierung wahrscheinlich eine einfache Sache im Vergleich. Insofern wünsche ich Ihnen ein glückliches Händchen, viel Erfolg. Zusammen sind Sie stärker auch gegenüber der Politik. Daran sollten Sie immer denken. Alles Gute und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.